Protocol of the Session on November 9, 2016

(Abg. Walk)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes (Gesetz zur Neuregelung der Zusatzent- schädigung für Vizepräsiden- ten des Thüringer Landtags und der zusätzlichen steuer- freien Aufwandsentschädi- gung für die Vorsitzenden der Ausschüsse) Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2551 ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort der Abgeordneten Muhsal, Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete, ein Parlament ist eine Institution, die dem Volk dienen soll. Wir als Abgeordnete werden gewählt, wir sind Volksvertreter und als solche sollten wir uns für unser Land einsetzen. Ein Parlament muss also einen Spagat schaffen. Einerseits hat ein Parlament eine dienende Funktion, denn die Umsetzung des Willens des Volkes sollte nicht nur für den einzelnen Abgeordneten im Mittelpunkt stehen, sondern die Umsetzung des Willens des Volkes steht auch für die Institution selbst, die gesetzgebende Gewalt, im Mittelpunkt. Andererseits hat ein Parlament auch eine repräsentative Funktion. Jeder Abgeordnete findet sich als Teil der gesetzgebenden Gewalt wieder und repräsentiert dieses Land als Teil dieser gesetzgebenden Gewalt. Diese repräsentative Funktion scheint manchem Abgeordneten zu Kopf zu steigen – wenn man auf die letzte Plenardebatte zurückschaut, sogar den gesamten Fraktionen von der CDU bis zur Linken. Die CDU wirft uns vor, Neid und Missgunst schüren zu wollen, wenn wir Steuergeld sparen wollen, das unverhältnismäßigerweise vom allgemeinen Steueraufkommen in das Säckel von Landtagsvizepräsidenten und Ausschussvorsitzenden wandert. Die CDU wirft uns das vor und – das können Sie im Plenarprotokoll auch nachlesen – Rot-Rot-Grün applaudiert dazu. Grüne und SPD überschlagen sich in ihrem Versuch zu begründen, dass die 70 Prozent mehr, die ein Landtagsvizepräsident zusätzlich zu seiner Abgeordnetenentschädigung bekommt, gerechtfertigt seien und dass auch die Ausschussvorsitzenden für ihre Tätigkeit mit mehreren Hundert Euro zusätzlich im Monat entlohnt werden müssten.

Als jemand, der noch nicht allzu lang im Parlament ist, sondern mit der AfD erst seit zwei Jahren, kann ich sagen, dass das bestenfalls befremdlich wirkt, was in der letzten Debatte von sich gegeben wurde.

(Beifall AfD)

Ich sage, die Repräsentanz ist Ihnen zu Kopf gestiegen, weil Sie offenbar überhaupt nicht mehr mitbekommen, welchen Gegensatz solche horrenden zusätzlichen Entlohnungen zwischen dem Parlament und dem Bürger aufbauen. Sie rechnen vor, wie viel Landtagsvizepräsidenten in anderen Landesparlamenten bekommen, ob das nun 50, 70 oder 100 Prozent einer Grundentschädigung sind. Das heißt, der Vergleich mit den Landtagsvizepräsidenten der anderen Bundesländer ist offenbar der, der Ihnen nicht nur als Erstes in den Kopf kommt, sondern auch der, der Ihnen am eingängigsten zu sein scheint. Für mich ist das ein sehr schiefer Vergleich, zumindest ein Vergleich, der innerhalb eines in sich schon schiefen Vergütungssystems geführt wird. Für uns als Parlament, als verantwortungsvolle Abgeordnete kann doch nicht ausschlaggebend sein, dass auch andere Parlamente verschwenderische Regelungen getroffen haben. Nein, das sollte uns eher abschrecken! Uns als AfD schreckt das ab und es bestärkt uns in dem Willen, diese Praxis zu beenden.

(Beifall AfD)

Ich möchte im Gegensatz dazu gern einen Vergleich ziehen, der sich innerhalb der Grenzen des Freistaats Thüringen ziehen lässt, nämlich den Vergleich zwischen dem normalen durchschnittlichen Arbeitnehmer hier in Thüringen und den Funktionszuschlägen, die Vizepräsidenten und Ausschussvorsitzende bekommen. Im Jahr 2014 verdiente ein Vollzeitbeschäftigter einschließlich Sonderzahlungen in Thüringen durchschnittlich 2.901 Euro im Monat. Ein normaler Abgeordneter wird pro Monat schon mit über 5.000 Euro brutto plus steuerfreier Pauschale entschädigt, ein Vizepräsident bekommt noch einmal rund 3.600 Euro obendrauf.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Wieso bezahlen Sie dann die Miete für Ihr Wahl- kreisbüro nicht?)

