Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Also, Herr Brandner, wenn Sie der Meinung sind, dass der Thüringer Landtag nichts mehr zu entscheiden hat, dann frage ich mich, warum Sie sich haben aufstellen und in den Land
Eigentlich ist es ja ganz einfach. Die erste Lesung hatten wir schon. In der ersten Lesung sind die juristischen Probleme dargelegt worden. Es ist gesagt worden, warum diese 5-Prozent-Klausel durchaus ihren Sinn hat. Die praktischen Sachen sind auch aufgezählt worden. Davon, das Ganze jetzt noch einmal von vorn zu machen, halte ich gar nichts. Das steht alles schon im Protokoll. Dass es noch einmal im Protokoll steht, macht keinen Sinn.
Ich will auf zwei kleine Punkte eingehen. Einmal haben Sie eben gesagt: Das Verfassungsgericht hat für die EU-Wahlen ja schon gesagt, dass das unzulässig ist. Da müssen Sie schon die ganze Wahrheit sagen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in demselben Urteil gesagt, dass es natürlich strukturelle Unterschiede zwischen der EUWahl und einer Wahl zum Bundestag oder zu einem Landtag gibt, weil das EU-Parlament zum Beispiel keine Regierung wählt, weil die EU-Gesetzgebung nicht von gleichbleibenden Mehrheiten getragen wird und weil die EU-Gesetzgebung sowieso mit unserer Gesetzgebung im Landtag bzw. im Bundestag so nicht vergleichbar ist, weil die Gremien dort anders strukturiert sind mit anderen Kompetenzen. Das war der Grund für das Bundesverfassungsgericht, zu sagen, dort kann man auf eine 3-Prozent-Klausel oder auch 5-Prozent-Klausel – egal wie viel es waren – verzichten.
Jetzt noch ein Punkt, weil das gerade aktuell war. Wir hatten in Frankreich gerade Wahlen und wir hatten in England Wahlen. Ich habe mir gestern mal die Stimmenverhältnisse und die Mandate rausgeschrieben, das kann man im Internet schön finden. Daran kann man auch schön erklären – ich nehme mir das mal heraus –, dass wir eigentlich gegenüber anderen Ländern ein hervorragendes Wahlrecht mit unserem Verhältniswahlrecht haben. Dieses Verhältniswahlrecht führt dazu, dass in der Tat prozentual die Stimmen der Bevölkerung im Parlament abgebildet sind, abgesehen von der 5Prozent-Klausel, das gebe ich zu. Aber es sind fast alle Stimmen – wenn man mal an Stimmengleichheit und Wahlgerechtigkeit denkt – der Bürger in einem Landtag oder auch im Bundestag über die Verhältniswahl abgebildet. Jetzt schauen Sie sich nur mal vergleichsweise Frankreich und England an, die ja beide – das habe ich das letzte Mal schon gesagt – für sich in Anspruch nehmen, Demokratie im Quadrat zu sein, vor allem die Engländer. Die Liberalen haben zum Beispiel bei der jetzt stattfindenden Unterhauswahl zwölf Sitze. Das entspricht 1,8 Prozent. Stimmenmäßig hatten die 7,4 Prozent. Da sieht man den Unterschied. Dann nehmen Sie die schottischen Nationalisten, die haben 35 Sitze, das entspricht 5,3 Prozent, gewählt haben die aber
eigentlich nur 3 Prozent. Und dann kommen eigentlich noch viel schlimmere Ergebnisse: Die Nationalkonservativen aus Nordirland haben jetzt zehn Sitze im Unterhaus, das entspricht 6,5 Prozent, in Wirklichkeit haben die nur 0,9 Prozent der Leute gewählt. Dann gibt es noch die UK, die überhaupt keinen Sitz im Parlament erlangt haben, aber 1,8 Prozent der Stimmen, also doppelt so viele wie die, die zehn Sitze haben. So viel zu England.
