Protocol of the Session on June 23, 2017

wollte ja irgendwo eine Existenz aufbauen, wollte Geld verdienen und eine Familie gründen! Und was da alles zusammengestürzt ist, dass selbst Herbert Wirkner dann die Arbeitsstelle gewechselt hat und dass man trotzdem auf der zweiten es dann wieder versucht hat, und, und, und, das ist schon eine Geschichte, die einem schwer zu denken gibt.

Was mich besonders mit belastet, ist, dass Herbert Wirkner aus meiner Sicht zu Recht gesagt hat, dass hier heute noch Dinge, wie es scheint, weiterwirken, dass selbst aus demokratischen Gremien, die wir selbst geschaffen haben, in der ersten Runde, ich bezeichne es mal so, durchgestochen wird und man Dinge an die Öffentlichkeit bringt, obwohl das alles unter Geheimhaltung und Ähnlichem liegt.

(Beifall CDU, AfD)

Das ist auch eine Situation, über die ich sagen muss, es hat mich auch persönlich sehr getroffen, dass man aus so einem überschaubaren Gremium Dinge durchsticht und an die Öffentlichkeit gibt. Das ist Rufmord. Bevor man überhaupt die Gremien hat arbeiten lassen oder die überhaupt erst mal Unterlagen einsehen konnten, solche Dinge schon durchzustechen, wie wir im Politjargon sagen – durchzustechen, das heißt, die Presse zu informieren –, das finde ich böswillig und menschlich sehr, sehr bedenklich. Der- oder diejenige wird wissen, wer gemeint ist, und der sollte tief in sich gehen, ob man so etwas überhaupt einem Kollegen zumuten sollte.

(Beifall CDU, AfD)

Frau Rothe-Beinlich, Bündnis 90/Die Grünen, meinte, man muss heute hier darüber eine Aussprache führen. Man kann die durchaus führen und Herbert Wirkner hat sie ja selbst beantragt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich doch ge- sagt!)

Ja, Frau Rothe-Beinlich, ich weiß, Sie wissen auf alles immer eine Antwort, und in sich selbst mal reinzuhören, das fällt Ihnen sehr schwer. Ich will nur deutlich machen: Hätten Sie das nur gemacht, wo andere Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause seit Jahren dessen überführt sind, was sie gemacht haben!

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich gemacht!)

Entsprechende Gremien haben das damals festgestellt und Sie haben nach einem Zeitraum X gesagt: Es ist jetzt lange genug her, jetzt ist es abgehakt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverfroren!)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war eine Lüge! Das habe ich nicht gesagt!)

Sie – Bündnis 90, in Klammern Die Grünen – können sich darüber ruhig erregen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abteilungsleiter!)

Ach, Sie können ruhig noch was sagen, dass ich in der FDJ war, dass ich Wandzeitungen mitgemacht habe. Herr Oberlehrer, man sieht Ihre Betroffenheit.

(Beifall CDU, AfD)

Obwohl ich innerlich sehr,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie gießen Öl ins Feuer!)

sehr angespannt bin, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Bündnis 90 hier trotzdem noch die Aussprache macht und anderen gleichzeitig Entlastung gibt. Ich muss Ihnen sagen, das hätte ich nicht erwartet. Da haben andere in diesem Haus...

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: War das jetzt ein gehei- mes Gremium oder war das ein geheimes Gremium?)

Ich berichte nichts aus irgendeinem Gremium, ich berichte das, was die veröffentlichte Meinung hier kundtut – nichts anderes mache ich. Ich werde mich hüten. Ich war außerdem nur an dem Gremium beteiligt, was Herbert Wirkner betrifft, damit das ganz klar ist. Ich war an anderen Gremien überhaupt nicht beteiligt. Sie kennen das Prozedere: Hotel, oberste Etage, im Raum unten warten, damit sich keiner begegnen konnte und was da alles so war. Ich hoffe, dass das nicht auch geheim ist, Herr Präsident, wenn ich sage, in der Etage X usw. Ich hoffe mal, dass es nicht so ist.

