Protocol of the Session on June 1, 2017

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das sind Be- leidigungen!)

Wann immer es geht – das ist ja die Folge –, hätschelt und tätschelt Herr Hoff …

(Unruhe SPD)

Herr Abgeordneter Brandner, ich habe Sie gewarnt. Als „ehrlos“ wird hier in diesem Haus kein Abgeordneter bezeichnet. Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Wenn das so ist!

Wozu führt das in dem Hause? Herr Hoff sitzt gerade da oben. Herr Hoff,

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Sie haben das nicht zu kommentieren!)

wann immer es geht bei Ihnen, hätscheln und tätscheln Sie ja bekanntlich die ehemaligen AfDler, um Ihre rot-grüne Mehrheit zu erhalten. Da ist es auch fast peinlich, wie Sie schon, wenn Sie hier hineinkommen, fast einen Kotau vor diesen beiden Bänken machen, wo normalerweise Herr Krumpe und Herr Gentele sitzen.

Sie sehen also an diesem 6. Thüringer Landtag, dass die Sperrklausel die Stabilität weder negativ beeinflusst noch Instabilität verhindert. Die Zersplitterung im Parlament findet völlig unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Abgeordneten statt – Parteizugehörigkeit Gentele: AfD; Parteizugehörigkeit Krumpe: AfD; Parteizugehörigkeit Helmerich: AfD. Übrigens, Oskar, du hast das Wahlprogramm, worin das steht, was wir jetzt hier behandeln, maßgeblich mit ausgearbeitet. Ich bin mal gespannt, wie du gleich abstimmst oder ob du auch von politischer Demenz befallen bist.

Meine Damen und Herren, es gibt zahlreiche Beispiele aus der Parlamentsgeschichte, in denen sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament im Laufe einer Wahlperiode geändert haben. Auf jeden Fall – und das steht fest in Thüringen – sichern heute nicht nur drei politische Kräfte in Thüringen den Fortbestand dieser Links-Regierung, sondern faktisch fünf, nämlich die Roten, die anderen Roten, die Grünen, die Krumpes und die Genteles. Das sind fünf Kräfte, die Sie offenbar auch unter einen Hut bekommen. Also wo soll das Problem sein, wenn zwei oder drei Parteien mehr im Landtag sitzen?

Für die Stabilität der Ramelow-Regierung leisten Benjamin Hoffs faktische Kniefälle zu Beginn jeder Landtagssitzung vor den Tischen von Herrn Krumpe und Herrn Gentele mehr, als jede Sperrklausel es je vermochte. Herr Hoff ist also insoweit der Stabilitätsanker dieser Regierung.

Schließlich, weil auch das anklang – Herr Scherer, ich habe am Anfang Ihrer Vorlesung auch gefolgt –, ist auch zu berücksichtigen – und das unterstreicht die Ehrlichkeit meiner Fraktion –, wir machen diesen Vorschlag aus einer Position der Stärke. Die letzte Meinungsumfrage sah uns in Thüringen bei 19 Prozent. Die nächste wird erwartet für Ende des Monats und ich bin sicher, dass wir dann eine gute Zwei vor dem Komma haben. Aus einer Position der Stärke, wo wir in Thüringen um die 20 Prozent der Wähler hinter uns vereinigen, machen wir ganz ehrlich den Vorschlag und sagen: „Senken wir doch die Sperrklausel“, und wissen natürlich dabei genau, dass wir dadurch die zwischenzeitlich sehr verblasste FDP parlamentarisch wieder auferstehen lassen würden. Das wäre wahrscheinlich ein Kollateralschaden, aber der macht uns nichts aus, denn wir wollen Parteien nicht durch Sperrklauseln aus dem Parlament fernhalten, sondern wir wollen sie dann im Parlament mit politischen Argumenten

überzeugen und kleinhalten, und das wird auch so funktionieren. Schließlich wäre nicht nur das Wiederauferstehen der FDP möglicherweise so etwas, sondern wir würden auch das parlamentarische Leben der grünen Resterampe und der SPDisten im Thüringer Landtag verlängern. Also was, meine Damen und Herren, soll daran schlecht sein?

(Beifall AfD)

Mit anderen Worten: Es gibt nur Gutes von hier vorn zu berichten. Das habe ich in den letzten 18 Minuten getan. Abschließend beantrage ich formell die Überweisung beider Gesetzentwürfe an den Innen- und Kommunalausschuss sowie an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, wobei letzterer bitte federführend sein sollte. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordnete Marx das Wort.

Wenn ich jetzt so viele Ordnungsrufe frei hätte wie der Kollege Brandner, dann hätte ich ja – aber ich mache es nicht.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nachdem wir nun den Unernst des Anliegens der AfD beredt vermittelt bekommen haben, möchte ich mich hier doch mal relativ kurzfassen. Wir haben von den ernsthaften juristischen Argumenten hier schon sehr vieles gehört, da kann ich mich Manfred Scherer und auch den Kollegen aus der Koalition anschließen.

