Bettina König

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Last Statements

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Beginn des Ausbildungsjahres, und das ist normalerweise für viele junge Menschen der Start in eine aussichtsreiche berufliche Zukunft. Doch dieses Jahr ist vieles anders. Viele junge Menschen schauen mit Sorge auf den Arbeitsmarkt. Es gibt Verunsicherungen sowohl bei den Betrieben als auch bei den Schulabgängern, denn der Arbeits- und damit auch der Ausbildungsmarkt sind durch die Coronapandemie schwer getroffen. Eine Konsequenz ist, es fehlen deutlich Ausbildungsplätze.
Das kann uns nicht kalt lassen, da bin ich voll bei Frau Dr. Jasper-Winter. Die junge Generation darf nicht der Verlierer der Coronakrise sein. Fehlende Ausbildungsplätze führen nicht nur zu Fachkräftemangel. Der Mangel hat auch tiefe, langfristige und persönliche Folgen für die jungen Menschen. Deshalb ist es absolut richtig, gerade jetzt die Sicherung der Ausbildung immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Wir müssen sicherstellen, dass auch in Zukunft jedem jungen Menschen ein Ausbildungsplatz zur Verfügung steht. Derzeit gibt es zwei große Gefahren auf dem Ausbildungsmarkt. Erstens gibt es die Gefahr, dass Betriebe aufgrund wirtschaftlicher
Probleme keine Ausbildungsplätze anbieten, und zweitens gibt es die Gefahr, dass Betriebe in Insolvenz gehen und Azubis die Ausbildung nicht beenden können.
Es gibt für beide Gefahren politische Möglichkeiten gegenzusteuern. Das wird bereits auch getan. Das kann bei Frau Dr. Jasper-Winter etwas zu kurz. Neben Hilfsprogrammen für Unternehmen wurden auf Bundesebene mit dem Programm „Ausbildungsplätze sichern“ ein eigener Schutzschirm für Ausbildung beschlossen. Dieser sorgt mit unterschiedlichen finanziellen Prämien und Zuschüssen für Unternehmen dafür, dass junge Menschen eben doch eine Ausbildung beginnen und sie auch zu Ende bringen können.
In Berlin hat der Senat zusätzlich die Platzzahl im Berliner Ausbildungsplatzprogramm, eine Variante der Verbundausbildung, verdoppelt. Auch an den Berufsfachschulen werden temporär zusätzliche Ausbildungsplätze angeboten. Da muss ich sagen: Wenn die Unternehmen nicht viel bieten, ist ein schulischer Ausbildungsplatz eben besser als gar keiner.
Es passiert also zum Glück schon einiges. Das Land Berlin hat auch in der letzten Woche einen Ausbildungskrisengipfel gemacht. Es soll beispielsweise ein Ausbildungshotel kommen. Es passiert einiges, um Azubis und ausbildende Unternehmen zu unterstützen. Wir fordern darüber hinaus noch, dass Landesunternehmen und der öffentliche Dienst ihr Angebot an Ausbildungsplätzen signifikant erhöhen. Wir haben in Berlin einen großen öffentlichen Dienst, der sehr viel auffangen und das auch dringend gebrauchen könnte.
Der vorliegende Antrag adressiert einen weiteren kleinen Baustein zur Ausbildungsplatzsicherung, aber eben einen Baustein, die Verbundausbildung.
Ich finde insbesondere den Vorschlag der FDP, bundesländerübergreifende Verbundausbildung leichter zu ermöglichen, gut. Nach meinen Gesprächen mit der Verbundberatung könnte ich mir sogar vorstellen, dass man sich hierbei bei der Verbundpartnersuche nicht einmal auf Berlin-Brandenburg beschränken müsste. Aber das sollten wir gemeinsam ob der Notwendigkeit, die Öffentlichkeitsarbeit auszubauen, gemeinsam im Ausschuss diskutieren.
Wichtig ist, dass wir gerade jetzt genau hinschauen, was auf dem Ausbildungsmarkt geschieht, dass wir als Politik Sicherheit geben, mit entsprechenden Maßnahmen ermutigen auszubilden, aber die Unternehmen auch nicht komplett aus der Verantwortung lassen, Ausbildungsplätze bereitzustellen.
