Protocol of the Session on November 2, 2017

Hören Sie doch bitte mal kurz zu. Sie haben vorhin, während der Rede geklatscht. Auch das gehört sich von der Regierungsbank nicht. Dazwischenreden gehört sich erst recht nicht, Herr Hoff.

(Beifall CDU)

Das hätten Sie in Berlin machen können, aber nicht hier. Auch das ist eine Frage der politischen Kultur.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Warum beanstanden Sie das denn?)

Aber natürlich wäre es spannend gewesen zu wissen: Wie schätzt eigentlich ein linker Ministerpräsident ein – der er natürlich auch immer in seiner Funktion ist –, dass die Leute, die sich politisch links verorten, jetzt rechts wählen? Was hat möglicherweise seine eigene Partei nicht mehr an Anziehungskraft aufbringen können, um diese Wanderungsbewegung zu verhindern?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat denn jetzt 10 Prozent ver- loren?)

Die Herausforderung, dass sich am rechten Rand eine neue Partei etablieren konnte, ist eine Herausforderung für alle, aber eben natürlich auch für die Linkspartei, weil doch klar ist: Relativ, bezogen auf das Wahlergebnis, hat Die Linke sogar proportional stark an die AfD verloren. Andere auch, wir auch, ganz klar, eine Menge Mobilisierung aus dem Nichtwählerbereich. Aber spannend wäre schon gewesen, dazu von Ihnen auch eine Eigeneinschätzung zu bekommen. Das wollte ich gern noch mal anmerken.

(Beifall CDU)

Sie haben davon gesprochen: Spannend ist beim Thüringen-Monitor auch, dass zwei Fünftel der Leu

te sagen, sie hadern mit dem, was die Studienautoren „Kapitalismus“ nennen. Trotzdem vertraut wiederum eine große Mehrheit – die meisten Thüringer – dem Unternehmertum. Das ist gut, dass dieses Vertrauen da ist und dass es in der Mehrheit da ist. Wer sorgt denn am Ende dafür, dass in diesem Land Aufschwung zu verzeichnen ist? Wer sorgt denn dafür, dass wir Steuereinnahmen generieren können, die wir dann als Politiker verteilen? Das sind die Leute, die fleißig jeden Tag auf die Arbeit gehen, und es sind Unternehmer, die das Risiko auf sich nehmen, die Arbeitsplätze schaffen und damit auch ins Obligo gehen und sich engagieren und dieses Land auch stark und groß machen.

Deswegen ist Vertrauen eine Grundvoraussetzung, weil es nämlich zeigt, dass man auch in diesem Land bleiben will, dass man sagt: Ich sehe hier meine Zukunft, ich sehe hier meine Lebensperspektive und auch meine berufliche Perspektive. Deswegen ist es, glaube ich, ziemlich wichtig, dass man diesen Befund auch feststellen kann. Prof. Dr. Heinrich Best, einer der Autoren, sagt und hat auch in der Regierungsmedienkonferenz gewarnt, dass es nicht mehr funktioniert, die Bürger nach wissenschaftlichen Stereotypen zu sortieren und reale Widersprüche und Ambivalenzen damit wegzudefinieren. Ich kann mich dem auch nur anschließen, weil es inzwischen auch fast eine Binse im politischen Geschäft geworden ist. Viele Menschen haben den Kanal voll von politischer Bevormundung, sie haben ihn gestrichen voll.

(Beifall CDU, AfD)

Statt eng und hart an der Sache zu diskutieren, haben sich viele politische Repräsentanten darin gefallen, Widersacher aus dem Diskurs auszuschließen. Es ist eben so: Wenn Menschen auf die Straße gehen und ihren Protest äußern, dann ist die Keule geschwungen und gesagt worden, die sind alle rechts – und damit wurden sie alle ausgeschlossen. Das hat aber die Leute empört. Sie wollen, dass mit ihnen gesprochen wird, dass ihre Meinung gehört wird, dass man sich um sie kümmert und nicht dass man sie mit der Moralkeule ausschließt.

