Protocol of the Session on November 9, 2016

Deswegen haben wir übrigens auch überhaupt nichts dagegen, wenn nun zum Beispiel aus den Reihen der CDU unsere asyl- und integrationspolitischen Forderungen übernommen und kopiert werden oder wenn die SPD unseren Vorschlag eines Einwanderungsmodells nach kanadischem Vorbild zumindest mal gedanklich aufgreift. Das Problem, wogegen wir was haben, ist eher, dass es am Ende an der konsequenten Umsetzung fehlt und es beim Aufgreifen bleibt.

(Beifall AfD)

Im Zusammenhang mit dem Berliner Neutralitätsgesetz, also dem Vorbild für unseren Gesetzentwurf, ist dann noch eine Falschbehauptung von eigentlich – ich glaube – allen Fraktionen außer unserer immer wieder wiederholt worden, nämlich dass dieses Gesetz, also schon dieses Berliner Gesetz, dieses Grundmodell, dieses Berliner Modell verfassungswidrig wäre – genauso übrigens wie die entsprechende Regelung im Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen – und sich eben deswegen diese Vorlage gar nicht für ein Thüringer Modell eigne. Aber das ist, meine Damen und Herren, natürlich großer Käse. Da sollten Sie vielleicht Ihre Referenten mal auf Nachschulung schicken, damit die Ihnen nicht so einen Unsinn in die Rede diktieren. Ich glaube, Herr Walk, Sie hatten damit angefangen,

das zu sagen. Ich hoffe mal, Sie haben es nicht selbst erfunden. Denn ich sage mal so: Das Berliner Neutralitätsgesetz, das nach Ihrer Meinung angeblich verfassungswidrig ist, ist natürlich nach wie vor noch in Kraft. Wenn Sie sich ein bisschen mit der Materie befassen – wie gesagt, Herr Walk, Sie hatten, glaube ich, damit angefangen –, dann wäre Ihnen auch aufgefallen, dass es gewichtige Unterschiede zwischen dem Neutralitätsgesetz nach dem Berliner Modell und der Regelung im Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen gibt bzw. gab. Die gewichtigen Unterschiede haben Sie leider unterschlagen. Das Berliner Modell, das wir übernommen haben, behandelt nämlich anders als das Schulgesetz Nordrhein-Westfalens alle Glaubensund Weltanschauungsrichtungen unterschiedslos. Deswegen, Herr Kollege Walk, lagen Sie auch in der letzten Debatte meilenweit neben der Sache, als Sie behauptet haben, der Gesetzentwurf diskriminiere in erster Linie Christen. Denn, Herr Walk, erlauben Sie mir als Volljurist den Hinweis: Man diskriminiert allenfalls dann, wenn man im Wesentlichen gleiche Dinge ohne Grund ungleich behandelt. Deswegen diskriminiert man im Umkehrschluss nie, wenn man gleiche Dinge – in dem Fall also die Religionen – gleich behandelt.

In noch einem Punkt haben Sie, Herr Walk, daneben gelegen. Sie meinten nämlich, unsere christlich-humanistisch geprägte Tradition fände keine angemessene Beachtung im Gesetzentwurf. Da hätten Sie unseren Gesetzentwurf vielleicht mal lesen müssen, denn dann wäre Ihnen auch die Regelung aufgefallen, dass das Tragen religiöser Symbole im Religionsunterricht durchaus noch erlaubt ist.

Und was Sie offensichtlich auch komplett ausgeblendet haben, Herr Walk, ist die Tatsache, dass all unsere Traditionen und Werte, die den Kindern vermittelt werden,

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Na, Ihre zum Glück nicht!)

egal ob es zu Hause, in der Schule oder im Kindergarten ist – dass die sich unterscheiden, die, die ich habe, von Ihren, Herr Harzer, das kann ich gern zugeben –,

(Beifall AfD)

auf christlich-humanistischen Traditionen beruhen. Und diese Traditionen bestehen natürlich völlig unabhängig von einer Neutralitätspflicht im Amt, zumal wenn sie sich auf Symbole bezieht, fort und werden natürlich auch weiter in den Schulen weitergegeben. Mich wundert es da schon ein bisschen, wenn ein Mitglied der CDU-Fraktion die christlichhumanistischen Traditionen auf reine Symbolik wie Halskettchen reduziert. Das ist aus unserer Sicht der Sache nicht angemessen und es taugt auch nicht als politisches Argument.

