Eine wesentliche Ursache für die bestehende Spreizung bei den Netzentgelten ist die Entwicklung auf der Übertragungsnetzebene. Die Schere ist, meine sehr geehrten Damen und Herren – Frau Tasch, weil Sie gerade auf vergangene Jahre hinwiesen –, in den vergangenen Jahren sogar noch einmal weiter auseinandergegangen. Das heißt, wir haben allein in diesem Jahr und angekündigt für 2017 zusätzlich eine Erhöhung in der Netzentgeltzone bei TenneT um 80 Prozent für die Netzentgelte, bei 50Hertz, also in unserer Regelzone, wieder um 40 Prozent, und das im Verhältnis deutlich höher als in den beiden anderen Übertragungsnetzzonen. Das heißt nicht nur, dass wir inzwischen eine hohe Unterschiedskulisse haben, sondern diese geht auch immer noch weiter auseinander. Deswe
gen ist jetzt auch der Zeitpunkt da, um zu sagen, die Länder, die das Glück haben, von Amprion und TransnetBW unterdurchschnittlich, was die Netzentgelte angeht, belastet zu werden, müssen mindestens die Diskussion nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch handeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir die Verantwortung haben, dieses Auseinanderdriften von Stromerzeugung und -verbrauch zusätzlich ins Aufgabenfeld zu rücken – der Abgeordnete Kummer hat das gerade gesagt. Es wird, wenn die Energiewende sich dementsprechend weiterentwickelt, wie wir uns das alle wünschen, in der Tat weiter so sein, dass wir gerade im Norden und Osten einerseits immer mehr Strom produzieren, auf der anderen Seite gerade der Süden, also da, wo die Übertragungsnetzentgelte auch noch unterdurchschnittlich hoch sind, der Strom abgefragt wird. Das verstärkt die Schere zusätzlich. Wir müssen deutlich machen, dass der Ausbau zwar gern im Norden und Osten stattfinden kann, dass wir auch bereit sind, unseren Anteil des Transports auf bestimmten Trassen zu leisten – ja, auch darüber muss man reden –, wozu wir aber nicht bereit sind, ist, am Ende des Tages auch noch den Aufpreis dafür zahlen zu müssen. Ich denke, dass gerade den Südländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und auch NRW – das sind die Länder, die unterdurchschnittlich Übertragungsnetzentgelte zahlen – klar sein muss, dass Verbrauchsschwerpunkte, was die höhere Industriedichte angeht, auch dementsprechend berücksichtigt werden müssen.
Ich sage das deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil, wenn es keine Angleichung der Netzentgelte gibt, es aus meiner Sicht nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis wir unterschiedliche Preiszonen in der Bundesrepublik haben werden. Schon jetzt gibt es eine Debatte über Preiszonen, die da heißt: Wir teilen die Bundesrepublik nicht in Ost und West bei der Frage der Stromkosten – deswegen ist diese Debatte auch schräg über Ost und West zu ziehen –, sondern die entsprechende Debatte der Preiszonen geht über eine innerdeutsche Aufteilung, die die Bundesrepublik nach Nord und Süd aufteilt. Die würde uns kurzfristig deutlich geringere Strompreise bescheren, der Süden würde sozusagen in den Stromkosten nach oben anziehen. Dadurch würden wir aber auch eines verstärken: Wir würden den Strombinnenmarkt dadurch in zwei Teile teilen, mit entsprechenden Nachteilen, die sich in die Zukunft verlagern. Das heißt, wir hätten einen kurzfristigen Nutzen davon. Mittelfristig ist der nicht absehbar.