Ich hoffe sehr, dass wir es so gemeinsam schaffen, allen jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu geben, denn dafür stehen die SPD und die Koalition. Jeder soll
(Dr. Maren Jasper-Winter)
die Möglichkeit haben, eine qualifizierte Ausbildung zu machen und einen Beruf zu erlernen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt klingt so trocken, er ist es aber nicht, denn es geht hier um etwas ganz Konkretes. Es geht um die Arbeitsbedingungen bei unseren Landesunternehmen, genauer: um die Arbeitsbedingungen der Therapeutinnen und Therapeuten bei Vivantes Therapeutische Dienste GmbH und der Vivantes Ambulante Krankenpflege GmbH. Das ist heute definitiv ein guter Tag, und das freut mich sehr. Mit der heutigen Zustimmung zur Verschmelzung dieser beiden Tochterunternehmen auf die Vivantes-Muttergesellschaft haben wir nämlich wichtige Ziele erreicht. Das Ziel, eine Kehrtwende weg vom Outsourcing einzuleiten, das Ziel, die Therapeutinnen und Therapeuten sowie die Pflegekräfte bei Vivantes zurück ins Mutterhaus zu holen und damit zu besseren Bedingungen, nach Tarif, zu bezahlen und zu beschäftigen, sowie das Ziel eines Mentalitätswechsels im Umgang mit unseren Beschäftigten.
(Präsident Ralf Wieland)
Ich weiß, wie wichtig diese Entscheidung ist, insbesondere natürlich für die Betroffenen, denn es macht einen Riesenunterschied: Sie werden nach Jahren der Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen der Vivantes Muttergesellschaft endlich auch nach TVöD bezahlt. Das bedeutet für eine Physiotherapeutin ein Plus von mehreren 100 Euro pro Monat. Wir sorgen damit dafür, dass dort, wo das Land Berlin Eigentümer ist, zu fairen Arbeitsbedingungen gearbeitet wird. Wir wollen, dass Tarifverträge und nicht Entgeltgrundsätze die Grundlage von Arbeitsverträgen und Entlohnung sind.
Bereits im Nachtragshaushalt 2018 hatte das Abgeordnetenhaus diese Rückeingliederung beschlossen. Die Umsetzung gestaltete sich dann nicht ganz einfach. So war 2019 weiterhin mit vielen Unsicherheiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden, ob die Ungerechtigkeit endlich aufgelöst wird, dass es Beschäftigte mit gleicher Tätigkeit, aber unterschiedlichen Arbeitsbedingungen gab. Wir als rot-rot-grüne Koalition haben Verlässlichkeit und den Willen zur Veränderung gezeigt. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben zum
1. Januar Arbeitsverträge mit Vivantes erhalten und werden seitdem nach TVöD bezahlt. Hier haben wir eine Gerechtigkeitslücke geschlossen.
Der rot-rot-grünen Koalition ist das ein wichtiges Anliegen, die Arbeitsbedingungen gerade auch im Gesundheitswesen weiter zu verbessern. Das sind die Berufe, die dringend mehr Anerkennung brauchen. Die Rückführung ist daher ein erster wichtiger Schritt.
Aber wir haben noch einige weitere Töchter bei Vivantes und bei der Charité. Wir haben die VSG und die Vivantes-Reha, um hier nur einige zu nennen, und wir haben die CFM. Den CFMlern möchte ich ausdrücklich noch mal dafür danken, dass sie mit Beginn der Coronakrise ihren Streik unterbrochen und damit Verantwortung für ihre Stadt und ihr Krankenhaus gezeigt haben. Es ist an der Zeit, auch hier ganz konkret Perspektiven aufzuzeigen, wie es für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich ihrer Vergütung weitergehen soll.
Ohne diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter all dieser Töchter kann kein Krankenhaus funktionieren. Das hat die Coronapandemie gerade sehr deutlich gezeigt. All diese Beschäftigten haben in den Krankenhäusern ihren wichtigen Beitrag geleistet. Sie sind Teil ihrer Krankenhäuser. Sie gehören dazu. Und diese Zugehörigkeit muss sich auch in den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung widerspiegeln.