(Beifall CDU, AfD)

Deswegen war ich ein bisschen verwundert – eigentlich bin ich nicht verwundert, weil es oft so ist –, dass Sie etwas sagen, was Ihre Partei nicht macht. Heute war wieder so ein Punkt. Sie haben zu Recht davon gesprochen, dass die ritualisierten Ausgrenzungen aufhören müssen. Ich habe dazwischengerufen: „Wort und Tat!“ Und wenn Ihre Leute Ihrer Rede wirklich zuhören würden, dann müssten sie alle einen hochroten Kopf kriegen, aber den haben sie wahrscheinlich eh, weil sie Linke sind.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, genau, das ist es!)

Aber theoretisch hätten Sie mal wach werden müssen, weil letzte Woche im Justizausschuss Folgendes passiert ist: Ich meine, wir haben das nicht erfunden, ich will das mal sagen. Es gibt ein Zugriffsverfahren in diesem Landtag, wann welche Fraktion auf welchen Ausschussvorsitz zugreifen kann. Es war eine Debatte am Anfang dieser Wahlperiode. Da hat sich Rot-Rot-Grün im Zugriffsverfahren entschieden, den Justizausschuss der AfD zu überlassen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Ihr genauso! Was soll denn das?)

Ihr wolltet den Gleichstellungsausschuss, weil Ihr Frau Stange versorgen wolltet, und deshalb hat die AfD den Justizausschuss bekommen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall CDU)

Postenversorgung vor politischer Klugheit.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist aber starker Tobak, mein lieber Freund!)

Und weil ihr das gemerkt habt, habt ihr schon mal, mehrmals bei der Wahl des Vorsitzenden des Justizausschusses genau diese ritualisierten Ausgrenzungen gemacht

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat Ihnen erlaubt, uns zu du- zen?)

und den Ausschussvorsitzenden nicht gewählt. Jetzt ist der in den Bundestag gegangen. Gut so, dass er hier raus ist, weil diese Pöbeleien manchmal nicht mehr ertragbar waren. Jetzt können die sich im Bundestag mit ihm auseinandersetzen.

(Beifall CDU)

Aber wenn jetzt die AfD-Fraktion jemand Neues vorschlägt, dann kommen Sie nicht mal auf die Idee, aus Ihrer vielleicht Fehleinschätzung vom ersten Mal zu lernen und zu sagen: Der Fraktion steht der Ausschussvorsitz zu. Es mag unerträglich sein und es mag kaum auszuhalten sein. Aber dass Sie wieder die Märtyrerrolle dieser Partei und dieser Fraktion zugestehen, indem Sie erst mal das Vorschlagsrecht dieser Fraktion diskreditieren und den Vorsitzenden nicht wählen, nur damit alle vier Wochen in der Zeitung steht, dass die AfD den Vorsitz nicht bekommen hat, das halte ich für falsch. Diese ritualisierten Ausgrenzungen müssen ein Ende haben.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war eine Wahl, eine geheime Wahl, Herr Mohring!)

Wir sind gern dabei. – Sie haben doch die Mehrheit in diesem Ausschuss und Sie können das doch mit Mehrheit beeinflussen. Das ist doch Kokolores, was Sie uns hier erzählen wollen: Sie wissen nicht, woher die Mehrheit gegen die Wahl des Ausschussvorsitzenden gekommen ist. Machen Sie sich doch keinen schlanken Fuß. Das ist die Wahrheit. Und Sie müssen es ertragen, dass wir Ihnen die Wahrheit im Spiegel vorhalten. Das müssen Sie ertragen.

