Protocol of the Session on November 2, 2017

Die Elektrifizierung der Mitte-DeutschlandSchienenverbindung ist ein weiteres zentrales Anliegen, das die Landesregierung auf den Weg gebracht hat, denn auch da dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass Jena als wichtigstes Forschungszentrum eine Zeit lang vom überregionalen Schienenverkehr abgekoppelt sein wird und in Gera tatsächlich ein wunderschöner Bahnhof ist, dort aber keine Fernzüge mehr halten. Auch das werden wir mit der Mitte-Deutschland-Schienenverbindung wieder ins internationale und überregionale Schienennetz einbinden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Verhandlungen mit dem Bund waren erfolgreich, die Planungen werden jetzt zügig begonnen oder haben schon begonnen. Wir schaffen die netztechnischen Voraussetzungen für einen schnellen und taktreichen Regionalverkehr innerhalb der Thüringer Städtekette. Noch schöner wäre es, wenn es endlich gelingen würde, einen Verkehrsverbund für ganz Thüringen als regionalen Verkehrsverbund zu haben.

(Ministerpräsident Ramelow)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das alles steigert Lebensqualität, das alles macht Thüringen noch attraktiver.

Thüringen ist ein Kulturland, Kunst und Kultur nehmen in Thüringen eine herausragende Stellung ein. Unsere Kulturpolitik sollte allen Thüringerinnen und Thüringern zugutekommen. 70 Prozent der Einwohner unseres Landes leben im ländlichen Raum. Ihn wollen wir stärken. Dafür stehen die Umsetzung der Theaterperspektive 2025, die ein Angebot in allen Landesteilen sichert, und die gerade veröffentlichte Museumsperspektive 2025, die sich mit der Situation und Weiterentwicklung von über 225 Museen befasst, ob im Dorf oder in einer Stadt gelegen. Auf dieser Basis nehmen wir die einzelnen Regionen in den kommenden Jahren gezielt in den Blick. Dafür stehen auch die bereits seit 2013 auf den Weg gebrachten Kulturentwicklungskonzeptionen für den ländlichen Raum, die wir mit vier Landkreisen gerade umsetzen. Wir fördern Festivals und kulturelle Projekte in allen Landesteilen.

Die Förderung und Unterstützung der Rahmenbedingungen für Kultur und Kunst sind für den Freistaat eine seiner wichtigsten Aufgaben. Doch dies ist kein Selbstzweck. Neben der Identifikation der Bürger mit ihrer Region haben Kultur und Kunst eine vielfältige wirtschaftliche Wirkung. Die Erhaltung der Kulturdenkmale, die kulturellen Veranstaltungen und die touristische Anziehungskraft der Kultur und Kunst schaffen Arbeitsplätze und ziehen Finanzmittel in das Land. Als sogenannter weicher Standortfaktor wirkt die Kultur nachhaltig und für die wirtschaftliche Entwicklung von Thüringen. Unternehmen prüfen vor einer Neuansiedlung, ob die Rahmenbedingungen für ihr meist hoch qualifiziertes Personal am Standort vorhanden sind. Hier hat Thüringen aufgrund seiner kulturellen Schätze und seiner Vielfalt eine starke Wirkung.

Dem Freistaat ist es in den letzten Jahren gemeinsam mit den Kommunen gelungen, die richtigen Bedingungen zu schaffen, um das kulturelle Erbe zu bewahren und Thüringen zu einem überregional sichtbaren Ort für heutige Kultur und Kunst, für neue Ideen und aktuelle Debatten zu machen. Ganz wesentlich hat dazu der Kulturlastenausgleich beigetragen. Mit ihm unterstützen wir seit 2013 mit 9 Millionen Euro pro Jahr Kommunen und Landkreise mit herausragendem kulturellen Engagement und einem besonderen kulturellen Erbe. Die Landeszuweisungen entlasten Kommunen mit großem und überregional bedeutsamem kulturellen Erbe und tragen so zur Bestandserhaltung sowie zur Entwicklung neuer künstlerischer und kultureller Profile bei. Sie schaffen damit einen Anreiz für ein weiterhin hohes Engagement, aber eben auch für eine Vielfalt in den Regionen.

Wichtig für ein zufriedenes Land ist aber auch die Sicherheit. Dazu gehört natürlich entscheidend die soziale Sicherheit: Das Wissen, bei Schicksalsschlägen infolge von Krankheit oder Arbeitslosigkeit nicht in die Armutsfalle zu geraten, keine Angst zu haben, nach einem erfüllten Arbeitsleben mit der Rente nicht über die Runden zu kommen. Ich bin zu Beginn dieser Regierungserklärung auf diese Fragen eingegangen und habe definiert, was das Land tun kann und tun will, aber auch, wo der Bund in der Pflicht steht.