In dem Zusammenhang möchte ich auch noch kurz daran erinnern, dass die rot-rot-grüne Koalition im April die Erhöhung des Landesmindestlohns auf 12,50 Euro beschlossen hat. Auch damit wird sehr deutlich: Rot-RotGrün steht für gute Arbeitsbedingungen, und gute Arbeitsbedingungen erwarte ich persönlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Töchter unserer Landesunternehmen. Schön, dass wir uns hier auf den Weg gemacht haben! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat: Zum 1. Januar wurden die Therapeuten der CPPZ zurück in die Charité geholt – und erfreulicherweise in den TVöD. Wie wird jetzt bei den ehemaligen Beschäftigten der CPPZ bei ihrer jetzigen Überleitung in den TVöD die einschlägige Berufserfahrung zum Zeitpunkt ihrer Einstellung in die CPPZ berücksichtigt?
Danke für diese Information! – Ich würde gerne nachfragen, wie es bei Vivantes aussieht. Da haben wir ja die gleiche Situation, dass nämlich die Therapeuten der VTD zurückgeführt werden. Wie wird dort mit den ein
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
schlägigen Berufserfahrungen in der Eingruppierung umgegangen?
Herr Präsident! Ich frage den Senat: Letzten Dezember haben wir mit dem Nachtragshaushalt beschlossen, dass die Rückeingliederung der Töchter CPPZ in die Charité, VTD und Vivantes Ambulante Krankenpflege in die Vivantes-Mutter auf den Weg gebracht werden soll. Wie ist da jetzt der Stand der Dinge?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP spricht mit dem Fachkräftemangel ein wichtiges Thema an, allerdings recht allgemein. Als Lösung schlägt
die FDP eine Stärkung der Aufstiegsfortbildung vor. Der Fachkräftemangel hat aber viele Ursachen, und ihn zu bekämpfen, erfordert entsprechend viele und verschiedene Maßnahmen. Dabei ist es sinnvoll, an der Wurzel des Problems anzusetzen: Diese liegt in den fehlenden Ausbildungsplätzen. Auch dieses Jahr gab es in Berlin wieder zu wenig Ausbildungsplätze. Das ist eine der Hauptursachen für den Fachkräftemangel: Es wird zu wenig ausgebildet. Zudem entscheiden sich zu wenige Jugendliche für eine duale Ausbildung. Das sollte in diesem Zusammenhang nicht unter den Tisch fallen. Denn dem Fachkräftemangel begegnet man nicht in erster Linie mit der Förderung von Aufstiegsqualifizierung. Ein potenzieller Meister ist bereits Geselle – und damit eine Fachkraft. Wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, dass wir die Leute in Ausbildung bekommen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Dem Anliegen der FDP, die berufliche Bildung mit der Hochschulbildung gleichzusetzen, stimme ich aber zu. Ich begrüße das generelle Ansinnen, die Meisterfortbildung finanziell zu erleichtern, allerdings nicht, weil ich das für den Königsweg gegen den Fachkräftemangel halte, sondern deshalb, weil ich es für eine staatliche Aufgabe halte, Bildung von der Kita über die Schule, die Ausbildung, das Studium und die Meisterfortbildung kostenfrei zu gestalten. Das schließt die berufliche Bildung ausdrücklich mit ein. Diese hat einen höheren Stellenwert verdient. Eine stärkere finanzielle Förderung oder Unterstützung kann die Aufstiegsqualifikation natürlich attraktiver machen. Ich denke, wir sind bereits auf einem guten Weg, dem Anspruch der kostenfreien Bildung gerecht zu werden. In der Kita und in der Universität funktioniert das schon sehr gut, und auch bei der Aufstiegsqualifikation unterstützen bereits diverse Förderinstrumente wie das Aufstiegs-BAföG oder die Meistergründungsprämie, die es in Berlin gibt, die Bildungsanstrengungen vieler, vieler Menschen in dieser Stadt. Übrigens: Die Fördersätze des Aufstiegs-BAföG wurden im Rahmen der letzten BAföG-Reform zum 1. August erhöht. Dafür hatten wir uns starkgemacht. Weitere Verbesserungen werden gerade im Hause und im Bundesministerium für Bildung und Forschung vorbereitet; diese werden im nächsten Jahr kommen. Damit setzt die Bundesregierung eine zentrale Forderung der SPD um.
