Protocol of the Session on February 27, 2015

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein. Sie behaupten es, ohne zu substanziieren!)

Doch, das tut es. Aus unserer Sicht tut es das, Herr Mohring. Deswegen schließen wir uns da der Fraktion Die Linke an und beantragen auch die Überweisung an den Justizausschuss, um es abschließend zu klären.

(Unruhe CDU)

Wissen Sie, wenn Sie wirklich daran interessiert wären, hier etwas aufzuklären, dann hätten Sie das in der letzten Legislatur tun können.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Brandner)

Dann hätten Sie dafür sorgen können, dass die Akten der Bürgerinnen und Bürger, die dort lagern, entsprechend behandelt werden. Dann hätten Sie einem Amtshilfegesuch des Datenschutzbeauftragten auch stattgeben können, wenn Sie wirklich daran interessiert wären.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Genau so!)

(Unruhe CDU)

Deswegen frage ich mich ernsthaft, ob Sie hier Aufklärungswillen haben oder ob es hier wirklich nur darum geht, uns ein Schnippchen zu schlagen. Das wollen wir im Justizausschuss prüfen, deswegen die Überweisung. Das halten wir für richtig und geboten an dieser Stelle. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Henfling. Nun hat das Wort Frau Abgeordnete Marx für die SPD-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Kaum sind Sie an der Macht, vergessen Sie alles …!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Mohring sagte gerade: „Kaum sind Sie an der Macht, vergessen Sie alles, was früher war.“ Herr Mohring: Kaum sind Sie in der Opposition, vergessen Sie, was früher war!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Können Sie sich erinnern an 1994, als es einen Minderheitenantrag gab von der SPD damals, einen Untersuchungsausschuss über das Verhalten der Thüringer Landesregierung im Treuhandverwaltungsrat einzusetzen? Und was ist da passiert? Da gab es eine Verweisung, obwohl es ein Minderheitenantrag war nach § 2 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz – der lautete schon genauso wie jetzt auch –, an den Justizausschuss. Und was hat der Justizausschuss gemacht? Er setzte ein Sachverständigengutachten ein. Er beauftragte die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dann – ich erzähle den Vorgang jetzt erst einmal zu Ende.

Frau Abgeordnete Marx, es gibt eine Frage des Abgeordneten Mohring. Lassen Sie die zu?

Ich würde die gern 2 Minuten zurückstellen, bis ich den Vorgang zu Ende erzählt habe.

Dann gab es ein Sachverständigengutachten. Dem Sachverständigengutachten entsprechend hat die SPD dann ihren Minderheitenantrag angepasst und der kam erneut zurück ins Plenum. Und im Plenum, wo dann alle eigentlich damit gerechnet hatten, dass dieser Minderheitenantrag nun verabschiedet wird, erhob sich ein CDU-Abgeordneter, stellte sich auf und sagte: Na ja, jetzt haben wir ja hier vieles gehört, aber da ist noch etwas. Der Vorgang ist doch gar nicht abgeschlossen und deswegen muss es noch mal in den Justizausschuss. – Das heißt, dieser Antrag wurde gleich zweimal an den Justizausschuss überwiesen nach § 2 Abs. 3 UAG und es hat dann schließlich knapp drei Monate gedauert, bis dieser Untersuchungsausschuss endlich eingesetzt werden konnte.

Und Sie wollten am Mittwoch – und da, Herr Brandner, möchte ich Sie gern noch mal etwas aufklären – nicht nur juristische Bedenken, die ich Ihnen jetzt gleich ganz ausführlich darstellen werde, per Federstrich ausräumen, Sie wollten auch beschließen lassen, dass es so sein soll, dass das Minderheitenrecht es gebiete, dass ein Untersuchungsauftrag nur dann zur Überprüfung in den Justizausschuss darf, wenn er offenkundig, auf der Hand liegend verfassungswidrig oder offenkundig rechtsmissbräuchlich sei.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gegen das Gesetz!)

Sie wollten also dieses Überprüfungsrecht nach § 2 Abs. 3 UAG per einfachem Beschluss in einer Eilsitzung des Justizausschusses mal eben abschaffen. Und dass wir da nicht mitgemacht haben, das kann einen nicht wirklich wundern.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist das Demokratieverständnis der AfD!)

Ich habe ausführlich in der Justizausschusssitzung dargelegt – das darf ich jetzt vielleicht wieder gar nicht sagen – oder andersherum, ich kann Ihnen auch hier gern auch noch mal erklären, warum es nicht zulässig sein kann, das Untersuchungsausschussrecht in dieser Weise zu ändern. Es verstößt im Grunde auch gegen das, was Sie selbst in der Vergangenheit gern und gut gemacht haben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und die SPD hat da nicht mit geifernden Mienen gesessen und denen ist kein Schaum vor den Mund getreten deswegen. Die haben sich an dieses Prozedere damals gehalten.

Herr Abgeordneter Mohring darf seine Zwischenfrage stellen?

(Abg. Henfling)

Ja, liebend gern.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wer hat denn hier Schaum, Frau Marx?)

Ich doch nicht!

Herr Abgeordneter Mohring, Sie haben das Wort.

