vielen Ausländer überfremdet wird; wenn 55 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sagen, Muslime würden in Deutschland zu viele Forderungen stellen, dann ist das, glaube ich, ebenfalls einfach problematisch. Das geht noch einmal weit über das hinaus, was wir mit dem Demonstrationsgeschehen erleben. Das sind eben nicht nur verfestigte Nazis, das sind nicht nur Abgehängte, das ist nicht nur das Prekariat, sondern das sind Menschen, die mitten in der Gesellschaft stehen. Das sieht man auch, wenn man sich die Milieuauswertung zum Thüringen-Monitor ansieht. Da sieht man nämlich, dass lediglich 17 Prozent aller Thüringerinnen und Thüringer keine Vorurteile und keine Ressentiments gegen Ausländer haben oder keine nationalsozialistischen Einstellungen. Das zeigt einfach, wie groß der Handlungsdruck ist, den wir hier ganz real haben. Ein anderes aktuelles Beispiel ist die Befragung des Ortsteilrats in Gera-Liebschwitz zur Erstaufnahmestelle in Gera. Dort gab es die Möglichkeit, der Aussage „Für den Fall, dass in Gera-Liebschwitz bis zu 150 Asylbewerber aufgenommen werden, bin ich für eine Willkommenskultur, die auf ein verträgliches Miteinander ausgerichtet ist“ zuzustimmen. Dieser Aussage haben von 234 Befragten drei zugestimmt. Es geht nicht um die 150 Asylbewerber, sondern es geht um die Aussage, dass man eine Willkommenskultur leben will. Das zeigt uns, wie groß der Handlungsdruck ist, den wir haben. Wegen genau dieser Beispiele – die kennen wir nämlich nicht erst seit den letzten Wochen und Monaten, die kennen wir schon seit vielen Jahren – bin ich auch froh, dass die Landesregierung schon im vergangenen Jahr das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit eingeführt hat und dass hier Projekte und Organisationen unterstützt werden, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren und sich das auf die Fahne geschrieben haben. Auch deswegen haben wir gesagt, vor dem Hintergrund dieser aktuellen Probleme, die wir haben, wenn wir über Flüchtlingspolitik reden, wenn wir über Sügida und Thügida reden, dass wir das Landesprogramm weiterentwickeln wollen, dass wir es genau an diese Herausforderungen anpassen wollen und dass wir eben auch eine finanzielle Aufstockung vornehmen müssen.
Auf der anderen Seite, und das möchte ich an dieser Stelle auch noch mal betonen, ist es wichtig, dass wir als demokratische Kräfte uns gemeinsam gegen rechts engagieren. Das funktioniert in dem einen oder anderen Fall schon sehr gut, in dem anderen Fall sagen wir, es ist ausbaufähig. Ich glaube, dass wir als Politikerinnen und Politiker eine ganz besondere Verantwortung haben, weil wir in einer privilegierten Situation sind, weil unsere Stimme besonders gehört wird. Ich glaube, dass auch wir als Abgeordnete dieses Hauses uns bewusst sein müssen, dass, wenn wir uns öffentlich äußern, das Einfluss auf die Wahrnehmung und auf die Willensbildung in diesem Land hat. Wenn ich dann Sa
chen lese wie: „Natürlich muss und wird weiterhin jeder Flüchtling Asyl erhalten, der wirklich verfolgt wird und unsere Hilfe braucht.“ und damit der Eindruck erweckt wird, ein Großteil der Flüchtlinge bräuchte unsere Hilfe gar nicht, oder wenn Aussagen formuliert werden wie: „Wer Einwanderung ohne Nützlichkeitserwägung zulässt, verrät die Interessen des eigenen Landes.“ und damit Fragen von Flucht und Asyl mit Fragen von Zuwanderung vermischt werden. Oder wenn der Eindruck erweckt wird, es ginge beim Winterabschiebestopp schlicht um schlechtes Wetter,
es dabei aber eben nicht um schlechtes Wetter geht. Wer sich mal ernsthaft mit der Situation in den Balkangebieten beschäftigt hat, der weiß, da geht es um Obdachlosigkeit, da geht es um Ausgrenzung, da geht es um Diskriminierung und da geht es darum, dass die Menschen, die in dem Land leben, schlicht und ergreifend keine Lebensperspektive haben. Unsere Aufgabe ist es, genau diese Probleme und genau diese Herausforderungen zu vermitteln.
