Protocol of the Session on June 21, 2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, jetzt bin ich, glaube ich, zum richtigen Tagesordnungspunkt hier vorn.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Anja, du bist immer richtig!)

Ich möchte ganz kurz mal der AfD den Einwohnerantrag erläutern, denn das ist ja ein – in Anfüh

(Abg. Kießling)

rungszeichen – Schwachsinn, was Sie hier vorgetragen haben. Sie wissen schon, ein Einwohnerantrag fordert den Gemeinderat dazu auf, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen.

Frau Abgeordnete, wir sind hier im Landtag.

Ich habe Anführungsstriche gemacht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: In Anführungsstrichen, da gibt es keinen Ord- nungsruf!)

Ja, das mindert das Ganze nicht. Ich ermahne Sie deswegen.

Das nehme ich auch gern an.

Aber dass da abgestimmt werden soll? Es geht einzig und allein darum, dass sich der Gemeinderat mit einem Thema auseinandersetzt. Was Sie hier wieder propagieren, zeigt mir eigentlich sehr deutlich, dass Sie von diesem Gesetzentwurf keine Ahnung haben, ihn nicht richtig gelesen haben und daher werden wir auch Ihrem Änderungsantrag auf keinen Fall zustimmen.

Zurück zu unserem Geänderten. In der ersten Lesung hat meine Kollegin Dorothea Marx die Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Thüringer Gesetzes über Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid erläutert. Nach der Beratung des Gesetzentwurfs im Innenausschuss, die auch eine schriftliche Anhörung umfasste, steht fest, dass keine Einwände vorgebracht wurden, auch nicht von den kommunalen Spitzenverbänden. Nicht nur bezogen auf den vorliegenden Verfahrenspunkt, sondern für alle Inhalte dieses neuen Verfahrensgesetzes gilt, wir werden mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten, wie sich die neuen Regelungen in der Praxis bewähren. Fest steht aber auch, dass Thüringen mit dieser jüngst durchgeführten Reform – die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene – eine Vorreiterrolle in Deutschland übernommen hat. Im neuesten BürgerbegehrenRanking des Bundesvorstands von Mehr Demokratie steht Thüringen im Bundesländervergleich auf Platz 1. Es gibt nun zum Beispiel das Ratsbegehren bzw. das Ratsreferendum.

Sehr geehrte Kollegin Frau Holbe, Sie haben eben gesagt, Sie haben unseren Gesetzentwurf beim ersten Mal abgelehnt und kurz danach auf Landesebene das Referendum ins Spiel gebracht. Von da

her verstehe ich jetzt Ihre Haltung und auch die Kritik an diesem Gesetzentwurf nicht, denn wenn man das eine auf kommunaler Ebene ablehnt und auf einmal auf Landesebene voranbringt, zeigt das eigentlich, dass auch da noch großer Diskussionsbedarf innerhalb Ihrer Fraktion besteht.

Thüringen ist auch das erste Bundesland, das die Verfahrensregeln für Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid übersichtlich und klar strukturiert in einem eigenen Verfahrensgesetz festgeschrieben hat. Aber wir als Linke machen auch klar – und das gilt übrigens in der gesamten Koalition: Die direkte Demokratie auch auf Landesebene muss weiter ausgebaut werden.

(Zwischenruf aus der Fraktion der AfD)

Das hat damit, glaube ich, nichts zu tun. – Dazu komme ich, denn das sogenannte Finanztabu hat noch immer die fatale Wirkung, die meisten Themen von der tatsächlichen Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger auszunehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben schon in der vergangenen Wahlperiode auf positive Weiterentwicklungen in anderen Bundesländern verwiesen, dort sind zum Beispiel Volksbegehren mit finanziellen Auswirkungen anders als derzeit in Thüringen grundsätzlich zulässig. Nur zum laufenden Landeshaushalt ist kein Volksbegehren zulässig, weil in diesem Fall das Parlament beispielsweise sein Budgetrecht schon konkret ausübt. Wir diskutieren gerade sehr intensiv mit den Koalitionspartnern über eine Weiterentwicklung auch hinsichtlich der Abschaffung des Finanzvorbehalts. Das tun wir in einer sehr intensiven Debatte, das kann man wirklich hier sagen. Skeptikern, die befürchten, dass bei mehr direkter Demokratie hinsichtlich Menschenrechten und Minderheitenschutz sehr problematische Entscheidungen entstehen könnten, sei gesagt, in Deutschland – damit auch in Thüringen – unterliegt die direkte Demokratie, gerade auch die Inhalte, der Kontrolle durch Verfassungsgerichte. Daher sind solche problematischen Ergebnisse praktisch ausgeschlossen.

