Martin Matz
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war jetzt selbstverständlich ein Beitrag zum Wahlkampf.
Das ist auch legitim. Ich habe allerdings nicht verstanden, was sich ändern würde, wenn die FDP Mitverantwortung tragen würde. In den Ländern, in denen sie das tut, ist für das Verhalten im Bundesrat nämlich allenfalls eine Enthaltung herausgekommen. Und als beantragt worden ist, die Anrufung des Vermittlungsausschusses vorzunehmen, haben diese Länder auch nicht zugestimmt. Das heißt, gemessen daran, was die FDP in den Landesregierungen, in denen sie vertreten ist, tatsächlich bewegen kann, haben Sie soeben ganz schön auf die Tube gedrückt.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 2007 ist bekanntlich keine Erfindung der SPD. Sie kann kurzfristig zu einer Delle im privaten Konsum führen. Diese Gefahr sehen wir sehr wohl. Übrigens haben Sie vor ziemlich genau einem Jahr dem Handelsblatt gesagt, dass man eine höhere Mehrwertsteuer nach einer gewonnen Bundestagswahl seriöserweise auch für die FDP nicht ausschließen könne. Das heißt, auch Sie haben damals gesehen, was wir heute alle sehen müssen – das vermute ich jeden
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Das weiß ich selbstverständlich. Nominal ist das so. Wir haben aber auch nominal die höchste Wirtschaftskraft aller Zeiten. Die Frage ist nur, wie sie sich real und im Verhältnis zueinander entwickelt. Da gilt die Zahl, die ich Ihnen soeben genannt habe. Es waren schon einmal 23 %, und heute sind es nur noch 20 %. Wir
haben die niedrigste Steuerquote seit langem in diesem Land. Sie ist auch niedriger als die von vergleichbaren Ländern, mit denen wir international in Konkurrenz stehen.
Ein Drittel der Steuereinnahmen der Länder stammt aus den Anteilen an der Umsatzsteuer. In Berlin ist dies noch etwas mehr, weil wir indirekt über den Länderfinanzausgleich in Abhängigkeit stehen, dass die anderen Länder auf ihre Steuereinnahmen kommen. Wenn diese anderen Länder keine Steuereinnahmen in ihre Kassen bekommen, können sie auch Berlin nicht helfen. Diese Hilfe brauchen wir jedoch.
falls hinter diesem Satz –, dass die öffentlichen Finanzen in einem schwierigen Zustand sind und dass eine Mehrwertsteuererhöhung dazu führen kann, die öffentlichen Finanzen ein Stück weit wieder in Ordnung zu bringen.
Alle Analysen von Mehrwertsteuererhöhungen, die mit Zustimmung der FDP zwischen 1969 und 1998 durchgeführt worden sind, haben im zweiten Jahr nach der Anhebung zu deutlich höherem Steueraufkommen geführt. Dieses Ziel wird also auch erreicht. Die öffentlichen Finanzen in Deutschland sind nun einmal in einem schlechten Zustand, und dies ist nicht nur – wie immer behauptet wird – dem Ausgabeverhalten zuzuschreiben, sondern es hat vor allem damit zu tun, dass die kassenmäßige Steuerquote in Deutschland gegenüber der Endphase der Regierung Kohl von 23 % der Wirtschaftskraft auf inzwischen nur noch 20 % gesunken ist. Das heißt, der Staat nimmt inzwischen auch weniger von dem ein, was erarbeitet wird.
Dies führt zu Problemen bei den öffentlichen Finanzen. Die öffentlichen Finanzen über die Mehrwertsteuer zu erhöhen, ist zwar nicht schön, wenn man sich jedoch Länder, mit denen wir in Konkurrenz stehen, anschaut, vielleicht gar nicht so absurd. Wir haben nämlich im internationalen Vergleich einen sehr niedrigen Steuersatz. Wenn Sie Länder wie Tschechien oder die Niederlande anschauen, so haben diese auch jetzt schon 19 %. Man kann aber auch Schweden, Ungarn oder Dänemark – wirtschaftlich erfolgreiche Länder – nehmen, die Umsatzsteuersätze von 25 % haben. Hier werden wir auch in Zukunft deutlich drunter bleiben.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist mit Sicherheit keine Idee der SPD. Sie werfen jedoch heute die Frage auf, ob sich ausgerechnet das Land Berlin bei der Ablehnung der Mehrwertsteuer an die Spitze der Bewegung setzen sollte.