Dabei glaube ich, dass wir beim Thema „Demokratie und Weltoffenheit“ in diesem Hause gar nicht so weit auseinander sind. Wenn wir uns die Erklärung für ein tolerantes, demokratisches und weltoffenes Thüringen, die in der letzten Legislatur verabschiedet wurde, ansehen, dann glaube ich, dass die auch heute noch eine relativ große Mehrheit fände. Aber ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass wir gemeinsam für Weltoffenheit und Toleranz stehen und eben nicht mit solchen Aussagen genau so was wieder infrage stellen
ich sage noch einen Satz –, dass es eben nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern dass unsere täglichen Handlungen und wie wir uns äußern, darauf Einfluss haben und dass es sich eben genau daran auch messen lassen muss.
Vielen Dank, Frau Lehmann. Das Wort hat nun die Abgeordnete Katharina König für die Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 21. März ist der internationale Tag gegen Rassismus, der nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern weltweit begangen wird, der begangen wird, um zumindest einmal jährlich möglichst effektiv, möglichst effizient und möglichst gemeinsam darauf aufmerksam zu machen, dass Rassismus in unserer Gesellschaft und eben auch in der deutschen Gesellschaft eines der Hauptprobleme im Zusammenleben ist. Ezra hat, das hat Madeleine Henfling bereits angesprochen, die Übergriffe aus dem Jahr 2014 dargestellt: 58 Übergriffe gab es insgesamt. Das sind nur die, die bei ezra offiziell aufgelaufen sind, ezra selbst geht von einer erhöhten Dunkelziffer aus. Das bedeutet, dass mindestens einmal wöchentlich in Thüringen ein Mensch rassistisch, rechts zusammengeschlagen wird von Rassisten, von Neonazis. Darüber hinaus haben 174 Menschen die Beratungsangebote von ezra wahrgenommen. Insgesamt betroffen durch die 58 Übergriffe waren 106 Personen. Erinnern möchte ich an der Stelle nur an den Übergriff in Ballstädt Anfang des letzten Jahres, der bis heute nicht vor Gericht verhandelt wird, wo bisher scheinbar die Ermittlungen immer noch nicht endgültig abgeschlossen sind.
Wer Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bekämpfen will, der muss zuallererst dafür sorgen, dass Menschen wie jene Bootsflüchtlinge, die versuchen zu uns nach Europa zu kommen, dass diesen mit Empathie begegnet wird – so die „Süddeutsche“ zum Internationalen Tag gegen Rassismus.
Wenn man sich anschaut, was sowohl die Heitmeyer-Studie als auch der Thüringen-Monitor als auch die „Mitte-Studie“ usw. festhalten, dann kann man sich in der Konsequenz nur Herrn Heitmeyer anschließen, nämlich: Es reicht nicht aus, über die Neonazis zu reden, die hier wöchentlich in Thüringen momentan aufmarschieren – mehr als 25 Aufmärsche stehen uns bis zum Ende des Sommers bevor –, sondern wir müssen über das von Heitmeyer so bezeichnete „verrohte Bürgertum“ reden,
welches sich entsolidarisiert von Menschen, die schwächer sind, von Hartz-IV-Empfängern, von den Kranken, von Flüchtlingen, von allen, die sie abwerten und die sie in vermeintlich untere Menschenschichten einordnen. Da ist es an der Zeit, wie gesagt, weiter zu reden als nur über die vielen Neona
ziaufmärsche, die uns hier in den nächsten Wochen und Monaten bevorstehen. Da geht es auch darum, zu reflektieren, welchen Anteil wir daran haben, wir, die jeweiligen einzelnen Abgeordneten, aber auch wir als Fraktionen und wir als Teil der Zivilgesellschaft und die Zivilgesellschaft draußen auf der Straße. Es beginnt nämlich spätestens dann, wenn an Stammtischen – sei es von der CDU
oder sei es ein normaler Stammtisch von einem Faschingsverein oder Ähnlichem mehr – davon gesprochen wird, dass ja die Zahl der Ladendiebstähle gestiegen wäre aufgrund der Flüchtlinge,
welche sich jetzt vor Ort aufhalten. Es geht weiter, wenn Bürger und Bürgerinnen im Zusammenhang mit einer öffentlichen Veranstaltung zur Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft davon sprechen, dass sie Angst haben, dass ihre Karnickel aus den Ställen gestohlen werden, wenn jetzt dort Flüchtlinge untergebracht werden sollten.