Genau hier müssen wir auch ansetzen, liebe FDP! Denn zur Wahrheit gehört – Sie haben es auch gesagt, Frau Jasper-Winter –: Die wirklich hohen Kosten in der Qualifizierung sind die Lehrgangs- und nicht die Prüfungsgebühren. So betragen die Prüfungsgebühren 740 Euro, aber gleichzeitig muss beispielsweise ein angehender Elektrotechnikmeister etwa 7 100 Euro für einen Vorbereitungskurs zahlen. Um hier zu entlasten, muss man beim Aufstiegs-BAföG ansetzen und diese Regelungen noch weiter verbessern oder vielleicht über eine Meisterprämie statt einer Meistergründungsprämie diskutieren, also die
(Dr. Maren Jasper-Winter)
vorhandenen Förderinstrumente stärken – auch, um nicht in die Gefahr der Mehrfachförderung zu geraten.
Neben den Gebühren ist die fehlende Zeit ein sehr, sehr großes Problem: die fehlende Zeit für Weiterbildungswillige. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen lassen ihre Leute in den konjunkturell guten Zeiten nicht unbedingt zurück an die Schulbank.
Nein!
Die Auftragsbücher vieler Unternehmen sind voll und müssen abgearbeitet werden. Da wird einfach jede Hand gebraucht. Das wird aber ohne Frage langfristig zu einem Problem. Bis 2030 werden zahlreiche Angestellte in Rente gehen, und dann stehen in den Betrieben nicht ausreichend qualifizierte Nachfolger und auch zu wenig Ausbilder zur Verfügung. Deshalb muss Weiterbildung in der gesamten Gesellschaft einen hohen Stellenwert erhalten. Die SPD will auch deswegen bundesweit ein Recht auf Weiterbildung etablieren. Nur so können sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gerade auch in den tarifungebundenen Unternehmen in ihrem Wunsch auf Weiterbildung gegenüber ihrem Arbeitgeber emanzipieren.
Zurück zum vorliegenden Antrag: Neben den eben genannten generellen Einwänden stören mich drei Punkte: Erstens bleibt mir der Antrag zu oberflächlich. Was heißt denn, der Senat soll von den Kosten entlasten? Soll der Senat die Gebühren übernehmen? Oder soll er auf die Handwerkskammer einwirken, die Gebühren nicht mehr zu erheben? Was genau stellen Sie sich hier vor? – Zweitens: Die so entstehenden Kosten werden von der FDP nicht weiter beziffert. Drittens geht es Ihnen hier ausschließlich um die Meisterprüfungen. Offen bleibt jedoch, was mit anderen Fortbildungsprüfungen passieren soll, etwa derjenigen zum Betriebswirt oder zum Gebäudeenergieberater.
Sie sehen also, dass noch viele Fragen offen sind. Diese zu klären, ist eine wichtige und auch lohnende Aufgabe, an der wir uns gerne beteiligen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie ist der Stand der Umsetzung der Rückführung der beiden Tochtergesellschaften „Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum“ in die Charité und „Vivantes Therapeutische Dienste“ in den Vivantes-Mutterkonzern?
Ist denn auch sichergestellt, dass die Rückführungen bei beiden Unternehmen zu keinem Leistungsabbau und damit auch nicht zum Stellenabbau führen werden?
(Präsident Ralf Wieland)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine gute Ausbildung ist für den weiteren Lebensweg eines jungen Menschen von allergrößter Bedeutung. Sie entscheidet darüber, ob man eine sichere berufliche Zukunft haben kann und ob man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Letztlich entscheidet sie auch darüber, wie hoch das Risiko sein wird, arbeitslos zu werden.
Unser Ziel ist es, dass jeder junge Mensch eine gute Ausbildung bekommt. Kein Jugendlicher oder junger Erwachsener soll ohne Berufsabschluss bleiben.