Zur Sicherheit gehört aber auch, keine Angst haben zu müssen, abends auf die Straße zu gehen oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich höre in letzter Zeit immer die Aufforderung, man müsse sich ehrlich machen. Ich bin sehr dafür. Ja, es gibt in Thüringen Kriminalität, Eigentumsdelikte, Gewaltverbrechen, in allen Bereichen der Gesellschaft. Und ja, auch unter den Menschen, die zu uns gekommen sind – sei es als Flüchtlinge oder Zuwanderer –, sind Kriminelle. Und damit das ganz klar ist: Wer gegen das Gesetz verstößt, muss sich dafür verantworten und wird – falls er schuldig ist – dafür auch bestraft, ungeachtet seiner Nationalität. Vor dem Gesetz sind alle gleich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt. Aber wir sollten uns auch die Zeit nehmen, die Zahlen der Kriminalstatistik nüchtern und vorurteilsfrei zu analysieren, und der Versuchung widerstehen, sie für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren – weder in die eine noch in die andere Richtung. Ich weiß, neben der realen Kriminalität gibt es auch eine gefühlte Unsicherheit. Sie findet oftmals in der gemessenen Wirklichkeit keine Entsprechung, ist aber trotzdem da. Es reicht nicht, es wäre sogar fatal falsch, dieses Bedrohungsgefühl mit Verweis auf die Statistik als unbegründet zurückzuweisen. Wer sich bedroht fühlt, hat reale Angst – und dagegen und gegen die Ursachen dafür müssen wir auch etwas tun. Manchmal reichen vielleicht schon kleine Maßnahmen – nicht teuer, aber wirksam – wie bessere Beleuchtung von Straßen und Plätzen. Wir müssen schauen, was die Menschen besorgt macht, zuhören, was ihnen ein sicheres Gefühl verschaffen würde, und versuchen, unbürokratische Abhilfe zu schaffen. Manchmal reicht ein Ansprechpartner, dem man seine Sorgen und Ängste mitteilen kann, der sich kümmert. Innere Sicherheit ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt des Gesamtpakets Sicherheit. Lassen Sie uns gemeinsam und umfassend über dieses wichtige Thema nachdenken.

(Ministerpräsident Ramelow)

Ich habe zu Beginn auf die herausfordernde Ambivalenz in den Lebenseinstellungen der Thüringerinnen und Thüringer hingewiesen, auf die uns der Thüringen-Monitor aktuell aufmerksam macht. Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten durch kluge Politik diese Ambivalenzen gänzlich positiv auflösen oder schnell beseitigen. Wir werden voraussichtlich auch im nächsten Thüringen-Monitor mit der beklemmenden Erkenntnis konfrontiert sein, dass ein relevanter Prozentsatz der Befragten mit rechtsextremen Positionen liebäugelt, erbarmungslos ein hartes Vorgehen gegen Minderheiten fordert – ausländische wie inländische – und sich nach einem starken Anführer sehnt. Und wir müssen uns leider eingestehen, dass wir einige Menschen mit unseren Argumenten und unserer Politik nicht mehr erreichen. Aber es lohnt jede Anstrengung, um die anderen zu kämpfen, die in ihrem nachvollziehbaren Zorn über Zurücksetzung und Ungerechtigkeiten den Falschen hinterherlaufen, weil sie irregeleitet sind, weil unsere bisherigen Antworten nicht überzeugend waren. Ihnen müssen wir Angebote unterbreiten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Menschen schätzen die Freiheit und sie sehnen sich nach Sicherheit. Sie wollen eine Gesellschaft, in der Fleiß belohnt, aber Pech auch nicht bestraft wird, in der Arbeit gerecht entlohnt wird und das Alter einen sorgenfreien Ruhestand sichert, eine Gesellschaft, die für Kinder gute Bildungsangebote bereithält, ihre Talente fördert und Benachteiligungen ausgleicht, die sich Zeit für Pflegebedürftige nimmt und sich mit Armut nicht abfinden möchte – kurz: gesellschaftliche Verhältnisse, in denen sich möglichst alle geborgen und heimisch fühlen und für sich und ihre Kinder darin eine gute Zukunft sehen. Dafür wollen wir arbeiten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich gehe davon aus, dass die Aussprache zur Regierungserklärung gewünscht wird. Wir reden in doppelter Redezeit und die Redezeit hat sich pro Fraktion um 35 Minuten verlängert. Ich erteile als Erstem Abgeordneten Mohring für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, seit 2010 wird der Thüringen-Monitor in Thüringen erhoben. Er ist eine Dauerbeobachtung der politischen Kultur in diesem Land. Er fragt nach der Demokratiezufriedenheit, er fragt nach der Demokratieunterstützung und nach den politischen Einstellungen der Bürger in Thüringen.