Gern!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Öffentlicher Gesundheitsdienst klingt für viele nach verstaubten Amtsärzten, die wir eigentlich gar nicht mehr brauchten. Obwohl man auch Amtsärzte sehr wohl braucht, geht es hier um Themen, von denen ich einige nennen möchte, bevor wir in den üblichen Streit über dieses Gesetz eintreten. Lebensmittelkontrolle: Es ist überhaupt keine Frage, dass es sich dabei um eine Aufgabe handelt, der wir uns mit großer Intensität widmen müssen, wozu wir auch europäisch verpflichtet sind. Gesundheitsberichterstattung ist ein Bereich, in dem wir viele Informationen bekommen, und macht die gezielte Gesundheits- und Sozialpolitik in den Kiezen überhaupt erst möglich. Schuleingangsuntersuchungen braucht man nicht näher zu erläutern. Es ist klar, dass wir die benötigen. Präventionsarbeit, nicht zuletzt in den Kitas und Schulen, ist ebenfalls nötig. Tierseuchenbekämpfung, ein zwar völlig anderes Thema, aber auch das ein Bereich, über den wir angesichts der aktuellen Tierseuchen nicht lange diskutieren müssen. Der öffentliche Gesundheitsdienst wirkt außerdem mit beim Kinderschutz – auch dieses Thema ist in den letzten Monaten ausführlich debattiert worden.
Wir haben uns bemüht, den für diesen Bereich, der nahezu 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung ausmacht, vom Senat vorgelegten Gesetzentwurf dort zu verändern, wo wir es für nötig befunden haben. In der I. Lesung habe ich von dieser Stelle aus angekündigt, dass wir Veränderungen vornehmen werden und dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, die neu entstehende Struktur im öffentlichen Gesundheitsdienst auch personell zu sichern. Mittlerweile haben wir beides getan. Da der Senat Fragen der personellen und strukturellen Auswirkungen der Reform noch nicht bis zum Gesetzgebungsverfahren geklärt hatte, wollen wir auf diesem Thema die Hand behalten. Wir werden im Hauptausschuss in einigen Wochen – oder zumindest Monaten – das geplante bezirksübergreifende Steuerungssystem vorgelegt bekommen, und wir wollen auch wissen, wie die personalwirtschaftlichen Konsequenzen dieser Reform aus Senatssicht aussehen sollen.
Nach Jahren des ungeordneten Stellenwegfalls in den bezirklichen Gesundheitsämtern stellen wir mit der Reform des ÖGD wieder einen funktionsfähigen Dienst her, der sich auf seine Kernaufgaben neu ausrichtet. So entstehen beispielsweise an Stelle der nicht mehr für jeden Bezirk zu sichernden sozialmedizinischen und sexualgesundheitlichen Betreuung vier Zentren, die jeweils für drei Bezirke zuständig sein werden, die dann aber andererseits eine Größe mit einer funktionierenden Stellenausstattung haben. Gleichzeitig werden wichtige Bereiche vollständig von den Einsparungen ausgenommen, wie zum Beispiel die Lebensmittelkontrolle. Außeneinstellungen für die verbleibenden staatlichen Kernaufgaben werden in Zukunft wieder möglich sein. Das ist eine der Kon
sequenzen dieser Reform. Andere Aufgaben, die der Staat nicht selber erledigen muss, werden verstärkt durch Dritte in Gewährleistung übernommen werden.
Ein Änderungsantrag mit vielen Einzelpunkten ist beschlossen worden. Das Parlament hat sich sehr intensiv mit den Vorschlägen des Senats auseinander gesetzt und Verbesserungen vorgenommen, die Richtung stimmte ohnehin. Berlin erhält ein zeitgemäßes Gesundheitsdienstgesetz, das sowohl den knappen Finanzen als auch den gesundheitspolitischen Erfordernissen gerecht wird.