Ich will nur sagen, es ist von der Verwaltung schon viel versucht worden, damit entsprechende Dinge ordentlich durchgeführt werden konnten. Aber wenn Sie sich rausnehmen, Frau Rothe-Beinlich, hier Dinge so darzustellen, nachdem ein Kollege das alles hier noch mal vorgestellt hat, dann ist das für mich schon wirklich traurig, traurig, traurig.

Ich will noch ganz kurz zumindest anreißen, dass ein Kollege, der in dem Haus sitzt und seit längerer Zeit parlamentsunwürdig ist, hier quasi freigesprochen wurde, und das mit Ihrer großen Unterstützung. Das macht mich schon ganz schön betroffen, aber das zeigt vielleicht auch …

Kollege Fiedler, ich möchte Sie bitten, dass wir zurückkommen zu der hier besprochenen Frage des Abgeordneten Wirkner.

Selbstverständlich. Er hat sich ja wenigstens gestellt, andere machen das nicht, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, Sie sollten es nicht so einfach abhaken und lächerlich machen. Hier geht es um einen Kollegen mit Familie, der sich aus meiner Sicht nichts zuschulden kommen lassen hat. Er hat dem Druck widerstanden, der damals aufgebaut wurde. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sollten weiterhin – es geht sowieso nicht mehr, das Einzige, was wir haben, ist jemanden für parlamentsunwürdig zu erklären. Tun Sie doch nicht so, als ob da irgendwas ist. Das hat das Gericht klipp und klar gesagt: Einen einmal Gewählten kann man nicht einfach aus dem Parlament entfernen. Das mag gut sein, aber genauso gut war es – bisher jedenfalls –, dass wir diese Parlamentsunwürdigkeit festgestellt haben. Das Ganze läuft jetzt sowieso aus, der eine freut sich darüber, der andere nicht. Es hat sicherlich etwas mit Zeitablauf zu tun, dass das Thema dann soweit beendet ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist als Resümee festzustellen, dass auch heute noch Dinge fortwirken, die man sich nicht hätte denken können. Ich möchte an alle appellieren, dass man, wenn es um Kollegen geht, versucht, auch mal die Zunge im Zaum zu halten, und dass man versucht, demokratische Dinge, die wir Gott sei Dank haben, hier auch wirklich umzusetzen. Ich bin froh und dankbar – Herbert, ich wünsche dir, deiner Familie, deinen Freunden, dass du das alles überstehst, dass ihr das alles übersteht –, dass auch Freunde von dir heute da sind, die auch noch einiges mitteilen könnten, wie es damals lief. Ich würde mir wünschen, dass auch die Stasi-Unterlagen-Behörde in Zukunft alle Akten und alles vollständig liefert, denn auch da waren Fehler und Mängel drin. Deswegen abschließend von mir, Herbert, dir und deiner Familie alles Gute! Wir stehen zu dir, mach weiter so und bleib so ein Kerl, wie du bist!

(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Danke schön. Ich habe eine weitere Wortmeldung des Kollegen Adams für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Herbert Wirkner hat durch seine Rede, durch seinen Antrag heute hier etwas unendlich Wertvolles gemacht, er hat die Möglichkeit zur Debatte eröffnet. Dafür gebührt ihm mein Dank und mein uneingeschränkter Respekt.

(Abg. Fiedler)