Es ist in diesem Jahr ein umfängliches Werk von 342 Seiten geworden. Es sind zahlreiche Themen angesprochen, von denen jedes einzelne für sich

genommen von Interesse sein kann. Manches von dem ist auch ein bisschen so „nice to have“ – ist gut, dass du es hast, aber eigentlich brauchst du es auch nicht – und ein Stück hat man es auch gemerkt an Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident.

Ein bisschen habe ich mich gefühlt wie beim Vorlesetag, der noch gar nicht ist. Sie haben zu allem und jedem geredet, haben auch viel Richtiges gesagt, weil natürlich die Beschreibung des Status quo oft auch richtig ist, deswegen gab es auch Beifall von uns. Sie haben nach hinten raus auch die Entwicklung des Landes beschrieben – alles richtig. Aber an den Themen des Thüringen-Monitors sind Sie oft vorbeigeschlittert. Das liegt vielleicht auch daran, weil ich während der Rede verfolgt habe, was die Kollegen aus Rot-Rot-Grün so alles getwittert haben. Auch Sie haben getwittert, obwohl Sie hier geredet haben – das sei nur am Rande bemerkt.

(Heiterkeit CDU)

Aber die anderen haben auch getwittert und haben sich über viele Befunde im Thüringen-Monitor aufgeregt, über die es sich tatsächlich lohnt zu reden. Ich kann das nicht ersetzen, was Sie nicht gemacht haben, aber Sie müssen Ihre Koalition mal austarieren. Wahrscheinlich fällt auch auf, dass Ihre Rede sich mehr als Regierungsvorlesung darauf bezogen hat, wie der Zustand in diesem Land wirtschaftlich, politisch, bildungsmäßig – wie auch immer –, infrastrukturmäßig ist, ein bisschen vorbereitet auf die Haushaltsdebatte. Aber um die politische Kultur in diesem Land haben Sie einen großen Bogen gemacht.

Aber das sind die entscheidenden Fragen, die auch der Thüringen-Monitor aufgeworfen hat jenseits der vielen Themen, die er dieses Jahr angerissen hat, nämlich die Frage: Wie solide ist unser demokratischer Verfassungsstaat? Wie solide ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung bei den Bürgern in Thüringen wirklich verankert?

Auch ganz entscheidend ist ein zweiter Komplex: Wo drohen etwaige Verwerfungen in der politischen Kultur, tatsächliche Risiken für die Stabilität und Akzeptanz in unserer Verfassungsordnung? Es darf uns doch nicht kaltlassen, dass wir bei Umfragen merken, auch bei Wahlergebnissen – insbesondere in den neuen Ländern und in Thüringen –, dass mittlerweile 40 Prozent der Wähler, die zur Wahl gehen, ganz links oder ganz rechts wählen und für die Parteien der eigentlichen bürgerlichen politischen Mitte --- Sie haben versucht, eine neue Definition zu machen und haben so ein bisschen, ich hatte den Eindruck, einen Aufruf an die CDU gemacht, sie soll nach rechts rücken, weil sie rechts Platz gelassen hat. Wir teilen das ausdrücklich nicht, erst recht nicht in der Aufforderung von Ihnen. Aber ich will schon sagen, wozu Sie als linker Ministerpräsident ruhig hätten sprechen können:

(Ministerpräsident Ramelow)

die Frage, warum 20 Prozent links und 20 Prozent rechts wählen in diesem Land, warum 40 Prozent in diesem Land so kritisch zur politischen Mitte geworden sind.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: So ein Oberlehrer, meine Güte!)

Sehen Sie, Ihre Rede, die Bogen, die Sie geschlagen haben, und die Befunde im Thüringen-Monitor lassen sich auch ein bisschen mit einem zusammenfassenden Satz festmachen, der zu unserem Lieblingssatz geworden ist – aus der Studie auf Seite 199, bei den Einstellungsmessungen und den Grenzen dazu, ich zitiere mal: In den vielfach „gemischten Gefühlen“ offenbare „sich ein ‚wildes Denken‘, das sich den Erwartungen von Wissenschaft und Politik an Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit widersetzt, aber doch einer eigenen Logik folgt.“ Ja, was heißt das nun? Auf alle Fälle ist festzustellen: Es ist immer noch das Volk, der „große[...] Lümmel“, für den Heinrich Heine mal in der Wintermärchen-Ballade gesprochen hat und darüber geschrieben hat. Da heißt es unter anderem: „Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt, wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Doch Vorlesetag heute?!)

