Protocol of the Session on June 21, 2017

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Warum brauchen wir es dann?)

Wir haben die Roten, wir haben die Grünen, wir haben noch mal die Roten einschließlich eines AfDÜberläufers, wir haben die Schwarzen einschließlich einer SPD-Überläuferin, wir haben die Blauen, die mir persönlich am sympathischsten sind, muss ich sagen, und dann ganz rechts – ganz am rechten Rand – haben wir noch zwei politisch etwas mäandernde Personen, der eine wohl schon wieder oder noch immer bei der Familienpartei, bei dem anderen wissen wir es nicht genau. Also wenn Sie genau mitgezählt haben, gibt es nicht mehr und nicht weniger als acht politische Kräfte in diesem Parlament und das alles ist kein Problem.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was hat das denn jetzt mit dem Thema zu tun?)

Noch läuft es bei der Regierungsmehrheit und das wird wahrscheinlich auch so bleiben, wenn Herr Wolf nicht Bildungsminister werden sollte. Also ich weiß nicht, wo das Problem sein soll, sich gegen die 5-Prozent-Hürde zu wehren; wir haben acht

Kräfte hier im Parlament – es läuft doch für die Regierung bisher ganz gut.

Wenn man also aktuell und auch ansonsten keine Argumente gegen die Absenkung der 5-ProzentHürde hat, muss also, wie so oft, die Weimarer Republik und der historische Hintergrund herhalten. Aber das ist bekanntlich falsch, meine Damen und Herren. Die Weimarer Republik ging nicht maßgeblich an der Zersplitterung des Parlaments zugrunde, sondern sie ging an der antidemokratischen, demokratiefeindlichen, zerstörerischen Zusammenarbeit der Kommunisten, also der Internationalen Sozialisten, mit den Nationalen Sozialisten im Reichstag zugrunde. Daran ist Weimar zugrunde gegangen, dass sich die beiden Extreme – ein Rest befindet sich auf der linken Seite hier noch unter uns –gegen die Republik verbündet hatten. Das hatte mit der Zersplitterung des Reichstags nichts zu tun. Also völlige Verkennung der tatsächlichen historischen Gegebenheiten. Auch unter völliger Verkennung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts versuchen Sie damit, historisch und auch noch falsch die Ablehnung einer Gesetzesmaßnahme zu begründen.

Aber alle, die hier so wie gerade von mir skizziert, argumentieren, verlassen den Boden des Grundgesetzes. Das müssen Sie wissen. Vor allem dürfen Sie sich nicht etwa auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen, wie Sie, Herr Blechschmidt, das gerade hier krampfhaft versucht haben, denn das Bundesverfassungsgericht sagt nur, die tatsächlich vorzufindenden gesellschaftlichen Verhältnisse dienten als Grundlage der Rechtsprechung zur 5-Prozent-Hürde oder zur 3Prozent-Hürde.

Alles Gute, Gesundheit, Frau Henfling.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es ist eine allergische Reak- tion, Herr Brandner!)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worauf denn? Auf mich?

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, auf Sie!)

Da hätte ich aber Heftigeres erwartet, als so ein kleines Hatschi.

Meine Damen und Herren, bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht am 26.02.2014 im Urteil zum Europawahlrecht – da ging es um die 3-Prozent-Hürde – diese 3-Prozent-Hürde als schwerwiegenden Eingriff in die Wahlgerechtigkeit, in die Wahlgleichheit und die Gerechtigkeit der Wahl kritisiert. Karlsruhe urteilte, dass die Sperrklausel im Europawahlrecht unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen sei. Das heißt – ich hoffe, Sie haben jetzt zugehört oder es eventuell mal nachgelesen –, dass nur

die aktuellen Verhältnisse – ich hatte das gerade schon mal angesprochen – und nicht etwa die vermeintlichen Verhältnisse vor über 80 Jahren – also nur die aktuellen Verhältnisse – zur Begründung einer Sperrklausel herangezogen werden dürfen.

Ich erinnere: Im Thüringer Landtag würden bei einer 3-Prozent-Sperrklausel in dieser Legislaturperiode sechs politische Gruppierungen sitzen. Ohne Klausel hat es dazu geführt, das acht politische Gruppierungen da sind.