Ich will auf eine weitere Frage aus der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs eingehen, die hat meines Wissens Frau Marx – nach meiner Erinnerung – aufgeworfen, nämlich die Frage, ob durch Kopftuchträgerinnen die Neutralität der Justiz gefährdet wäre. Nun, Frau Marx, der Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, hat wie Sie das SPD-Parteibuch, der hat das ganz klar bestätigt. Er hat nämlich gesagt, es vertrage sich nicht mit der strikten Neutralität, die von Richterinnen bzw. von Richtern und Staatsanwälten erwartet werde – ich will hier nicht die gendergerechte Fassung zitieren. Frau Marx, bevor Sie da irgendwelche Symbolik in solche Aussagen hineininterpretieren, sollten Sie ein bisschen vorsichtig sein, denn selbst in den Reihen der SPD gibt es entsprechende klare Ansichten, die sich mit unseren Auffassungen, mit unserem Gesetzentwurf teilen. Auch der Deutsche Richterbund sieht das genauso. Ich hoffe mal, dass Sie die jetzt nicht als Rechtspopulisten von Berufs wegen bezeichnen, weil die das genauso sehen wie die AfD.

(Beifall AfD)

Auch der Berliner Senat ist der von Frau Marx vertretenen Meinung und auch der von der Thüringer SPD verfolgten Meinung in dem Punkt nicht gefolgt, sondern hat sich dazu entschieden, dass eine Änderung des Berliner Neutralitätsgesetzes nicht erforderlich ist, und das Berliner Arbeitsgericht hat dem Senat im Frühjahr dieses Jahres auch recht gegeben. Es hat nämlich eine Klage einer muslimischen Lehrerin, die wegen ihres Kopftuchs nicht an einer Grundschule eingestellt wurde, abgewiesen, und das, meine Damen und Herren, ist auch gut so.

(Beifall AfD)

Ich darf in dem Zusammenhang noch mal kurz zum Abschluss darauf hinweisen, wer diejenigen waren, die das hier in Thüringen jetzt auch vorgeschlagene Modell zunächst in Berlin – sozusagen als Original – beschlossen haben: Es war Die Linke und es war die SPD; selbst die Berliner CDU hat sich mittlerweile hinter dieses Gesetz gestellt. Frau Marx, in einem Mitgliederentscheid der SPD vom Ende des letzten Jahres sprachen sich über 81 Prozent der Berliner Sozialdemokraten für dieses Gesetz aus. Anders gesagt: In Berlin befürworten dieselben Parteien, die hier in Thüringen das Modell konsequent ablehnen und für verfassungswidrig halten, eine entsprechende Regelung. Da fragt man sich natürlich: Warum ist das so? Die Altparteien haben sich ja sowohl im großstädtischen Berlin als auch im provinziellen Thüringen tief im selbstgepflanzten multikulturellen Zauberwald verlaufen.

(Beifall AfD)

Nun, der Unterschied, meine Damen und Herren, liegt vermutlich darin, dass die Berliner Vertreter Ih

rer Parteien schon mal dem bösen Wolf begegnet sind,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Märchenerzähler!)

und zwar in Form der Parallelgesellschaften, deren Existenz Sie nach wie vor als Verschwörungstheorie abstreiten,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind ja jetzt hier der Märchen- erzähler!)

und deshalb nach wie vor wie Rotkäppchen unbedarft Ihren Illusionen hinterherhopsen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sage ich ja: Märchenerzähler!)

In der Summe bleibt festzustellen: Das Thüringer Neutralitätsgesetz ist juristisch solide, verhältnismäßig und zielführend im Entwurfsstadium eingebracht worden. Die Trennung von Religion und Staat ist ein zivilisatorischer Meilenstein der westlich-mitteleuropäisch geprägten Gesellschaft und ein Eckpfeiler unserer Verfassungsordnung. Wer wirklich für diese Werte in dieser Gesellschaft steht, der ist nicht bereit, sie im Zuge der Multikulturalisierung unseres Landes religiösen Extremisten zu opfern. Genau hierfür steht der Gesetzentwurf unserer AfD-Fraktion, über den wir hier auch gleich abstimmen. Danke.