Es geht aber auch weiter, wenn man darüber spricht, dass ja, wenn Flüchtlinge in die Nachbarschaft kommen, sofort eine Abwertung des eigenen Eigentums stattfinden würde. Und es hört noch lange nicht auf, auch wir haben Anteile daran, dass Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Auch wir finanzieren Frontex mit, auch wir sorgen dafür, dass es uns hier in Deutschland gut geht, und ignorieren dabei viel zu häufig, dass das auf Kosten von anderen Menschen stattfindet. Und da halte ich es für dringend notwendig, nicht nur allwöchentlich gegen Thügida, Sügida und die ganzen anderen Neonazidemonstrationen auf die Straße zu gehen, auch wenn wir dies tun sollen und müssen und es auch notwendig wäre, da Abgeordnete anderer Fraktionen mit wahrzunehmen, sondern ich halte es für viel wichtiger und notwendiger, dass wir beginnen, über die Abgrenzungspolitik und die Ausgrenzungspolitik, die nicht nur im Alltag, sondern leider auch hier im Parlament häufiger in Redebeiträgen stattfindet,
nachzudenken und uns dafür einzusetzen, dass eine offene Gesellschaft, in der Menschen – egal welcher Nationalität und egal welcher Herkunft – willkommen sind, hier in Thüringen, aber generell in Deutschland möglich wird. Danke schön.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute das Thema „Thüringen zeigt Gesicht gegen Rechtsextremismus und Rassismus – der Frühling wird bunt, nicht braun“. Und ich setze hinzu: hoffentlich keine Gewalt.
Meine Damen und Herren, wir alle hier im Hohen Hause verurteilen – und auch ich und meine Fraktion – jedwede Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, damit das ganz klar ist,
weil immer versucht wird, irgendwo da so was unterzuwuchten. Frau Kollegin König hat es gerade wieder mit dem CDU-Stammtisch versucht. Und ja, es ist ein gutes Zeichen, wenn Thüringen Gesicht zeigt gegen Rechtsextremismus, seine Auswüchse teilweise in Form von Sügida, Thügida und Co. Die relativ geringe Teilnehmerzahl der Thügida-Veranstaltung zeigt meines Erachtens aber auch eines: Diese gesamte Bewegung wird sich langsam, aber sicher selbst in Wohlgefallen auflösen und das ist gut so.
Wenn wir an dieser Stelle dem Rechtsextremismus völlig zu Recht die Rote Karte zeigen, will ich noch auf zwei wichtige Aspekte hinweisen, die wir keinesfalls unberücksichtigt lassen dürfen. Wie bei allen Demonstrationen von Pegida und ihren Ablegern, also von Legida über Sügida bis Thügida, waren mitnichten – auch das muss man zur Kenntnis nehmen – nur Rechtsradikale dabei, deren Intention auf Gewalt und Hass gerichtet war.
Es waren vielmehr auch ganz normale Menschen unter den Teilnehmern, deren Ängste, aber zum Teil auch Unwissenheit wir alle ernst nehmen müssen und nicht als blinde Fremdenfeindlichkeit abtun können.
Ein sehr guter Ansatz, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, war die von der CDU Suhl am 2. Februar 2015 organisierte Veranstaltung. Frau König, ich weiß nicht, ob Sie meinen, dass das der Stammtisch war. Aber, Frau Kollegin König, Sie wa
ren vor Ort und haben da Ihre entsprechenden Dinge mit Film und Ähnlichem durchgeführt. Das mag Ihr gutes Recht sein, ich weiß es nicht, ob es nun so schick ist, das lassen wir mal beiseite.
Der zweite Aspekt, der mir an dieser Stelle wichtig zu erwähnen erscheint, ist die immer wieder nur einseitige Fokussierung der Regierungskoalition auf den Rechtsextremismus. Die jüngsten Krawalle von Frankfurt mit einem unvorstellbaren Ausmaß an linksextremistischer Gewalt schockieren die ganze Republik.
Dabei ist der Linkspartei für einen Moment die Maske der Friedfertigkeit massiv verrutscht, denn dieses Mal konnte man dahinter die Fratzen linker Schlägertrupps erkennen.