Protocol of the Session on September 30, 2016

Es gilt sehr wohl das Prinzip: direkt gewählt, direkt abgewählt. Worum geht es in unserem Gesetz? Es geht um die Initiative zu einer Abwahl. Die ist bislang ausschließlich dem Rat vorbehalten. Ich habe es an dieser Stelle schon gesagt und ich sage es gern noch einmal: Es erschließt sich in keiner Weise und es gehört zu den demokratischen Grundprinzipien und hat geradezu eine demokratische Logik in sich, dass diese Initiative zur Abwahl auch über ein Bürgerbegehren von den Bürgerinnen und Bürgern direkt ausgehen soll. Den Abwahlvorgang an sich berührt das nicht, er bleibt nach wie vor den Bürgern direkt vorbehalten. Daran ändert dieses Gesetz nichts. Deshalb geht dieser Vorwurf ins Leere.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich will gern an dieser Stelle eingestehen, dass ich diese Kritik in den letzten Wochen, die aus der Anhörung erwachsen ist, die aber auch von einigen kommunalpolitischen Vertretern an mich, an uns herangetragen worden ist, sehr ernst genommen habe. Wir haben das in der Tat in der Koalition noch einmal – das war einer dieser Punkte, die wir wirklich von allen Seiten beleuchtet haben – sehr genau unter die Lupe genommen. Wir haben uns dazu entschlossen, dieses Initiativrecht der Bürgerinnen und Bürger nicht aus dem Gesetz zu entfernen, sondern dem Rat der Professoren in der An

hörung zu folgen, nämlich das ohnehin schon relativ hohe Quorum für ein solches Begehren noch einmal deutlich zu erhöhen, damit eben genau dieser befürchtete vermeintliche Missbrauch weiterhin oder noch mehr eingeschränkt werden kann. Deswegen, meine Damen und Herren, halte ich diese Regelung für tragfähig und für einen tatsächlichen Fortschritt im kommunalen Zusammenleben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ich mir für die Zukunft wünsche, meine Damen und Herren – ich wiederhole mich da gern –: Wir haben jetzt einen Instrumentenkasten. Wir haben jetzt deutlich erweiterte Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, sich an der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfelds zu beteiligen. Mein persönlicher Wunsch – ich gehe davon aus, auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen sprechen zu dürfen –, unser Wunsch ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Möglichkeiten in Anspruch nehmen. Beteiligen Sie sich! Nehmen Sie dieses Gesetz und gehen Sie damit in einem fairen Meinungsstreit um. Meinungsstreit heißt, man hat unterschiedliche Meinungen, aber ein fairer Meinungsstreit ist immer getragen vom Respekt vor der Meinung des anderen. Gehen Sie mit diesem Instrumentenkasten verantwortungsvoll um, aber bitte gehen Sie damit um! Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Höhn. Als Nächster hat Abgeordneter Kießling für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauer, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anhörung zu diesem Gesetzesvorhaben ist, wie auch bei allen anderen Gesetzen, leider viel zu hektisch abgelaufen. Das hat entsprechend zahlreiche Bedenken zutage gefördert. Frau Holbe von der CDU hat hier schon entsprechende Ausführungen gemacht. Diese möchte ich jetzt nicht im Einzelnen wiederholen, aber sie haben schon gezeigt, wo etliche Fehler im Gesetzentwurf liegen.

Von besonderer Wichtigkeit scheinen mir aber die Ausführungen des Vertreters des Gemeinde- und Städtebundes zum ausgeweiteten Abwahlverfahren für Bürgermeister zu sein. Es gab keine Kenntnis darüber, dass es bei dem vorhergehenden Verfahren zu Schwierigkeiten gekommen war. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses verbesserte das Gesetz an dieser Stelle, aber es ändert nichts an Ihrer Gesinnung und dem Wortlaut des Gesetzentwurfs aus Ihrer Feder. Es war entlarvend. Es

drängt sich das Gefühl auf, dass Linke und Grüne an dieser Stelle etwas befangen wirken, gerade weil die rot-rot-grüne Koalition im ländlichen Raum keinerlei Verankerung vorzuweisen hat, als wollte sie sich hier ein Einfallstor für politische Einflussnahme in dieser Region schaffen.

