Protocol of the Session on January 27, 2017

Meine Damen und Herren, wir haben aber noch ein anderes Problem. Die Netznutzungsentgelte in Thüringen sind nicht nur deshalb so hoch, weil wir Transitland für Strom sind, sie sind auch deshalb so hoch, weil natürlich in die Stromwirtschaft auch nach der Wende sehr viel investiert werden musste und diese neuen Investitionen zu hohen Netznutzungsentgelten führen. Ebenfalls haben wir relativ hohe Stromkosten, weil in Thüringen relativ wenig Stromproduktion angesiedelt ist und wir selbst ein Vorland für Strom sind. Das ist natürlich auch ein Punkt, wenn man Netzentwicklungen weniger vorantreiben will, dass man sich kümmern muss, dass Strom in Thüringen erzeugt wird, nämlich der Strom, den wir hier auch verbrauchen. Da muss etwas getan werden, um von Netzkosten runterzukommen.

Was für mich ein zentraler Punkt ist, der in diese Diskussion gehört: Politik muss dafür sorgen, dass in Zukunft Erzeugung von Energie, Erzeugung von Strom und Verbrauch von Strom zusammengebracht werden. Aus meiner Sicht ist es der zentrale Fehler der europäischen Energiepolitik, dass jeder an jeder Stelle Strom erzeugen kann und ihnen dieser Strom auf gesellschaftliche Kosten abgenommen werden muss. An dieser Regelung muss sich etwas ändern. Nur dann, wenn wir Erzeugung und Verbrauch zusammenkriegen, dann werden auch Netzkosten wirklich sinnvoll reduziert. Denn wer ein Kohlekraftwerk in Hamburg baut, weil ihm der Kohletransport auf dem Rhein nach Süddeutschland zu teuer ist, der weiß ganz genau, dass die Gesellschaft ihm den Stromtransport finanziert und er davon profitiert, das Kohlekraftwerk in Hamburg hinzusetzen. Da profitiert er auf Kosten aller Verbraucher in Deutschland. Das ist eine falsche Politik.

Meine Damen und Herren, in dem Zusammenhang will ich auch kurz noch etwas zu der Frage der Regulierung sagen. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll zu prüfen, inwieweit Thüringen über eine Landesnetzagentur einen eigenen Beitrag leisten kann. Dort zu sehen, wo wir landeseigene Regelungsmöglichkeiten hätten, dass die ganze Geschichte günstiger gestaltet werden könnte, auch das ist ein Thema, was in dem Zusammenhang diskutiert werden sollte, wo wir sicher in der nächsten Zeit auch noch die Möglichkeit haben, gemeinsam zu beraten, wie günstigere Lösungen für Thüringen zu finden sind, als sie die bisherige Landesregierung auf den Weg gebracht hat bei den Dingen, bei denen wir selber unsere Hausaufgaben machen müssen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Mühlbauer, Fraktion der SPD, zu uns.

Guten Tag, meine werten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist wichtig und richtig; ein Danke noch mal an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Einheitliches Netzentgelt – das ist für uns eine wichtige Standortfrage, eine Existenzfrage. Ich sage deutlich

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Und was hat der Herr Gabriel dann gemacht?)

wir sind da, glaube ich, gemeinsam verantwortlich, wir sollten da in der Richtung ein bisschen still sein. Wenigstens haben – sage ich ganz klar – Sozialdemokraten der neuen Bundesländer dies erkannt. Ich darf auf die Pressemitteilung des

(Abg. Kummer)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wirtschaftsministers Dulig und des Wirtschaftsministers Tiefensee hinweisen, um mal Sozialdemokraten neben den vielen Grünen zu benennen, die sich da klar positioniert haben. Und ich darf die IHK Südthüringen zitieren, deren Pressemitteilung von Herrn Pieterwas Sie mit Sicherheit gelesen haben. Er spricht von 80 Millionen Euro Mehraufwendungen der Thüringer, hat klare Zahlen benannt, was es unsere Unternehmer und Unternehmerinnen kostet, nämlich an die 56.000 bis 60.000 Euro pro Jahr für Südthüringen als Standortnachteil. Da muss ich Ihnen zurufen, Kolleginnen und Kollegen der CDU – wir haben es gemacht –: Sagt euren Bundestagsabgeordneten der neuen Bundesländer, dass wir dort was ändern müssen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja, das müs- sen wir auch!)