Ein Vizepräsident bekommt also für eine repräsentative Zusatzaufgabe einen um 700 Euro höheren Zuschlag, als der durchschnittliche Arbeitnehmer für seine Vollzeitstelle im Monat erarbeitet – und das zusätzlich zu seiner Abgeordnetenentschädigung. Und das, meine Damen und Herren, soll gerecht sein? Das ist nicht gerecht, das ist ungerecht. Genau deswegen möchte unser Gesetzentwurf das ändern.

(Beifall AfD)

Gerade weil unser Freistaat hoch verschuldet ist, gerade weil ein Parlament Sparsamkeit vorleben sollte, wäre es wichtig, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. Sie haben in der letzten Debatte hinreichend deutlich gemacht, dass Sie das als

(Vizepräsidentin Jung)

Altparteien nicht machen wollen und nicht machen werden.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Betrü- gen Sie?)

Mir bleibt da als Hinweis an Sie nur die Feststellung, dass Sie es sich im System gemütlich gemacht haben, in einem Teil des Systems, das eben nicht den Interessen unserer Bürger dient.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Gegen wen läuft ein Verfahren wegen Betrugs?)

Frau König, melden Sie sich doch nach mir zu Wort! Sie haben bestimmt genug Redezeit, auch wenn das immer denkbar unangenehm ist, wenn Sie hier vorne sprechen.

(Beifall AfD)

Interessant finde ich, dass vor allem die Grünen in der letzten Debatte damit argumentiert haben, dass die Höhe der Vergütung angeblich nur ein, ich zitiere, „ganz kleiner Punkt im Gesamtgefüge“ sei, um wörtlich zu zitieren. Und Sie geben vor, nicht nur über die Höhe, sondern insgesamt über die Finanzierung von Abgeordneten sprechen zu wollen. Auch wenn ich freilich nichts dagegen habe, über die Abgeordnetenfinanzierung insgesamt zu sprechen, bin ich doch in Ihrer Argumentation mit Ihnen ganz und gar nicht einig. Erst mal ist die Höhe kein „ganz kleiner Punkt“, im Gegenteil ergäben sich durch unseren Gesetzentwurf Einsparungen in Höhe von rund 125.000 Euro im Jahr. Außerdem dient dieses Argument, man wolle über etwas Konkretes nicht sprechen, sondern lieber insgesamt, doch nur dazu, sich wegzuducken. Sie ducken sich weg, Sie scheuen die Diskussion. All das, was Sie immer ankündigen, was Sie gerne machen wollen, kommt dann nie.

Genau deswegen biete ich Ihnen noch einmal die Gelegenheit, zu zeigen, dass Sie es besser können, und beantrage nochmals die Überweisung unseres Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Dort können Sie uns all Ihre Verbesserungsvorschläge unterbreiten und sich vor allem unseren Argumenten stellen. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Emde, Fraktion der CDU, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die AfD-Fraktion hier nun Frau Muhsal nach vorn schickt, macht es nicht besser als das, was Herr Brandner vorgetragen hat. Ich will

noch mal ganz kurz herleiten, was ich hier beim letzten Mal sagte. Ich habe mich zunächst auf die Begründung der AfD-Fraktion eingelassen. Sie hat es verfassungsrechtlich hergeleitet und drei Dinge angeführt: die Frage der Indexierung der Abgeordnetenentschädigung, die Frage der Entschädigungshöhe der Vizepräsidenten und die Frage der Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende. Darauf habe ich mich bezogen und insofern ist es eben nicht so, Frau Muhsal, dass wir mit Bausch und Bogen alles abgelehnt haben. Ich habe damals schon gesagt, dass wir in Fragen der Entschädigungshöhe für die Vizepräsidenten mit Ihnen stimmen wollen.

(Beifall CDU)

Deswegen beantragen wir auch heute wieder die getrennte Abstimmung. Aber ich habe auch damals schon gesagt, dass Sie mit diesem Antrag nur einen Antrag aufgreifen, den wir schon längst eingebracht hatten, wenn Sie sich daran erinnern.

(Beifall CDU)

Es geht ja am Ende darum, dass ein Parlament funktioniert, wie eben andere Organisationen auch funktionieren müssen. Dazu gehört es unter anderem auch, dass diejenigen, die mehr Verantwortung und mehr Aufwand auf sich nehmen, auch entsprechend besser vergütet werden. Kein Mensch regt sich ja bei Ihnen auf, dass der Herr Fraktionsvorsitzende doppelt so viel bekommt wie ein normaler Abgeordneter.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hoffen nur, dass er auch doppelt so viel arbeitet im Sinne dieses Landes.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Vier Mal so viel!)