Nun müsste es eigentlich jedem einsichtig sein, dass man für eine 3-Prozent-Klausel votieren muss, wenn diese zu keiner Verschlechterung führt. Das habe ich gerade nachgewiesen. Denn eine 3-Prozent-Schranke beließe knapp 100.000 Wählerstimmen in der Auszählung und knapp 100.000 Wähler mehr könnten darüber entscheiden und mitbestimmen, wie sich der Landtag zusammensetzt. Es ist daher offenkundig, dass bei steigender Politikverdrossenheit die 5-Prozent-Sperrklausel unter den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie heute hier herrschen, abzulehnen ist.

(Beifall AfD)

Damit können wir uns einem zweiten Punkt zuwenden, nämlich den immer auch floskelhaft befürchteten – Herr Scherer hat das, glaube ich, auch erwähnt – Funktionsstörungen des Parlaments. Sie alle von den Altparteien – zwei oder drei kommen ja gleich noch – behaupten, bei fehlender Sperrklausel käme es quasi dazu, dass das Land handlungsunfähig würde. Aber genau diese Argumentation und genau diesen Automatismus hat das Bundesverfassungsgericht verworfen. Es sagt ausdrücklich, dass die Frage, was der Sicherung der Funktionsfähigkeit dient, nicht immer und für alle zu wählenden Volksvertretungen einheitlich und gleichmäßig beantwortet werden kann. Was notwendig ist, bemisst sich an den konkreten Funktionen des zu wählenden Organs. Das führt mich dazu, mal einen Blick auf den Thüringer Landtag zu werfen und hier die Frage zu stellen, welche Funktion er im politischen System Deutschlands eigentlich ausfüllt. Diese Funktion dürfte in der Tat unbedeutender sein, als so mancher Abgeordneter hier annimmt.

Das Abstimmungs-, Rede- und Applausverhalten der Altparteien, vor allem der Rot-Grünen, lässt mich sehr und viel zu häufig an Bilder aus Volkskammersitzungen bis Mitte 1989 – der eine oder andere, die eine oder andere hat ja noch selbst mitbekommen, wie es in der Volkskammer bis Mitte 1989 vonstatten ging – denken, also an diese Rituale in Volkskammersitzungen zu dunkelsten DDR-Zeiten, und gelegentlich auch an nordkoreanische Verhältnisse.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben ja eine Fantasie!)

Apropos Nordkorea. Frau Marx von der SPD bezog sich in der letzten Sitzung auf diesen wohl sozialistischen Musterstaat und verglich ihn mit Thüringen. Direkt gehe ich darauf nicht mehr ein, das hatte beim letzten Mal schlimme Folgen und heute will ich ja hier noch etwas reden, meine Damen und Herren. Frau Marx, Sie sagten sinngemäß, wenn man die Sperrklausel aus der Verfassung streiche und lediglich einfachgesetzlich regele, bekäme man nordkoreanische Verhältnisse. Das war allen Ernstes das, was Sie von hier vorn gesagt haben. Ich habe es zumindest so in Erinnerung. Frau Marx, wenn Sie mir kurz Ihr Gehör schenken? Heute nicht, nein. Abgesehen davon, dass Sie natürlich mit dem lapidaren Spruch der nordkoreanischen Verhältnisse eines der verbrecherischsten und schlimmsten realsozialistischen Systeme dieser Welt relativieren und sich über Millionen Opfer in Nordkorea lustig gemacht haben, noch Folgendes: Sie finden auch im Grundgesetz nichts zu einer Sperrklausel. Daraus leiten Sie dann offenbar ab, dass wir auch im Bund nordkoreanische Verhältnisse haben? Oder wie ist dieses Nordkorea-Gleichnis ansonsten zu verstehen, dass wir nordkoreanische Verhältnisse in Thüringen bekommen, wenn wir die Sperrklausel aus der Verfassung streichen, aber keine nordkoreanischen Verhältnisse im Bund haben, obwohl es nicht im Grundgesetz, also in der Verfassung, drinsteht? Also da ist ein Widerspruch, für dessen Aufklärung Sie gleich noch Zeit haben, Frau Marx.