Jetzt habe ich noch zwei Zahlen aus Frankreich: Die en Marche haben 43 Prozent der Stimmen bekommen, aber 53 Prozent der Sitze. Die Front National – zu ihrem Leidwesen vielleicht – hat 8,8 Prozent der Stimmen bekommen, aber nur 1,4 Prozent bei den Sitzen, nämlich acht Sitze.
So viel zu den Fragen, wo Stimmengerechtigkeit, Stimmen- und Wahlrechtsgleichheit besser aufgehoben sind als bei uns. Bei uns sind sie hervorragend aufgehoben. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten an unserem Wahlrecht nichts ändern. Danke.
Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich das Wort, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ja hier schon viel Richtiges gesagt worden – mit Ausnahme von Herrn Brandner. Ihre Diffamierungsschallplatte, Herr Brandner, hat wirklich schon einen Riss. Ich habe den Eindruck, das wiederholt sich immer und immer wieder.
Sie erschöpfen sich aber eben leider auch darin und auch Ihre Späße findet offenkundig nur Ihre eigene Fraktion witzig. Vielleicht denken Sie darüber einfach mal nach.
Wir verhandeln heute ein zweites Mal und – wenn es nach uns geht – auch ein drittes Mal abschließend über diesen Gesetzentwurf, weil wir ja zum einen schon eine umfangreiche Debatte in der ersten Lesung hier hatten und zum anderen, glaube ich, sehr deutlich geworden ist, dass Sie von der AfD nicht die notwendige Unterstützung für Ihren Schnellschuss erfahren.
Am 8. Juni haben unsere drei Koalitionsfraktionen übrigens eine sehr gut besuchte Fachtagung zum Thema „Mehr Demokratie beim Wählen“ durchgeführt. Wenn man sich die Referate und Redebeiträ
ge angehört hat, dann hat es da durchaus viele spannende Anregungen für die Politik gegeben. Wir als Koalitionsfraktionen jedenfalls werden sehr sorgfältig prüfen, welche Ideen wir aufgreifen wollen, denn wir haben in unserem Koalitionsvertrag den Ausbau der Demokratie verankert und wollen „Mitmachen, Mitbestimmen, Verantwortung tragen“ auch im besten Sinne fördern. Allerdings funktioniert das nicht so, wie Sie von der AfD das gern wollen. Für uns als Bündnis 90/Die Grünen gehört dazu auch schon lange die Forderung nach mit Männern und Frauen paritätisch besetzten Parlamenten. Auch das werden Sie sich jetzt anhören dürfen.
Die ständige Unterrepräsentanz von Frauen in den deutschen Parlamenten einschließlich der Vertretung in den kommunalen Gebietskörperschaften widerspricht aus unserer Sicht ganz elementar dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes und auch der Thüringer Verfassung, die nämlich die gleichberechtigte demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger voraussetzt. Diese Forderung war ebenfalls ein Thema der Demokratiefachtagung, von der ich eben sprach. Wir werden uns damit beschäftigen, weil wir hierzu einen Auftrag im Koalitionsvertrag haben. Manch einer erinnert sich vielleicht: Unsere Fraktion hat in der letzten Legislatur bei Frau Prof. Laskowski ein entsprechendes Gutachten zur Umsetzung eines Parité-Gesetzes in Auftrag gegeben. Darin ist sehr fein säuberlich aufgearbeitet, welche Gesetze es genau wo zu ändern gilt, um eine Mindestparität in den Parlamenten zu erreichen. Das ist ein Thema, das wir uns vorgenommen haben und was wir auch angehen werden. Was wir aber – wie gesagt – ganz bestimmt nicht machen, sind Schnellschüsse im Sinne der AfD. Ich habe es schon in meiner Rede beim letzten Mal ausgeführt, Thüringen ist anders als viele andere Länder, nämlich vorbildlich aufgestellt, indem die 5-Prozent-Sperrklausel in der Verfassung verankert ist und nicht nur – wie beim Bund – einfachgesetzlich geregelt. Hieran werden wir selbstverständlich auch nichts ändern, denn das halten wir für völlig richtig.