Sehen Sie, deswegen ist es auch gerechtfertigt, wenn andere Funktionsträger im Parlament entsprechend abgeschichtet über eine höhere Vergütung verfügen dürfen. Das alles muss natürlich in einem angemessenen Rahmen erfolgen. Deswegen kann man sich natürlich darüber unterhalten. Insofern war unser Vorschlag, die Vergütung der Vizepräsidenten abzusenken. Wir haben da natürlich auch mal geschaut, was in den deutschen Landesparlamenten üblich ist, und sind deswegen an der Stelle auf 25 Prozent gekommen.

Also, Frau Muhsal, es geht immer um den Grundsatz, dass sich Verantwortung irgendwo auch lohnen muss. Es geht darum, dass die Dinge am Ende verhältnismäßig sind. Verhältnismäßig ist für unsere Begriffe sehr wohl die derzeitige Höhe der Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende. Und sie ist gerechtfertigt.

(Abg. Muhsal)

Im Übrigen: Wenn Sie wirklich einen stringenten Vorschlag auch anhand Ihrer Begründung vorgelegt hätten, dann hätte der Gesetzentwurf wesentlich umfangreicher sein müssen. Deswegen erneuere ich meinen Vorwurf: Es geht hier einfach um einen Antrag aus der Abteilung „Propaganda“, mit dem Sie Missgunst schüren wollen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch einmal, Frau Muhsal: Wenn Sie der Meinung sind, dass es populistisch richtig und gut ist, wenn Sie hier vorschlagen, es könnten 125.000 Euro per anno in diesem Parlament gespart werden – jede einzelne Demo, die Sie hier durchführen, kostet den Steuerzahler wesentlich mehr.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN)

Ja, klar darf sie kosten, da draußen wie hier. Aber ich muss Ihnen Ihre Argumente auch einmal entgegenhalten. Deswegen kann ich jetzt nur noch einmal sagen,

(Unruhe AfD)

dass wir eine getrennte Abstimmung beantragen, die Sache für den Vize durchaus auch so betrachten. Sonst wäre es schön, wenn Sie versuchen würden, die Arbeit dieses Parlaments auch in ein rechtes Licht zu rücken, denn hier wird fleißig und ordentlich, und zwar im Sinne der Bürger und für die Bürger, gearbeitet. Deswegen ist auch Ihr Gesetzentwurf abzulehnen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Korschewsky das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich den Gesetzentwurf wie auch die Rede, die eben von der AfD gehalten wurde, anschaut, so kann man es eigentlich nur damit zum Ausdruck bringen: Operative Hektik ersetzt keine geistige Windstille, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist und bleibt in seiner Ausgangsmotivation Populismus. Er ist von der AfD gemacht, um ein Plakat zu setzen – Kollege Emde hat es hier schon deutlich gemacht – und nicht, um die sachliche Debatte hier weiter voranzubringen. Ziel des Gesetzentwurfs ist, die sogenannten etablierten Parteien bzw. deren Fraktionen zu

kritisieren, an einem Punkt, dem höchstwahrscheinlich öffentliche Aufmerksamkeit gewiss ist. Das wird Ihnen allerdings nicht gelingen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn man sich den Gesetzentwurf anschaut, sieht man, so wirklich konsequent ist er eben auch nicht. Für die Parlamentarischen Geschäftsführer sollen die pauschalierten steuerfreien Aufwandsentschädigungen beibehalten werden. Trifft es denn da zu, dass ausgerechnet diese Funktionsträger besondere funktionsbedingte Aufwendungen haben? Wie auch schon in der ersten Lesung dargestellt, hängt die ganze Sache mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000 zusammen. Es ist ausdrücklich zu den Regelungen des Thüringer Abgeordnetengesetzes ergangen. Danach sind die als Zulagen zur steuerpflichtigen Grundidee gezahlten Funktionsentschädigungen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Parlamentarische Geschäftsführer und Ausschussvorsitzende verfassungswidrig. Sie stellen eine finanzielle Besserstellung dar, die ein Verstoß gegen das Prinzip des gleichen Mandats aller Abgeordneten ist. Noch im selben Jahr, im Jahr 2000, brachte die damalige PDS einen Gesetzentwurf zur ersatzlosen Streichung dieser Funktionszulagen ein. Dieser wurde von der CDU-Mehrheit im Landtag abgelehnt.