Protocol of the Session on August 17, 2017

Die beiden Anträge der AfD lehnen wir ab, da unser Antrag insgesamt wesentlich weitergeht. Wir lehnen auch den Antrag von Rot-Rot-Grün ab, der uns heute auf den Tisch gelegt wurde. Darauf will ich noch mal kurz eingehen. Der Antrag ist uns heute auf den Tisch gelegt worden. Heute früh durften wir den alle zur Kenntnis nehmen. Dafür haben Sie aber lange gebraucht. Vielleicht war es in der Sieben-/Acht-Stunden-Sitzung, als ihr am Schluss das Ding noch gemacht habt. Es ist schon traurig genug, nachdem so eine Sondersitzung längere Zeit angesagt ist, kommt heute ein Antrag von Rot-Rot

Grün. Die Überschrift „Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung – Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft“ können wir uneingeschränkt unterstützen. Ich glaube, das würde jeder unterschreiben – fast jeder, denke ich mir, würde das unterschreiben. Dem kann man zustimmen. Aber dann den weiteren Dingen, die dann folgen – ich weiß nicht, ob die SPD und auch die Grünen das richtig gelesen haben. Ich glaube, sie haben es nicht richtig gelesen. Dann kommt wieder, dass der Landtag selbstverständlich demokratische usw. – warte.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lesen Sie es bitte auch so vor!)

Soll ich es Ihnen vorlesen? Das geht von meiner Redezeit ab, aber ich habe ja noch.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben genug!)

Ja, ich habe genug Redezeit. Das ist auch gut so, damit wir das hier vortragen können, damit Sie nicht einfach den Kopf in den Sand stecken können.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Machen wir auch nicht!)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich bitte Sie ausdrücklich, den Satz, den Sie weglassen wollen, vorzulesen!)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Lesen Sie bitte unseren Antrag vor!)

Da wäre ich aber schön dumm, Herr Dittes.

Ich will nur darauf verweisen, dass man hier reinformuliert: „[…] weder […] – ich lasse das weg – „noch für nichtstaatliche Organisationen und politische Akteure im Rahmen politischer Auseinandersetzungen. Protest“ – richtig und jetzt kommt der Punkt – „und ziviler Ungehorsam sind hingegen notwendige Bestandteile einer lebendigen Demokratie.“

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagt das Bundesverfassungsge- richt!)

Wir wissen, was unter diesem zivilen Ungehorsam zu verstehen ist, der dann trainiert wird. Dann steht drin – obwohl wir das gar nicht beurteilen können –: „Der Thüringer Landtag begrüßt ausdrücklich jene Versammlungen anlässlich des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli 2017, die eine notwendige inhaltliche Auseinandersetzung mit der Politik der G20 geführt haben.“ Das können wir gar nicht von hier aus irgendwie verifizieren, wer war da, wer hat da nicht oder wer hat was. Das sollen wir als Thüringer Landtag hier begrüßen? Ja, wo sind wir denn eigentlich?

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Aber selbstverständlich!)

Meine Damen und Herren, es sind noch mehr Dinge drin. Da steht weiter unten: „[…] Behinderung von Journalistinnen und Journalisten“ – das brauchen Sie ja immer – „an der Ausübung ihrer durch das Grundgesetz besonders geschützten Tätigkeit sowie nicht zu rechtfertigende und unverhältnismäßige Gewaltanwendung“ – hören Sie zu – „durch Polizeibeamte gegen friedliche Versammlungen und deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer […]“. Ja, hören Sie mal, das ist doch ein Hohn, dass man hier der Polizei unterstellen will, dass sie hier unverhältnismäßig rangeht.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Da sind wir aber weiter, Herr Fiedler!)

Ja, ich weiß, dass Sie das alles anders sehen. Aber das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: In Sonntagsreden wird irgendwas postuliert, ach die armen Polizisten, und dann unterstellt man indirekt, dass sie sich nicht ordentlich verhalten.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Es gibt 60 Verfahren!)

Die sind an Recht und Gesetz gebunden. Die Polizei hat das Gewaltmonopol des Staates umzusetzen. Wenn sie dort Fehler machen, werden sie durch ihren Dienstherrn zur Verantwortung gezogen. Da braucht man nicht irgendein Geschwafel von der Linken, die hier unsere Polizisten in die Ecke stellen will. Wo sind wir denn eigentlich hier, meine Damen und Herren?