Frau Marx, kann es nicht sein, dass Sie gerade dem Parlament nicht den richtigen Sachverhalt erklärt haben? Ist es nicht vielmehr richtig, dass es 1993 für den Sachverhalt, von dem Sie sprechen,

kein Antrag der SPD-Fraktion, sondern von der Linken Liste-PDS gewesen ist? Kann es nicht vielmehr sein, dass es gar kein Minderheitenausschuss war, sondern der Landtag ohne Gegenstimme bei 1 Enthaltung der Überweisung an den Justizausschuss zugestimmt hat? Und kann es nicht vielmehr sein, dass die zweite Überweisung im Plenum selbst auf Antrag der Linken Liste-PDS gewesen ist und nicht, wie Sie behaupten, die CDU da eine Rolle gespielt hätte? Kann es nicht sein, Sie sollten Ihre Argumente vorher schärfen und die Protokolle richtig lesen, bevor Sie eine Begründung suchen für eine Verschiebung und Konterkarierung der Minderheitenrechte

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ist das jetzt eine Frage?)

und den Sachverhalt falsch einordnen, nur um heute vorgeschobene Begründungen zu haben?

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Frage! Das war keine Frage, sondern eine Gegenrede!)

(Beifall CDU)

Frau Marx, bitte.

Verehrter Herr Mohring, das kann nicht sein. Ich zitiere Ihnen die Landtagsdrucksache. Es handelt sich um das Landtagsprotokoll aus der 1. Legislaturperiode, auf Seite 8.358 beginnt der Vorgang, von Seite 8.450 bis 8.451 wird diskutiert. Es handelt sich um einen Antrag der SPD und der wird dann am 03.03.1994 an den Justizausschuss überwie

sen. Dort wird er mit einem externen Gutachter überarbeitet und dann geht es entsprechend weiter.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben falsche Unterlagen!)

Nein, habe ich nicht! Beenden wir jetzt mal hier dieses Intermezzo! Die CDU möchte keine Protokolle lesen, ich habe Ihnen die Seitenzahl genannt, schauen Sie hinein. Es kann auch die Presse, es kann jeder der Interessierten machen.

Jetzt geht es aber noch mal weiter.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich würde mal sagen: Faktencheck!)

Jetzt begründe ich noch mal ausführlich, warum Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen bzw. offensichtliche Zweifel sogar begründet sind. Die Aufgaben des Thüringer Landtags, wegen denen er einen Untersuchungsausschuss einsetzen kann, gehen gemäß Artikel 48 der Landesverfassung über die Kontrolle von Regierung und Verwaltung hinaus. Das Parlament kann sich auch solcher Vorgänge annehmen, die sich im öffentlichen oder sogar im privaten Bereich bewegen. Eine über die Regierungskontrolle hinausgehende parlamentarische Kontrolle kann sich zum Beispiel auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie zum Beispiel Landesbanken oder Rundfunkanstalten, beziehen, wobei allerdings deren verfassungsrechtlich gesicherte Unabhängigkeit zu beachten ist. Das hat Herr Linck geschrieben in unserem aktuellen Verfassungskommentar hier in Thüringen zu Artikel 48 in Randnummer 67.

Einen Untersuchungsausschuss, der die Tätigkeit eines unabhängigen Landesdatenschutzbeauftragten zum Gegenstand hat, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht gegeben. Es ist zweifelhaft, ob ein solcher Untersuchungsausschuss zulässig ist bzw. – wenn er denn zulässig sein sollte – ob er das nicht nur mit Einschränkungen sein kann.

Das Nächste ist: Liegt hier überhaupt ein öffentliches Interesse gemäß § 1 Abs. 1 UAG an einer Sachaufklärung vor? Die Öffentlichkeitswirksamkeit eines Anliegens allein reicht nicht aus, um ein öffentliches Interesse zu belegen. Es muss ein objektivierbarer Bezug zum Gemeinwohl gegeben sein. Das ist wiederum ein Zitat aus dem führenden Handbuch zum Recht der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern von den Herren Glauben und Brocker in der 2. Auflage, 2011, auf Seite 60.

Aufgrund der erheblichen Auswirkungen eines Untersuchungsausschusses auf die Rechtssphäre davon Betroffener müssen konkrete tatsachengestützte Anhaltspunkte für einen Sachverhalt vorliegen, der ein gewichtiges öffentliches Interesse an einer Untersuchung begründet. Das ist eine Bundesver

fassungsgerichtsentscheidung im 77. Band. Die beginnt auf Seite 1, zitiert ist die Seite 94. Entsprechend nimmt das Bundesverfassungsgericht in dem Entscheidungsband 94 auf der Seite 367 darauf Bezug. „Danach reicht es nicht aus, wenn lediglich die vage Vermutung eines beanstandungswürdigen Handelns besteht und erst im Untersuchungsausschuss – gewissermaßen durch Ausforschung – festgestellt werden soll, ob überhaupt entsprechende Verdachtsmomente vorliegen.“ Dieses Zitat ist vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, eine interessante Entscheidung vom 11.10.2010 mit der Nummer VGH O 24/10. Alles für Sie, Herr Mohring, zum Nachlesen, in der Randnummer 53. Diese Entscheidung ist übrigens deswegen so spannend, und hier haben Sie möglicherweise mit Ihrem Antrag einen kleinen Kollateralschaden zulasten Ihrer Fraktion ausgelöst, es handelt sich um ein Urteil des Landesverfassungsgerichtshofs RheinlandPfalz, der sich mit der Frage beschäftigt hat, ob eine Mehrheitsfraktion im rheinland-pfälzischen Landtag gegen die dortige CDU-Oppositionsfraktion einen Untersuchungsausschuss einsetzen darf wegen rechtswidriger Verwendung von Fraktionszulagen und den Modalitäten der Rückzahlung.