vorangeschritten sind und es anders als in den vergangenen Jahren nicht nur dabei bleiben wird, dass dazu, wenn die Bundesregierung nicht nachsteuert, diese Frage und diese Forderung nach zwei unterschiedlichen Preiszonen einfach im Walde verhallen, sondern dass wir dann tatsächlich politisch auf diese Entwicklung zusteuern. Ich kann Ihnen nur versichern, eigentlich können wir das nicht wollen. Wenn man, nachdem uns die Bundesregierung im Weißbuch „Einen Strommarkt für die Energiewende“ im Jahr 2015 versprochen hat, die Netzentgeltangleichung durchzuführen, das nicht getan hat, wenn man das im vergangenen Jahr im Herbst durch das Bundeswirtschaftsministerium versprochen bekommen hat und das Netzentgeltmodernisierungsgesetz, das NEMoG, im Bundeskabinett landet und am Ende ganz kurzfristig für uns nachteilig wieder umgestrickt wird und wenn man in der Tat dieses gesamtdeutsche Interesse einzelnen Interessen einzelner Stakeholder unterordnet, dann muss die Debatte auch dahin weiter qualifiziert werden, dass wir sagen: Wenn der solidarische Lastenausgleich nicht kommt, dann begeben wir uns in die Debatte zu den Preiszonen.
Ich will deutlich sagen, dass die Bundesratsinitiative, die wir nächste Woche Dienstag im Thüringer Kabinett beschließen werden, kein Selbstläufer sein wird. Wir haben von einigen Ländern bereits Unterstützung signalisiert bekommen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird es eine gemeinsame Initiative mit Schleswig-Holstein geben. Wir werden unterstützt aus Sachsen-Anhalt und Sachsen. Wir werden auch Unterstützung aus anderen Ländern bekommen, aber am Ende des Tages muss eine Bundesratsmehrheit zustande kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, da kann ich Sie nur bitten, entsprechend nicht nur bei Ihren Abgeordneten, sondern auch in Ihren jeweiligen Parteien bei den anderen Bundesländern Kontakte zu nutzen, um dafür zu werben, dass man diese Entscheidung nicht auf die lange Bank schiebt. Alles, was nach der NRW-Wahl im Bundeskabinett beschlossen wird, wird in dieser Legislatur auf Bundesebene nicht mehr tatsächlich umgesetzt werden können. Alles schiebt sich deutlich nach die Bundestagswahl, das heißt, wir würden wieder ein Jahr verlieren. Ich habe Ihnen gerade die Kulissen für die Steigerungsraten beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz genannt. Wir würden wieder das Ziel verfehlen, eine deutliche Angleichung zu erreichen. Die Schere würde sich weiter öffnen. Ich kann Sie nur bitten, an dieser Stelle in Unterstützung zu gehen und alle Einflussmöglichkeiten, die sich Ihnen bieten, für das Gesamtprojekt Energiewende in die Waagschale zu werfen, weil eines klar ist: Erkenntnisgewinn ist da, der politische Druck hat über die letzten Jahre immer mehr zugenommen. Es gibt
auch überhaupt keine Gründe mehr, eine Entscheidung auf die lange Bank zu schieben. Man muss jetzt nur den Mut haben, zu entscheiden. Wir aus Thüringen heraus bereiten den Weg dafür und bitten sehr herzlich um Ihre Unterstützung. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich schließe den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den zweiten Teil
b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Keine Privatisierung von Autobahnen und Fernstraßen in Thüringen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/3330
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, keine Privatisierung von Autobahnen und Fernstraßen, das ist unsere Forderung. Ende des vergangenen Jahres gab es eine Reihe von Bund-Länder-Vereinbarungen, die das Gefüge der Finanzbeziehungen zwischen ihnen erheblich beeinflussten und auch in Zukunft beeinflussen werden. Das betrifft die Höhe der Regionalisierungsmittel ebenso wie die Zweckbindung der Entflechtungsmittel, aber auch die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für das Bundesfernstraßennetz, die von Bund und Ländern beschlossen wurde.
Dazu einige Vorbemerkungen: Schon länger hat sich abgezeichnet, dass ein großer Teil der gesamten Verkehrsinfrastruktur auf einen bedenklichen Zustand und auf Substanzverzehr hinsteuerte. Ursachen waren die unzureichende Bereitstellung von Finanzmitteln des Bundes, ein großer Investitionsstau, die Unterlassung von Erhaltungsmaßnahmen zugunsten von Neubauvorhaben, eine höhere Verkehrsdichte, Materialermüdung und auch das Fehlen langfristiger, koordinierter Bedarfsplanungen sowie überjährige Finanzierungskreisläufe. Zahlreiche Kommissionen, von Daehre, Fratzscher und Bodewig geleitet, suchten nach Lösungswegen. Und lassen Sie mich noch kurz sagen: Während die eingesetzte Kommission von Kurt Bodewig „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ noch Vorschläge zur Optimierung der Auftragsverwaltung unterbreitete, wurde deren Bereich leider aus Zeitgründen
auf das Bundesfernstraßennetz eingeengt. Viel wichtiger wäre eine vernetzte Betrachtung der gesamten Verkehrsinfrastruktur gewesen und vor allen Dingen eine deutliche Priorisierung der Schienenwege.
