Wenn es dann aber darum geht, liebe CDU, solchen schönen Worten Taten folgen zu lassen, dann hören wir von Herrn Scherer in seinem Wortbeitrag, dass die CDU die Aufnahme einer Leitkulturklausel in die Thüringer Verfassung ablehnt. Da geht es uns eben in diesem Fall genauso wie vorher schon mit der deutschen Sprache, auch da gab es einen entsprechenden Grundsatzbeschluss Ihrer Partei, und als die Gelegenheit dazu bestand, hier mal eine Lanze zu brechen für die Leitkultur – deutsche Sprache zählt dazu –, da haben Sie diesem Marketing keine Folge geleistet. Das ist schade.
Immerhin hat dann Herr Prof. Voigt noch versucht, ein bisschen die Kurve zu kriegen, das habe ich also sehr wohl registriert, aber leider ist er dann in Unterstellungen und politisch korrekte Abgrenzungsformeln abgeglitten. Da gab es dann zwar Beifall von der links-grünen Seite, aber es ist eben schon so charakteristisch wie bedauerlich, dass das eben nicht wirklich in einer inhaltlichen Auseinandersetzung mündete. Wenn ich auch sagen muss, Herr Prof. Voigt, dass ich zumindest Ihr An
gebot, falls ich das so verstanden haben durfte, mal ein Leitkulturforum zu veranstalten, wo wir mal miteinander diskutieren können, gern annehmen möchte, vielleicht kommen wir ja auf dem Wege ein bisschen weiter. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass den Worten in der Sache dann auch mal Taten folgen. Und lassen Sie mich mal einen Punkt rausgreifen, den Herr Prof. Voigt in der Debatte erwähnt hatte. Sie haben ganz richtig festgestellt, dass es in der Debatte um Leitkultur auch um die Frage gehe, was uns leitet. Hier lag die Betonung offensichtlich auf dem Wort „uns“. Was uns leitet, muss andere noch lange nicht leiten, das wollten Sie sagen, denn sie führten dann in einem weiteren Satz, ich zitiere mal, Folgendes aus: „Das heißt aber nicht, was wir anderen vorschreiben wollen oder wozu wir andere verpflichten wollen.“ Und sehen Sie, Herr Prof. Voigt, da liegt das Problem der CDU. Denn erstens trauen Sie sich nicht zu sagen, wer diese anderen sind, und zweitens fragt sich eigentlich jeder, warum Sie den anderen nichts vorschreiben wollen. Denn mittlerweile sieht jeder vernünftige Wähler in diesem Land, dass wir natürlich denjenigen, die hier leben wollen und die nicht schon immer hier gelebt haben, vorschreiben müssen, nach welchen Regeln und Gepflogenheiten man sich hier richten muss, wenn man hier leben möchte.
Wer als anderer nur Gast ist, der ist eben Gast, der kann auch wieder gehen, und wer aber dauerhaft bleiben möchte, der muss aufhören, ein anderer sein zu wollen, der muss sich zu dem bekennen, nach dem leben, was unser Wir in diesem Land ausmacht. Und wer Deutscher sein will, der kann eben nicht gleichzeitig leben, als lebe er in Afghanistan, das ist eine Selbstverständlichkeit, die heute nur deshalb problematisch ist, weil sie im Schwingbereich der Nazikeule liegt, übrigens dieser Truppenteile hier drüben, und das ist möglicherweise auch der Grund, warum sich die CDU jahrelang nicht an dieses Thema herangewagt hat und weswegen es die AfD brauchte, um diese Leitkulturdebatte auch in den Parlamenten endlich anzustoßen.
Ja, also ich kann mit Halloween nicht viel anfangen, allerdings habe ich erstaunt zur Kenntnis genommen, dass Halloween bei der amerikanischen Lin
ken absolut verhasst ist, das konnte ich einigen Twitterbeiträgen entnehmen, und ich muss sagen, seitdem ist meine Akzeptanz für diese neue Festivität doch deutlich gestiegen.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Daran sehen Sie mal, woran sich der Leitkulturbe- griff der AfD orientiert!)
Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Sie haben das Wort und können uns gern was zu keltischen Festivitäten erzählen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Gäste! Herr Möller, wie Sie hier aufgetreten sind, da habe ich mich gefragt: Was kann man eigentlich dazu sagen? Und ich habe ein schönes Zitat von Erich Limpach gefunden, der hat nämlich gesagt – ich zitiere –: „Überheblichkeit ist eine ins krankhafte verzerrte Form des Selbstbewusstseins.“ Und an Überheblichkeit war Ihr Auftritt kaum zu überbieten. Wenn Sie meinen, hier Stilnoten vergeben zu müssen mit Blick auf die Redebeiträge der einzelnen Fraktionen bei der ersten Beratung, ist das Ihre Sache. Vielleicht haben Sie auch einfach keinen eigenen Inhalt und müssen sich deshalb noch einmal an den Beiträgen aus der letzten Runde abarbeiten.
