Protocol of the Session on November 1, 2017

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An der Stelle möchte ich Ihnen empfehlen, Sie haben meines Wissens Islamwissenschaftler bei sich in der Fraktion beschäftigt, dann lassen Sie sich doch von denen mal erklären, was die Ahl al-kitāb im Koran sind. Das sind nämlich die Christen und die Juden, denen natürlich entsprechende Rechte in islamischen Gesellschaften zugestanden werden. Insofern ist es faktisch und auch historisch falsch.

Ich möchte ein weiteres Zitat bringen, was die AfD mit Leitkultur meint. Ich zitiere an der Stelle Prof. Dr. Ralph Weber, den Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern: „Wir müssen und werden dafür sorgen, dass unsere Heimat auch in 30 Jahren noch von deutscher Kultur, deutschen Traditionen, unserer deutschen Sprache und einer deutschen Leitkultur geprägt und geformt wird. Wir ‚Biodeutsche’ mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern müssen hierfür sorgen: Dies sind wir unserer Heimat, unseren Kindern und zugleich unseren Vorfahren schuldig.“ Das ist nichts anderes als der Ariernachweis, nur dass Sie es hier in anderer Form formulieren bzw. ein Kollege von Ihnen es hier so formuliert und Sie sich dazu nicht verhalten. Durch dieses Nichtverhalten findet am Ende auch eine Form der Zustimmung statt. Es gibt so einen alten Satz, den ich immer sehr gern in solchen Momenten zitiere: Wer schweigt, stimmt zu. Sie gehören in dem Fall zu denjenigen, die geschwiegen haben, als das geäußert wurde. Es gibt weitere Zitate, was AfD-Bundestagsabgeordnete beispielsweise über den neuen Präsidenten Herrn Schäuble geäußert haben, was sie aber genauso auch über Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Linken geäußert haben. Wissen Sie, man kann immer viel davon reden, dass man ja die Grundrechte in Deutschland und die Werte und Ähnliches mehr schätzen und sich dafür auch entsprechend einsetzen würde. Wenn man es aber nur dann macht, wenn es den eigenen Spielregeln, den eigenen politischen Vorstellungen und dem eigenen auch praktizierten Gehabe entspricht, dann haben

(Abg. Scherer)

Sie schon grundsätzlich was nicht verstanden. Dann kann ich nur wieder darauf zurückkommen, was ich in meiner ersten Rede gesagt habe, nämlich: Sie sind diejenigen, die Integrationsverweigerer sind, weil Sie nämlich unter anderem Grundrechte nicht in der Form anerkennen, dass sie für alle gleich gelten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sprechen davon, dass es gemeinsame Werte, gemeinsame Vorstellungen, gemeinsame Bräuche, Traditionen und Ähnliches mehr gibt – so schreiben Sie es zumindest in Ihrem Antrag. Aber allein wenn man Thüringen etwas genauer betrachtet, erkennt man doch sehr wohl die Unterschiede, die es zwischen den einzelnen Regionen gibt, sei es jetzt das Eichsfeld oder sei es Südthüringen oder seien es die Städte wie Jena und Erfurt. An der Stelle müssen Sie auch mal politisch klar sein. Sie können doch nicht auf der einen Seite im Zuge der Gebietsreform immer wieder die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen in Thüringen nach vorn stellen und dass man das nicht tun dürfe, und auf der anderen Seite jetzt plötzlich alles zu einer homogenen Masse machen, was ja nicht nur in Thüringen nicht zutreffend ist, sondern bundesweit dann noch mal weniger, wenn man sich allein unterschiedliche Dialekte, unterschiedliche Gebräuche, unterschiedliche Feierlichkeiten und Ähnliches mehr betrachtet.

Vielleicht als Letztes, denn so viel Interesse so lange zu Ihrem Antrag zu reden, habe ich – ehrlich gesagt – gar nicht. Meines Erachtens benötigt es keine Leitkultur in der Verfassung und meines Erachtens auch überhaupt nicht die Begrifflichkeit „Leitkultur“, sondern wenn es etwas benötigt, dann ist es die Vermittlung der erkämpften Freiheiten, die wir hier mittlerweile haben. Diese Freiheiten zu vermitteln, dazu gehört unter anderem auch das Recht von Menschen, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zusammenzuleben oder auch die Gleichstellung der Frau gegenüber den Männern. Diese Rechte werden infrage gestellt. Ja, sie werden von Menschen infrage gestellt, die hierher zu uns kommen; denen müssen wir das vermitteln, definitiv. Aber die werden auch infrage gestellt von der AfDFraktion bzw. von der AfD-Partei im Gesamten. Insofern besteht der Nachhilfebedarf definitiv rechts von mir,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Bei Ihnen Nachhilfebedarf!)

bei der AfD, aber zum Teil auch bei Menschen, die neu nach Deutschland gekommen sind.