Aber zum Thema hier: Der Vorschlag der BodewigKommission hieß, der Bund bestellt, finanziert und kontrolliert; die Auftragsverantwortung der Länder war bei Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb. Es kam eine andere Entscheidung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die bisherige Regelung lautete folgendermaßen: Der Bund bezahlt den Unterhalt und den Ausbau der Autobahnen und Bundesfernstraßen, die Länder setzen die beschlossenen Ziele um. In der neu zu schaffenden Bundesfernstraßengesellschaft sollen nun beide Bereiche gebündelt werden. Die dazu notwendige Grundgesetzänderung wird derzeit vorbereitet. Auch deswegen ist es wichtig, dass wir im Thüringer Landtag zu diesem Vorhaben Position beziehen, denn einige Folgen der bisherigen Finanzfestlegung zwischen Bund und Ländern zeichnen sich bereits negativ ab. Die Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr sind zu gering; der Wegfall der Bindungswirkung der Entflechtungsmittel, zum Beispiel für die Gemeindeverkehrsfinanzierung ÖPNV ab 2020, wird problematische Auswirkungen haben. Andere werden uns erreichen und es ist das wichtigste Problem, deswegen sprechen wir hierüber: Die Bundesregierung, speziell Finanzminister Schäuble, plant, die Beteiligung privater Investoren am Ausbau von Straßen zu erhöhen und dazu möglicherweise auch Eigentum des Bundesfernstraßennetzes an private Kapitalgeber zu veräußern, den Einfluss privaten Kapitals auf die zu gründende Infrastrukturgesellschaft zu ermöglichen oder die eventuell durch Tochtergesellschaften zu realisieren und so einen Privatisierungszugriff auf bisher öffentliche Infrastruktur zuzulassen. Dagegen sollten wir uns gemeinsam wenden. Es wäre fatal, wenn die neue Bund-Länder-Finanzierung dazu führen würde, dass schleichend eine Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur ermöglicht wird und dass dadurch auch die Länder benachteiligt werden. Nicht nur, weil die Beteiligung privater Kapitalanleger die Allgemeinheit meist teuer zu stehen kommt und Renditeerwartungen erfüllt werden müssen – sie können das im Rechenschaftsbericht des Bundesrechnungshofs nachlesen –, Intransparenz bzw. eine Bewertung der über 30 Jahre durch Mauteinnahmen rezufinanzierenden privaten Straßenbauvorhaben führt dazu, dass auch diese Autobahnabschnitte die Allgemeinheit sehr viel kosten werden. Parlament und Bürgerinnen verlieren Einfluss auf Verkehrspolitik. Ungeklärt sind Beschäftigungsverhältnisse der Auftragsverwaltung in den Ländern oder auch die Möglichkeit, regionale Unternehmen zu beschäftigen. Deswegen unterstützen wir die in der Protokollnotiz des Ministerpräsidenten geäußerte Absicht, das unveräußerliche
und vollständige Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen sowie an der Infrastrukturgesellschaft in der zukünftigen Grundgesetzänderung festzuschreiben, dass hier Maßnahmen festgelegt werden sollen – auch in den Bund-Länder-Vereinbarungen –, dass es eben nicht dazu kommt, dass öffentliche Infrastruktur privatisiert wird und Renditeerwartungen erfüllen muss. Notwendig ist also, dass das Straßennetz öffentliches Eigentum bleibt, die Länder politisches und fachliches Mitspracherecht haben, die Beteiligung der Öffentlichkeit an Bauvorhaben nicht eingeschränkt werden darf, Erhalt von Neubau weiter fortgesetzt wird und dass vor allen Dingen auch die Arbeitsplätze in der bisherigen Auftragsverwaltung in den Ländern gesichert werden. Dafür sollten wir uns als Thüringer Landtag und als Thüringer Landesregierung einsetzen. Und es darf nicht dazu kommen, dass nur Autobahnen und Bundesfernstraßen im Fokus stehen, auch das kommunale Straßennetz ist ein wichtiges und sollte bei unseren Betrachtungen Beachtung finden.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Liebetrau aus der CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Damen und Herren Abgeordnete, Wohlstand entsteht dort, wo Infrastruktur funktioniert. Die bisherige Struktur der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen gewährleistet dies flächendeckend in Deutschland nicht mehr. Viele Bundesländer haben große Defizite bei der Organisation und bei den Planungskapazitäten ihrer Straßenbaubehörden. Das Ergebnis ist schon heute ein von Bundesland zu Bundesland großer Unterschied in Qualität und Leistungsfähigkeit von Infrastruktur. Damit Infrastruktur aber in ganz Deutschland funktioniert, müssen andere Wege beschritten werden, um Infrastrukturprojekte schneller und sicherer zu planen und Baureife zu schaffen. Deshalb soll das bestehende System weiterentwickelt und optimiert werden.