Wir haben dort etwas zu ändern, wenn wir für Thüringen und für die neuen Bundesländer denken. Ich sage hier auch ganz klar, Frau Siegesmund: Ich finde es gut, dass Sie nächste Woche ins Kabinett gehen und eine Bundesratsinitiative aufrufen. Ich bin mir auch sicher, dass Sie dort nicht alleine, sondern im Verbund der neuen Bundesländer antreten und unsere Interessen vertreten werden. Das ist richtig, das ist wichtig, weil es im Jahre 2017 aufhören muss, nach dieser Wende immer noch den Standortnachteil zu haben. Wir brauchen gleiche Bedingungen im Osten wie im Westen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

für die Menschen, für die Unternehmen, um überhaupt mit den alten Bundesländern auf Augenhöhe zu kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein wichtiges Thema. Aber bitte, das Netznutzungsentgelt ist ein Bestandteil. Machen wir uns nicht blind und machen wir uns nicht krumm. Versprechen wir den Menschen nicht, dass wir mit der Änderung des Netznutzungsentgelts am Ende der Diskussion sind. Wir müssen über Steuern reden, wir müssen über die EEG-Umlage reden, wir müssen über Herstellungskosten reden und wir müssen darüber reden, dass der Endverbraucher an den Börsenpreisen partizipieren kann.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur dann wird Energie gerecht und nur dann kann Energie/die Energiewende wirklich von jedem erlebt werden.

In Ihre Richtung, was hier Flächen und Flächenbereiche im ländlichen Raum anbelangt: Wir haben kommunale Netze, wir haben eine Thüringer Energie AG, die – Gott sei Dank – kommunal ist und die uns auch gehört und wo wir auch diese Netze betreiben. Gerade in diesem ländlichen Raum – und das spricht wieder für die fehlende Fachkompetenz aus Ihren Reihen – haben wir unser größtes Industriegebiet, nämlich das Industriegebiet am Erfurter Kreuz, wo der Netzbetreiber genau dieses Unternehmen ist, von dem ich dort gerade gesprochen habe.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: In welchen Spannungsebenen denn?)

Sie haben gerade alle Spannungsebenen in einen Eintopf gemischt, zweimal die Soljanka durchrührt und uns dann Ihre Soße vor die Füße gegossen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie wissen nicht mal, in welchen Spannungsebenen!)

Diesbezüglich bringt uns das nicht weiter. Ich bitte diesbezüglich, machen Sie sich zuerst mal fachkompetent, bevor Sie in die Diskussion hier einsteigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich schließe mich auch den Forderungen des Kollegen Kummer an: Lassen Sie uns offen über eine Landesnetzagentur sprechen. Lassen Sie uns die Energiewende hier vor Ort zum Vorteil der Thüringer und Thüringerinnen gestalten. Diesbezüglich gibt es viel zu tun. Ich gehe von einer positiven Kabinettsentscheidung nächste Woche aus, wünsche unserer Landesregierung viel Erfolg bei den Verhandlungen und denke, wir sind auf dem richtigen Weg für die Thüringerinnen und Thüringer. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Abgeordnete Tasch, Fraktion der CDU, das Wort.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorgestern vom Bundeskabinett beschlossenen Netzentgeltmodernisierungsgesetz hat uns der recht plötzlich aus dem Amt geschiedene Wirtschaftsminister, Herr Sigmar Gabriel, ein unschönes Erbe hinterlassen. In der letzten Fassung des Gesetzes war nun von der vorgesehenen bundeseinheitlichen Angleichung der Netzentgelte im Rahmen einer fairen Lastenverteilung der Stromkosten in Ost und West keine Rede mehr. Daraus ergibt sich für uns die klare Forderung an das Bundeswirtschaftsministerium, hier gegenzusteuern und diese

(Abg. Mühlbauer)