Wie gerade gesagt, hat der Gesetzgeber die Pflicht zu tatsächlich wirksamen Mitbestimmungsrechten. Deshalb ist die oben angesprochene kontinuierliche Evaluierung des neuen Thüringer EBBG – kurz gesprochen – auch so wichtig. Die sinkenden Beteiligungsquoten bei Wahlen zeigen auch, dass die Menschen vor Ort in Sachen Demokratie endlich wirklich ernst genommen werden wollen. Sie wollen auch Sachfragen mit entscheiden und dort ihr Wissen und ihre Kompetenz mit einbringen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordneter Adams zu Wort gemeldet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin, das Thüringer Gesetz über das Verfahren bei Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid – kurz ThürEBBG – ist das modernste – das ist eben schon gesagt worden – Gesetz, das modernste Regelwerk für die direkte Demokratie auf der kommunalen Ebene. Nachlesen und sich die Begründung zu Gemüte ziehen kann man in den dazu eigens gefertigten Schriften von Mehr Demokratie, die die insgesamt deutschlandweiten Bemühungen um mehr Demokratie beobachten und bewerten. Wir sind damit – auch das ist schon gesagt worden – bei den Spitzenreitern, in die Spitzengruppe nach vorn getreten, was den kommunalen Mitbestimmungsbereich angeht. Wir haben Bürgerbegehren auch in Ortsteilen und in Ortschaften möglich gemacht, wir haben Bürgerbegehren zu Beteiligungen der Gemeinde an Unternehmen möglich gemacht. Initiativen haben das Recht, sich sachkundig machen zu lassen. Sie haben ein Recht auf eine formale Beratung. Wir haben eine Informationsgerechtigkeit in das Gesetz aufgenommen, denn die Gemeinde wird ein Informationsmaterial, in dem alle Punkte benannt sind, verschicken müssen. Auch das haben wir normiert. Wir haben Vertrauenspersonen die Möglichkeit gegeben, im Gemeinderat anwesend zu sein und dort auch sprechen zu dürfen. Der Gemeinderat kann bei einem Bürgerentscheid eine Alternative, also aus sich heraus neue Debattenpunkte, einbringen. Es ist also auch eine Stärkung eines parlamentarischen Ansatzes, soweit man im Gemeinderat, der ein Teil der Verwaltung ist, davon sprechen kann. Wir haben die Möglichkeit, ein Ratsreferendum durchzuführen. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass man effektiv und effizient Bürgerentscheide mit Kommunalwahlen auch verknüpft und an einem Tag den Urnengang durchführt und vieles, vieles mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dennoch ist kein Gesetz davor gefeit, dass man nicht eine Regelungslücke, eine Regelungsunklarheit

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jetzt kom- men wir zum Punkt!)

einfügt und diese Regelungslücke, diese Problematik lösen wir mit dieser redaktionellen Änderung. Ich freue mich, dass Kollege Fiedler nickt und dass er

wahrscheinlich dann mit dafür stimmen wird, das freut mich

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das glaube ich nicht!)

sehr und an der Stelle verbindet uns viel, den Kommunen gute Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben.

Ganz anders ist das mit dem Änderungsantrag der AfD, der vor allen Dingen wieder auf einen Grundgedanken, den es offensichtlich in der AfD gibt, abstellt. Er geht nämlich von der Ungleichwertigkeit von Menschen aus. Sie möchten Menschen, die einen anderen Pass haben, aber schon seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten in einer Gemeinde leben und mit den Menschen zusammen das reichhaltige Gemeindeleben gemeinsam gestalten, aus ihrer absolut kleinkarierten Weltsicht heraus ausschließen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das werden wir natürlich ablehnen, dafür gibt es keine Chance. Meine sehr verehrten Damen und Herren und deshalb

(Beifall SPD)

freue ich mich darauf, dass wir heute das Gesetz für Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auf gute Füße stellen und damit hoffentlich viele Anwendungsmöglichkeiten eröffnen. Uns würde es freuen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Marx, Fraktion der SPD, das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, also dass Sie von der AfD diesen eigentlichen Gesetzgebungsprozess verschlafen haben und jetzt, hinterher mit Änderungen kommen, die noch dazu abenteuerlich sind,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das haben wir damals schon gesagt!)

das verwundert uns wenig. Sie kennen ja auch das parlamentarische Verfahren gar nicht, dann wüssten Sie, dass das hier nicht einfach als Änderungsantrag beschließbar wäre, selbst wenn man das teilen wollte; wir tun das nicht. Ich bin jetzt kurz hier vorgegangen, weil ich eigentlich an die CDU appellieren wollte, doch noch einmal zu überdenken, ob Sie nicht dem formalen Änderungsvorschlag hier zustimmen können. Es geht nicht darum, dass Sie sozusagen das Gesetz als Ganzes hier bejubeln sollen. Wenn Sie das nicht können, ist das traurig

und, wie gesagt, einige Widersprüche hat ja auch meine Kollegin von den Linken genannt, aber wenn sozusagen ein handwerklicher Fehler behoben wird, der ein Gesetz praktikabel macht, dann wäre es auch für Sie eigentlich möglich, dieser Änderung zuzustimmen. Wenn das nicht geht, dann tut es uns leid, dann ist es ein bisschen schade. Wir freuen uns, wie gesagt, mit diesem kleinen Schritt, den kleinen formellen Fehler, den wir begangen haben, wiedergutmachen und ändern zu können und damit wirklich ein perfektes Gesetz über Bürgermitwirkung hier an den Start zu bringen, zu vollenden, mit dem wir wirklich bundesweit beispielgebend sind. Damit vielen Dank und wir können abstimmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/4109 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Stimmenthaltungen? Die kann ich nicht erkennen. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der AfD abgelehnt.

Wir stimmen direkt über den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/3601 in zweiter Beratung ab. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das sind die CDU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in zweiter Beratung angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Das sind die Regierungsfraktionen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das sind die CDU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung angenommen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und die heutige Plenarsitzung. Wir sehen uns morgen um 9.00 Uhr wieder hier.

Ende: 18.03 Uhr