Protocol of the Session on June 1, 2017

(Heiterkeit AfD)

und Herr Olaf Müller müsste sich wieder ausschließlich darauf konzentrieren, die Landschaft mit Windrädern zu verschandeln. Das sind Aussichten, sage ich mal, die uns von der AfD jetzt keine Angst einjagen, aber wollten Sie von den Altparteien wirklich auf den grünen Anhang hier verzichten? Ich glaube nicht. Das wäre wirklich das Problem zu hoher Sperrklauseln.

(Beifall AfD)

Bei einer 5-Prozent-Sperrklausel – sollte es dabei bleiben – sieht es nicht anders aus. Sie sehen, mit der Sperrklausel verhindern Sie den Einzug neuer und kleiner Parteien, aber auch angegrauter, ehemals grüner Altparteien ins Parlament. Seien wir mal ehrlich, auch die SPD in Thüringen müsste zittern, bliebe es bei der 5-Prozent-Sperrklausel, denn Gera macht es ja vor, da sind sie wirklich nur noch knapp darüber. Was aus Ihnen allen von der SPD würde, wenn das nichts mehr wird mit Ihrem Einzug in den Landtag, das wage ich mir gar nicht vorzustellen. Bei den Grünen war das relativ einfach – bei Ihnen hätte ich ganz große Bedenken. Beim Oskar wüsste ich, der stünde wahrscheinlich zwei Tage später vor unserer Landesgeschäftsstelle und würde sagen: Leute, lasst mich rein. Bei den anderen weiß ich es nicht, ich will es mir auch gar nicht vorstellen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Kommen Sie sich nicht selbst albern vor?)

Klar ist, je höher die Sperrklausel, desto eher werden auch neue gesellschaftliche Strömungen vom politischen Prozess ausgeschlossen.

Herr Höhn, was sagten Sie da gerade? Herr Höhn möchte auch zu uns zur Landesgeschäftsstelle kommen, habe ich das richtig verstanden?

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Das lesen Sie dann im Protokoll!)

Meine Damen und Herren, wir wollen ja wieder ernsthaft werden.

Die Panik stand Ihnen ins Gesicht geschrieben, Frau Marx, oder? Haben Sie Ihre blass-blaue Zukunft vor sich gesehen? Das kann schneller gehen, als man denkt.

Bei den letzten beiden Landtagswahlen hat die Sperrklausel in Thüringen jeweils über 90.000 Wähler um ihre Stimme gebracht. Die Stimme war abgegeben und damit weg. Das waren rund 10 Prozent der insgesamt abgegebenen Stimmen. Mit der von uns vorgeschlagenen Regelung – mit der ich nicht ganz glücklich bin, aber es ist, glaube ich, ein vernünftiger Kompromiss, sich auf 3 Prozent zu verständigen – hätten deutlich weniger Wähler ihre Stimme verloren, eine Stimme, die nichts bewirkt hat. Wobei ein wichtiger Grund für diese Wahlenthaltung – Herr Blechschmidt hatte es angesprochen – ja gerade das Gefühl der Wähler ist, nichts wirklich beeinflussen zu können und mit einer einzelnen Stimme nichts ausrichten zu können. Wenn dann noch Zehntausende von Stimmen gar keinen Erfolg haben, frustrieren Sie natürlich die Wähler weiter.

(Beifall AfD)

Die Menschen draußen monieren außerdem, dass es keine Parteien gibt, die ihre Interessen vertreten. Die Sperrklausel ist ein wesentlicher Faktor, der genau zu dieser Situation führt. Die Sperrklausel verödet die politische Landschaft, weil sie die Etablierung kleinerer und neuer Parteien verhindert. Ein klassisches Beispiel für die Verödung der politischen Landschaft in Thüringen war ja der Thüringer Landtag bis zum Oktober 2014.

(Beifall AfD)

Ich erinnere daran: Das war der Monat, in dem sich der Landtag mit einer starken AfD-Fraktion konstituiert hat.

Wenn Sie also weiter an der Sperrklausel vor allem in dieser Höhe festhalten, verhindern Sie ein wirklichkeitsnäheres Abbild politischer Vielfalt und tragen weiter zum Legitimationsverlust des Parlaments bei.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Nein, dazu tragen Sie bei mit Ihren Reden hier!)

Übrigens, als Grüne und Linke noch nicht von der Macht verblendet und an den Trögen derselben waren, sondern hoffnungsfroh in die Zukunft schauten, sprachen sie sich noch gegen die Sperrklausel aus. Können Sie sich daran noch erinnern, meine Damen und Herren?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ist so lange her!)

Aber heute werden wir – es haben ja noch nicht alle geredet, aber ich denke mal, das wird nicht besser – Zeugen beispielloser politischer Demenz bei den Grünen und vor allem bei den Linken.

(Beifall AfD)

Nichts von dem, was Grüne und Linke in der heutigen Debatte bereits gesagt haben oder noch sagen werden – ich schaue noch mal in die Zukunft –, stimmt mit dem überein, was sie ehemals ihren Wählern versprochen haben.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben dahin gehend nichts versprochen!)

So sprach sich die Linke – oder wie sie damals hießen, PDS wahrscheinlich – bei der Verabschiedung des Wahlgesetzes in Thüringen gegen die 5-Prozent-Sperrklausel aus. Heute, Herr Blechschmidt, haben wir von Ihnen schon genau das Gegenteil gehört. Politische Demenz!