Ich gehe jetzt sehr wohl auf Sie ein, das habe ich übrigens auch in der ersten Beratung getan, und das sogar über vier Seiten. So umfänglich werde ich es heute nicht noch einmal tun. Ich hatte schon beim letzten Mal meinen Beitrag überschrieben – die Überschrift haben Sie nicht genannt – mit den Worten „Für eine Kultur des Zusammenlebens statt leidiger Leitkulturdebatten“. Trotzdem will ich noch einmal auf einen ganz anderen Punkt eingehen, weil er mich in der letzten Woche sehr beschäftigt hat. Denn genau vor einer Woche fand hier im Plenarsaal – einige werden sich erinnern – die Festveranstaltung zum 24. Jahrestag der Verfassung des Freistaats Thüringen statt. Und der Festredner, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn, hat in seiner Ansprache deutlich gemacht, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte, im Übrigen auch die Geschichte der Missachtung einer Verfassung, nämlich der der DDR – das hat er in seiner Ansprache ausgeführt –, eben zeigen kann, gerade heute, wie viel die aktuelle Verfassung wert ist und wie viel Verantwortung wir haben, ihr Versprechen auch einzulösen. Ich erinnere an dieser Stelle auch an das Grußwort von un
serem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der sich durchaus auch kritisch mit seiner damaligen Einschätzung der Thüringer Verfassung auseinandergesetzt hat, die übrigens auch die unserer damaligen Fraktion war. Die Grünen-Fraktion damals hat der Verfassung so auch nicht zugestimmt; heute sehen wir das durchaus an der einen oder anderen Stelle anders. Und ich denke an diese Sätze, wenn wir uns heute zum zweiten und auch zum dritten Mal mit dem Antrag auf die „Aufnahme einer deutschen Leitkultur in die Verfassung“ beschäftigen müssen.
Ich habe das ja auch schon in meiner letzten Rede ausgeführt: Wenn eine Kultur nämlich leiten soll, dann haben die Angehörigen anderer Kulturen notwendigerweise zu folgen und werden eben nicht auf Augenhöhe wahrgenommen. Genau das widerspricht aber dem freiheitlichen Geist der Thüringer Verfassung. Nähere Ausführungen, wie gesagt, habe ich ja auch schon in meiner Rede zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs gemacht. Und weil Sie das nicht zitiert haben, will ich noch einmal Bezug nehmen auf Heribert Prantl, weil er es aus meiner Sicht so treffend auf den Punkt gebracht hat. Ich zitiere deshalb, was er am 1. Mai in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichte: „Leitkultur ist kein integrierender, sondern ein polarisierender Begriff, ein spaltendes Kampfwort, ein Wort der Überhebung und der Überheblichkeit“, Herr Möller, „es ist ein Wort, das rechtsaußen zu Juchzern führt. [...] Es darf in diesem Land nicht darum gehen, eine Leitkultur zu propagieren, es muss darum gehen, eine Kultur des Zusammenlebens zu etablieren: Sie heißt Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte.“
Sehr geehrter Herr Höcke, Karl Kraus hat mal gesagt: Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen Schatten.
Mir geht es aber heute darum, unserer Verantwortung gerecht zu werden und unsere Thüringer Verfassung und ihren freiheitlichen Geist vor Eingriffen zu schützen, die ihren Wesensgehalt verfälschen. Wir lehnen deshalb den Antrag der AfD in zweiter und im Übrigen auch in dritter Beratung ab. Vielen herzlichen Dank.
Eine weitere Wortmeldung, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Voigt oder Frau Abgeordnete Muhsal? Frau Abgeordnete Muhsal hat das Wort zunächst.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Abgeordneten! Frau König-Preuss, es ist tatsächlich der Tag gekommen, an dem ich Ihnen einmal hier im Plenum recht geben muss, und zwar darin, dass Sie tatsächlich richtig darin liegen, dass ein Interesse an ausgiebigen Reden von Ihnen hier gering ist, vor allem, weil Sie dabei immer so viel Unsinn reden.
Auf zwei Dinge möchte ich eingehen, und zwar zum Ersten auf Ihre Aussage, die Grundrechte gelten für alle gleich. Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrem Leben schon mal ins Grundgesetz geschaut haben. Es gibt unterschiedliche Grundrechte, einmal gibt es Deutschen-Grundrechte und einmal gibt es Jedermann-Grundrechte. Das ist ein Unterschied, auch wenn Sie sich mit dem Prinzip des Volkes und des Deutschen vielleicht nicht so anfreunden können. Da gibt es schon Unterschiede.
Das Zweite, worauf ich eingehen möchte, ist, dass Sie sich hier so hingestellt haben und sinngemäß gesagt haben, na ja, wir müssen den neu Hinzugekommenen ja mal zeigen, dass Frauen hier die gleichen Rechte haben oder gleichgestellt sind. Ganz ehrlich, die Leute …
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Möller, wenn Sie mich schon ansprechen, haben Sie auch eine Antwort verdient. Ich finde, offen gestanden, dass im Gegensatz zu Ihnen wir als CDU eine klare Position hier vorgetragen haben.