Aber worum geht es eigentlich? Bund und Länder haben sich auf die Gründung einer unter staatlicher Regelung stehenden, privatrechtlich organisierten „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ geeinigt, und zwar auf der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 14. Oktober 2016 in Berlin. Dazu muss das Grundgesetz geändert werden. Weiterhin muss sich über die genaue Ausgestaltung unter anderem mit einem Zeitplan, Regelungen in der Übergangsphase,
Nun hat sich die Thüringer Verkehrsministerin Keller zu Wort gemeldet und gefordert: Die Privatisierung von Autobahnen muss rechtlich ausgeschlossen sein. Das ist nun auch Sinn und Zweck der heutigen Aktuellen Stunde. Aber welche Zweifel machen Sie hier eigentlich geltend? Schauen wir also einmal in die Antwort auf die Kleine Anfrage einiger Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 18/10804 vom 4. Januar 2017. Dort heißt zur Frage – ich zitiere – „Inwiefern gibt es eine Einigung, ob sich private Kapitalgeber an der neu zu schaffenden Infrastrukturgesellschaft Verkehr beteiligen können?“ ganz schlicht und einfach die Antwort: „Die Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen sowie etwaige Tochtergesellschaften sollen nach dem Beschluss der Bundesregierung für das Begleitgesetz im vollständigen, unveräußerlichen Eigentum des Bundes stehen.“ Weiter heißt es auf die Frage „Wie steht die Bundesregierung zur Möglichkeit, die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Infrastrukturgesellschaft Verkehr grundsätzlich auszuschließen?“ auch ganz klar: „Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Infrastrukturgesellschaft ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen.“
Sehr geehrte Damen und Herren, mit der geplanten Gründung der Infrastrukturgesellschaft soll eine Institution geschaffen werden, die für Planung, Bau und Betrieb von Autobahnen und Bundesfernstraßen zuständig sein soll – mehr nicht. Mir ist schleierhaft, woher Sie Ihre Befürchtungen nehmen. Das unveräußerliche und vollständige Eigentum des Bundes am Streckennetz und an der Gesellschaft privaten Rechts ist und bleibt im Grundgesetz festgeschrieben.
Aber noch einmal zurück zum Grundproblem: Das bestehende System soll weiterentwickelt und optimiert werden. Diese Ziele lassen sich durch die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes mit Fokus auf die Bundesautobahn am besten realisieren. Oberster Bauherr bleibt die Politik. Der Deutsche Bundestag legt weiterhin gesetzlich fest, für welche Projekte es einen Bedarf gibt.