(Beifall AfD)

Als Nächster hat Herr Abgeordneter Walk, Fraktion der CDU, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Besuchertribüne, gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung zu den Äußerungen meines Vorredners. Der Hinweis und der Fingerzeig auf religiöse Extremisten, wie Sie es nannten, sind für mich in keiner Weise nachvollziehbar und ich habe es auch nicht verstanden.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Gibt es gar nicht?!)

Es zeigt aber erneut, dass der AfD-Gesetzentwurf völlig neben der Spur ist.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie Sie alle wissen, werden nach unserer Geschäftsordnung Gesetzentwürfe in zwei Beratungen behandelt. Diese Regelung ist vom Grundsatz auch nicht zu beanstanden, sie hat sich bewährt. Aller

(Abg. Möller)

dings vermag ich in diesem speziellen Fall nicht zu erkennen, warum wir hier einen weiteren Beratungsbedarf sichtbar machen sollten. In großer und seltener Übereinstimmung haben sowohl die Landesregierung als auch alle Fraktionen – natürlich mit einer Ausnahme –

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: So selten ist das gar nicht!)

bereits in der ersten Beratung im Septemberplenum dem Gesetzentwurf der AfD-Fraktion sowohl aus inhaltlichen als auch aus rechtlichen Gründen die Unterstützung verweigert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sachstand ist: Neue Erkenntnisse sind nicht hinzugetreten, Ausschussbefassung gab es nicht, Rechtslage und Rechtsprechung sind unverändert. Damit bleibt es dabei: Die CDU-Fraktion wird den vorgelegten überflüssigen Gesetzentwurf ablehnen.

Im Interesse einer zügigen Abarbeitung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, und aufgrund des gut gefüllten Tagesprogramms – übrigens ein Aspekt, den die AfD-Fraktion immer wieder anmahnt – komme ich zum Schluss und bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete RotheBeinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste auf der Tribüne! Ich kann in der Tat meinen Vorredner, Herrn Walk, von der CDU-Fraktion an dieser Stelle nur unterstützen. Das ist vielleicht ein bisschen schade für Sie als Gäste heute, weil Sie die erste Beratung nicht miterlebt haben. Ich kann Ihnen aber versichern, es sind nicht nur 16 Seiten, sondern hier sind wirklich jede Menge Inhalte und fachliche Argumente vorge

tragen worden, warum alle demokratischen Fraktionen in diesem Hause dem Gesetzentwurf der AfD nicht folgen können.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die sind sich immer einig!)

Es macht es auch nicht besser, dass Sie sich hier vorn hinstellen und den Märchenerzähler üben, Herr Möller.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Gesetz in Berlin, auf das Sie sich bezogen haben, sehr wohl verfassungsrechtlich neu überprüft werden muss, nachdem das Bundesverfassungsgericht entsprechend geurteilt hat. Es macht es auch nicht besser, dass Sie das heute hier wieder versucht haben, zu negieren.

Wir stehen tatsächlich für die Religionsfreiheit. Ich sage das heute auch ganz bewusst an dieser Stelle, sage aber auch noch einmal, was wir darunter verstehen. Für Religionsfreiheit im Rahmen einer pluralen Gesellschaft ist für uns ganz maßgeblich, dass sich jede und jeder frei entscheiden kann, sowohl für die positive als auch die negative Religionsfreiheit. Das heißt, jede und jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er glaubt, wie er oder sie glaubt und dies natürlich auch lebt. Dass es längst Regelungen gibt – gerade für den Bereich der Justiz, auch für den Bereich der Polizei, der in Ihrem Gesetzentwurf angesprochen wurde, habe ich hier das letzte Mal schon umfangreich ausgeführt, dass es auch entsprechende Gerichtsurteile beispielsweise für Lehrerinnen und Lehrer gibt –, ist hier auch schon ausgeführt worden. Es sind keine neuen Argumente dazugekommen. Ich hoffe, dass wir in großer Einigkeit heute diesen Gesetzentwurf hier im Thüringer Landtag ein für alle Mal ablehnen. Ich halte das für ein wichtiges Signal. Dass Sie von der AfD da anderer Meinung sind und meinen, die Wahrheit für sich allein gepachtet zu haben, das haben wir heute hier einmal mehr vorgeführt bekommen. Das macht es aber nicht besser, Herr Möller. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in Drucksache 6/2543 in zweiter Beratung. Wer für den Gesetzentwurf stimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind alle anderen Fraktionen und fraktionslosen Abgeordneten des Hauses. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt und ich schließe den Tagesordnungspunkt.

(Abg. Walk)