Protocol of the Session on May 5, 2017

Das ist das öffentliche Interesse, dass derjenige, der eine Straftat begeht, vor einem Gericht dafür zur Verantwortung gezogen wird. So ist es nun mal in unserem Rechtsstaat.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Es kann aber mal passieren, dass es nicht pas- siert!)

An einer rechtswidrigen Verteilung von unbegrenzten Aufenthaltsstatus oder Titeln als eine Art Wiedergutmachung, wie Sie es jetzt hier vorschlagen, die aber nicht die Täter leisten, die diese Tat begangen haben, sondern der Rechtsstaat selbst diese Wiedergutmachung zu leisten habe, der, nach Ihrer Argumentation ja zur Wiedergutmachung verpflichtet ist, weil er die Tat nicht verhindert hat, ist eine völlig absurde Auslegung unseres deutschen Rechts, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, AfD)

Wenn man diesem Unfug in Ihrer Argumentationskette folgen würde, müsste der Staat also auch allen anderen Opfern von Straftaten, die nicht verhindert werden konnten, eine Entschädigung zukommen lassen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Genau! Wie auch die von der Antifa!)

Aber nicht mit einem Aufenthaltstitel – wie in Ihrer Version –, denn den haben die deutschen Opfer ja bereits schon, kann der Staat sie entschädigen, sondern mit etwas anderem. Also stellen Sie sich mal vor, wenn man das wirklich bis zum Ende denkt, dann gäbe es beispielsweise zukünftig Steuererleichterungen für ein Opfer von einer gefährlichen Körperverletzung, die der Staat als Wiedergutmachung ausreicht.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Welsow, DIE LIN- KE: Sie haben es wirklich nicht verstanden!)

Das ist völlig absurd, meine Damen und Herren, völlig absurd.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Herrgott noch mal!)

Ja, Frau König-Preuss, Sie können nachher auch noch mal vorkommen.

Zur Wiedergutmachung ist in unserer Rechtsordnung der Täter verpflichtet und kein anderer, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Ihr Antrag, meine Damen und Herren, stellt unser Rechtssystem auf den Kopf.

(Beifall CDU)

Und durch eine Art staatliche Buße versuchen Sie, Ihr eigenes Gewissen – wir täten nicht genug für eine bessere Welt – so zu beruhigen, meine Damen und Herren. Aber das ist der falsche Weg. Daher werden wir diesen Antrag in Gänze ablehnen. Und sollten Sie ihn wider besseres Wissen heute hier durchstimmen, werden wir auch entschieden dagegen vorgehen, meine Damen und Herren. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Herrgott. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ganz sicher war sich der Abgeordnete Herrgott in seiner Argumentation offensichtlich nicht, denn auf der einen Seite ging es ja in die Richtung, dass wir quasi dadurch, über diesen Erlass, den wir hier fordern, ein massenhaftes Bleiberecht für Menschen schaffen würden, und auf der anderen Seite sind die Zahlen so gering, dass es quasi keine Rolle spielt. Das ist an und für sich ein bisschen widersprüchlich, aber darüber können wir später auch gern noch mal reden.

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Das habe ich gar nicht gesagt! Zahlen habe ich gar nicht gesagt!)

Doch, Sie haben schon was zu den Zahlen gesagt, Herr Herrgott.

Jetzt ist es nicht das erste Mal, dass wir hier über rechte oder rassistische Demonstrationen sprechen, dass wir darüber sprechen, wie sich die Zahlen fremdenfeindlicher und rassistischer Übergriffe entwickeln haben. Es ist uns auch nicht neu, dass wir fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen in unserer Gesellschaft haben. Das wissen wir durch den Thüringen-Monitor, durch die Mitte-Studie. Relativ neu ist allerdings, dass es eine Bereitschaft gibt, aus diesen Einstellungen und Meinungen auch Gewalt folgen zu lassen. Als Koalitionsfraktionen wollen wir mit diesem Antrag sagen und

auch zeigen, dass wir weder das eine noch das andere akzeptieren werden.