Auch das Landeswahlgesetz werden wir nicht mit einem Handstreich verändern. Demokratie ist schließlich ein gemeinsamer Klangkörper, der fein aufeinander abgestimmt erst wohltönend wird. Die Misstöne der Rechtspopulisten führen uns nicht weiter, da sie nicht das Wohl des Ganzen im Blick haben, sondern nur ihren eigenen schrägen Tönen lauschen. Das müssen wir ja hier auch immer wieder miterleben.
Die 5-Prozent-Klausel haben wir wegen völlig anderer Voraussetzungen – übrigens zu Recht – für Kommunalwahlen abgeschafft. Es führt in Thüringen mit seinen Wählerinnen und Wählern aber kei
nen Schritt weiter, wenn wir jetzt willkürlich die Sperrklausel für Landtagswahlen verändern und damit nicht die Demokratie fördern, sondern der Destabilisierung des Landtags Vorschub leisten. Das ist nicht in unserem Interesse und deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf auch ablehnen. Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, auch wenn ich nicht ganz die Seite der AfD teile, eine 3-Prozent-Hürde würde mehr Gerechtigkeit in unsere Parlamente bringen. Wenn wir uns ansehen, dass mehr Menschen nicht zur Wahl gehen als die zwei größten Parteien im Lande, versperren wir denen, die wählen gehen, ihr Mitspracherecht. Denn sie haben keine Stimme in unserem Parlament in Form von Abgeordneten, und das Ganze wegen fehlender 2 Prozent.
Bei einer Wahlbeteiligung von circa 50 Prozent, die wir so ungefähr immer haben, erhält ja in Wahrheit die größte Partei nur die Hälfte der Stimmen, also circa 25 Prozent der Bevölkerung. Das ist – meiner Meinung nach – nicht unbedingt gerecht. Darum müsste man sich schon Gedanken über eine neue andere Regelung machen. Die Regierung und die größte Oppositionspartei können ja darüber mal beraten.
Wir haben freies Rederecht für alle. Frau RotheBeinlich, ich mache mal Ihr Lieblingszeichen. Eine ganz kleine Bemerkung von mir noch, Frau RotheBeinlich.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie dürfen nicht immer von sich auf andere schließen, Herr Brandner!)
Blick in die Vergangenheit, warum Sie jahrelang selber die Abschaffung der 5-Prozent-Hürde sowohl im Bund als auch im Land verlangt haben.
Nein, nein. Abschaffung der 5-Prozent-Hürde im Bund und im Land, das ist Forderung der Grünen und der Linken gewesen. Wo sind die Forderungen hin? Was hat sich denn so dramatisch verändert, dass es nicht mehr gefordert wird?
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben das nie gefor- dert! Ich habe es Ihnen das letzte Mal schon erklärt!)
wie Sie sich als sehr wohl emanzipierte Frau hier hinstellen und sagen können, Sie kämpfen für mit Männern und Frauen paritätisch besetzte Parlamente.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil das bei uns so ist. Das können Sie sich vielleicht nicht vorstel- len!)
Ich muss Ihnen sagen, den Ansatz finde ich schlichtweg nicht nachvollziehbar. Was haben Sie denn gegen Parlamente, in denen es mehr Frauen als Männer gibt?
Warum wollen Sie denn paritätisch die Parlamente besetzen? Wenn Sie mehr gute Frauen als gute Männer finden, dann können Sie doch auch mehr gute Frauen ins Parlament schicken.
wobei Sie dann ja auch die anderen ungefähr 50 oder 60 Geschlechter noch verteilen müssen. Das wird ja sogar in dem relativ großen Thüringer Landtag dann ein Problem, wenn Sie da alle mit Quoten versehen wollen. Aber es spricht doch nichts dagegen, sich Parlamente vorzustellen, wo die Frauen die Mehrheit haben. Ich hätte damit gar kein Problem.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich auch nicht! Sie haben Mindestparität nicht verstanden!)