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Können Sie das Datum noch nennen?)

Das war bei der Verabschiedung. Das war Anfang der 90er-Jahre, oder? Da müssten Sie schon auf der Welt gewesen sein, denke ich mal, aber vielleicht haben Sie da noch am Schredder gestanden und Ihre Akte da reingeschoben. Herr Blechschmidt, das ist alles denkbar.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Bei den Linken ist das nichts Neues und bei den Grünen auch nicht. In so ziemlich jedem Themenfeld, was wir von hier vorn bearbeiten, alles, was Abgeordnetenrecht und Wahlrecht angeht, möchte die Linke und möchten die Grünen nicht mehr an das erinnert werden, was einmal ihre Kernforderungen, ihre ureigensten Forderungen waren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

Politische Demenz pur, Wählertäuschung pur, Sie verarschen die Leute draußen. Anders kann man das gar nicht sagen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt reicht es! Haben Sie das im Präsidium gehört?)

Bei den Grünen, Frau Rothe-Beinlich, Sie haben sich doch auch eingerichtet da in Ihrer Fraktion und scheuen inzwischen jede politische Konkurrenz – jetzt gehen Sie mir bloß nicht an die Gurgel.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich fasse so etwas nicht an!)

Anders lässt sich für mich nicht erklären, wie die Grünen bei ihrer damaligen Vorstellung zur Verneinung der 5-Prozent-Klausel vorgegangen sind. Und ein Pro-Redner, der damals gegen die 5-ProzentKlausel gesprochen hat, sitzt heute – gerade nicht, aber er sitzt gelegentlich – auf der Regierungsbank, Staatssekretär Olaf Möller, der hat sich damals dafür starkgemacht, dass gerade diese Hürde nicht gelten soll. Also auch da politische Demenz und Verarschung der Wähler, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Das gibt es doch gar nicht!)

Herr Brandner, ich habe lange tief Luft geholt, aber Ihre Unterstellungen, die Sie hier pausenlos machen, rüge ich jetzt. Wenn Sie das noch mal tun, gebe ich Ihnen wieder einen Ordnungsruf,

(Unruhe SPD)

denn „politische Verarschung“ gehört nicht in das Haus, und dass Menschen Akten schreddern, ist auch eine bösartige Unterstellung.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Jung, es ist in Ordnung. Das Einatmen habe ich gehört die ganze Zeit, ich dachte schon, was weht hier für ein Sturm.

Meine Damen und Herren, was heißt es nun, wenn mehr Parteien im Parlament vertreten sind? Es bedeutet nicht nur eine größere Vielfalt an politischen Strömungen und Meinungspluralismus, es bedeutet nicht nur, dass neue und kleine Parteien im Parlament eine Chance bekommen. Mit einer höheren Anzahl von Parteien und Meinungen hier im Hohen Haus steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Politikinhalte dieser Parteien auch Eingang in die Gesetzgebung finden. Ich sage Ihnen, warum. Mehr Meinungspluralismus hier im Parlament bedeutete, dass das für Thüringen – egal unter welcher Couleur hier geleitet – typische Durchregieren nicht mehr so einfach möglich wäre. Um die Parlamentsmehrheit in Gesetzgebungsprozessen zu sichern, müsste man häufiger als jetzt, häufiger als in der Vergangenheit in einen echten Dialog mit den anderen Parteien treten. Die übliche trostlose Abstimmungsmaschinerie würde nicht mehr so rei

bungslos funktionieren, es würde schlicht demokratischer. Man wäre häufiger als jetzt und in der Vergangenheit gehalten, Änderungsanträge und Vorschläge aus dem Parlament in die echte politische Debatte einfließen zu lassen und auch wirklich offen in den Ausschüssen zu behandeln. Das wären die positiven Nebeneffekte, wenn hier noch mehr Parteien in diesem Rund sitzen würden.

Damit würde die Absenkung der Sperrklausel auch zu einem besseren Kräfteverhältnis zwischen den Gewalten beitragen, denn eine Absenkung der Sperrklausel stärkt das Parlament, stärkt den Parlamentarismus und stärkt damit den Volkswillen gegen die Exekutive. Schließlich stärkt natürlich die Absenkung der Sperrklausel auch die Gewaltenteilung, die wir ja alle wollen. Bei einem wirklichen und nicht durch die Sperrklausel eingeschränkten Abbild der Meinungsvielfalt des Volkes müsste die Regierung viel stärker die verschiedenen Kräfte im Parlament berücksichtigen.

Was ist jetzt schlimm daran, wenn man sich nicht mit zwei oder drei, sondern mit vier Parteien zusammentun muss, um Sachen durchzusetzen? Ich denke mal, dadurch wird es im Zweifel besser und nicht schlechter.

(Beifall AfD)

Und seien wir mal ehrlich, auch diese rot-grüne Koalition stützt sich doch zu einem guten Teil auf die aus der AfD stammenden, nun politisch irrlichternden Fraktionslosen Krumpe und Gentele – sind scheinbar nicht nur politisch irrlichternd, sondern heute gar nicht da – und freilich auch auf den ehrlosen Überläufer Helmerich.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist ein Ar- mutszeugnis!)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das sind Be- leidigungen!)