Protocol of the Session on January 26, 2017

Wenn Sie also Genossenschaften stärken wollen, dann bitte nicht nur durch bloße Worte parlamentsunwürdiger Mitarbeiter oder …

(Abg. Hausold)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die KoWo ist keine Genossenschaft!)

Sie haben jetzt hier mal Pause.

Wenn Sie also Genossenschaften stärken wollen, dann bitte nicht nur mit bloßen Worten, sondern auch durch Handeln in die richtige Richtung. Ich jedenfalls werde Ihr Abstimmungsverhalten im Erfurter Stadtrat

(Heiterkeit DIE LINKE)

dann weiterhin prüfen, wohin das Geld dann geht. Wenn Sie das Geld für die Bibliotheken nehmen würden, wäre das schön. Schauen wir mal! Wie gesagt, wir hätten gern eine getrennte Abstimmung beantragt, wie auch zum Berichtspunkt, diesen fanden wir in Ordnung. Vielen Dank! Auch hier, wie gesagt, Herr Maier, haben Sie ja auch noch einmal explizit ausgeführt, dass eigentlich eine weitere Förderung gar nicht notwendig ist, da es bereits existierende Fördermöglichkeiten gibt. Es ist genügend darüber gesagt worden. Es wurden auch hier schon etliche Förderungen bewilligt, gerade auch im Bereich der Genossenschaften. Da wurde auch dieses 100-Dächer-Programm angesprochen, wo auch entsprechend Solaranlagen gefördert worden sind, mit 1,1 Millionen Euro sogar. Das heißt, hier noch weitere Förderungen aufzulegen, dafür sehen wir nicht die Notwendigkeit.

Und, wie gesagt, das vielleicht noch einmal so als Hintergrundwissen: DATEV ist zum Beispiel eine eingetragene Genossenschaft. Die gibt es bereits seit 14.02.1966. Also warum die Genossenschaften hier jetzt zusätzlich noch mehr gefördert werden sollen – die haben sich in Deutschland bereits etabliert, sogar sehr gut etabliert. Deswegen ist Ihr Antrag sehr fraglich.

Herr Hausold, Sie hatten gesagt, Sie sind der Meinung, es würde hier nicht genügend Geld für die Genossenschaften gegeben. Wir haben den Bericht der Landesregierung gehört, das spricht dem entgegen. Wie gesagt, hier wird bereits einiges getan. Wir sehen also nicht ein, hier noch weitere Förderung zu beschließen, deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Vielen Dank.

Es gibt eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Kobelt. Die lassen Sie auch nicht zu,

(Beifall AfD)

sodass wir jetzt fortfahren. Ich rufe Frau Mühlbauer für die SPD-Fraktion auf.

Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon von Herrn Wucherpfennig und von dir, Dieter

Hausold, fachlich sehr tief greifende Betrachtungen dieses Themas gehabt. Sie erlauben mir, dass ich mich auf ihre einzelnen Beiträge hier noch mal stütze und nicht mehr im Detail auf alles eingehe. Ich denke, wir sollten hier nicht nach dem Motto arbeiten: Es ist alles gesagt, nur nicht von jedem. Aber lassen Sie mich vor allem Menschen, die vielleicht das Thema „Genossenschaft“ weder verstanden noch verinnerlicht haben, zwei geschichtliche Punkte beibringen. Bildung ist ja etwas, was einen immer weiterbringt. Robert Owen gilt als Begründer der ersten Genossenschaftsbewegung, und zwar begann er 1799 mit einer Baumwollspinnerei in Schottland ein Experiment für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. Im deutschsprachigen Raum darf ich heute noch zwei Männer nennen – weil es hier, glaube ich, heute keiner erwähnt hat, deswegen erlauben Sie mir diesen kleinen geschichtlichen Hintergrund –, die unabhängig voneinander die Genossenschaften gründeten. 1847 rief der uns allen bekannte Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Weyerbusch den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der notleidenden ländlichen Bevölkerung ins Leben und 1862 den Heddesdorfer Darlehnskassenverein, der heute als erste Genossenschaft im Raiffeisen‘schen Sinne gilt. Zur selben Zeit rief Hermann Schulze-Delitzsch in Delitzsch eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zugutekam. Das heißt, Genossenschaften sind ein lang bewährtes, sehr soziales Instrument, sich selbst zu helfen, sich weiterzuhelfen.