(Beifall CDU, AfD)

Sie machen sich mehr Sorgen, dass Ihr angereister Schwarzer Block und was weiß ich wer ihr Zeug ausüben können. Aber unseren Polizisten, den unterstellen Sie hier irgendwelche Dinge. Ich könnte noch mehrere Dinge nennen, die hier von Ihnen dazu eingebracht wurden. Es fällt mir nichts mehr ein.

Meine Damen und Herren, wir werden selbstverständlich diesem Antrag nicht zustimmen. Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen, weil wir dort einige Punkte aufgeführt haben, wo man was verändern kann, was wir auch ändern können. Am Schluss: Vielen Dank allen Polizistinnen und Polizisten, allen Angehörigen. Wir hoffen und wünschen, dass immer alle Polizisten heil aus den Einsätzen zurückkommen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Für die Fraktion Die Linke erhält der Abgeordnete Dittes das Wort.

(Abg. Fiedler)

Frau Präsidentin! Herr Fiedler, ich freue mich immer, wenn ich nach Ihnen reden darf – im Umgekehrten gilt das natürlich auch –, das belebt immer ein Stück weit die Debatte hier im Haus, gerade bei innenpolitischen Themen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Kommen Sie gerade vom Strand, Herr Dittes, oder wo haben Sie die Latschen her?)

Ich will gar nicht en détail auf jede Ihrer Äußerungen eingehen, insbesondere will ich auch nicht die innenpolitische Debatte über Bodycams, TKÜ-Zentrum aufwärmen. Ich will Ihnen aber zu drei Ihrer Äußerungen doch etwas sagen.

Sie haben den Landesparteitagsbeschluss der Linken kritisiert, der sich auf den Koalitionsvertrag beruft. Es ist eben so, Herr Fiedler, dass man auch nicht den Verfassungsschutz einfach mal in die Spur schicken kann, nur weil man etwas aus politischer Überzeugung als extremistisch bezeichnet. Der Verfassungsschutz ist auch ein Teil des Gewaltmonopols, nämlich mit der Befugnis, in Grundrechte einzugreifen. Es braucht besondere Eingriffsschwellen, die er sicher feststellen muss, um überhaupt tätig werden zu können. Das ist genau das, was Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag vereinbart habt, dass es eben nicht darum geht, einfach, wenn Gesinnung einem nicht passt, den Verfassungsschutz für zuständig zu erklären, sondern dass in einem Rechtsstaat selbstverständlich nachvollziehbare Eingriffsbefugnisse vorliegen müssen. Das ist in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will Ihnen aber auch deutlich sagen, Herr Fiedler, in Ihrer Kritik an Rot-Rot-Grün haben Sie sich an einer Stelle wirklich verrannt. Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass alle Gefahren für den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, die Sie hier aufgeführt haben – Linksextremismus, Salafismus, Islamismus – erst seit drei Jahren existieren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich werde Ihnen nachher zur Zahlenentwicklung gerade auch der Gewaltstraftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität-links noch einige Zahlen nennen. Ich glaube, Sie sollten schon aufpassen, dass Ihre politische Überzeugung Sie nicht so in die Irre führt, dass Sie wirklich jede sachliche Grundlage verlassen.

(Beifall DIE LINKE)

Eines will ich Ihnen auch deutlich sagen und damit will ich dann auch gleich einleiten in meinen Beitrag: Die permanente Unterstellung, Die Linke, die Grünen und Teile der SPD würden in irgendeiner