Entscheidung dringend noch einmal zu überdenken. Lange hatte das Ministerium eine bundesweite Vereinheitlichung der Netzentgelte im Übertragungsnetz im Zuge des neuen Gesetzes zugesichert. Die neue Wirtschaftsministerin Frau Zypries sollte sich gleich dafür einsetzen, gegenüber den neuen Bundesländern Wort zu halten. Die erheblichen regionalen Unterschiede in der Höhe der Netzentgelte sind nicht hinnehmbar. Thüringen sowie alle anderen ostdeutschen Bundesländer dürfen nicht auf Dauer die Lastenträger und Zahlmeister der Energiewende bleiben. Es riecht schon sehr nach Parteipolitik, wenn sich Bundesminister Gabriel wenige Monate vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen noch schnell zu so einer Entscheidung hinreißen lässt, um offensichtlich etwaige Mehrbelastungen für potenzielle Wähler im bevölkerungsreichen Bundesland zu vermeiden. Die noch im November 2016 vorgeschlagenen Anpassungen der Netzentgeltstruktur sind richtig im Sinne einer fairen Lastenverteilung. Dies darf nicht dem Wahlkampfkalkül zum Opfer fallen. Es ist nur gerecht, wenn die Kosten für Stromleitungen von bundesweiter Bedeutung auch bundesweit umgelegt werden. Die Verteilungsnetzebene bleibt davon natürlich unberührt, weil sonst langfristig im Osten sogar höhere Kosten entstehen könnten. Ein Wortbruch der Bundesregierung und besonders von Herrn Gabriel bei Netzentgelten für Übertragungsnetze ist für Thüringen nicht akzeptabel.

Thüringen leistet schon jetzt einen enormen Beitrag. Die Strombrücke und die geplanten Gleichstromtrassen im Osten Thüringens belasten Mensch und Natur ohnehin schon. Zusätzlich noch die Stromkunden vor Ort für ihren Aufwand mit höheren Netzentgelten zu bestrafen, ist schädlich für die Akzeptanz des notwendigen Leitungsbaus. Es muss Schluss damit sein, dass Thüringen nur die Transitzone für diejenigen ist, die am erneuerbaren Strom entweder verdienen oder ihn nur verbrauchen. Die Bundesregierung – da werden wir selbstverständlich auch unsere eigenen Leute noch mal kontaktieren – ist aufgefordert, endlich konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen, wie die Lasten der Energiewende regional ausgewogen verteilt werden können.

Zur angekündigten Bundesratsinitiative von Ministerin Siegesmund sei noch erwähnt, dass solche Aktivitäten von Thüringen aus nicht neu sind. Bereits 2011 – vielleicht erinnert ihr euch noch daran – hat der damalige Wirtschaftsminister, Matthias Machnig, von der SPD eine derartige Initiative gestartet, zu der er damals ausführte: Es kann doch nicht sein, dass im Osten eine Leitung gebaut wird, von der Standorte und Abnehmer in allen Teilen Deutschlands profitieren, aber die höheren Kosten sollen allein die Verbraucher und die Unternehmer in den neuen Ländern tragen. Nun ist Matthias Machnig seit einigen Jahren Staatssekretär im Bun

deswirtschaftsministerium. Warum? – muss man fragen. Sie können ihn vielleicht nächste Woche fragen, warum er seinen großen Worten hier in Thüringen nicht dann Taten hat folgen lassen, wo er doch jetzt im Bundeswirtschaftsministerium auch Staatssekretär ist. Erinnern Sie ihn daran, Frau Siegesmund – einen schönen Gruß von uns hier in Thüringen, die wir hier noch sind –, was er damals gesagt hat.

Auch die Industrie- und Handelskammer Südthüringen hat zuletzt deutlich gemacht, dass die Reform der Netzentgeltstruktur notwendig ist, um steigende Kosten im Energiebereich zu dämpfen. Im Norden und Osten der Republik würde dies natürlich zu sinkenden und im Westen und Südwesten zu höheren Kosten führen. Wir sehen darin jedoch den einzigen Weg hin zu einer gleichwertigen Wettbewerbsbedingung und einer fairen Lastenverteilung im gesamten Bundesgebiet. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen? Frau Mühlbauer, das ist aber echt knapp, 20 Sekunden sind nicht viel.