Was ist unser aktueller Bezug, lassen Sie mich bitte diesen Exkurs bringen. 20.01.2017, „Deutsche Handwerks Zeitung“: Hilfe durch Genossenschaft. Sie erlauben das Zitat: Studie rät Handwerkern zu neuen Geschäftsmodellen. Ich darf zitieren: Das Handwerk muss sich noch stärker bemühen, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Um sich zukunftsfest zu machen, sollte das Handwerk verstärkt auf Genossenschaftsmodelle zurückgreifen; so könnten Mitarbeiter etwa bei Nachfolgeproblemen über Produktionsgenossenschaft Eigenkapital bilden und den Betrieb so vielleicht einmal übernehmen – ein Zitat aus der „Deutschen Handwerks Zeitung“; die ist, glaube ich, nicht berüchtigt, ein sozialdemokratisches Organ zu sein.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt möchte ich mich bei Herrn Staatssekretär Maier ausdrücklich für den Bericht des Ministeriums bedanken und noch mal deutlich sagen: Herr Wucherpfennig, nichts ist so gut, als dass man es nicht weiter verbessern kann, und nichts ist so fragwürdig, als dass man es nicht noch mal aufrufen muss und hinterfragen sollte. Die Genossenschaft ist ein Modell, das wir weitertragen und durch veränderte Rahmenbedingungen, die tagtäglich auf uns einstürmen – der globale Markt, die Handelsbeziehungen, wir müssen immer wieder unsere Ansätze

(Abg. Kießling)

überdenken –, kritisch hinterfragen und wo wir die Steuerungsmechanismen finden müssen, an denen wir sie verändern können.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch mal ganz deutlich: Danke für den Bericht, danke noch mal für die Besonderheiten der Ausgestaltung der Förderprogramme, die wir in den Jahren – hier darf ich Sie zitieren, Herr Wucherpfennig, ich habe ja gesagt, ich greife auf Sie beide zurück – von 2006 bis 2013 schon unter einem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister in die richtige Richtung gebracht haben – gemeinsam, Herr Wucherpfennig, gemeinsam –, weil wir es erkannt haben und jetzt natürlich gemeinsam diesen Ansatz, der damals gut und richtig war, weitergestalten und weitervertiefen werden, und das ist auch richtig. Deswegen danke für die intensive Förderung, danke für das Geld, Sie haben von 28 Millionen

(Zwischenruf Abg. Wucherpfennig, CDU: 98!)

98 Millionen, Entschuldigung – gesprochen. Das ist sehr, sehr wichtig gewesen. Und das nur mal in die Richtung: Eine Genossenschaft ist eine Existenzgründung. Warum wir keine Existenzgründungen von Menschen, die nicht eigenkapitalfähig sind, unterstützen wollen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Ich will jetzt über Ihren finanzpolitischen oder wirtschaftspolitischen Ansatz einfach nicht weiter nachdenken. Ich lasse das einfach so stehen. Deswegen ist es wichtig, diese Instrumente so zu fördern, dass vor allem Menschen, denen es nicht möglich ist, dieses Eigenkapital aufzubringen, unterstützt werden können, den Handwerksbetrieb zu übernehmen und andere Dinge zu übernehmen.

Die Förderung ist richtig. Die Förderung muss im Rahmen noch mal überdacht werden, ob es da Vereinfachungen gibt im Handeln. Es ist natürlich richtig, dass wir auch mal über den wirtschaftlichen Verein, dessen Vorteile und Nachteile, hier reden sollten. Da gibt es Bundesländer, die dieses tun. Die haben Erfahrungen. Ich denke, da bringt uns ein Bericht hier auf jeden Fall weiter. Auch ist es wichtig, Bürokratieabbau zu gestalten, und eine Prüfungsverpflichtung ist, glaube ich, eine Grundlage. Ich denke, hier geht es nicht darum zu diskutieren, ob man eine Prüfungsverpflichtung abschafft. Hier geht es darum, etwas zu vereinfachen und den Zugang dazu zu erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiegenossenschaft wird uns weiter beschäftigen. Das ist ein Modell gerade von Existenzgründern. Das ist ein Bereich, der es ermöglicht, dass Menschen, Bürger in Thüringen partizipieren an den positiven Folgen der Energiewende. Lassen Sie das uns in Formen begleiten. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Wucherpfennig für die tiefgreifende Beleuchtung. Ich bedanke mich bei Herrn

Hausold, der dieses auf der anderen Seite mit begleitet hat und den Finger auf die Wunden gelegt hat, die Wunden des täglichen Handelns bei einer Gründung, bei der Umsetzung der Genossenschaft. Danke! Ich werbe um Zustimmung. Hier geht es um einen Bericht, den wir dann Ende Juni hier vorgelegt bekommen, über den wir noch mal reden können, und ich denke, mehr Wissen ist eine Sache, die uns allen zusammen gut ansteht. Diesbezüglich herzlichen Dank, meine Damen und Herren, und ich werbe um Zustimmung für unseren Antrag.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Mühlbauer. Ich darf mal sagen, herzlichen Dank für Ihre dankbare Rede. Zehn Danke in 7 Minuten ist auf jeden Fall eine dankbare Leistung.

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, ich hoffe, ich bekomme keine Rüge, ich möchte noch eines, weil ich wirklich tief beeindruckt bin. Sie verteilen jedes Mal Blumen oder Ihre Kolleginnen und Kollegen, die Sie hier unterstützen, ich bin jetzt nicht davon ausgegangen, dass Sie persönlich für mich heute die Blumen geholt haben.