(Beifall CDU)

Auch das ist ein Üben in Demokratie. Ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt. Dieser Tage hat sich der kommunalpolitische Sprecher – glaube ich, war es –, darüber aufgeregt, dass wir im Haushaltsausschuss Fragen stellen, und hat gesagt, das wäre sozusagen ein anmaßender Anspruch und würde das ganze Parlament durcheinanderbringen und wäre sozusagen verantwortungslos. Da muss ich mal sagen: Was ist denn die Rolle von Opposition, wenn nicht, der Regierung den Spiegel vorzuhalten, die Regierung zu kontrollieren und Fragen zu stellen im Interesse des Steuerzahlers?! Das ist nicht verantwortungslos, sondern verantwortungsbewusst. Aber Sie haben eine falsche Einstellung zu parlamentarischer Demokratie.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Aber ich will gern anmerken: Auch der Deutsche Bundestag war nicht frei von diesen ritualisierten Ausgrenzungen. Ich habe die Entscheidung des Deutschen Bundestags der letzten Wahlperiode, die Regeln für den Alterspräsidenten zu ändern, für falsch gehalten. Auch andere Landtage haben diese Fehler gemacht und haben die Geschäftsordnung geändert, nur um bestimmte Fraktionen von der Vizepräsidentschaft auszuschließen. Ich halte das nicht für richtig. Das ist genau das, dass die drängen, die keine Inhalte haben, sondern nur populistisch sind. Wenn man ihnen die Möglichkeiten und die Bühne gibt, dass sie ihrer Märtyrerrolle, ihrer Opferrolle gerecht werden können und dann dieses Gerede von dem Altparteienkartell auch noch in den Mittelpunkt rücken, weil sie auch Beispiele dafür bekommen und auf den Tisch gelegt kriegen, dann macht man sie nur unnütz stark. Die inhaltliche Auseinandersetzung ist wichtig und nicht die Rituale der Ausgrenzung.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Jede Person ist zu allem geeignet!)

Sehen Sie, der Ministerpräsident hat in seiner Rede auf einen wichtigen Punkt hingewiesen – mit Blick auf unsere Umfrage, die auch noch mal die Sorgen im ländlichen Raum untersucht hat. Ich will darauf gerne mal zu sprechen kommen und bin ihm auch

dankbar, weil ich die Grundeinschätzung sogar teile, aber wir natürlich in der Analyse dann auseinanderliegen. Ich will das gleich noch mal begründen. Wir haben gefragt: Sind Sie der Meinung, dass der ländliche Raum in Thüringen vernachlässigt wird? Und nach dieser repräsentativen Umfrage, die wir nach der Bundestagswahl erhoben haben, sagen 74 Prozent der Thüringer Bürgerinnen und Bürger: Ja, wir sind der Meinung, der ländliche Raum in Thüringen wird vernachlässigt. Wenn man das quer durch die Parteien fragt, sieht man das in allen Parteien. Von der CDU über die SPD, die AfD, FDP, Linke und Grüne – alle mindestens in Höhe von 70 Prozent bis zum Wert von 81 Prozent – sagen: Ja, der ländliche Raum wird vernachlässigt – quer durch alle Parteien. Und wenn das so ist, muss man eben …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist das eine Umfrage der CDU?)

Nein, nicht Umfrage der CDU – repräsentative Umfrage des Volkes. Es mag sein, dass Sie mit Ihren 6 Prozent denken, Sie haben die Mehrheitsmeinung, aber Sie haben eben nur 6 Prozent und nicht die Mehrheit! Das ist der Unterschied.

(Beifall CDU)

Aber wissen Sie, jetzt ist doch die Frage, wenn man das Ergebnis hat: Was macht man damit? Da ist es schon wichtig zu schauen, wie man die Schwerpunkte im ländlichen Raum setzen kann. Sie haben richtigerweise davon gesprochen, Herr Ministerpräsident, dass es der Landesregierung bei den prosperierenden Steuereinnahmen auch nicht schwerfällt, die Mittel aufrechtzuerhalten, die in die Förderung des ländlichen Raums fließen. Richtig! Das stimmt. Da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Da ist nichts gekürzt worden, sondern die Mittel stehen zur Verfügung. Aber ich finde eben, dass bestimmte Weichenstellungen auch eine Rolle spielen, die im subjektiven Empfinden der Bürger die Abgehängtheit projizieren. Zum Beispiel: Wenn das Kultusministerium über die Frage diskutiert, dass man in Erfurt über die Größe von Schulen entscheiden möchte und damit signalisiert, kleine Schulen im ländlichen Raum werden geschlossen, führt das zur subjektiven Wahrnehmung, da wird etwas abgehängt. Wenn die Leute plötzlich spüren, dass in ihren ländlichen Gebieten, wo sie zu Hause sind, nicht über die Frage von Windradabstandsflächen diskutiert wird und die Frage des Gesundheitsschutzes keine Rolle spielt, und das bei der Frage der Ausweitung von Windvorranggebieten plötzlich im ländlichen Raum sichtbar wird, weil man weiß, vor meinem Dorf werden neue Windkraftanlagen aufgebaut – noch größer, über 200 Meter hoch –, und wenn ich protestiere und eine Petition schreibe, kriege ich zwar vielleicht noch eine Anhörung im Petitionsausschuss, aber dann wird es mehrheitlich weggewischt. Da fühlen sich die Leute mit ihren In