Herr Senator! Sie sprachen von der intensiven Begleitung durch den Senat. Hat denn die intensive Begleitung zu Zweifeln an der Professionalität des neuen Eigentümers geführt? Wenn man an die Bedeutung der Nalepastraße als Medienstandort denkt, so gibt es diese und jene Projektentwickler, welche, die sich in der Branche auskennen, und solche, die über diese Branchenerfahrung nicht verfügen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoffmann! Mir war nicht ganz klar, warum Sie in der heutigen Sitzung unbedingt über den Entwurf reden wollen, wo wir doch direkt vor einer Anhörung im Ausschuss für Gesundheit stehen und sicherlich auch nachher in der II. Lesung auf dieses neue Gesetz zurückkommen wollen. Nach Ihrer Rede ist es mir klar: Sie wollen die populistische Nummer, die Ihr Herr Freiberg angefangen hat, als er aus dem Lenkungsausschuss zum Reformprojekt ausgezogen ist, nun hier fortsetzen, und zwar ohne Rücksicht auf die Realitäten und auf das, was dieses Reformprojekt vorgesehen hat, und vor allem ohne Rücksicht darauf, dass es selbstverständlich eine Verantwortlichkeit der Bezirke gibt.
Dieser Gesetzentwurf respektiert, dass die Aufgabenerfüllung im Bereich der Gesundheitsämter in Berlin in erster Linie eine bezirkliche Aufgabe ist.
Da sind alle 12 Bezirke gefordert. Das gilt beispielsweise auch für den Bezirk Neukölln, wo Ihr Gesundheitsstadtrat Freiberg, der unter großem Tamtam aus den Gremien ausgezogen ist, die Verantwortung trägt. Die anderen Bezirke haben ihren sozialmedizinischen Dienst noch nicht aufgegeben, wie es der Bezirk Neukölln jetzt getan hat. Es ist nicht nur eine Frage, wie hoch die Zuweisungen sind, die die Bezirke in ihrer Globalsumme für den Gesundheitsdienst bekommen, sondern es ist dann auch eine Frage, was die Bezirksämter, wenn sie ihren Haushalt aufstellen, damit machen. Wir haben nun einmal dezentrale Haushalte in den Bezirken. Das ist auch richtig so,
aber das eröffnet leider auch die Möglichkeit, dass einzelne Bezirke nicht genügend Wert darauf legen, dass diese wichtigen Aufgaben, die der Gesundheitsdienst zu erfüllen hat, dann dort erfüllt werden.
Leider muss ich sagen, dass das in Neukölln so der Fall ist.
Sie haben auch gesagt, die Leiter der Gesundheitsämter seien total dagegen und das alles sei kein sinnvoller Entwurf. Es gab einen Fachbeirat. Das muss man bei der Struktur des Projekt einmal sagen. Es hat lange gedauert – das ist meine Kritik gegenüber der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz –, bis wir diesen Gesetzentwurf bekommen haben. Aber einen Vorteil hatte diese Projektstruktur: Über den Fachbeirat sind alle bezirklichen Gesundheitsämter in die Arbeit des Reformprojekts zu jeder Zeit einbezogen gewesen. Viele Anregungen aus dem Fachbeirat, in dem die Gesundheitsämter saßen, wurden aufgenommen.
Die Sozialraumorientierung hätte im Gesetz verankert werden sollen, sagen Sie. Erstens ist der Grundsatz selbstverständlich im Gesetz verankert. Aber Sie werden doch nicht im Ernst fordern, dass wir in diesem Bereich etwas tun, was wir in keinem anderen Landesgesetz tun, nämlich dass wir ein Steuerungsmodell, das genau beschreibt, welche Ressourcen in welchen Bezirk gehen, auf Gesetzesebene verankern. Das tun wir nirgendwo anders. Das wäre völlig unsystematisch. Da würden unsere Rechtspolitiker uns etwas pfeifen und sagen, dass das nicht in ein Gesetz gehört. Ein Steuerungsmodell muss außerhalb des Gesetzes beschrieben werden.