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, Ich kenne auch die Herren Verfasser; Ich weiß, sie tranken heimlich Wein Und predigten öffentlich Wasser.“ Das Stück spiegelt genau das, diese Einstellung wider – auch der Thüringen-Monitor. Genau deshalb sind so viele zufrieden mit der Demokratie, vor allen Dingen wenn es darum geht, auf die Ergebnisse zu schauen und eine Einstellung mitzuteilen. Genau deshalb sind die Leute in der Mehrheit trotzdem kritisch, wenn es um die Frage nach den Eliten und ihre Abgehobenheit geht.

Sie haben einen Satz von der schriftlichen Vorlesung weggelassen, haben mündlich etwas anderes formuliert, aber es war der entscheidende Satz, nämlich der: Wir müssen mehr mit den Leuten reden, wir müssen mehr mit der kommunalen Familie ins Gespräch kommen, wir haben das eine gewisse Zeit vernachlässigt. Genau so ist das und das ist auch in Thüringen so. Sie und Ihre Gebietsreformpolitik – als Beispiel mal herausgenommen – haben deutlich offenbart, warum die Leute so kritisch geworden sind. Sie spüren, Sie ziehen was durch, es ist ideologiebehaftet, Sie reden nicht mit den Menschen, aber Sie entscheiden trotzdem wider besseres Wissen und gegen die Meinung des Volkes.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: So ein purer Blödsinn!)

Das ist auch das Befundergebnis dieses ThüringenMonitors.

(Beifall CDU)

Wissen Sie – und das merkt man auch bei dem Thüringen-Monitor –, wenn man die Leute nach ihrem Lebensstandard fragt: Die meisten sind zufrieden mit ihrem Lebensstandard – und doch meinen viele, benachteiligt zu sein. Und erst recht meinen viele, als Ostdeutsche benachteiligt zu sein. Noch gravierender ist es, wenn man in den ThüringenMonitor hineinschaut und nach ihrer individuellen Benachteiligung als Ostdeutsche fragt. Immerhin sagen das 37 Prozent. Aber noch mehr – sozusagen als Kollektivbefund wird es deutlicher –, immerhin 49 Prozent sagen, dass sie sich kollektiv als Ostdeutsche benachteiligt fühlen. Und jetzt haben Sie versucht, mit Ihrer Rede zu sagen, wir sind der Westen des Ostens, und damit eine Antwort zu geben. Aber ich glaube, das ist falsch. Das ist in jederlei Hinsicht falsch, dass man deshalb versucht, die Unterschiede zwischen Ost und West auszutarieren und der Benachteiligung eine Antwort zu geben, indem ihr sagt: Irgendwie sind wir ja der Westen vom Osten und deshalb ist alles gut. Nein, das verstärkt das eher noch. Was wir brauchen, ist die Augenhöhe des Ostens mit dem Westen und nicht, der kleinere Westen im Osten zu sein. Deswegen ist Ihre Analyse nicht richtig.

(Beifall CDU)

Natürlich haben Sie richtigerweise angesprochen, was sich im Land an Robustheit verändert. Sie haben viele Unternehmen gelobt – richtigerweise –, die sich aufgemacht haben, in diesem Land zu investieren, auch neu zu investieren, zu zeigen, dass es ein guter Standort ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen, dass die Arbeitslosigkeit in diesem Land immer niedriger wird. Das liegt natürlich auch ein Stück an der demografischen Entwicklung, aber es liegt auch daran, dass wir Fachkräfte brauchen und immer mehr Leute auch Beschäftigung finden, auch bessere Bezahlung finden.

Natürlich ist bei der demografischen Entwicklung auch klar: Die Langzeitarbeitslosigkeit geht zurück und die, die als Langzeitarbeitslose noch für den Arbeitsmarkt befähigt werden können, finden auch ihre Beschäftigung. Aber auch das ist nicht neu und das ist kein rot-rot-grünes Kunstwerk, weil die Langzeitarbeitslosigkeit schon im Zeitraum von 2009 bis 2015 – zu unserer Regierungszeit – um insgesamt 28,5 Prozent zurückgegangen ist. Jetzt könnte ich sagen: Es ist sogar mehr als das, was jetzt bei Rot-Rot-Grün zurückgegangen ist. Aber genauso wenig, wie das nur unser Werk war, dass die Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Zeitraum von 42.000 Langzeitarbeitslosen auf 30.000 zurückgegangen ist, das macht 28,5 Prozent aus, ist jetzt die Zahl der Langzeitarbeitslosen von 30.000 auf 23.000 zurückgegangen und das macht dann die

