Protocol of the Session on December 9, 2016

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein, Sie haben um Konsens geworben!)

Das ist keine Unverschämtheit, liebe Abgeordnete.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit und Ruhe. Herr Minister.

Der vorliegende Antrag zur Einsetzung der Enquete-Kommission geht mit seinem Bezug eben nicht nur auf das Phänomen des Rassismus, sondern auch – das ist heute schon häufiger diskutiert worden – auf die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit insgesamt ein und damit auf einen breiteren Ansatz, der versucht, das Umfeld zu diskutieren, in dem Rassismus auftritt. Ein gemeinsamer Nenner ist, dass auf empfundene Defizite der eigenen Situation mit der Abwertung anderer Menschen reagiert wird.

An dem Punkt möchte ich noch mal auf das zurückkommen, was Herr Tischner angesprochen hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, lieber Herr Tischner, haben Sie argumentiert, dass es Bedenken innerhalb der Union gibt, die im Kern darauf hinauslaufen, dass befürchtet wird, dass es möglicherweise durch die Diskussion der Enquete-Kommission schon vorher ein fest gefügtes Bild gibt, was der Diskussionsstand ist, und die Weite dessen, was die Union diskutieren will, dort nicht zur Sprache kommen kann. Ich sehe das aus meiner Sicht nicht. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger, als sich mit Erkenntnissen im wissenschaftlichen Raum vorurteilsfrei auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob und wie mit diesem Konzept umzugehen ist. Es ist deutlich geworden, dass für die regierungstragenden Fraktionen, und ich würde das für mich auch so deutlich machen, das Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

(Minister Prof. Dr. Hoff)

schon den besten Erklärungsansatz bietet. Aber es geht natürlich darum, das Konzept zu betrachten und im Kern seine Anwendung auf Thüringen zu überprüfen. Insofern halte ich es für sehr weit gefasst, zu glauben, dass sich dieses Konzept gegen deutsche Staatsangehörige richten würde.

Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beruht darauf, dass Menschen, die meinen, ihr Selbstwertgefühl nur dadurch stärken zu können, dass sie andere als minderwertig betrachten, die gemeinsame Grundlage des zivilisatorischen und demokratischen Diskurses verlassen, der darauf basiert, dass allen Menschen die gleiche Würde und die gleichen Rechte zustehen, unabhängig von allen sonstigen Eigenschaften oder Zuschreibungen. Das kann natürlich auch Menschen anderer Staatsangehörigkeit und unabhängig von der Religionszugehörigkeit betreffen.

Herr Tischner, wenn Sie sagen, dass die Politik sich nicht eins zu eins ein wissenschaftliches Konzept zu eigen machen muss, kann ich Ihnen zustimmen. Aber wir dürfen im Gegensatz auch nicht so tun, als ob wissenschaftliche Konzepte ohne jeden Halt und ohne jede Begründung seien. Der Eindruck scheint mir in der Diskussion so ein bisschen erweckt worden zu sein.

Wir stellen als Landesregierung selbstverständlich auch alle Erkenntnisse zur Verfügung, die wir im Zusammenhang mit dem Thüringen-Monitor haben, auch Daten, die seit 2000 zur Verfügung stehen. Ich würde mir wünschen, dass die Ergebnisse der Enquete-Kommission in einem Klima des größeren Konsenses zwischen Landesregierung und allen Abgeordneten im Hause reflektiert werden würden. Der Enquete-Kommission möchte ich die volle Unterstützung der Landesregierung zusichern. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in der EnqueteKommission. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte schön, Herr Abgeordneter Mohring.

Herr Präsident, ich würde gern eine Unterbrechung der Sitzung beantragen und um die Einberufung des Ältestenrats bitten.

Gut, dann unterbrechen wir die Sitzung für eine halbe Stunde und setzen sie um 11.00 Uhr fort.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Beratung fort. Ich darf Ihnen aus dem Ältestenrat mitteilen, dass wir uns entschlossen haben, den Tagesordnungspunkt 33 an dieser Stelle zu unterbrechen. Es wird eine Neufassung des Antrags der Koalitionsfraktionen geben. Wir setzen die Beratung zu TOP 33 nach der Mittagspause fort.