Ich hatte noch einige Andeutungen zum tatsächlichen staatspolitischen Gewicht dieses Thüringer Landtags angekündigt, meine Damen und Herren. Nehmen wir als Beispiel die neulich vom Bundestag beschlossene Verfassungsänderung zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Da zeigt sich die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Landespolitik. Nehmen Sie die Abgabe der Zuständigkeit für Bundesautobahnen an den Bund – auch Verfassungsänderung, auch zunehmende Bedeutungslosigkeit der Landespolitik. Auch bei der aus der Staatskanzlei – jetzt muss ich wieder an Nordkorea denken, ich weiß gar nicht, warum – befohlenen und durch das Parlament gepeitschten Gebietsreform nichts, keine Diskussion, hier wurde verfassungswidrig gehandelt, Konsequenzen gleich Null. Wo war das Parlament und welche Konsequenzen hatte es, meine Damen und Herren, als wir von der AfD aufgedeckt hatten, dass das Architekten- und Ingenieurkammergesetz mit erheblicher Verspätung auf den Weg gebracht wurde? Fehlanzeige. Welche staatspolitische Bedeutung hat es, wenn wir über artenreiches Grünland sprechen? Keine, meine Damen und Herren. Was wäre passiert, wenn es keine Debatte um das Weimarer Dreieck und zum breiten zivilgesellschaftlichen Dialog gegeben hätte? Nichts wäre passiert, meine Damen und Herren. Ich frage Sie: Meinen Sie, es ginge ein Aufschrei durch das Thüringer Volk, wenn die Herren

Ramelow und Hoff, die ja gerade wieder durch Abwesenheit glänzen, nicht in stundenlangem Thüringen-Monitor-Filibustern die Bürger in Thüringen als rechtsradikal beschimpfen würden? Ich glaube, auch das wäre nicht der Fall.

(Beifall AfD)

Sie sehen an diesen wenigen Beispielen – ich könnte noch viele andere nennen, aber ich will Sie jetzt nicht weiter langweilen –, so wichtig, dass es einer Sperrklausel überhaupt bedürfe, ist dieser Thüringer Landtag, das müssen wir uns eingestehen, nicht.

Meine Damen und Herren, die von den AltparteienRednern gänzlich unreflektiert übernommene Argumentation zur Rechtfertigung staatlicher Ordnung für die Sperrklausel im Bundeswahlrecht ist in Thüringen auf Landesebene schlicht nicht zulässig und verstößt gegen das Grundgesetz. Nichts anderes ist der Fall, wenn Sie mal richtig objektiv in die Materie eindringen. Und wer es dennoch tut, also wer dagegen spricht, führt Argumente an, die nicht durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgedeckt sind. Aber wir können es ja mal versuchen. Wenn sie wirklich meinen, die Nichtverabschiedung eines Gesetzes in Thüringen hätte das Land quasi kollabieren lassen, dann sagen Sie es mir jetzt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wissen sie nicht!)

Das unterstreicht, glaube ich, meine Argumentation, dass wir uns für wichtiger halten, als wir es sind, und dass es einer Sperrklausel tatsächlich nicht bedarf. Die Debattenbeiträge der Altparteien zur Sperrklausel offenbaren leider ein tiefes und erschreckendes Unverständnis zu unserer Verfassungsordnung. Hier im Landtag sitzen Abgeordnete, die sich hinter hohen Hürden vor jeglicher gesellschaftlichen Verantwortung und Veränderung abschotten und dafür königlich bezahlen lassen. Sie schließen nicht nur den Bürger aus, Sie schließen auch die Augen davor, dass Sie erste Diener des Volkes und nicht erste Profiteure dieses Volkes sein sollten, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind auch Bürgerinnen und Bürger!)

Die gibt es auch noch, Frau Rothe-Beinlich. Und es gibt ja auch noch Sie.

Schlichtweg verfassungswidrig und von politischer Demenz geprägt waren übrigens auch die Worte des überaus anpassungsfähigen und biegsamen Neumitglieds der SPD-Fraktion. Oskar Helmerich – ist jetzt gerade nicht im Raum, vielleicht richten Sie es ihm aus – meint, dass unliebsame, unbequeme Parteien durch eine Sperrklausel aus Parlamenten ferngehalten werden müssten. Und damit, lieber

Oskar Helmerich, ignorierst du die eindeutige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass eine Sperrklausel in keiner Weise zum Ausschluss von Parteien genutzt werden darf. Sie darf nur dafür genutzt werden, um die staatliche Ordnung zu wahren und möglicherweise dafür zu sorgen, dass ein Land oder ein Staat handlungsfähig ist, aber nicht dazu, Parteien, die man nicht mag, aus Parlamenten fernzuhalten – also da verfassungsfeindliche, verfassungswidrige Ansätze unseres ehemaligen Kollegen aus der AfD-Fraktion.