Wir setzen dabei auf die Ausbildung in den Betrieben, die von der Berufsschule flankiert wird, also die sogenannte duale Ausbildung. Das ist das Modell, mit dem wir in Deutschland seit Jahrzehnten sehr erfolgreich sind, und in vielen anderen Ländern betrachtet man das als Vorbild.
Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass dieses Modell auch in Zukunft funktioniert. Darum ist es wichtig,
bestehende Probleme zu beseitigen. Die gibt es auch in Berlin. Auf der einen Seite fehlen Ausbildungsplätze. 6 700 unversorgte Bewerber standen in Berlin zum 1. September dieses Jahres 5 700 offenen Ausbildungsplätzen gegenüber.
Auf der anderen Seite fehlen in vielen Branchen aber ausreichend Bewerber. Ausbildungsplätze können nicht besetzt werden, und das verstärkt den Fachkräftemangel. Die duale Ausbildung steht zunehmend in Konkurrenz zum Studium, und es gibt Probleme mit der Ausbildungsqualität. In manchen Betrieben werden Auszubildende zu wenig gefördert, mitunter schlicht ausgebeutet. Darauf gehen die vorliegenden Anträge leider überhaupt nicht ein.
Die gute wirtschaftliche Entwicklung in Berlin wird sich nur fortsetzen, wenn wir gut ausgebildete Fachkräfte haben. Wir brauchen Krankenschwestern und Krankenpfleger, wir brauchen Installateure und Installateurinnen, und wir brauchen Elektronikerinnen und Elektroniker. Wenn wir wollen, dass Menschen sich für diese Berufe entscheiden, dann muss die Ausbildung attraktiv sein, dann müssen die Ausbildungsbedingungen stimmen. Junge Menschen wollen in der Ausbildung angemessen bezahlt und wertschätzend behandelt werden sowie gute Berufsperspektiven haben. Das sind Kriterien, nach denen sie ihre künftigen Berufe auswählen.
Die Anreize, eine duale Ausbildung zu absolvieren, müssen also verbessert werden. Imagekampagnen helfen da nicht weiter. Es geht um wirklich harte Fakten. Das fängt bei der Bezahlung an. Bei den in den Tarifverträgen vereinbarten Ausbildungsvergütungen gibt es regional doch sehr große Unterschiede. In Berlin bekommt man als KfzMechatroniker im dritten Lehrjahr zum Beispiel
690 Euro, in Baden-Württemberg hingegen 956 Euro. Und wenn ein Betrieb überhaupt keinen Tarifvertrag hat, dann liegen die Gehälter der Azubis oftmals noch weit unter diesem Niveau. Eine gesetzlich festgelegte Mindestausbildungsvergütung wäre darum ein wichtiger Schritt, um für mehr Gerechtigkeit und Sicherheit für die Auszubildenden zu sorgen.
Neben dem Geld zählt aber natürlich auch die Qualität einer Ausbildung. Wie sind denn die Arbeitszeiten, und was ist mit Überstunden? Dominieren ausbildungsfremde Tätigkeiten die Ausbildung? Wie sieht die konkrete Betreuung durch den Ausbilder im Betrieb aus? Wie ist die technische Ausstattung? Werden Perspektiven für die Zeit nach der Ausbildung angeboten? Wenn ich im Ausbildungsreport des DGB lese, dass über die Hälfte der Azubis auch nach Feierabend erreichbar sein muss und mehr als ein Drittel regelmäßig Überstunden leisten muss, dann kann von guter Ausbildung keine Rede sein.
(Tommy Tabor)
Dann wundert es mich auch nicht, wenn das Interesse an einer dualen Ausbildung abnimmt und ein Schüler sich vielleicht für die schulische Ausbildung entscheidet.
Weitere Zielgruppen für die duale Ausbildung müssen und können angesprochen werden. Um auch mehr leistungsstarke Schüler oder Studienabbrecher für die duale Ausbildung zu gewinnen, kann die Ausbildung zum Beispiel durch integrierte Auslandsaufenthalte oder eine Fremdsprachenförderung attraktiver gestaltet werden. Es würden sicher auch mehr Studienabbrecher den Weg in die duale Ausbildung finden, wenn Studienleistungen in der dualen Ausbildung angemessen angerechnet werden würden.