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ht erreicht.
Wir werden dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen, und zwar aus Verantwortung gegenüber der Gesundheit und der Gesundheitsvorsorge insbesondere der sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen in dieser Stadt.
Wir haben den Reformprozess mitgemacht und begrüßen grundsätzlich einige Ziele wie die stärkere sozialkompensatorische Ausrichtung der Arbeit und der Strukturen des ÖGD auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen, insbesondere auf Kinder und Jugendliche und Migrantinnen, und die Berücksichtigung der unterschiedlichen Sozialstruktur in den Berliner Bezirken. Auch die Schwerpunktsetzung auf Gesundheitsförderung, Prävention und die Stärkung der Sozialberichterstattung und -planung wird von uns begrüßt.
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Was uns der Senat hier aber als neuen Public-healthAnsatz verkauft, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Freibrief für willkürliche Kürzungen in den Bezirken, die nicht beziffert sind. Schauen Sie sich den Gesetzentwurf an. Bei „finanziellen Auswirkungen“ steht dort: Es wird ein Produktkatalog gemacht und dieses und jenes, und es wird sich ganz viel kürzen lassen. Das steht dort relativ deutlich. 30 bis 60 % hat der Finanzsenator angekündigt. Das ist der Ausverkauf des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Das ist angesichts der sozialen Lage und eines Anwachsens der gesundheitlichen Probleme in großen Teilen der Bevölkerung für eine Linkspartei.PDSgeführte Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz ein Armutszeugnis.
Ich glaube, dass wir mit diesem Gesundheitsdienstgesetz den öffentlichen Gesundheitsdienst in Berlin wieder auf eine solide Grundlage stellen können
und dass dort die Aufgaben besser wahrgenommen werden können, als es zumindest in den letzten Jahren der Fall war, wo die Strukturen an vielen Stellen zerbröselt sind. Es ist aber auch wichtig, dafür zu sorgen, dass diese neue Struktur, wenn wir sie einmal verankert haben, in den folgenden Jahren arbeiten kann. Wir müssen, wenn ein Verwaltungsreformprojekt mit Erfolg zu Ende geführt wurde, dafür sorgen, dass die Stellen, die es in dieser neuen Struktur noch gibt, wieder besetzt werden können. Das ist eine schwierige Aufgabe vor dem Hintergrund des engen Einstellungskorridors, den wir in Berlin haben. Aber der Aufgabe werden wir uns stellen. Die werden wir erfüllen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Ich werde die drei Minuten nicht ausnutzen. Ich möchte nur zwei Dinge kurz ansprechen. Herr Kollege Lehmann hat eben bei der Kosten- und Leistungsrechnung verwechselt, dass es eine Berechnung auf Vollkostenbasis und auf Teilkostenbasis geben kann. Da kann man natürlich auch schon einmal 84 Millionen € und 135 Millionen € oder ähnliche Summen verwechseln. Wenn man es richtig rechnet, kommt man nie und nimmer auf Einsparungen von 50 %. Die gibt es nicht.
Zum Anderen möchte ich noch etwas sagen, weil es so nicht stehen bleiben darf. Mit der Frage der Hörberatungsstelle ist genug Politik in Berlin gemacht und genug Polemik betrieben worden. Es wurden Gerüchte verbreitet, die der Wahrheit nicht entsprachen. Es gibt keine einzige Entscheidung bei diesem ÖGD-Reformprozess, die so detailliert vor Ort angesehen wurde. Da gab es keinen grünen Tisch. Nichts dergleichen ist passiert bei dieser Entscheidung über den Standort der Hörberatungsstelle. Einer der ausschlaggebenden Punkte dabei, als wir uns immer wieder gefragt haben, ob wir die Entscheidung vielleicht korrigieren müssen, war die Frage, ob das CIC, das Zentrum für Implantate, das neben der Hörberatungsstelle in Neukölln in privater Trägerschaft angesiedelt ist, in seiner Tätigkeit in irgendeiner Weise beschädigt wird, wenn die öffentliche Hörberatung in Friedrichshain stattfindet. Die Antwort ist ganz klar nein. Sie können wie bisher weiterarbeiten. Es findet auch schon heute eine CIC-Beratung an der Hörberatung in Friedrichshain statt. All dieses kann man erfahren, wenn man dorthin geht. Der Kollege Lehmann hat es getan. Das ist sehr löblich. Es sollte aber niemand unterstellen, wir hätten das nicht getan und hätten uns die Entscheidung nicht sehr schwer gemacht und sie sehr fundiert getroffen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen, dass ich in einem Landesparlament wie dem Berliner Abgeordnetenhaus gern über Landespolitik diskutiere. Dafür sind wir eigentlich auch hier.