(Beifall AfD)

Und es ist auch nichts Neues, lieber Oskar Helmerich, denn dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem das drinsteht, stammt aus dem dunklen Jahre 1952. Also es war genug Zeit, sich damit vertraut zu machen.

Dann warf der Kollege Helmerich die Frage auf, ja, das macht die Höcke-Fraktion nur deshalb, weil sie da irgendwelche dubiosen Parteien in das Parlament heben will. Ich bin mal in das Archiv hinabgestiegen: Wahlprogramm der AfD zur Landtagswahl 2014, Seite 5, Absatz 2: „Der Meinungspluralismus muss auch im Thüringer Landtag befördert werden. Dies kann mit einer Absenkung der Sperrklausel von 5 auf 3 Prozent erreicht werden.“ Es ist nicht ganz optimal formuliert, aber es ist klar, was wir meinten. Das ist also das Wahlprogramm der AfD zur Landtagswahl 2014 in Thüringen. Wenn man dann noch mal denkt, Herr Helmerich hätte mit der AfD nichts tun; da bin ich dann noch mal ins Archiv herabgestiegen. Da gibt es noch so einen Faltzettel – und siehe da: Da ist er. Der gleiche Oskar Helmerich, der uns jetzt vorwirft, wir machten das ja hier nur, weil wir dubiose Parteien ins Parlament hiefen wollen, der gleiche Oskar Helmerich – da kommt er ja – hat die AfD in Thüringen mitgegründet, hat dieses Wahlprogramm mitgeschrieben, wo das genauso drinsteht und ist auch noch auf dem Wahlprospekt drauf. Oskar, wie kannst du uns vorwerfen, wir machten hier Dinge, die dubiose Parteien ins Parlament bringen wollen? Du hast an diesem Wahlprogramm mitgeschrieben, du wurdest von vielen Thüringern dafür gewählt, dass du in dieser Partei mitgearbeitet

(Beifall DIE LINKE)

und an diesem Wahlprogramm mitgeschrieben hast. Und jetzt stellst du dich hier hin und tust so, als hättest du von Tuten und Blasen keine Ahnung und damit nichts zu tun.

(Zwischenruf Abg. Helmerich, SPD: Weil du ein Faschistenarsch bist!)

Also, schlimmer geht immer. Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen, was diesen Punkt angeht.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Brandner, für die Äußerung des Abgeordneten Helmerich „weil du ein Faschistenarsch bist“ erteile ich ihm, dem Abgeordneten Helmerich, einen Ordnungsruf. Und Sie ermahne ich in dem Zusammenhang, dass der Abgeordnete Helmerich natürlich nicht unter Demenz leidet.

Herr Helmerich hat gesagt, ich wäre ein Faschistenarsch? Habe ich das richtig verstanden? Das habe ja nicht einmal ich verstanden.

(Unruhe DIE LINKE)

Oskar, Mensch, du blühst ja richtig auf als wirtschaftspolitischer Sprecher der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Thüringer Landtag. Also, ich bin ein Faschistenarsch. Gut, nehmen wir das einmal so hin.

Meine Damen und Herren, die Absenkung der Sperrklausel ist – Herr Blechschmidt – ein weiterer Baustein in unserem AfD-Projekt, Thüringen demokratischer zu machen, Thüringen offener zu machen, Thüringer transparenter zu machen. Ein weiterer Baustein und mit diesem Baustein sollten Sie nicht, wie wahrscheinlich die Kinder von Herrn Hoff, wie mit Spielsachen umgehen – er hat es gerade angesprochen. Diesen Baustein sollten Sie nicht einfach wegwerfen oder uns an den Kopf. Spielen Sie einfach mit. Nehmen Sie diesen Baustein und bauen Sie mit uns an einem fröhlicheren, demokratischeren, offenen und auch transparenten Thüringen.

(Beifall AfD)

Es wäre diesem Haus wirklich angemessen, unsere Vorschläge nicht auf dem helmerischen Niveau, aber in den Ausschüssen zu diskutieren. Daher gebe ich meine Hoffnung nicht auf, meine Damen und Herren. Ich beantrage nochmals die Überweisung der Gesetzentwürfe an die Ausschüsse für Inneres und Kommunales sowie für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, wobei nach wie vor – ich hatte es bei der ersten Lesung schon angedeutet – der letztere federführend sein sollte. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Scherer das Wort.