Nein!
In Berlin passiert schon eine Menge, um mehr Menschen in eine Ausbildung zu bringen. Beispielhaft seien hier nur die Jugendberufsagenturen, berufsqualifizierenden Bildungsgänge und intensive Berufs- und Studienorientierungen in den Schulen genannt. Die vorliegenden Anträge ignorieren die bestehenden Strukturen und die guten Konzepte und Modellprojekte, die sich längst in der Umsetzung befinden, leider völlig und sind ein recht willkürliches Sammelsurium. Damit allein wird man dem komplexen Thema der dualen Ausbildung nicht gerecht und macht sie weder zukunftsfester noch qualitativ hochwertiger. Viele der genannten Punkte werden in Berlin schon umgesetzt oder wurden nach intensiver Diskussion aus guten Gründen verworfen. Die von mir genannten Probleme kommen in den Anträgen zu kurz. Aber: Als Anlass, um für duale Ausbildung zu werben, erneut alle Beteiligten an ihre Verantwortung zu erinnern und tatsächlich die bestehenden Probleme anzugehen, sind sie willkommen und Anlass, uns in den Ausschüssen erneut intensiv mit der dualen Ausbildung zu beschäftigen. Das werden wir tun!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die Aktion „Berlin brennt“ der Berliner Feuerwehr, und wie gedenkt er, mit den Forderungen der Aktion wie faire Arbeitsbedingungen, mehr Personal und angemessene Ausstattung umzugehen?
Danke für die ausführliche Erläuterung, über die ich mich zumindest sehr gefreut habe.
Herr Senator! Sie waren, glaube ich, auch mehrfach bei der Aktion vor Ort und führen Gespräche. Ich würde jetzt nur noch gerne wissen: Wie sehen Sie den Zeithorizont? Wann wird man dieses Paket erfolgreich auch schriftlich vereinbaren können?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal sind es die Details, die einen großen Unterschied machen.
So ist es zum Beispiel ein riesiger Unterschied, ob jemand einen sicheren oder einen unsicheren, einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag hat,
denn: Es hat Einfluss auf fast alles im Leben, wenn die eigene Arbeit als gefährdet empfunden wird. Es hat Einfluss darauf, ob und wann man sich entscheidet, Kinder zu bekommen. Es hat Einfluss darauf, ob man optimistisch in die Zukunft blicken kann. Es hat Einfluss darauf, wie viel und was man konsumiert, und es hat Einfluss darauf, wie viel Sicherheit und Gelassenheit man seinen eigenen Kindern vermitteln kann. Weil das alles so ist und mittlerweile 45 Prozent der neu eingestellten Beschäftigten nur noch befristet angestellt werden, ist es richtig und wichtig, die befristete Beschäftigung einzuschränken.
Es ist ein großer Schritt für die vielen Betroffenen und ein großer Schritt hin zu einer Gesellschaft, in der sich die Menschen sicherer und aufgehoben fühlen können, hin zu einer Arbeitswelt, in der nicht die Flexibilität von
(Dr. Turgut Altug)
Unternehmen an erster, an wichtigster Stelle steht, sondern die Menschen an erster und wichtigster Stelle stehen. Genau deshalb setzt sich die Sozialdemokratie dafür ein, die sachgrundlose Befristung grundsätzlich und komplett abzuschaffen.
Uns ist klar, dass wir das nicht in diesem Haus können, sondern dass wir das im Deutschen Bundestag durchsetzen müssen. Aber auch wir hier haben die Möglichkeit, einen Beitrag zu diesem längst überfälligen Schritt zu leisten, und wir tun es jetzt.