(Beifall AfD)

Dieser Vorwurf wirkt umso berechtigter, da die Begründung zum Gesetzentwurf keine Auskunft über den Grund der Änderung gibt. Sie wollten die Position der Bürgermeister damit nicht stärken, im Gegenteil, Sie wollten Ihnen Steine in den Weg legen. Das haben wir gesehen.

(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kuschel hatte auch das Abwahlverfahren des Bürgermeisters von Arnstadt angestrengt – aber so soll es einmal sein.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das Abwahlverfahren gegen den Arnstädter Bür- germeister hat unter anderem die CDU im Stadtrat eingeleitet!)

Nachdem Sie erst die Kommunen finanziell im Stich gelassen haben und die Bürgermeister zu unpopulären Entscheidungen zwingen, schwächen Sie sie auch noch in ihrer politischen Position. Dass Sie die Kommunen insgesamt viel zu spät über die Inhalte des Gesetzgebungsverfahrens aufgeklärt haben, zeigt auch Ihr fehlendes Feingefühl im Umgang mit der kommunalen Familie, sehr geehrte Damen und Herren. Besonders kritisch muss weiterhin das Stimmrecht bei Einwohneranträgen gewertet werden. Stimmberechtigt sind Einwohner, die am Tage der Unterzeichnung des Antrags eine Aufenthaltsdauer von drei Monaten vorzuweisen haben. Die Zielrichtung ist klar und muss auch nicht weiter diskutiert werden. Schließlich schreiben Sie in der Begründung, dass damit bewusst auch Einwohner aus Staaten ein Stimmrecht erhalten, die nicht in der EU sind und ihr entsprechend nicht angehören. Fraglich ist allerdings, ob das überhaupt zulässig ist. Ich zitiere Ihnen die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 83, 37. Ich zitiere: „Das Staatsvolk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, wird nach dem Grundgesetz von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen...“

(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fange noch mal an, wenn Sie nicht zugehört haben.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Oh, aufhören!)

Zitatbeginn: „Das Staatsvolk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht,

(Abg. Höhn)

wird nach dem Grundgesetz von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 gleichgestellten Personen, gebildet.“

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Was war das Letzte?)

„Damit wird für das Wahlrecht, durch dessen Ausübung das Volk in erster Linie die ihm zukommende Staatsgewalt wahrnimmt, nach der Konzeption des Grundgesetzes die Eigenschaft als Deutscher vorausgesetzt.“ Ich betone hier noch mal, dass das Wahlrecht an die Staatsangehörigkeit gekoppelt ist.

(Beifall AfD)

Weiter aus der Gerichtsentscheidung: „Die den Bundesländern zukommende Staatsgewalt kann […] ebenfalls nur von denjenigen getragen werden, die Deutsche im Sinne des […] GG sind. Auch soweit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vertretung des Volkes für die Kreise und Gemeinden vorschreibt, bilden ausschließlich Deutsche das Volk und wählen dessen Vertretung.“

(Beifall AfD)

Nun geht es in dem besagten Paragrafen Ihres Gesetzes nicht um eine Personenwahl, es geht um Mitbestimmungsrechte.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Diese lassen sich nicht beliebig ausweiten. Es wird sich noch zeigen, ob das Gesetz an dieser Stelle den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Wir haben schon vorher gehört – Herr Höhn hat es ausgeführt –, es geht hier um Meinungsstreit, um Streit – die Betonung liegt auf Streit. Das ist eine Frage, ob das wirklich so positiv ist. Außerdem ist auch die Frage schwierig: Ratsreferenden wollen Sie einführen, aber auf Landesebene wird es abgelehnt. Wir hatten es gestern schon: Der Vorschlag der AfD, hier ein Verfassungsreferendum einzuführen, wurde abgelehnt. Das heißt, jetzt sieht man ganz klar, dass Sie hier mit gezinkten Karten spielen.