Manche fühlen sich hier vielleicht unwohl und veranstalten dann Mini-Bundestag und machen den Mini-FranzJosef-Strauß. Aber ich fühle mich hier bereits wohl, wenn wir über landespolitische Themen diskutieren, obwohl die schwierig genug sind.
Nun haben wir diese Aktuelle Stunde, die mit zwei Anträgen verbunden ist, die schwierige Themen in Berlin betreffen. Damit meine ich vor allem das Thema Samsung. Aber die Diskussion wird bundespolitisch aufgemacht, und deswegen möchte ich auf die von der FDP begonnene Debatte eingehen. Wir hatten in den letzten sieben Jahren eine Entlastung von Privatpersonen und von Unternehmen im ertragsteuerlichen Bereich in Höhe von über 50 Milliarden €. Das ist die angebotsorientierte Politik, die Kollege Lindner eben eingefordert hat. Sie ist bei vielen in diesem Hause durchaus umstritten, aber sie ist
ausprobiert worden. Wir müssen feststellen, dass die Unternehmen – z. B. DAX-Unternehmen – beste Gewinne machen. Das ist unter anderem auf diese Steuerpolitik zurückzuführen. Aber es hat sich auf die Arbeitsplätze – speziell in Berlin – offensichtlich nicht so gut ausgewirkt. Nun sind die Kassen in der Tat leer. Jetzt muss man sich fragen, was man tun kann. Steuern und Abgaben nicht zu erhöhen, wie es die FDP offensichtlich will, würde heißen, man müsste die Konsolidierung der Haushalte vorantreiben. Mir sind gerade zwei Pressemitteilungen der FDP in die Hand gefallen. Die eine stammt aus dem Abgeordnetenhaus. Darin findet sich der schöne Satz:
Die Milliardenlöcher im Berliner Landeshaushalt schließt man nicht durch schädliche Millionenkürzungen.
Das ist eine tolle Erkenntnis. Aber mit der können wir den Haushalt nicht sanieren.
Auf der Bundesebene gibt es einen ähnlich schmerzhaften Einschnitt im öffentlichen Dienst, wie er auch in Berlin durchgeführt wurde. Das Weihnachtsgeld soll halbiert werden. Dazu liest man in einer Pressemitteilung der FDP-Fraktion im Bundestag vom 21. November 2005:
Der öffentliche Dienst ist kein Fall für Hinterzimmersparrunden.
Da wollen Sie also auch nicht sparen. Es fragt sich, wie Sie es dann machen wollen.
Man muss demnach die Einnahmen verbessern. Heute hat die Bundesregierung das Ende der Steuersparmodelle beschlossen. Das bringt immerhin 2 Milliarden € pro Jahr, mit denen sich Gutverdienende seit Jahrzehnten vor ihren Steuerpflichten drücken konnten. Das ist tatsächlich eine Form von steuerlicher Veränderung, von der Sie sagen können, das sei eine Steuererhöhung. Ich sage aber: Das ist eine Veränderung, die dazu führt, dass die Steuersätze, die auf dem Papier existieren, wenigstens auch gezahlt werden und dass man sich davor nicht in Sicherheit bringen kann, indem man in irgendwelche komischen Steuersparmodelle investiert.