Ich hätte es fast gemacht.

Ich darf mich ganz herzlich bei der Landtagsverwaltung bedanken. Es sind wunderschöne Sträuße. Danke schön, ich habe mich sehr über meine Blumen gefreut.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Elf Mal – herzlichen Glückwunsch und vielen Dank. Ich habe noch eine Wortmeldung von Herrn Abgeordneten Müller von Bündnis 90/Die Grünen und dann kommen Sie dran, Herr Kießling.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Damen und Herren, nach so viel Pathos und „Danke“ von der Kollegin Mühlbauer möchte ich aber doch noch einmal ganz kurz auf das postfaktische Wissen von Herrn Kießling eingehen. Also wenn man sich

(Abg. Mühlbauer)

schon so weit aus dem Fenster lehnt und vom Schröpfen irgendwelcher Gesellschaften daher fabuliert: Das ist eine GmbH und keine Genossenschaft. Gucken Sie einfach mal Google durch.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz einfach, ganz oben erster Treffer, simpel ohne Ende, aber offensichtlich immer noch zu schwer.

Der genossenschaftliche Gedanke stammt zwar aus den sozialdemokratischen Anfängen, ist aber deshalb noch lange nicht überholt. Er lebt noch weiter. Fantastisch!

(Beifall SPD)

Im 19. Jahrhundert durchaus überzeugend vertreten und dann im Genossenschaftswesen zum Ausdruck gebracht, bildet er tatsächlich die erste Grundlage solidarischen Handelns in unserer Gesellschaft und zwischen den Menschen. Dabei – und das ist nun auch schon erwähnt worden – steht das Streben nach persönlichem Profit deutlich im Hintergrund. Es ist das gemeinsame Handeln gefragt. Die praktische Umsetzung dieser Philosophie soll dadurch erreicht werden, dass das Unternehmenseigentum vollständig und zu gleichen Teilen an die Genossenschaftsmitglieder übertragen wird, also auch durchaus anders als in vielen anderen Wirtschaftsformen. Ein solcher Wirtschaftsverband, meine Damen und Herren, die Alternative zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung, zur Aktiengesellschaft, zur offenen Handelsgesellschaft oder auch zur GbR, wird durch die Ausstattung der Genossenschaftsmitglieder mit einem Wahlrecht vervollständigt. Dabei muss erwähnt werden, dass jedes Genossenschaftsmitglied unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung eine Stimme hat und damit auch paritätisch besetzt wird. Keine Branche – auch das haben wir schon gehört – ist von vornherein von dem Genossenschaftsprinzip ausgeschlossen. Wir haben schon gehört, in der Wohnungswirtschaft, im Kulturbereich, im Energiebereich, selbst in Banken und auch im Ingenieurwesen finden wir heute Genossenschaften. Am Anfang des 20. Jahrhunderts und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein hielten die Genossenschaften den kritischen Stimmen des extrem linken politischen Spektrums stand. Es ist schon erstaunlich, denn damals befürchtete man ein bisschen stark die Anpassung an die Marktwirtschaft durch die Massen. Trotz der Neuorientierung im Regierungs- und Wirtschaftsverständnis der jungen Bundesrepublik hat es nach dem Zweiten Weltkrieg zur weiteren Genossenschaftsbildung geführt. Die Idee von Raiffeisen fand mit der Jahrtausendwende dann erneut weitere Zustimmung. Insbesondere im Sektor der Energieerzeugung kam es in den zurückliegenden Jahren in Thüringen, aber auch bundesweit zu einer Vielzahl neu gegründeter Genossenschaften.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Von allen Sei- ten!)

Bei den Genossenschaften sind gottlob keine in die Insolvenz gegangen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber so was von!)

Als Gegenbeispiel dazu führt auch die Neugründung von Genossenschaften zum Erhalt von Arbeitsplätzen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: … Genossen- schaft Süd, sagt Ihnen das was? Googeln Sie mal!)

Beispielsweise hat die Firma PROKON aus Itzehoe in der Insolvenz stehend durch die Neugründung einer Genossenschaft 300 Arbeitsplätze in Norddeutschland gerettet.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auch hier solidarisches Handeln von Beschäftigten untereinander und die Verteilung von Risiken auf viele Schultern. Es geht um gemeinsame, urdemokratische Arbeitsweisen. Über die Europäische Gemeinschaft haben Genossenschaften zudem die Aufgabe, soziale und/oder kulturelle Belange mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu fördern. Wir Bündnis 90/Die Grünen setzen uns als eine der regierungstragenden Parteien für eine Gleichbehandlung auch dieser Wirtschaftsform ein. Vor dem Hintergrund dieses Wunsches nach Gleichbehandlung sehen wir unseren gemeinsamen Antrag, für den ich um Zustimmung hiermit werben möchte. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)