Die zu gründende Infrastrukturgesellschaft wird zudem so ausgestaltet, dass kein Schattenhaushalt entsteht. Die Gesellschaft wird für den ganzen Lebenszyklus einer Straße verantwortlich sein und die Grundsatzaufgaben planen, bauen, betreiben, erhalten, finanzieren und bündeln. Sie wird zugleich auch in den Regionen präsent sein und auf allen Ebenen über Kernkompetenzen verfügen. Deshalb wird für ausreichendes Personal gesorgt und die betroffenen Mitarbeiter werden aus den Ländern übernommen. Ich sehe dabei keinen Anlass zur Kritik. Der Bund als alleiniger Gesellschafter und das
Parlament verfügen über angemessene Einflussmöglichkeiten in Form von Beteiligungs-, Mitsprache- und Kontrollrechten. Da die Gesellschaft bei ihrer Aufgabenerledigung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten soll, müssen ihr insoweit die notwendigen Entscheidungsspielräume verbleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind davon überzeugt: Die Übernahme der umfassenden Auftragsverantwortung für die Autobahnen durch den Bund ist ein Diskussionsthema, das erhebliche Chancen birgt. Nicht zuletzt, werte Abgeordnete: Wenn sich Projekte als ÖPP-tauglich, sie sich also unter Einbeziehung privaten Kapitals als wirtschaftlich vorteilhaft erweisen, soll die Gesellschaft diesen Weg beschreiten können. Herzlichen Dank.
(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Dann müs- sen die anderen Fahrrad fahren! Ich habe da schon immer Angst. Bis nach Küllstedt fahre ich aber nicht!)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Liebetrau, Ihre Rede hat mich an eine Rede erinnert, die ich 2004 gehört hatte, und zwar an die von Frau Schipanski. Frau Schipanski hat damals über Privatisierung der Energiewirtschaft bei den Erfurter Stadtwerken gesprochen. Sie hatte bei dieser Rede eine Mappe mit, die war rot und hat geleuchtet, und wenn sie die Mappe hochgenommen und daraus vorgelesen hat, stand ganz groß „E.ON“ auf der Mappe drauf. Das hat damals so funktioniert, dass alle politischen Reden zur Energiewirtschaft damals E.ON, die in Thüringen sehr involviert waren, der Politik sozusagen geschrieben hat. Ihre Rede erinnert mich ein bisschen daran, weil sie auch danach klingt, als wäre sie von Vertretern der Bauwirtschaft oder Investmentfonds geschrieben worden, die sich 300 Milliarden Euro bis 2030 an Umsatz sichern wollen.
Das Bundeskabinett hat am 14. Dezember 2016 den Entwurf zu einer Grundgesetzänderung vorgestellt. Bei einer Grundgesetzänderung, glaube ich, sollte man intensiv darüber nachdenken und überlegen, welche Auswirkungen das hat. Wir reden immerhin von einem mehrstelligen Milliardenbetrag, der von der Verwaltung/der öffentlichen Hand in die Privatwirtschaft übergehen könnte. Natürlich haben die Gesetzgeber und der Bundestag gesagt: Nein, Privatisierung wird es mit uns nicht geben. Aber die Praxis und der vorgeschlagene Gesetzestext sprechen eine andere Sprache. Ganz
deutlich wird es in der Analyse des Bundesrechnungshofs. Der sagt: Künftige Privatisierungsmöglichkeiten, bezogen auf die Autobahnen, wären demnach dennoch im Verkauf von Tochterfirmen zu sehen, in öffentlich-privaten Partnerschaften, ÖPPModellen, stillen Beteiligungen und anderen eigenkapitalähnlichen Anlageformen. Weiterhin kann Fremdkapital akquiriert werden, das direkt oder indirekt über den Bundeshaushalt gesichert wird, aber am Parlament vorbei aufgenommen werden kann.