Ich will Sie gar nicht damit traktieren, dass es auch einmal eine Zeit gab, in der die Liberalen noch nicht die Neoliberalen waren. Sie haben das Wort eben selbst in den Mund genommen. In den Zeiten, in denen die sozialliberalen Freiburger Thesen formuliert wurden, gab es auch noch welche, die für die Erhöhung der Erbschaftsteuer eintraten und die sich dabei durchaus als Liberale fühlten.
Ich will Ihnen nur die Frage stellen: Sind die Steuersätze in Deutschland auch dann maßlos, wenn das Vorgesehene jetzt auf der Bundesebene beschlossen wird? Verlieren wir damit den Wettbewerb gegen unsere unmittelbaren Nachbarn? – In dem Wettbewerb tun wir uns zwar schwer, aber an den Steuersätzen kann es nicht liegen. So sieht das Verhältnis zu einigen Mitbewerbern um Ar
beitsplätze aus, wenn Deutschland 19 % Mehrwertsteuer hätte: Estland hat 18%, Tschechien 19 %, die Niederlande 19 %, Österreich 20 %, Irland 21 %, Polen 22 % und Schweden 25 %. Erzählen Sie uns nicht, die Arbeitsplatzbedingungen würden sich in Deutschland durch die Mehrwertsteuererhöhung so stark verschlechtern, dass wir im internationalen Wettbewerb verlieren würden. Das ist einfach nicht wahr.
Das gilt auch für die Einkommensteuerspitzensätze. In Deutschland lagen sie bisher bei 44,3 %. Da käme noch die so genannte Reichensteuer drauf. Dann ist es aber auch nicht viel mehr. Konkurrenten, mit denen wir uns im Wettbewerb befinden, sind Österreich mit 50 %, die Niederlande mit 52 %, Schweden mit 56,5 %, und sogar in den USA, die Herr Dr. Lindner so gerne lobt, gibt es in der Stadt New York einen Einkommensteuersatz von 42,9 %, inklusive state- und city-income-taxe. Erzählen Sie uns also auch nicht, dass es in erster Linie noch eine Frage der Steuerpolitik wäre, nachdem es in den letzten sieben Jahren einige Steuerreformen gegeben hat, wenn wir Arbeitsplätze in Berlin verlieren und es der Wirtschaft teilweise nicht so gut geht.
Das Thema ist an sich viel zu ernst für solche Ausweichdebatten à la FDP. Samsung ist ein Symptom für den Kampf um die industrielle Basis der Berliner Wirtschaft. Diesen Kampf gibt es leider wirklich. Es zeigt sich auch immer wieder, dass Samsung mit Sicherheit nicht geht, weil die Wasserpreise erhöht werden. Samsung möchte auch nicht gehen, weil die Mehrwertsteuer erhöht wird. Das Problem ist ein anderes: Es gibt einen Konzern, der ganz woanders in der Welt die Entscheidungen trifft. Es gibt keine Verknüpfung mit Strukturen in Berlin. Es gibt keine Verknüpfung mit Forschung und Entwicklung in Berlin. Es ist eine reine Produktionsstätte, die zu dem Zeitpunkt geschlossen werden soll, wo die öffentliche Förderung ausläuft. Dieses Problem haben wir in Berlin derzeit leider an mehreren Stellen. Das gilt für die CNH, die ehemalige Orenstein & Koppel AG, die heute durch die Presse ging. Ein ähnliches Problem haben wir bei der Visteon in Lichterfelde, die Zulieferer für die Ford-Werke ist. Auch dort geht es immer wieder um das Problem, dass es keine Verankerung dieser Betriebe vor Ort gibt. Deswegen versuchen sie, bei reinen Kostendiskussionen zu verhandeln. Wenn ihnen das nicht gelingt, drohen sie mit der Aufgabe des Standorts. Wir brauchen eine Verknüpfung mit den Kompetenzfeldern und der Forschungslandschaft Berlins. Es gibt auch Erfolgsgeschichten von neuen und jungen Produktionsunternehmen, die engen Kontakt zu diesen Feldern in Berlin haben und die einen Zuwachs an industriellen Arbeitsplätzen verzeichnen.