Ich rufe daher jetzt den Tagesordnungspunkt 29 auf

Kommunale Finanzkraft- und Investitionsoffensive 2017/2018 Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/3114

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Dann erteile ich dem Abgeordneten Walk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, heute insbesondere der SPD, werte Gäste auf der Besuchertribüne! Wir wissen und Fakt ist nach wie vor, dass die Landesregierung, gemessen am Niveau des Jahres 2014, den Kommunen rund 100 Millionen Euro im KFA weggenommen hat. Das sagen nicht nur wir, sondern das sagen bekanntlich auch die kommunalen Spitzenverbände, erst vorgestern wieder.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bravo, das muss man mal sagen!)

Fakt ist auch, dass dadurch den Kommunen entscheidende Gestaltungsfreiheit unzulässigerweise weggenommen wird.

Ein kurzer Rückblick: Um den Kommunen zu helfen, hatten wir bereits im Sommer dieses Jahres einen Antrag eingebracht – wir wollten finanzschwachen Kommunen noch im Jahr 2016 insgesamt 89 Millionen Euro nicht zweckgebundene Landesmittel zur Verfügung stellen. Das Ergebnis aus dem Juni-Plenum ist allerdings auch bekannt: Unser Antrag scheiterte deutlich an der rot-rot-grünen Stimmenmehrheit. Ich sage nur: Chance vertan.

Damit bin ich bei unserem heutigen Antrag, sozusagen der zweiten Chance. Wir wollen finanzschwachen Kommunen mit insgesamt zusätzlichen 100 Millionen Euro – jeweils 50 Millionen Euro in 2017 und 50 Millionen Euro in 2018 – ebenfalls nicht zweckgebundene Landeszuweisungen zur Verfügung stellen. Die Zielstellung ist unverändert: Erstens Stärkung der kommunalen Finanz- und Investitionskraft; zweitens Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit; drittens – Stichwort „Fair

(Minister Prof. Dr. Hoff)

ness“ – Zurückgewinnung von Spielräumen im Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung, beispielsweise für Investitionen in Gemeindestruktur, in Sportstätten oder Kultur.

Entscheidend ist: Das Geld ist auch vorhanden, die Steuereinnahmen sprudeln erfreulicherweise wie nie zuvor. Insgesamt rechnen wir 2016 und 2017 mit Mehreinnahmen von 428 Millionen Euro. Auch Kollege Christoph Matschie von der SPD hat sich kürzlich dazu geäußert und öffentlich erklärt – Zitat –: „Wir sind in einer Situation, wo man gut investieren kann und muss!“ Richtig, Herr Kollege, das sehen wir genauso.

(Beifall CDU)

So weit, so gut, könnte man meinen – aber offenbar doch nicht ganz.

Zunächst haben wir uns sehr gefreut, dass die Sozialdemokraten eingelenkt haben. Sie haben auf ihrem Parteitag vor drei Wochen in bemerkenswerter Weise einen Initiativantrag für ein kommunales Investitionsprogramm eingebracht und auch beschlossen. Offenbar gehörten zu den Betreibern, zu den Initiatoren und zu den Unterschriftsleistenden auch der Vorsitzende Andreas Bausewein und SPD-Vize Carsten Schneider.