Aber wo man schon mal wieder sieht, was eigentlich hier los ist, das kann man sehen, wenn man sich die beiden Punkte, und wir behandeln sie zusammen, anschaut. Da soll einmal aus der Verfassung die 5-Prozent-Sperre gestrichen werden und dann wird einfachgesetzlich eine 3-Prozent-Klausel eingeführt. Einfachgesetzlich bedeutet, dass sich dann künftig ein jeweiliges Parlament mit seiner Regierungsmehrheit immer vor jeder Wahl die Prozenthürde so stricken könnte, wie sie es gerade gern mal hätte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist nicht mehr Demokratie, das ist Nordkorea.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da stimmen wir nämlich nicht zu. Wenn man dann solche Reden wie die eben anhören muss, dann denkt man hier auch nicht über Prozente nach, sondern dann habe ich mir gedacht, letztendlich kommt es nicht auf Prozente an, wer hier im Landtag sitzt, sondern auf Personen oder Persönlichkeiten oder

(Abg. Brandner)

die, die sich dafür halten. Dann sind mir Begriffe wie Wesenstest eingefallen, aber die sind demokratiefeindlich und lassen sich mit unserer Verfassung nicht vereinbaren.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist auch nicht richtig, dass wir als Koalitionsmehrheit so etwas jetzt hier umsetzen würden. Das hat schon seinen Sinn, dass eine Sperrklausel in der Verfassung geregelt ist. Da gehört sie hin und da muss sie auch bleiben. Dieses Doppelspiel – Verfassung weg, Einfachgesetz hin –, damit dann die jeweilige Regierungsmehrheit in jeder Legislaturperiode am Ende entscheiden kann, wie hätten wir es denn gern, ist, wie gesagt, Nordkorea. Mit der Verfassung spielt man nicht. Danke, nein danke, tschüss!

(Beifall SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir mussten uns hier von diesem Pult aus schon einiges bieten lassen. Ich muss wirklich sagen, ich finde das zunehmend eine Zumutung, derartige Redebeiträge wie von Herrn Brandner hier erleben zu müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gern gesche- hen!)

Und dass es dafür nicht einmal Ordnungsrufe gibt, muss auch zu denken geben. Herr Brandner, ich kann mir das nur so erklären, dass Sie tatsächlich der fleischgewordene Minderwertigkeitskomplex geworden sind,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und ich weiß, warum ich seit über 30 Jahren Vegetarierin bin.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber jetzt zur Sache: Die Auseinandersetzung über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und die verfassungspolitische Zweckmäßigkeit der 5-ProzentKlausel ist mitnichten eine neue Idee von der AfD, sondern diese Diskussion – das haben meine Kollegen Herr Blechschmidt und Frau Marx eben schon ausgeführt – wird seit Jahrzehnten immer mal wieder geführt. Durch § 5 Abs. 1 Thüringer Landeswahlgesetz wird der Grundsatz der formalen

Gleichbehandlung von Parteien bei Wahlen durchbrochen – ja, das ist so. Die sogenannte Sperrklausel erschwert kleinen Parteien den Einzug in den Landtag, sodass nur solche Parteien den Sprung in das Parlament schaffen, die tatsächlich 5 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen auf sich vereinigen können. Und ja, dies ist ein Eingriff in die Parteienfreiheit, und dieser will auch gut begründet sein.

Die Funktion von Wahlen besteht aber auch darin, den Staat mit handlungsfähigen Organen zu versehen, sprich mit einem funktionsfähigen Repräsentativorgan, das nach seinen Mehrheitsverhältnissen in der Lage ist, eine Regierung zu bilden und sachgerechte gesetzgeberische Arbeit zu leisten. Der Einzug einer Vielzahl kleiner Gruppen in das Parlament birgt die Gefahr in sich, dass sowohl die Bildung einer – ich sage mal in Klammern – stabilen Mehrheit als auch die Leistung effektiver parlamentarischer Arbeit erschwert oder gar verhindert wird. Das Erfordernis einer effektiven und effizienten politischen Führung rechtfertigt die 5-Prozent-Klausel daher nach wie vor auf Landesebene. Die Sperrklausel greift jedoch so tief in Wahlrechtsgleichheit und Parteienfreiheit ein, dass eine Regelung in der Verfassung selbst getroffen werden muss. Dieser Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Sperrklausel ist der Verfassungsgeber des Freistaats Thüringen in Artikel 49 Abs. 2 in vorbildlicher Art und Weise nachgekommen. Wir sind also sehr gut aufgestellt, indem wir uns nicht die mangelnde verfassungsrechtliche Verankerung im Bund zum Vorbild genommen haben, sondern eine Ermächtigungsgrundlage für den Landtag in der Verfassung festgeschrieben und damit Rechtssicherheit geschaffen haben. Die Streichung von Artikel 49 Abs. 2 der Thüringer Verfassung ist also gerade nicht geboten, sondern wäre verfassungsrechtlich fragwürdig. Auch die Absenkung der Sperrklausel lehnen wir ab, da die Funktionsfähigkeit von Parlament und Regierung diese Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit zwingend gebietet.