Weil es ein schwieriges Thema ist und weil man es erst nach und nach befördern kann, muss man sich intensiv damit auseinander setzen. Die SPD wird am Wochenende allein zu diesem Thema einen Landesparteitag durchführen und sich Gedanken machen, wie man das voranbringen kann. Das Thema ist schwierig und wichtig gleichermaßen. Wir beschäftigen uns damit, weil man
sich auf Landesparteitagen nicht nur über Satzungsfragen streiten, sondern sich mit zentralen politischen Fragen beschäftigen sollte, die über die Zukunft Berlins entscheiden.
Wir haben heute auch noch einen Antrag der Grünen vorliegen. Er geht inhaltlich in die richtige Richtung. Er greift die letzte Chance auf, die es noch gibt. Es geht um ein Alternativmodell zur Sicherung der Arbeitsplätze von Samsung in Berlin, das mit Hilfe von Gewerkschaften und Betriebsrat entwickelt wurde. Die Erfolgsaussichten sind schwierig zu beurteilen, aber es lohnt, sich dafür einzusetzen. Ich weiß, dass sich der Senat – er muss nicht dazu aufgefordert werden – schon dafür eingesetzt hat, dass das realisiert werden kann. Die Koalitionsfraktionen haben das auch getan, beispielsweise gestern bei einer Diskussionsveranstaltung, die bei Samsung stattgefunden hat. Es wird versucht, das zu machen. Deshalb kann der Antrag in der Form, wie ihn die Grünen gestellt haben, nicht stehen bleiben, in dem der Senat aufgefordert wird, etwas zu tun. Der Senat hat das schon getan. Das muss zum Ausdruck gebracht werden. Deswegen gibt es einen entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen.
Zum Antrag der FDP zum Thema Samsung möchte ich nichts weiter sagen. Er wurde im Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie nicht nur mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, sondern auch mit denen der Grünen und der CDU abgelehnt. Das sagt alles.
Schönen Dank! – Herr Kollege Hoff! Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie mir Recht gäben, dass die Mehrwertsteuererhöhung bei Samsung jedenfalls nicht das Problem gewesen ist, das wir haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Respekt verdient bei diesem Antrag in erster Linie der Mut, aus dem Nichts heraus eine Debatte aufzublasen und sie als Priorität für das Plenum anzumelden.
Was hat der Regierende Bürgermeister vorgeschlagen? – Offensichtlich – so entnehme ich es jedenfalls den Zeitungen – hat er darauf hingewiesen, dass die Arbeiten an der Agenda 2010 nicht abgeschlossen sind, sondern fortgeführt werden müssen. Das ist übrigens nichts Besonderes, sondern allgemeine Auffassung in der SPD.
Der SPD-Bundesparteitag im Juni 2003 hat die Agenda 2010 beschlossen. –
Ja, ich habe mich darüber auch erst informiert, aber ich wollte Sie an dem Wissen teilhaben lassen. –
Und er hat nicht nur diese Agenda beschlossen, sondern er hat auch sofort Arbeitsgruppen eingesetzt mit dem Ziel, diese Agenda weiterzuentwickeln und noch darüber hinauszugehen. Das ist bei diesem Reformpaket von Anfang an mitgeplant und mitgedacht gewesen. Auch in diesem Bundestagswahlkampf sagt Bundeskanzler Schröder immer wieder, dass die Reformen fortgeführt werden müssen. Weiteren Handlungsbedarf gibt es z. B. bei der
Pflegeversicherung und in der Innovationspolitik – also in verschiedenen Feldern.
Es gibt insofern überhaupt keinen Grund, die Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters als in irgendeiner Form überraschend darzustellen. Denn die Agenda 2010 ist nicht nur Arbeitsmarktreform, sondern sie ist mehr. Sie befasst sich mit Verbesserungen bei der Forschung, bei der Innovationspolitik und auch bei der Kinderbetreuung. Dass die Phantasie von Herrn Dr. Lindner bei den Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters nur für das Verständnis ausgereicht hat, dass es weitere Einschränkungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und möglicherweise einen Kahlschlag beim Arbeitsrecht geben müsse, mag zu ihm passen, aber die entscheidende Frage ist, ob das zu mehr Arbeitsplätzen führen würde, was Herr Dr. Lindner in seinem Antrag fordert. Denn genauso wenig, wie wir den Kostensenkungswettbewerb gegen Malaysia oder Indien gewinnen werden, indem wir hier die Kosten weiter senken, genauso wenig werden wir durch „Hire and Fire“ die Arbeitsmarktprobleme lösen.