Das ist für eine regierungstragende Partei – wie ich finde – ein ungewöhnlicher, wenn auch in diesem Fall sehr richtiger Schritt. Damit hat die Parteibasis ein positives Signal an die kommunale Familie gesendet, was ausdrücklich von unserer Fraktion Unterstützung erfährt. Auch der zuständige Innenminister Dr. Holger Poppenhäger sieht laut Medienberichten – ich zitiere wieder –: „wohl gute Chancen, dass seine Partei das Geld auch ausgeben darf“. Vorgestern äußerte sich SPD-Vize Carsten Schneider erneut hoffnungsfroh und sagte: „Ich gehe davon aus, dass dies auch alles umgesetzt wird.“

Aber offenbar wurde wieder einmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Kaum war der Parteitagsbeschluss gefasst, meldete sich Ministerpräsident Ramelow zu Wort und kassierte den Vorschlag gleich wieder ein. Auch die eigene Finanzministerin, Frau Taubert, wollte sich laut Medienberichten von dem Vorschlag nicht überrumpeln lassen, wie die TLZ bemerkte. Diese Zurückhaltung indes war für den Kommentator der TLZ wie folgt begründbar. Er sagte: „[...] – denn klar ist auch: Die Genossen müssen vorher noch an den Koalitionspartnern von Linken und Grünen vorbei. Und offenbar auch an ihrer eigenen Finanzministerin [...]“ So ist das eben in einer rot-rot-grünen Koalition.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zusammenfassend noch einmal für unseren Antrag werben, denn dieser ist sachgerecht, dieser ist finanzierbar und dieser ist auch fair.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Und populistisch!)

Erlauben Sie mir zum Schluss noch, einen der insgesamt drei SPD-Oberbürgermeister zu zitieren, in diesem Fall den Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter. Er hat gesagt: „Ich begrüße den Vorstoß. Die Kommunen können prinzipiell Unterstützung gebrauchen und die SPD zeigt, dass sie der Anwalt kommunaler Interessen ist.“

Herr Abgeordneter Walk, Ihre Redezeit ist um.

Insofern rufe ich der SPD zu: Hören Sie auf Ihre Landesvorsitzende, hören Sie auf Ihre Parteibasis, da liegen Sie immer richtig! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Kuschel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, auch wenn Sie es noch so oft wiederholen, dass Rot-Rot-Grün angeblich die kommunalen Mittel gekürzt hätte,

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Hat es!)

(Beifall CDU)

wird es nicht wahrer. Es ist eine Unwahrheit!

Sie haben doch selbst die Landesregierung befragt und eine Antwort bekommen. Das war Ihr finanzpolitischer Sprecher. Sie dürfen nicht nur eine Zahl aus dieser Antwort herausnehmen, sondern müssen das Ganze schon als Komplex nehmen. Für unsere Gäste, die ich herzlich willkommen heiße, noch einmal zur Klarstellung: Die Kommunen finanzieren sich aus eigenen Steuereinnahmen, aus Zuweisungen des Landes und aus Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb. Wenn wir die Gesamteinnahmen der Kommunen an Steuern und Landeszuweisungen hernehmen – ich lasse mal die Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb raus – und das Jahr 2014 – das hat noch die CDU zu verantworten – mit dem Jahr 2016 unter Rot-Rot-Grün vergleichen – und das steht in Ihrer Antwort auf Ihre Anfrage der CDU drin –, dann haben die Kommunen 374 Millionen Euro mehr zur Verfügung.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Walk)

Das ist die Wahrheit. Die müssen Sie betonen. Im Finanzausgleich, die 100 Millionen, da rechnen Sie das Hilfsprogramm mit hinzu, verschweigen aber, dass außerhalb des Finanzausgleichs rund 300 Millionen Euro mehr geflossen sind und die kommunalen Steuereinnahmen im gleichen Zeitraum um rund 146 Millionen Euro angestiegen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum, die Finanzlage der Kommunen real zu bewerten. Wir verschließen gar nicht den Blick davor, dass einige Kommunen tatsächlich in einer finanziellen Schieflage sind. Das belegen auch die Anträge auf Bedarfszuweisungen. Im vergangenen Jahr wurden über hundert Anträge – 145 Millionen Euro – gestellt, die Landesregierung hat 68 Millionen Euro ausgezahlt. Auch für dieses Jahr gibt es eine hohe Anzahl von Anträgen. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es die CDU war, die 2013 den Finanzausgleich, den wir jetzt haben, in den Grundstrukturen auf den Weg gebracht hat. Dass dieser Finanzausgleich offenbar seine Wirkung nicht erzielt, belegt die Tatsache, dass wir seit 2014 jedes Jahr ein kommunales Hilfsprogramm auflegen mussten, um die Verwerfungen, die sich aus dem Finanzausgleich ergeben, zumindest etwas abzufedern. Sie haben ein Hilfsprogramm mit über 100 Millionen Euro gemacht, wir haben 2015 nach der Regierungsübernahme noch ein Hilfsprogramm nachgeschoben. Aber auch jetzt im Jahr 2016/2017 haben wir wieder ein Hilfsprogramm von insgesamt 50 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Trotzdem verbessert sich die Finanzlage flächendeckend nicht. Das hat strukturelle Ursachen, darauf komme ich noch mal zurück.