Form positiv zur Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele und Interessen beitragen oder dies befördern, ist einfach falsch. Sie ist sachlich nicht zu belegen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sie können sie auch in einer 25-jährigen Geschichte der politischen Auseinandersetzung in Thüringen nicht nachweisen. Ich fordere Sie wirklich auf – ich werde es nachher noch an einigen Punkten detaillierter ausführen –: Lassen Sie diesen hanebüchenen Unsinn! Sie diskreditieren nicht nur politische Parteien – das können Sie tun –, Sie diskreditieren Menschen, die sich alltäglich in diesem Land für die Belange der hier lebenden Menschen einsetzen, und zwar aller hier lebenden Menschen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, nach Hamburg wird zu Recht über Gewalt geredet, über Ursachen und deren Folgen. Eine solche Diskussion ist natürlich notwendig – gar keine Frage. Im Kontext des G20-Gipfels und der erlebten Gewalt haben die Partei Die Linke, aber auch natürlich die gesellschaftliche Linke, eine besondere Verantwortung, an dieser Diskussion teilzunehmen, um sich der Diskussion zu stellen. Was aber kein Bestandteil einer wirklich politischen und fundierten Debatte ist, sind Distanzierungsforderungen und anschließende Distanzierungsrituale, insbesondere derartig unreflektierte. Ich sage es Ihnen ganz deutlich, ich habe es eben schon angedeutet: Die reflexartigen Forderungen von CDU und AfD an alle Parteien, die links von ihnen stehen, sich von Gewalt nach G20 zu distanzieren, sind genauso bescheuert wie die andauernden Aufforderungen an Muslime in Deutschland, sich vom islamistischen Terrorismus zu distanzieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn Sie tatsächlich immer wieder diese Forderung wiederholen, auch an Die Linke und dabei auch insbesondere immer wieder an Katharina König gerichtet, wenn Sie in diesem Zusammenhang auch immer wieder Katharina König erwähnen und immer wieder solche Forderungen aufmachen, dann sollten Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen, was Die Linke und Katharina König zuletzt zu G20 unter anderem am 10. Juli erklärt haben, und zwar öffentlich – nachlesbar auch am 11. Januar 2017 in der „OTZ“. Ich will es Ihnen kurz zitieren: „Die Linke lehnt Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab und setzt sich für das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein, dieses Recht gilt ausdrücklich auch für jene, die es anderen Menschen absprechen wollen.“ Herr Fiedler, wenn ich Ihren Redebeitrag gehört habe und dieses Zitat hier

zur Hand nehme, habe ich den Eindruck, man müsste Ihnen raten, sich etwas weniger auf Internetplattformen der Radikalen Linken rumzutreiben, sondern vielleicht auch mal die bürgerlichen Medien zu lesen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber eines, meine Damen und Herren, möchte ich dennoch an dieser Stelle sagen, nicht zwingend an die mediale Öffentlichkeit, noch sehr viel weniger an die Abgeordneten des Thüringer Landtags, schon gar nicht an die CDU und noch viel weniger als Reaktion auf die AfD, eigentlich auch nicht an die allgemeine Öffentlichkeit, sondern gerichtet an die Menschen, die als Polizeibeamte in höchst unterschiedlichen Einsatzsituationen, manchmal auch unter Zurückstellung persönlicher Einschätzungen oder Inkaufnahme von Belastungen und explizit auch von Gefahren dafür Sorge tragen, dass eine Rechts- und Gesellschaftsordnung, die auch den Einzelnen in seinen Rechten und vor der Willkür Einzelner aber auch des Staates schützt, weder durch die Machtausübenden missbraucht, noch durch Gewalt und Unterdrückung verändert wird, und damit auch die Voraussetzungen schaffen, dass sich eine Gesellschaftsordnung durch den Diskurs, durch die Macht der Argumente, durch die Macht des Wissens und der Teilhabe aller entwickeln kann – für diejenigen ist die folgende Aussage.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Richtig Herr Dittes! Sehr richtig, Herr Dittes!)

Für die Linke sind gewalttätige Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten nicht zu tolerieren. Menschenleben gefährdendes Verhalten stellt keinen Bestandteil legitimer Proteste gegen den G20-Gipfel dar, die gerade zum Ziel hatten, für eine bessere, friedliche, freie, demokratische, ökologische und soziale Welt zu streiten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, wenn wir uns darin einig sind, dass Gewalt kein Mittel zur Durchsetzung politischer und damit auch immer ökonomischer und geostrategischer Interessen und politischer Ziele sein darf, dann gilt dies für politische Akteure im Rahmen der politischen Auseinandersetzung ebenso wie für Staaten im Rahmen sowohl ihrer Innen- als auch ihrer Außenpolitik. Die G20-Teilnehmerstaaten, die die Menschenrechte systematisch verletzen, mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorgehen, sind genauso zu verurteilen wie die existenzbedrohende strukturelle Gewalt infolge politischer Entscheidungen der G20-Staaten, die zu weltweiter sozialer Ungleichheit, zu Armut, medizinischer Unterversorgung, Umweltzerstörungen, Entwertung sozialer