von Ihnen beschriebenen 23 Prozent aus. Aber wenn wir uns da ehrlich machen, wissen wir doch – auch Kay Senius von der Landesarbeitsmarktagentur sagt, wie wenige davon wirklich noch befähigt werden können, um auf den Arbeitsmarkt zurückgeholt zu werden –, dass ein großer Teil des Rückgangs der Langzeitarbeitslosigkeit ganz simpel das Auswachsen in die Pension und in das Rentenalter gewesen ist.

Sich als Ministerpräsident diese Zahl herauszugreifen und zu sagen: Schaut mal, deswegen regiere ich so gut und deswegen geht es den Menschen toll – das ist deswegen, wie ich finde, ganz schön dünnes Eis, auf dem Sie sich da bewegen und Ihre Regierungspolitik begründen wollen.

(Beifall CDU)

Was dieser Thüringen-Monitor aber zeigt – und damit will ich zurückkommen zur Frage der Dauerbeobachtung politischer Kultur –, was uns wirklich froh stimmen kann, ist, dass die Demokratiezufriedenheit so stark ist wie nie. Ich habe es beschrieben. Dennoch zürnen die Leute mit den Eliten – darüber müssen wir noch mal reden. Aber dass die Zufriedenheit zugenommen hat – auf immerhin 65 Prozent und damit fast 20 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren –, das ist ein guter Wert. Und er ist vor allen Dingen deshalb ein besonders guter Wert, weil wir wissen, wie sich die politische Landschaft verändert hat, wie polarisiert die politische Landschaft geworden ist, wie politisch die Menschen geworden sind. Das haben wir ja nicht zuletzt bei der Bundestagswahl gesehen, dass auch wieder viel mehr Menschen wählen gegangen sind und viele Nichtwähler mobilisiert wurden. Auch Sie haben in Ihrer Rede davon gesprochen und richtigerweise eingeschätzt, dass wir natürlich nicht beklagen können, dass mehr Leute wählen gehen, auch wenn sie vermeintlich nicht das Richtige gewählt haben. Zuallererst wollen wir, dass die Leute wählen gehen. Wir sind 1989 auf die Straße gegangen, weil wir freie, gleiche und geheime Wahlen wollten. Da sind wir uns auch einig in der Bewertung, das ist doch vollkommen klar. Zuallererst sollten wir uns freuen, dass die Menschen wieder Lust auf Demokratie haben, dass sie wählen gehen und dass sie der Demokratie als Staatsform eine Menge zutrauen. Wenn das zwei Drittel der Menschen in Thüringen tun, ist das gut für dieses Land und ein guter Befund dieses Thüringen-Monitors.

(Beifall CDU)

Dann ist übrigens ganz spannend: Der ThüringenMonitor hat vor ein paar Jahren, in Ihrer Regierungszeit, angefangen, neue Kriterien für die Messung aufzustellen. Nach den Kriterien des Thüringen-Monitors, was rechtsextrem ist – es gibt einen vielfältigen Kriterienkatalog und unterschiedliche Abschichtungen –, stellt auch dieser Thüringen-Monitor fest, dass die Leute, die als rechtsextrem ein

gestellt verortet werden, sich selbst mit relativer Mehrheit im politischen Spektrum links sehen. Das ist nicht unspannend und bestätigt auch unsere These, dass der Protest bei Wahlen von links nach rechts gerückt ist, dass am Ende dasselbe Wählerpotenzial, das vorher aus Protest links gewählt hat, heute aus Protest rechts wählt. Aber es sind auch dieselben Leute geblieben, die eine andere kritische Auffassung zum Staat haben und offensichtlich ihr Protestpotenzial bei anderen Parteien jetzt besser aufgehoben sehen als bei links. Dass sie sich selbst noch als links verorten, aber rechts wählen, beschreibt diesen Zustand und bestätigt auch diese Analyse. Da hätte ich schon erwartet, dass Sie als linker Ministerpräsident ein Stück weit die Kraft aufbringen, dazu etwas zu sagen und das nicht hinzunehmen, weil doch auch klar ist...

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei)

Hören Sie doch bitte mal kurz zu. Sie haben vorhin, während der Rede geklatscht. Auch das gehört sich von der Regierungsbank nicht. Dazwischenreden gehört sich erst recht nicht, Herr Hoff.