Wir haben mit dem Finanzausgleich 2016/2017 nachjustiert, um ganz grobe Verwerfungen aus dem Finanzausgleich herauszunehmen. Die will ich Ihnen noch mal stichpunktartig nennen. Zum ersten Mal bekommen die Kurorte eine gesonderte Finanzzuweisung von 10 Millionen Euro. Das Problem haben Sie als CDU 20 Jahre lang negiert. Die Kurorte stehen nämlich vor dem strukturellen Steuer- und Finanzproblem, dass die Kureinrichtungen durch Bundesrecht von der Grund- und Gewerbesteuer befreit sind. Deshalb können die Kurorte mit dem Kurortstatus selbst aus den Einrichtungen, die wirtschaftlich gar nicht so schlecht dastehen, keine Steuererträge erzielen. Deswegen ist es wichtig, dass die Kurorte diesen Ausgleich erhalten. Wir haben auch nachgebessert bei den besonderen Finanzzuweisungen für die Kindertagesstätten. Das war eine Forderung der kommunalen Ebene – es hieß, man wolle das nicht vorrangig steuerkraftabhängig, sondern pro Kind und pro Fallzahl bei den unter Dreijährigen. Das haben wir getan. Wir haben den Mehrbelastungsausgleich für den übertragenen Wirkungskreis angehoben und den Soziallastenausgleich innerhalb der Schlüsselzuweisungen für die Landkreise und kreisfreien Städte nachjustiert.

(Beifall DIE LINKE)

Im Ergebnis all dieser Maßnahmen haben von den 23 Landkreisen und kreisfreien Städten elf mehr Geld aus dem Finanzausgleich bekommen und demzufolge zwölf etwas weniger. Aber das ist nun mal in einem Ausgleichssystem eine Folge, und zwar haben diejenigen mehr Geld bekommen, die auch überdurchschnittliche Soziallasten zu tragen haben, nämlich die sechs kreisfreien Städte und die typischen Landkreise mit hoher struktureller Arbeitslosigkeit wie Kyffhäuserkreis, Altenburg, Unstrut-Hainich-Kreis. Die Landkreise mit einer unterdurchschnittlichen Soziallast wie Sonneberg, Hildburghausen, Wartburgkreis, Greiz haben weniger aus dem Bereich der Schlüsselzuweisungen bekommen. Alle haben aber beispielsweise mehr beim Mehrbelastungsausgleich bekommen. Von den 843 kreisangehörigen Gemeinden haben durch diese Umverteilung aus dem Finanzausgleich 480 Gemeinden mehr Geld erhalten und 363 Gemeinden weniger. Auch das ist eine Folge von Umverteilung. Aber es haben gerade die Gemeinden mehr erhalten, die eine überdurchschnittliche Anzahl von Kindern haben. Die, die – im Durchschnitt gemessen – weniger Kinder haben, haben etwas weniger bekommen. Was ist daran ungerecht? Wir sagen, das hat etwas mit Gerechtigkeit zu tun, und das ist eine Aufgabe des Finanzausgleichs, meine sehr geehrten Damen und Herren.