Ich glaube, der entscheidende Satz war schon im letzten Plenum das Anagramm von „Was ist Leitkultur?“. Das Anagramm von „Was ist Leitkultur?“ ist „Wutkraut sei still“. Das richte ich hier erneut noch

mal an Sie. Danke schön. Wie gesagt, wir lehnen ab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächsten habe ich Herrn Abgeordneten Möller für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, die erste Beratung des Gesetzentwurfs zur Leitkultur vor vier Wochen und auch die jetzigen Wortbeiträge waren wieder einmal sehr aufschlussreich. Es wird daran immer wieder deutlich, dass man der AfD hier im Haus eine ganze Menge unterstellt, was wir nie behauptet haben.

Zum anderen wird aber auch deutlich, wem unsere Heimat mit ihrer Kultur und ihren Traditionen am Herzen liegt und wem nicht. Es ist gut, dass die Thüringer das sehen, denn dann können sie sich auch ein Urteil darüber bilden, wer nur laue Lippenbekenntnisse abgibt und wer es ernst meint.

(Beifall AfD)

Deswegen gehe ich jetzt noch mal etwas auf die Debatte von vor vier Wochen und auch auf die jetzigen Wortbeiträge ein. Bei der Linkspartei will ich mich da jetzt gar nicht so lange aufhalten; ich denke, das macht wenig Sinn. Vielleicht ein Punkt noch mal, auch wenn er eigentlich ein anderes Thema betrifft, nämlich die Religionsfreiheit und das Zitat von Herrn Glaser, was die Abgeordnete KönigPreuss hier gerade zitiert hat. Also, Frau KönigPreuss, wenn Sie meinen, dass in den Gegenden, wo der Islam das Sagen hat, Religionsfreiheit für andere Religionen gewährleistet wird, dann würde ich sagen: Machen Sie doch mal praktische Erfahrung, versuchen Sie mal in Saudi-Arabien eine Kirche zu bauen und dann berichten Sie ein halbes Jahr später, wenn Sie das noch können.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Sie haben nicht zugehört, Herr Möller!)

Aber ansonsten, muss ich sagen, war Ihr Redebeitrag wieder einmal klassische Diffamierungsstrategie, unkonstruktiv, damit kann man einfach nichts anfangen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit kennen Sie sich ja aus!)

(Beifall AfD)

Jetzt komme ich zu Ihnen, Frau Rothe-Beinlich. Bei Ihnen, bei den Grünen, war es ein bisschen anders, Sie haben sich durchaus mit der Sache auseinan

(Abg. König-Preuss)

dergesetzt, Sie hatten sich also belesen und beispielsweise zu Recht darauf hingewiesen, dass das Konzept der Leitkultur von einem syrisch-deutschen Muslim in die Diskussion eingeführt worden ist, nämlich dem Politikprofessor Bassam Tibi. Ich erinnere daran, weil ich nachher noch mal auf Herrn Tibi zurückkommen muss. Das war richtig, was Sie da gesagt haben, Frau Rothe-Beinlich, aber als es darum ging, sich mit unserer Position, mit der AfDPosition auseinanderzusetzen, da sind Sie wieder in Schnappatmung verfallen und konnten nur wüste Anwürfe ins Plenum werfen. Ein Beispiel dafür ist Ihre Behauptung, dass die AfD sich als Eroberer der Kultur aufspiele.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das machen Sie doch!)

Das ist völlig abstrus, Frau Kollegin. Das hat auch mit unserem Gesetzentwurf nichts zu tun. Anstatt uns immer alles Mögliche und Unmögliche zu unterstellen und die gruseligsten Verschwörungstheorien hier durch das Land zu tragen, sollten Sie sich einfach mal in Ruhe anschauen, was Sie wirklich fordern. Das kann ich auch an den Justizminister Herrn Lauinger weitergeben: Wenn er uns unterstellt, dass wir eine staatlich gelenkte Kultur fordern würden, dann ist das, Herr Lauinger, eine Projektion Ihrer Fantasie – nichts weiter.

(Beifall AfD)

Im Übrigen, Herr Lauinger, vermute ich auch, dass es Ihre eigenen politischen Absichten sind, die Sie da offenbart haben. Denn es besteht doch überhaupt keine Frage, Herr Lauinger, wer in diesem Land versucht, die Kultur zu lenken. Dass wir unsere Kultur einfrieren wollen, das ist ebenso eine abwegige Unterstellung. Kultur ist lebendig – das wissen wir sehr wohl –, aber Kultur ist nicht beliebig, Herr Lauinger. Es ist genau das, was hinter Ihren grünen Worten steckt – Relativismus und Beliebigkeit.