Wir müssen den Wettbewerb in der Forschung und bei Innovationen gewinnen, und das ist auch der Kernpunkt der Agenda 2010, von der der Regierende Bürgermeister gesagt hat, er wolle sie weiterführen.
Darüber hinaus ist jedem klar, dass die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in den Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Bundesagentur klarer gefasst werden müssen. Dazu hat übrigens heute in der Fragestunde auch der Wirtschaftssenator etwas gesagt. Welch eine Vorstellung ist das überhaupt, man könne ein so großes Reformpaket anfassen und eine große Verwaltungsreform – mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist das übrigens immer von der FDP gefordert, aber nicht selber umgesetzt worden – ohne weitere Korrekturen hinbekommen! Da muss man selbstverständlich noch nachsteuern und erneut überlegen, was noch zu tun ist.
Noch viel reizvoller an Ihrem Antrag, Herr Dr. Lindner, finde ich, dass Sie darin die radikale Steuervereinfachung fordern und sagen: „Da muss jetzt mal richtig was gemacht werden!“ – In Ihrer Rede haben Sie dann auch noch gefordert, Reden und Handeln müsse man miteinander in Einklang bringen. Deshalb habe ich Ihnen etwas mitgebracht, und das werden die anderen Kollegen nicht kennen, nämlich einen Antrag der Bundestagsfraktion der FDP vom 15. Oktober 2003 Drucksache 1731. Dort heißt es u. a.:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag lehnt die Abschaffung der Eigenheimzulage ab.
Das ist eine wunderbare, radikale Steuervereinfachungspolitik, die in diesem Antrag gefordert wird.
Das geht aber noch weiter. Darin steht – und ich hoffe, dass man das überhaupt verstehen kann, wenn ich es vorlese –:
Die Bemessungsgrenze wird für Neu- und Altbau sowie im Zusammenhang mit dessen Erwerb stehende Sanierungskosten einheitlich auf 100 000 € festgesetzt. Die Höchstsumme des Grundförderbetrages beträgt pro Jahr und Objekt statt bisher 5 % höchstens 2,5 %, maximal aber 2 500 € für einen Förderzeitraum von insgesamt 8 Jahren. Ein Anspruch auf den Fördergrundbetrag besteht nur für nachgewiesene Kosten.
Spätestens an der Stelle weiß der Steuerbürger, dass er ohne Konsultation eines Steuerberaters mit diesem Steuervereinfachungsvorschlag der FDP-Bundestagsfraktion nicht zurechtkommen kann.
Es wird auch nicht durch die Forderung einer Länderöffnungsklausel besser, wonach die Länder oder die von ihnen ermächtigten Kommunen die Höchstgrenzen für die Eigenheimzulage regional niedriger festsetzen können. Denn das führt dazu, dass man, wenn man von einem Bundesland ins andere oder von einer Kommune in die andere umziehen will, noch nicht einmal weiß, welches Einkommensteuerrecht dort gilt. Das ist eine wunderbare Politik der Steuervereinfachung. Wenn man – ich meine das sehr ernst – Steuervereinfachung schon aus der Opposition heraus nicht konsequenter hinbekommt – gemessen an dem Druck, den man von Interessengruppen bekommen würde, wenn man verantwortlich wäre –, dann sollte man gleich besser in der Opposition bleiben. – Danke schön!
Frau Senatorin! Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie zu dem von Ihnen genannten späteren Zeitpunkt dann aber doch der Auffassung sind, dass es sich um eine Entscheidung handelt, die der Bezirk Mitte angesichts der Bedeutung des Vorhabens für Bund, Land und Bezirk zumindest nicht ganz allein zu treffen hätte?