(Beifall AfD)

Es scheint, als verfolgen Sie damit eine schleichende Aushöhlung des bestehenden Wahlrechts. Dieses Gesetz setzt sich ganz offensichtlich noch weitere Ziele, als nur die direkte Demokratie in der Kommune zu stärken. Ebenso verfolgen Sie damit asylpolitische Ziele. Ansonsten gilt für viele der Regelungen im Gesetzentwurf das Gleiche, was bereits zur Kehrtwende der CDU in Fragen der direkten Demokratie gesagt wurde: AfD wirkt, liebe Damen und Herren.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Der war gut!)

Die AfD war einfach eher am Thema und ist in dieser Frage der direkten Demokratie wesentlich ehrlicher als Rot-Rot-Grün.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da muss er selbst lachen über das Zeug, was er da er- zählt!)

Sie haben, wie gesagt, in den Reden damals vielleicht unsere Ideen abgelehnt, aber jetzt tauchen sie in Ihrem Gesetz Stück für Stück wieder auf. Die Aufhebung des Kopplungsverbots für verschiedene Abstimmungen findet sich ebenso wieder wie die Fristen für die Durchführung des Bürgerentscheids nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren. Sie hören das nicht gern, aber die einzige Oppositionspartei hier im Hause, meine Damen und Herren, die Akzente setzt, ist nun einmal die AfD-Fraktion.

(Beifall AfD)

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Kritik an den Quoren müssen wir erneut anführen, da sich im Gesetzgebungsverfahren an dieser Stelle nichts getan hat. Erläutern Sie doch einmal, warum es überhaupt Quoren geben muss! Wenn Sie das so vehement fordern, wie wäre es denn mit einem Quorum zur Landtagswahl? Warum sollen beispielsweise Abgeordnete, die weniger als 50 Prozent Wahlbeteiligung hatten, hier legitimiert werden? Ebenso kritikwürdig ist die Beschränkung auf die freie Sammlung. Sie hätten vielmehr die Möglichkeit zur Unterschriftenabgabe ausweiten können. Wir haben dazu bereits in erster Lesung gesprochen. Da hat die AfD den Vorschlag gemacht, beide Sammlungen zuzulassen, aber Sie haben es vehement abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Ge- nau!)

Aber ich kann es noch einmal folgendermaßen zusammenfassen: Amtseintrag und freie Sammlung schaffen zusammen den größten Raum für die Stimmabgabe.

(Beifall AfD)

Es geht hier nicht um ein Entweder-oder, es geht um die Verbindung der Instrumente für die maximale Stimmabgabe. Das fordert die AfD. Warum Sie das Ratsreferendum einführen und damit die Möglichkeit schaffen, die Bürger abstimmen zu lassen, und gleichzeitig solch eine Abstimmung bei der Verfassungsänderung ablehnen, werden Sie wahrscheinlich selbst nicht wissen.

(Beifall AfD)

Problematischer als die vielen vertanen Chancen in diesem Gesetz ist aber die Einflussnahme der Lan

desregierung auf alle, die eine andere Meinung haben. Mit dieser Haltung, die Ihr Parteibündnis in der Regierung an den Tag legt, reißen Sie hinten ein, was Sie vorn aufbauen. Ob ein Ministerpräsident meint, er müsse sich gegen seine Bevölkerung stellen, oder der Justizminister die Bürger mit Pressemitteilungen vom Besuch von Demonstrationen abhalten will, ob ein Verfassungsschutzpräsident der Meinung ist, er müsse Position im Spiel der Parteien beziehen, ob eine Energieministerin der Meinung ist, sie könne alle Anstrengungen und Bitten der Bevölkerung überhören – siehe gestern, Demonstration hier vor dem Hause zum Thema „Windkraftausbau“ – oder ob Abgeordnete dieses Hauses der Meinung sind, man dürfe nicht über den Ort für den Bau von Gebetsstätten abstimmen – all das untergräbt das freie Denken in der Gesellschaft.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, was Sie wollen, ist über Grundrechte abzustimmen!)

Das ist ebenso demokratiefeindlich, wie es die Meinungsfreiheit untergräbt.