(Beifall AfD)

Herr Lauinger, schauen Sie einfach mal ohne Hassbrille auf das, was die AfD fordert, dann kommen wir der Sache vielleicht auch näher. Das gilt auch für Frau Kollegin Marx von der SPD. Frau Marx, Sie hatten vor vier Wochen lauter richtige Sachen gesagt. Natürlich ist die deutsche Kultur nicht vom Himmel gefallen und sie ist auch nicht aus einer Art Inzestproduktion entstanden, selbstredend gibt es allerhand Einflüsse von anderswoher. Die deutsche Kultur ist Teil der europäischen Kultur. Und das hat keiner in der AfD je bestritten. Deshalb ist uns Europa übrigens auch ein wichtiges Anliegen – Europa wohlgemerkt, nicht die Europäische Union, die nämlich nicht gleichbedeutend sind.

(Beifall AfD)

Wir wollen Europa und seine Kultur bewahren und in diesem Europa auch die spezifisch deutsche Kultur, denn es gibt eben spezifisch deutsche Prägungen der gemeineuropäischen Kultur. Richtig ist weiter

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was denn? Bier und Brot, oder was?)

ich sage Ihnen gleich ein schönes Beispiel, Frau Kollegin –, dass die deutsche Kultur auch immer nach außen wirkte und wirkt. Als schönes Beispiel für Frau Henfling kann man die Aufklärung und die Aufklärungsphilosophie nennen. Natürlich sind das grundsätzlich

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Stimmt, die haben andere Länder nie gehabt!)

hören Sie doch mal zu – europäische Angelegenheiten, aber in Deutschland prägte sich eine ganz spezifische Form der Aufklärungsphilosophie aus, die man sogar als deutschen Idealismus bezeichnet. Das können Sie sogar nachgoogeln. Die drei Hauptvertreter des deutschen Idealismus kennen Sie wahrscheinlich nicht: Schelling, Fichte und Hegel, die lehrten übrigens in Jena. Es war deren Philosophie, Frau Kollegin Henfling, die Generationen von ausländischen Gelehrten anregte, die deutsche Sprache zu lernen. So wurde der deutsche Idealismus eine Art Exportartikel und die deutschen Idealisten wurden auch noch die Väter des britischen Idealismus und – nebenbei bemerkt – bekamen einige Vertreter des britischen Idealismus in der Zeit des Ersten Weltkriegs Schwierigkeiten, weil man ihnen nämlich Deutschfreundlichkeit unterstellte und sie entsprechend verdächtigte. So sehr identifiziert man in der Welt mit dieser philosophischen Strömung Deutschland.

(Beifall AfD)

Es gibt also diesen kulturellen Austausch. Doch ebenso bleibt wahr, dass es die deutsche Sprache und unser Land mit seinen Menschen waren, die der Sache eine spezifische Prägung gaben und geben. Das gilt für vieles. Man muss nur mal ausländische Touristen befragen, die unser Land besuchen. Da wird man sogleich gesagt bekommen, was hier spezifisch deutsch ist. Ich habe da noch niemals die Antwort gehört,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, und dann ist das so!)

dass es denjenigen, die hierhergekommen sind, zu wenig multikulti zugeht.

(Beifall AfD)

Die können das spezifisch Deutsche an unserer Gesellschaft sehr wohl wertschätzen, wahrscheinlich wesentlich besser wertschätzen als Sie.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Und das ohne Verfassungsänderung!)

Dann komme ich jetzt zur CDU. Hier waren wir vor vier Wochen wieder mal Zeugen des CDU-typischen Jein. Das geht so: Eigentlich finden wir Leitkultur ganz gut, deshalb berufen wir uns auch auf die Leitkulturthesen, die der Bundesinnenminister Thomas de Maizière offenkundig natürlich angesichts der drohenden Bundestagswahl aus wahltaktischem Manöver/wahltaktischen Hintergedanken im April in die Diskussion warf. Deshalb steht im Grundsatzprogramm der Union auch, dass es eine Leitkultur gebe, die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wichtig sei. In diesem Grundsatzprogramm steht der Satz – ich darf zitieren –: „Die gesellschaftliche Integration von Zuwanderern auf der Basis der Leitkultur in Deutschland ist ein wichtiger Beitrag zur kulturellen Sicherheit.“ Da kann man sagen: schöne Worte.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Anfrage der Abgeordneten Marx?

Ich würde es gern im Anschluss machen, ja?

Bitte.

Wenn es dann aber darum geht, liebe CDU, solchen schönen Worten Taten folgen zu lassen, dann hören wir von Herrn Scherer in seinem Wortbeitrag, dass die CDU die Aufnahme einer Leitkulturklausel in die Thüringer Verfassung ablehnt. Da geht es uns eben in diesem Fall genauso wie vorher schon mit der deutschen Sprache, auch da gab es einen entsprechenden Grundsatzbeschluss Ihrer Partei, und als die Gelegenheit dazu bestand, hier mal eine Lanze zu brechen für die Leitkultur – deutsche Sprache zählt dazu –, da haben Sie diesem Marketing keine Folge geleistet. Das ist schade.