Sogar in der Begründung des Gesetzestextes kann man lesen – ich zitiere –: „Sofern zusätzlich privates Kapital in Infrastrukturmaßnahmen fließen soll, wäre dies, wenn die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, für Projekte der Gesellschaft möglich.“ Daraus entsteht ein offener Widerspruch zwischen mündlichen Aussagen von Bundesregierungsvertretern, dass Privatisierungen ausgeschlossen seien, und den vorgelegten Gesetzentwürfen. Denn alle genannten Privatisierungsformen können vorgenommen werden, wenn anstatt einer privatwirtschaftlichen GmbH eine Anstalt öffentlichen Rechts eingesetzt wird. Denn auch bei der Anstalt des öffentlichen Rechts bleiben ÖPPs, stille Beteiligungen und Verkäufe von Tochtergesellschaften weiter erlaubt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir, kurz auf die sogenannten ÖPP-Projekte einzugehen. Bis jetzt wurden bei der Sanierung und dem Neubau von Autobahnstrecken bereits 3,6 Prozent der Autobahnstrecken über ÖPP finanziert und umgesetzt. Da stellt sich natürlich für den Steuerzahler die Frage: Was kostet das, hat das einen wirtschaftlichen Gewinn für den Steuerzahler gebracht? Der Bundesrechnungshof hat sich die bislang durchgeführten sechs ÖPP-Projekte angeschaut und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass fünf von sechs bislang durchgeführten ÖPP-Projekten unwirtschaftlicher wären als die staatliche Auftragsverwaltung, wie es zurzeit gängig ist. Insgesamt entstanden in der Analyse des Bundesrechnungshofs dem Staat damit ganz deutlich Mehrkosten von 1,9 Milliarden Euro. Hochgerechnet auf die Gesamtkosten, über die wir jetzt bei einer neuen Fernstraßengesellschaft reden, drohen also circa 20 Milliarden Euro Mehrkosten durch ÖPP-Maßnahmen. Das, finden wir, ist nahezu ein finanzpolitisches Fiasko. Damit Sie eine Vorstellung haben, haben wir das mal umgerechnet: 20 Milliarden Euro Mehrkosten, das entspricht ungefähr dem Neubau von 3.000 Schulen. Da sagen wir: Das Geld, das dort offensichtlich mehr ausgegeben werden soll, kann man anders und besser einsetzen.
Nun kann man natürlich sagen, der Bundesrechnungshof rechnet falsch. Aber warum sollte eine neutrale Instanz wie der Bundesrechnungshof ein Interesse haben, ÖPP schlechtzurechnen? Beim Bundesverkehrsministerium kann man hingegen durchaus andere Motivationen erkennen. Es
besteht natürlich ein Interesse an verdeckter Kreditaufnahme oder Aushebelung der Kontrolle von Parlament und Rechnungshof.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer nach diesen Fakten und Hintergründen einer Privatisierung oder indirekten Privatisierung das Wort redet, ist letztlich verantwortlich für eingeschränkte Arbeitnehmerrechte, für Mehrausgaben für die Steuerzahler, für Lobbypolitik, für Großkonzerne und für Intransparenz am Parlament vorbei. Deshalb sprechen wir, Bündnis 90/Die Grünen, uns prinzipiell gegen diese Neugründung einer Bundesfernstraßengesellschaft aus.
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Gäste! Nichts ist den Deutschen so nah wie ihr Auto. Ging die FDP früher mit dem ADAC-Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ auf Wählerfang, so ist es heute sehr ruhig geworden in dieser Hinsicht. Im letzten Jahr ist auf einmal Bewegung in die Sache gekommen, zuerst mit Vorstoß von Verkehrsminister Dobrindt und zu guter Letzt mit dem Husarenstück von Bundesfinanzminister Schäuble, mit seinen Plänen, private Investoren im großen Stil an deutschen Autobahnen zu beteiligen. Kaum geäußert, regt sich im ganzen Land massiver Widerstand, Widerstand, der offenbar wirkte. Kurze Zeit später kassierte die Bundesregierung ihre Überlegungen – angeblich. Doch nun kommt ein Gutachten renommierter Verfassungsrechtler und Wirtschaftswissenschaftler im Auftrag des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, ZDB, zu dem Schluss, dass private Investoren sehr wohl Zugriff auf das Autobahnnetz bekommen könnten. Damit steht dieses Gutachten diametral zu Aussagen von Vizekanzler Sigmar Gabriel. Dieser erklärte unlängst, es wird weder eine Privatisierung von Straßen noch der Bundesfernstraßengesellschaft geben. Um nun aber wirklich jegliche Privatisierungspläne zu stoppen, müsse der Gesetzentwurf auf Bundesebene abgeändert werden, was bis jetzt jedoch noch immer nicht passiert ist. Bis ein abgeänderter Entwurf vorliegt, können sich die Parteien im Land lediglich vorpositionieren. Für die AfD in Thüringen kann ich Ihnen sagen, dass wir jegliche Privatisierung von Autobahnen ablehnen werden. Vielen Dank.