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe am Anfang dieses Plenums, am Mittwoch, auch versucht deutlich zu machen, was ich zu jedwedem politischen Durchstechen denke. Es sollte uns allen helfen, einmal darüber nachzudenken mit Blick auf das Postgeheimnis, das Geheimnis bei den vertraulichen Sitzungen, an denen wir teilnehmen, die nicht öffentlichen Sitzungen, aus denen man gern berichtet, wenn es in einer Rede passt, was wir da tun. Ich rufe jeden Abgeordneten des Thüringer Landtags auf, das kritisch zu überprüfen und das nie wieder zu tun. Die Verführung ist oft groß. Alle wissen das! Und ich wäre nicht redlich, würde ich nicht behaupten, dass es mir auch schon so gegangen ist – wie allen hier.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich entschlossen, doch noch nach vorne zu gehen, nachdem Herr Fiedler hier gesprochen hat. Mir ist eine Sache wichtig, zum einen zu unterstreichen, was Frau Rothe-Beinlich gesagt hat. Der heutige Tag eröffnet die Chance, von dem Festmachen an der Person wegzukommen und sich als Parlament die Aufgabe zu nehmen, einmal in der Legislatur über DDR-Aufarbeitung zu sprechen, und zwar nicht darüber, in welchem Haus und an welcher Stelle, und nicht, wer von uns der Belastetste ist oder der Unbelastetste ist, sondern darüber zu reden, was wir alle erlebt haben, nämlich dass das Leben in diesem Land unglaublich vielfältig war. Deshalb bin ich Frau Rothe-Beinlich dankbar, dass sie den Satz aus dem Koalitionsvertrag zitiert hat. Wir müssen wegkommen von der eindimensionalen oder der zweidimensionalen Sicht, dass jemand nur Täter, nur Opfer war.

(Beifall DIE LINKE)

Und, Herr Wirkner, bitte hören Sie gut zu: In Ihrem IM-Vorlauf waren Sie am Ende ein Opfer. Aber Sie waren am Anfang auch ein Täter. Nur wenn wir das erkennen können und uns damit auseinandersetzen, dass es eine staatliche Behörde war, die das mit Menschen machen wollte, sie zu Tätern zu treiben, und derjenige, der sich widersetzt hat, automatisch zu einem Opfer wurde, verfolgt wurde, damit müssen wir uns doch auseinandersetzen, mit diesem Repressionsmechanismus. Daraus können doch Menschen in der heutigen Zeit lernen. Deshalb fordere ich auf, dass wir jedes Mal in der Legislatur über diese Fragen diskutieren. Deshalb, Herr Fiedler, gilt Ihnen mein voller Widerstand.

(Beifall DIE LINKE)

Wer sich hier nach vorne stellt und immer wieder in der Debatte nur auf das Brandmarken einzelner Personen setzt, verkennt, dass sich die CDU und genau diese CDU-Fraktion, so wie sie vor uns sitzt, auch ihrer Vergangenheit stellen muss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Kandidat, als Direktkandidat, der mit Frau Walsmann zusammen um das Direktmandat hier in Erfurt gekämpft hat, weiß ich, wie Frau Walsmann ihre Geschichte darstellt. Und ich weiß, dass es so nicht war, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer darstellt, dass er ein Opfer der DDR war und in der Volkskammer gesessen hat, und zwar vor 89, ist unredlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Unruhe CDU)

Herr Abgeordneter Adams, ich möchte auch Sie bitten, zurück zum Thema zu kommen.

Na, aber sicher.

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Was soll denn das?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen darüber reden, wie wir DDR-Aufarbeitung gestalten wollen, wie viel Ehrlichkeit wir uns gegenseitig eingestehen wollen. Ich schäme mich heute immer noch dafür, dass ich im dialektisch-historischen Materialismus einen Bericht darüber geschrieben habe, dass die Diktatur des Proletariats der bürgerlichen Demokratie um so vieles überlegen ist. Dafür schäme ich mich. Ich habe damals gewusst, dass das Quatsch ist, was ich da aufschreibe.

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder einzelne kleine Punkt ist diskussionswürdig für unser Land, für die Aufarbeitung der Geschichte – und nicht das Verschweigen. Deshalb ist es keine Unverschämtheit, wenn wir Grüne – wie in der letzten Legislatur, sehr geehrter Herr Fiedler – die Debatte um die Geschichte dieses Landes einfordern. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Ich sehe momentan eine weitere Wortmeldung. Bitte, Herr Abgeordneter Henke für die AfD-Fraktion.