Ich möchte auch gern noch ein paar praktische Erwägungen vortragen. Ja, wir sind die kleinste Fraktion hier im Haus. Und ja, wir wissen auch sehr genau, was es bedeutet, 15 Jahre nicht im Parlament vertreten zu sein. Als wir aber 2009 den Wiedereinzug in den Thüringer Landtag geschafft haben, waren wir sechs Abgeordnete – so wie jetzt auch. Wir wissen alle, es gibt zehn reguläre Ausschüsse, es gibt den Ältestenrat, es gibt diverse Untersuchungsausschüsse, es gibt weitere parlamentarische Gremien wie die Enquetekommission. Ich sage es einmal ganz praktisch: Jede und jeder von uns besetzt schon jetzt mehrere Ausschüsse. Wir zumindest haben den Anspruch, dieser Arbeit auch inhaltlich tiefgründig nachzugehen. Wir meinen durchaus, dass es eine Mindestgröße auch für Fraktionen braucht, damit tatsächlich umfassend alle Themen bearbeitet werden können. Ich habe es eben aus

(Abg. Marx)

geführt, es sind im Moment fast 15 ausschussähnliche Gremien, die wir haben, die es von den Fraktionen zu besetzen gilt. Insofern ist eine Mindestgröße von fünf Abgeordneten, wie derzeit in Thüringen geregelt, erforderlich. Wenn wir wissen, wie viele Abgeordnete insgesamt der Thüringer Landtag hat – normalerweise sind es 88, wenn es Überhangmandate gibt wie jetzt, sind es 91 –, dann braucht es auch mindestens 5 Prozent, um auf fünf Abgeordnete zu kommen. Ich glaube, dass eine kleinere Fraktion der Aufgabenfülle, der sich dieser Landtag stellen muss, tatsächlich nicht gewachsen wäre, zumindest nicht, wenn man die Arbeit ernst nimmt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bei uns nehmen diese Arbeit alle ernst und leisten diese auch alle Vollzeit. Andere mögen anders agieren. Auch deshalb – wie gesagt – sagen wir, braucht es eine Sperrklausel. Das ist übrigens anders auf kommunaler Ebene, da haben auch wir als Grüne erfolgreich gegen kommunale Klauseln gekämpft. Es kann aber nicht sein, dass man denkt, man könne Kommunalparlamente mal eben so mit dem Landtag gleichsetzen. Wir wissen alle, kommunale Parlamente – auch ich bin Stadträtin – haben keine gesetzgeberischen Kompetenzen. Das ist übrigens auch im Europaparlament anders. Deswegen haben wir dazu auch eine dezidiert andere Einschätzung. Dass diese Differenzierung für die AfD nicht nachvollziehbar ist, verwundert uns nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden Ihren Gesetzentwurf und auch Ihre Verfassungsänderung jedenfalls ablehnen und auch nicht an den Ausschuss überweisen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als Nächster hat Abgeordneter Helmerich, Fraktion der SPD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kollegen! Herr Brandner, ich kann Sie beruhigen, bevor ich die SPD verlasse – ich bin das schon mal gefragt worden –, kann ich Ihnen versichern, würden hier erst mal elf andere SPD-Abgeordnete die SPD verlassen. Dann würde ich es mir vielleicht überlegen, wenn ich da allein sitzen müsste. Sie brauchen sich da keiner Illusion hinzugeben, dass ich irgendwann mal vor Ihrer faschistoiden Tür klopfen würde.

Aber jetzt zum Thema: Wenn ich den Antrag sehe, den Sie gestellt haben, frage ich mich: Warum bringt die AfD den Antrag ein? Weil sie vielleicht

schon ihren eigenen Bedeutungsverlust vorhersieht? Den Rechtspopulisten geht es wohl schon langsam so, dass ihnen die heiße Luft ausgeht. Oder hat dieser Antrag noch andere Gründe? Es gibt nämlich nur eine Partei, die von der Herabsenkung auf 3 Prozent profitieren würde. Ich meine damit die NPD – genau, Herr Brandner, Sie sind richtig schlau –, die praktisch identische Positionen wie die heutige Thüringer AfD vertritt.

Ein möglicher Grund, warum die Höcke-Fraktion ihren Brüdern im Geiste den Weg ins Parlament ebnen will, ist meiner Meinung nach nicht nur in der ideologischen Nähe zu suchen. Wer die mediale Berichterstattung verfolgt, weiß, dass der rechtsradikale Verfassungsfeind, der sich feige hinter dem Pseudonym Landolf Ladig versteckt, von der Thüringer NPD gedeckt wird.