teressen benachteiligt. Wenn sie dann noch spüren, dass selbst die kleine Pfefferminzbahn plötzlich nicht mehr nach Großheringen fährt, sondern irgendwo in Buttstädt endet, sich die großen Politiker aber gleichzeitig zu Recht über den ICE-Knotenpunkt in Erfurt freuen, aber die kleine Linie der Pfefferminzbahn vergessen wird, dann mögen sich die Leute – auch wenn nur fünf mitfahren, wir haben gestern darüber diskutiert – in der Region abgehängt fühlen und aus ihrer subjektiven Wahrnehmung kommen sie dann zu dem Ergebnis: Wir fühlen uns abgehängt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Da- für hätte man sich ja auch eher einsetzen können! Auch Weimar-Land.)

Das sind die Themen, das spielt eine Rolle. Darum geht es bei diesem Thüringen-Monitor.

(Beifall CDU, AfD)

Selbst beim Breitbandausbau spüren die Leute, dass etwas nicht koscher ist und dass Stadt und Land eben nicht gleichermaßen den Anschluss an die große digitale Welt bekommen. Wir haben gestern ein Digitalisierungsforum gemacht, haben mit Fachleuten gesprochen, auch mit Unternehmerinnen eines Bauunternehmens, das Sie auch richtigerweise noch mal herausgehoben und gelobt haben. Wir haben über die Fragen und Herausforderungen gesprochen und wir haben auch noch einmal analysiert und festgestellt: Ja, Sie investieren jetzt im Doppelhaushalt 40 Millionen Euro für den Breitbandausbau. Es ist richtig, dass diese Entscheidung jetzt getroffen wird. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir: Sie haben doch drei Jahre verschenkt. Bei den ersten beiden Mittelabrufen beim Bund ist Thüringen leer ausgegangen, während Mecklenburg-Vorpommern da schon über 600 Millionen Euro generiert hat und schon anfangen konnte, bauen konnte, Dörfer anschließen konnte, ländlichen Raum anbinden konnte. Da hängen wir hinterher. Wir investieren jetzt in Thüringen insgesamt 65 Millionen Euro in den Breitbandausbau. Im gleichen Zeitraum wird Mecklenburg-Vorpommern Förderbescheide über 832 Millionen Euro verschicken können. Allein Bayern – nur um noch mal eine Zahl zu nennen, was ein anderes Bundesland mit stärkerer Wirtschaftskraft macht – investiert selbst aus eigenen Landesmitteln im gleichen Zeitraum 1,5 Milliarden Euro in den Breitbandausbau. 44 Millionen Euro nach Ihrer Lesart – mit den Bundesmitteln 65 Millionen Euro, sagen wir –, Mecklenburg-Vorpommern 832 Millionen Euro, Bayern 1,5 Milliarden Euro. Da liegen die subjektiven Wahrnehmungen im Thüringen-Monitor und auch bei unserer Umfrage: Die Leute sagen, wir fühlen uns abgehängt. Sie haben da schön den Zustand beschrieben, alles richtig – aber es klafft eben trotzdem eine Lücke zwischen Ihrer Wahrnehmung und zwischen dem, wie die Leute sich in die

sem Land fühlen. Das muss einfach auch mal gesagt werden.