Die Zahlen sind relativ eindeutig. Wenn wir uns zum Beispiel die Zahlen der Opferberatung ezra ansehen, dann sagen die, für das Jahr 2016 gibt es 160 Fälle rechter Gewalt. Das ist ein Anstieg um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sie sagen auch, die Übergriffe werden brutaler und sie sagen auch, dass Geflüchtete zum Beispiel weniger bereit sind, tatsächlich Anzeige bei der Polizei zu erstatten, also die Dunkelziffer weit höher ist. Das ist jetzt aber nicht nur die Opferberatung, die das sagt. Auch die Polizeistatistik zeigt eine ähnliche Entwicklung. Sie sagt, im Jahr 2015 gab es 129 Opfer rechter Gewalt, im Jahr 2010 waren es noch 47. Auch hier lässt sich ein deutlicher Trend erkennen. Es gibt eine neue Statistik für politisch motivierte Kriminalität gegen Flüchtlinge. Die sagt für das Jahr 2016, in den ersten drei Quartalen sind es 23 Fälle. Die haben noch keine Vergleichswerte, weil die in den vergangenen Jahren nicht erhoben wurden.

Wir haben zum Beispiel für die Opferzeugen keine eigene Statistik. Es ist nicht so, Herr Herrgott, dass es da keine Fälle gibt, sondern wir haben sie lediglich nicht erfasst.

(Beifall DIE LINKE)

Sie sind auch nicht zufällig Opfer rechter Gewalt, sondern darüber können wir an anderer Stelle sicherlich in einem Kontext von einem anderen Antrag mal ausführlicher diskutieren. Wenn es rechtsextreme Täter gibt, die Übergriffe auf Flüchtlinge wagen, dann ist das mit Sicherheit alles, aber kein Zufall.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie die Zwischenfrage des Abgeordneten Herrgott?

Aber sehr gern.

Bitte, Herr Herrgott.

Frau Kollegin Lehmann, stimmen Sie mir denn zu, dass es, wie es der Minister ausgeführt hat, keinen Fall gab, wo die Abschiebung eines Täters für die Relevanz zum Ausgang des Strafverfahrens maßgeblich war?

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Nicht Täter, Opfer!)

Die Abschiebung eines Opfers – Entschuldigung.

Der Minister hat ausgeführt, dass es keine Statistik gibt, über die man das nachvollziehen kann, in wie vielen Fällen das tatsächlich passiert ist. Wir wissen, kennen Beispiele, es gab …

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das nennt man postfaktisch, das ist Gefühlspolitik!)

Nein. Wir kennen Beispiele, in denen genau das passiert ist. Das ist keine Gefühlspolitik, wenn wir Beispiele haben zum Beispiel aus Greiz, wo es tatsächlich so ist, dass Opfer abgeschoben werden.

Jetzt könnte man insgesamt sagen, wenn man sich die Zahlen der Übergriffe ansieht – es ist zwar eine dramatische Interpretation –, die Zahlen sind überschaubar, aber in einem Rechtsstaat ist es eben so, dass jeder Einzelfall entscheidend ist. Es ist ein Zeichen für einen funktionierenden Rechtsstaat, dass ich die Möglichkeit habe, einen Täter zu überführen und zu verurteilen und dafür eben auch entsprechende Strafverfahren durchführen kann. Das ist auch wichtig für die Bestätigung gesellschaftlicher Normen insgesamt, also für die Grundlage, auf der wir hier zusammenleben, und es hat nichts mit Wiedergutmachung zu tun, sondern damit, dass dieser Rechtsstaat funktioniert. In diesem Kontext haben Opfer nun mal eine sehr zentrale Rolle, weil sie häufig die einzigen und wichtigsten Zeugen einer Tat sind. Meine Kollegin Sabine Berninger hat es schon sehr ausführlich ausgeführt. Es ist eben auch häufig so, dass unter den Opfern rechter und rassistischer Gewalt tatsächlich Menschen mit Migrationshintergrund oder eben auch Menschen, die hierher geflüchtet sind, sind. Das Problem ist eben, dass wir die Strafverfolgung nicht vernünftig durchführen können, wenn diese Menschen während des Verfahrens abgeschoben werden und dann für das Gerichtsverfahren, für die Verhandlung oder selbst für die polizeilichen Ermittlungen gar nicht mehr zur Verfügung stehen.