Ich wollte in den 20 Sekunden kurz sagen: Frau Tasch, auch Sie haben einen kleinen Bestandteil an dieser Bundesregierung.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das habe ich doch gesagt!)

Vielleicht kommunizieren Sie das noch mal mit. Es ist vor allem ein Dauerproblem, weil dort, wo mehr Menschen leben, auf den Einzelnen weniger Geld kommt. Der demografische Faktor spielt hier eine entscheidende Rolle. Ich bitte, dass wir gemeinsam den Strang aufnehmen und an dem gemeinsam ziehen. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Frau Mühl- bauer, ich habe gesagt, wir sprechen mit un- seren Leuten!)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Siegesmund.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kobelt, Herr Kummer, Frau Tasch, Frau Mühlbauer, ich denke, in der Ana

(Abg. Tasch)

lyse sind wir alle sehr nahe beieinander. Gemeinsam haben Sie gerade deutlich gemacht – und das lohnt sich auf jeden Fall –, dass an der Tatsache, dass die Netzentgelte übrigens im Osten und im Norden der Bundesrepublik überdurchschnittlich hoch sind, etwas geändert werden muss und dass jetzt dafür das Zeitfenster ist.

Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass wir hier im Hohen Hause dazu diese Debatte so qualitativ gut führen können. Es geht eben nicht – das ist mir wichtig, auch wenn Sie jetzt auf die Abgeordneten im Bundestag zugehen, wenn das Netzentgeltmodernisierungsgesetz noch einmal besprochen wird – um eine platte Ost-West-Debatte, sondern es geht darum, dass wir – Herr Möller, das ist wichtig für Sie, wir reden über das Übertragungsnetz und nicht über das Verteilnetz –

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nein!)

beim Thema „Übertragungsnetz“ diejenigen Länder, die in der Regelzone von 50Hertz sind, mit durchschnittlich 4 Cent pro Kilowattstunde mehr zahlen müssen als jene in den drei anderen Regelzonen. Wenn man das hochrechnet – in einigen Netzgebieten beträgt der Unterschied sogar bis zu 7 Cent pro Kilowattstunde –, dann entspricht das einem satten Aufschlag von 63 Prozent und damit ist die Ungerechtigkeit manifestiert, über die die Abgeordneten hier gerade zu Recht gesprochen haben.

Wen betrifft das denn? Das betrifft Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie Gewerbe- und Industriekunden. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen, wie sich das dann darstellt. Ein in den neuen Bundesländern beheimatetes Stahlwerk beispielsweise zahlt derzeit circa 10 Millionen Euro pro Jahr und damit mehr als doppelt so viel an Netzentgelten wie das gleiche produzierende Stahlwerk mit der gleichen Energiemenge, was im Ruhrgebiet produzieren würde, wo man nur 4,8 Millionen Euro an Netzentgelten bezahlen würde. Das ist der standortpolitische Nachteil, von dem die Abgeordnete Mühlbauer gerade gesprochen hat und der quasi an dieser Stelle ganz klar zu beenden ist.

Eine wesentliche Ursache für die bestehende Spreizung bei den Netzentgelten ist die Entwicklung auf der Übertragungsnetzebene. Die Schere ist, meine sehr geehrten Damen und Herren – Frau Tasch, weil Sie gerade auf vergangene Jahre hinwiesen –, in den vergangenen Jahren sogar noch einmal weiter auseinandergegangen. Das heißt, wir haben allein in diesem Jahr und angekündigt für 2017 zusätzlich eine Erhöhung in der Netzentgeltzone bei TenneT um 80 Prozent für die Netzentgelte, bei 50Hertz, also in unserer Regelzone, wieder um 40 Prozent, und das im Verhältnis deutlich höher als in den beiden anderen Übertragungsnetzzonen. Das heißt nicht nur, dass wir inzwischen eine hohe Unterschiedskulisse haben, sondern diese geht auch immer noch weiter auseinander. Deswe