Das Land Berlin ist Arbeitgeber von vielen Tausend Menschen, und es ist eine beschämende Wahrheit, dass ein erheblicher Anteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch unter der Unsicherheit befristeter Arbeitsverhältnisse leidet. Hier können wir handeln, und hier müssen wir handeln. Darum ist es gut, dass wir heute beschließen werden, sachgrundlose Befristung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes im öffentlichen Dienst, in den Landesunternehmen sowie in den Töchterunternehmen auszuschließen. Gerade in einigen Töchterunternehmen – ich möchte hier nur CFM oder Vivantes Therapeutische Dienste nennen – ist es bisher nicht unüblich, Angestellte sachgrundlos zu befristen. Das wollen wir so nicht. Ich bin sicher, dass sich der Senat zügig daranmachen wird, den Beschluss umzusetzen; wir werden das sehr aufmerksam begleiten.
Auch wenn das nur ein erster Schritt hin zu besseren Arbeitsbedingungen ist, so ist es ein wichtiges Signal, das weit über Berlin hinaus vernommen werden wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Mindestlohn erinnern. Auch hier waren wir in Berlin Vorreiter und haben über das Vergabegesetz einen Mindestlohn eingeführt, der seitdem für alle Unternehmen gilt, die von Aufträgen des Landes profitieren wollen. Mittlerweile gibt es einen allgemeinen Mindestlohn, der in ganz Deutschland gilt. Die Wirtschaft ist im Übrigen nicht davon zusammengebrochen, obwohl Arbeitgeberverbände und Unternehmen dies im Vorfeld lautstark verkündeten.
Ich wünsche mir, dass es bei der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ähnlich laufen wird – Berlin als Vorbild für den Bund. Wir Sozialdemokraten werden uns jedenfalls weiterhin an jeder Stelle, in jedem Parlament dafür einsetzen, dass Menschen sichere, gute und verlässliche Arbeitsplätze haben.
Auch das Land Berlin als Arbeitgeber hat da noch weitere Hausaufgaben zu erledigen, bis wir überzeugend für gute Arbeit in jeglicher Hinsicht stehen können. Wir sind aber auf dem richtigen Weg. Wir werden die Menschen mit diesem Antrag vor unnötigen Unsicherheiten schützen.
Wir wollen, dass die Risiken nicht mehr einseitig auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Ich freue mich, dass es in Berlin eine Koalition gibt, die den Mut und die Kraft für diesen Schritt hat. Wir sind beim Thema gute Arbeitsbedingungen in Landesverantwortung im ersten Jahr Rot-Rot-Grün einen guten Schritt vorangekommen. Wir zeigen den Berlinerinnen und Berlinern, dass wir Wort halten und gemeinsam das Leben in dieser Stadt tatsächlich besser und gerechter machen, damit mehr Menschen in unserer Stadt optimistisch in die Zukunft blicken können. Wer für das Land Berlin arbeitet, tut dies künftig, wo immer es geht, mit sichereren Perspektiven, und das ist gut so. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat: Welche Handlungsmöglichkeiten hat der Berliner Senat, den von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Air Berlin Perspektiven zu eröffnen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wollen, dass Menschen sichere, verlässliche und gute Arbeitsbedingungen haben. Dazu gehört, dass wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes Berlin gute Entwicklungsperspektiven bieten und, wo immer das möglich ist, einen unbefristeten Arbeitsvertrag, denn befristete Arbeitsverhältnisse sind das Gegenteil von guten Arbeitsbedingungen.
Befristete Arbeitsverhältnisse bedeuten immer eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen und ihre Familien. Es ist kein gutes Gefühl, nicht zu wissen, wie lange man noch über ein Einkommen verfügt, wie es weitergeht. Man fühlt sich unsicher und ohnmächtig, wenn man das eigene Leben nicht planen kann. – Woher ich das weiß? Weil ich das alles selbst erlebt habe. Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich weiß noch, wie es sich anfühlt, nur befristet angestellt zu sein: ein halbes Jahr hier, dann anderthalb Jahre woanders, dann zwei Mal hintereinander wieder ein Jahr woanders – fast immer ohne Sachgrund befristet. Das waren vier Jahre voller Unsicherheit, Existenzängsten und Zweifeln, in denen ich mich ständig auf dem Prüfstein fühlte und mein Leben nicht länger als ein paar Monate im Voraus planen konnte. – Wir finden, um solche mit Befristungen verbundene Belastungen für Arbeitnehmer überhaupt zu rechtfertigen, ist das Vorliegen eines Sachgrundes zwingend erforderlich.