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Fragen Sie doch Ihren Minister!)

Jetzt ist es so, dass die Lösung dieses Problems tatsächlich in den bestehenden Rechtslagen, nämlich im Aufenthaltsgesetz begründet ist. Wir haben die Möglichkeit, eine Aussetzung der Abschiebung zum Beispiel durch die Staatsanwaltschaften oder die Richter zu erwirken. Die Ausländerbehörden können Bleiberecht in solchen Fällen erteilen. Aufgrund der Abläufe in der Verwaltung ist es aber häufig so, dass die Kommunikation zwischen diesen Behörden nicht zu dem Zeitpunkt stattfindet, zu dem diese Anzeige erstattet wird und dadurch eine Abschiebung erfolgt, obwohl ein Strafverfahren läuft.

Weil wir eine bessere Kommunikation wollen, haben wir gesagt, wir möchten einen Erlass, der genau hier eine eindeutige Auslegung der kommunalen Verwaltung, der Justiz und der Polizei nahe legt, um eben diese Ermessensspielräume, die das Aufenthaltsgesetz dort zulässt, eindeutig auszulegen. Das ist zum einen wichtig, wie gesagt, für die Strafverfahren. Das hat natürlich auch eine Signalwirkung gegenüber Tätern. Das ist natürlich eine politische Frage, ob ich das möchte. Aber ja, ich möchte, dass Täter rechter und rassistischer Gewalt merken, dass das hier nicht erwünscht ist. Ich würde mir wünschen, die CDU würde das genauso sehen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Dann müs- sen Sie sie verurteilen!)

Da bin ich mir nach Ihrem Redebeitrag nicht ganz sicher. Ich bin mir auch nicht sicher, Herr Herrgott, was denn Ihre Alternative wäre, um diese Strafverfahren sicherzustellen, wenn nicht, die Opfer in Deutschland zu belassen. Wie sollen denn die Täter verurteilt werden, wenn die Opfer nicht mehr hier sind?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Frage müssen Sie schon noch beantworten. Dieser Antrag ist also zum einen Ausdruck einer effektiven Strafverfolgung, er ist aber auch Ausdruck einer humanitären Flüchtlingspolitik. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Nun hat Abgeordneter Brandner für die AfD-Fraktion das Wort.

Ja, meine Damen und Herren, schönes Thema so zum Freitagabend. Also ich war, Frau Berninger, ein bisschen überrascht über die Kaskade von Zahlen, die Sie hier durch das Plenum haben fließen lassen. Wenn wir Zahlen aus der Polizeistatistik zitieren, dann kommt immer der Vorwurf der Panikmache, der Angstmache, des Spaltens der Gesellschaft auf uns zu. Und Sie machen hier nichts anderes. Sie beten Zahlen herunter, ohne zu sagen, worauf die sich beziehen, woher Sie die haben, was konkret dahinter steckt, nur, um klarmachen zu wollen, dass Ihr Antrag irgendeine Begründung hätte.

Dass Ihr Antrag keine Begründung hat, werde ich Ihnen jetzt in den nächsten mehreren Minuten nachweisen. Ihr Antrag ist reif für die Mülltonne, Frau Berninger, liebe Rot-Rot-Grünen, korrekter ausgedrückt: Ihr Antrag ist reif für die Altpapiertonne.

(Abg. Herrgott)