Und die klare Position bestand darin, zu sagen: Ja, es gibt eine gewachsene Kultur, die sich übrigens über unterschiedliche Generationen auch unterschiedlich darstellt, die man in gewisser Weise auch als Leitkultur definieren kann. Aber wir haben
infrage gestellt, dass das, was Ihr Ziel ist, das in die Verfassung zu schreiben, das richtige politische Instrument ist. Das haben wir Ihnen nachgewiesen. Ich habe von Ihnen heute kein Argument gehört, das das widerlegt hat. Dann quasi einfach nur hier durchs Rund zu gehen und jedem Einzelnen irgendwie ins Stammbuch zu schreiben, was aus Ihrer Sicht nicht richtig war – so kann man politische Debatten führen, aber offen gestanden führt man politische Debatten, um am Ende etwas zu bezwecken, nämlich die anderen zu überzeugen. Und das haben Sie heute nicht gemacht, Herr Möller.
heute auch noch mal mitgeben: Leitkultur ist natürlich ein Begriff, der unbequem ist, aber Teil einer unvermeidlichen Debatte, die wir auch als Gesellschaft zu führen haben. Ich glaube – Sie sprachen ja von Aufklärung –, dass jede aufgeklärte Kultur logischerweise für sich begreift, dass sie nicht die einzige ist, dass sie vielleicht etwas Einzigartiges ist, aber nichts Besonderes. Das herauszustellen, habe ich, glaube ich, bei der letzten Behandlung sehr umfänglich gemacht. Uns ist allen klar, dass Menschen Orientierung und Halt brauchen genauso wie Gesellschaften Orientierung und Halt brauchen. Aus dem Grund heraus zu sagen, dass wir auch über Leitkultur nachdenken, also uns die Frage zu stellen: Was leitet uns eigentlich in unserer eigenen deutschen Kultur? Das finde ich eine vollkommen berechtigte Frage und die ist auch richtig zu adressieren. Ob sie in der Verfassung zu klären ist, das halte ich für unmöglich. Das will ich eben auch noch mal sagen. Sie stellen sich immer hier so hin – und das will ich Ihnen schon mitgeben, weil ich das qualitativ falsch finde –, Sie tun so, als ob Liberalität etwas ist, was sagt: anything goes – alles ist möglich. Das ist aber nicht so. Liberalität – Sie sprachen von Aufklärung – bedeutet letztlich nichts anderes, als dass wir eine Toleranz gegenüber bestimmten Sichtweisen einer Gesellschaft haben, aber uns trotzdem auf ein Mindestmaß an Verbindlichkeiten verständigen. Und sorry, die CDU ist eine konservativ-christliche und liberale Partei. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir diese unterschiedlichen Aspekte in eine gute Balance bringen. Wir sind eine Partei der Mitte.
Was Sie sind? Sie sind ein Rechtsausleger eines deutschen Nationalismus, der so nie funktioniert hat und – ich garantiere Ihnen eins – auch so nie funktionieren wird.
Jetzt geht es um die Frage, warum das nicht in eine Verfassung gehört. Ich kann Ihnen sagen, eine Verfassung definiert Verbindlichkeiten. Sie definiert Verbindlichkeiten, die der Staat gegenüber der Gesellschaft erwartet, also quasi dieses Mindestmaß wird letztlich kodifiziert. Ich habe Ihnen das schon mal in der Diskussion über die Frage von Muslimen, wo Sie gesagt haben, wir wollen ja genau die Frage von Rechtsansprüchen klären, sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben. Ich glaube, dass uns Ihre Identitätspolitik in Deutschland absolut nicht voranbringt, weil sie letztlich vollkommen unterbelichtet, was wir eigentlich brauchen. Wir brauchen ein klares Verständnis davon, was all diejenigen, die hier in Deutschland leben oder die rechtmäßig berechtigt hier leben wollen, gemeinsam als ihre deutsche Kultur begreifen. Wir als CDU sagen immer: Es gibt eine Hausordnung, an die wird sich gehalten, diese Verbindlichkeiten müssen geklärt sein. Alles darüber hinaus kann jeder nach seiner eigenen liberalen Fasson selig werden. Das halte ich auch für richtig. So begreife ich eine freiheitliche Gesellschaft.
Und das, was Sie mit einem ziemlichen Mief hier immer vortragen, ist eben nicht eine freiheitliche Gesellschaft. Sie kämpfen für eine Gesellschaft, wo der Staat definiert, was richtig und was falsch ist, und zwar in dem Kontext von Kultur, von Lebensstil. Ich möchte als freier Bürger in einem freien Land nicht von der AfD vorgeschrieben bekommen, wie ich zu leben habe.