Solche Gründe gibt es durchaus: zum Beispiel bei einer Elternzeitvertretung oder einem zeitlich begrenzten Projekt, bei dem die Arbeitsleistung kurzzeitig benötigt wird. Das ist alles im Teilzeitbefristungsgesetz geregelt. Nicht akzeptabel ist aber, dass pauschal mehr oder weniger alle Verträge neueingestellter Arbeitnehmer erst einmal auf zwei Jahre befristet werden, dass damit die gesetzlich vorgesehene sechsmonatige Probezeit ausgehebelt wird, dass damit der Kündigungsschutz umgangen wird und dass damit betriebliche Mitbestimmung erschwert wird.
Allein, wenn man sich das Wort auf der Zunge zergehen lässt: „sachgrundlose Befristung“! Das bedeutet, dass man jemanden nur befristet anstellt, obwohl es für die Befristung gar keinen Grund gibt. Einfach so, weil es einfacher, bequemer und risikoärmer ist – das sind nämlich die Gründe dafür – und weil es sich irgendwie etabliert hat. Einfach, weil das Gesetz es ermöglicht, die Risiken der Unternehmen auf die Mitarbeiter zu schieben! Das muss endlich beendet werden.
Wir wollen, dass alle Arbeitnehmer sichere und gute Perspektiven haben. Wir wollen, dass die Belastung durch Befristungen so wenigen Arbeitnehmern wie möglich zugemutet wird.
Ich habe mich vor Kurzem mit Angestellten der Vivantes Therapeutische Dienste getroffen, einer hundertprozentigen Tochter eines Landesunternehmens. Eine Mitarbeiterin erzählte, dass sie zwei Jahre zwar bei Vivantes direkt, also im Mutterunternehmen, aber sachgrundlos befristet angestellt war. Nach Auslaufen der Befristung wurde ihr ein Vertrag in der inzwischen ausgegründeten Tochter angeboten – mit 600 Euro weniger Monatsgehalt. Sie sagte: Ich hatte keine Wahl. Was soll ich denn tun? Ich musste das annehmen. – Sie macht jetzt die gleiche Arbeit wie vorher, nur für wesentlich weniger Geld. Eine andere Mitarbeiterin erzählte, dass ihr Vertrag zwei Mal, jeweils für ein Jahr sachgrundlos befristet wurde, und jedes Mal wurde ihr erst wenige Tage vor Auslaufen des Vertrags gesagt, wie es eigentlich weitergeht. – Ganz ehrlich, ich wusste nicht, was ich diesen Frauen als Rechtfertigung sagen sollte. Ich habe mich in diesem Moment geschämt – ich habe mich geschämt, dass wir so rücksichtslos mit Angestellten des Landes Berlin umgehen. Wertschätzung und Anerkennung sieht anders aus.
Das sind keine Einzelfälle. Gerade in den Töchterunternehmen sind die Zahlen sachgrundloser Befristungen nicht unerheblich. Als Beispiel: In den Töchterunternehmen von Vivantes sind 570 von 625 Befristungen sachgrundlos – 570 Menschen und ihre Familien, die im Ungewissen gehalten werden, 570 Menschen, die hart arbeiten und sich trotzdem Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Damit muss Schluss sein.
Deshalb wollen wir überall dort, wo das Land Berlin direkt oder indirekt als Arbeitgeber Verantwortung trägt, die sachgrundlosen Befristungen abschaffen. Damit
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
werden wir für viele Menschen die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern.
Dass das Problem natürlich nicht nur im öffentlichen Dienst und den Landesunternehmen besteht, ist uns durchaus bewusst. Natürlich gibt es das auch in der freien Wirtschaft. Deshalb geht es uns auch um die Vorbildfunktion Berlins und das klare Signal: Uns ist es wichtig, dass die Menschen in Berlin gut und sicher arbeiten und leben können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie ordnet der Senat die aktuellen Entwicklungen bei der Vivantes-Tochter VSG und der Charité-Tochter CFM ein?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie konnte die Finanzierung des Sozialtickets im Nachtragshaushalt sichergestellt werden?