Protocol of the Session on September 29, 2016

Wir als Linke sind immer noch davon überzeugt, dass Menschen jederzeit zu kritischem, emanzipatorischem und solidarischem Handeln fähig sind und dass sie die Einsicht und Fähigkeit besitzen, zwischen den schädlichen rechten DumpfbackenScheinlösungen und gesellschaftlich wirklich sinnvollen Lösungen und Projekten klug zu wählen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Dazu sa- gen Sie nichts, Frau Präsidentin?)

Wir dürfen den rechten Populisten und anderen, die im Trüben fischen wollen, nicht die direkte Demokratie überlassen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordnete Meißner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, sehr geehrte Zuschauer, zu dem von der AfD eingebrachten Gesetz haben wir hier bereits am 1. September ausführlich diskutiert und – es wird Sie sicherlich nicht wundern – an der Auffassung der CDU-Fraktion hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Insofern kann ich mich auf die Ausführungen meines Kollegen Scherer beziehen. Selbstverständlich kann man – ja, wir sind sogar der Meinung, man muss – über die Instrumente direkter Demokratie diskutieren. Aber dafür muss man wissen, was man will und welchen Plan man verfolgt. Will man das Parlamentssystem mit populistischen Sahnehäubchen sprenkeln oder will man es wirklich ehrlich und nachhaltig demokratischer gestalten?

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Sind Sie jetzt bei den Grünen?)

Herr Brandner, Sie haben in der ersten Beratung gerügt, dass Verfassungsänderungen mit Blick auf die bedauerlich niedrige Wahlbeteiligung trotz des Parlamentsquorums von zwei Drittel nur unzureichend demokratisch legitimiert seien. Wie Sie diesen Missstand allerdings mit dem vorliegenden Gesetz beheben wollen, ist mir, ist uns schleierhaft. Wird eine Verfassungsänderung etwa legitimer, wenn nicht nur zwei Drittel der positiv gewählten Volksvertretungen abstimmen, sondern auch die Mehrheit der im von Ihnen geforderten obligatorischen Referendum abstimmen? Wir halten diese Idee für unausgegoren und in diesem Sinne auch nicht zielführend. Mit unserem Konzept zur Einführung fakultativer Referenden werden die Wähler nicht nur aufgefordert, unseren Ideen zuzustimmen. Das ist der entscheidende Unterschied. Wir laden die Bürgerinnen und Bürger ein, sich aktiv am Mei

(Abg. Müller)

nungsbildungs- und Entscheidungsprozess zu beteiligen. Diese Einladung ist im Unterschied zum Gesetzentwurf der AfD auch nicht nur beschränkt auf von uns erdachte Verfassungsänderungen, sondern für alle vom Thüringer Landtag beschlossenen Gesetze. Bereits mein Kollege Scherer hat insofern auf die Ausführung – Sie sagten es – des Dresdner Politikwissenschaftlers Patzelt verwiesen. Die von Ihnen vorgeschlagenen Abstimmungen sind Abstimmungen von oben nach unten. So schieben Politiker die Verantwortung über Entscheidungen und Folgen von Gesetzen auf das Volk ab. Wollen Sie sich ernsthaft von der Ihnen vom Wähler aufgetragenen Verantwortung enthaften? Ich und – ich gehe davon aus – alle direkt gewählten Abgeordneten dieses Hauses sind gewählt, um Verantwortung zu übernehmen und um diese Verantwortung durch die Verabschiedung von Gesetzen auch zu tragen. Dies tue ich, tun wir gern, so weit und so gut es uns möglich ist.

Die Beteiligung des Wählers am Meinungs- und Entscheidungsprozess außerhalb von Wahlen wird sinnvoll direktdemokratisch ausgeprägt, wenn der Wähler nicht nur alle fünf Jahre entscheiden kann, sich aktiv zu beteiligen. Die von unten nach oben herbeigeführten Referenden einschließlich fakultativer gesetzesaufhebender Referenden führen wirklich zu mehr Demokratie und nicht der von Ihnen vorgesehene umgekehrte Weg.

Wir denken, Demokratie lebt vom Mitmachen und nicht von gezwungenem Mitmachen. Wir wollen, dass die Bürger entscheiden können, an welchen Gesetzesvorhaben sie rütteln wollen bzw. wozu sie ein Referendum herbeiführen wollen. Deswegen ist der von uns als CDU-Fraktion initiierte Weg von fakultativen Volksbefragungen nach der Verabschiedung eines Gesetzes tatsächlich ein Mehr an Demokratie.

(Beifall CDU)

Der Gesetzentwurf der AfD weicht jedoch vom Prinzip eines fakultativen Referendums ab, indem er bei einer Verfassungsänderung ein obligatorisches Referendum vorsieht. In der Begründung des Gesetzes schreiben Sie, die Bürger sollten sich bei der Erarbeitung eines Gesetzes nicht auf die Rolle eines Zuschauers beschränken. Aber was machen Sie? Sie beschränken den Bürger auf einen „Grüßonkel“, der Ihre und unsere Entscheidung abnicken soll. Das ist aus unserer Sicht reichlich dürftig. Wir wollen die Eigeninitiative der Bürgerinnen und Bürger fordern und fördern. Und deswegen setzen wir auf fakultative Referenden.

Letztendlich hinterlässt Ihr Gesetzentwurf aber zahlreiche Fragen. Führt das vorgesehene obligatorische Referendum tatsächlich zu einer wie von der AfD behaupteten Kontrolle staatlicher Machtausübung? Oder ist es letztendlich nur den Buchstaben nach eine Stärkung der Bürgerbeteiligung? Wie

hoch sollen die Hürden einer Verfassungsänderung denn geschraubt werden? Reichen die Zwei-DrittelSperre für vom Landtag ausgehende Verfassungsänderungen und die 40-Prozent-Sperre für vom Volk ausgehende Verfassungsänderungen? Oder bedarf es einer weiteren Hürde in Form des vorgeschlagenen obligatorischen Referendums? Viele Fragen und eine ist die wohl entscheidende: Führen obligatorische Referenden zu mehr Bürgerpartizipation und mehr Akzeptanz unseres demokratischen Systems? Insofern verweise ich auf die Wahlbeteiligung der Schweiz, die seit Jahrzehnten nicht mal mehr die 50-Prozent-Marke reißt. Oder die Verfassungsänderungen in Bayern, die sich, wenn sie nicht mit einer Bundes- oder Landtagswahl verknüpft sind, mit einer Beteiligung von unter 40 Prozent rühmen können.

Das alles sind komplexe Fragen und noch keine Antwort konnte darauf gegeben werden. Deswegen setzen wir auf unseren vorgeschlagenen sinnvollen Mittelweg durch fakultative Referenden auch im Verfassungsbereich. Diesen Entwurf der AfD-Fraktion lehnen wir daher ab. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordnete Marx das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt schon von vielen gesagt worden, worin die grundsätzlichen Bedenken gegenüber dem Vorschlag der AfD begründet sind. Es wurde jetzt am Anfang von Ihnen vom angeblichen geistigen Diebstahl gesprochen. Diebstahl setzt ja voraus, dass ein Geist da ist, den man stehlen kann, und von daher denke ich, sind die Tatbestandsvoraussetzungen hier nicht gegeben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kollegin Meißner hat eben schon mal zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei Ihnen nicht darum geht, dass das Volk sagt, wir möchten hier über eine bestimmte Sache selbst eine Entscheidung treffen, sondern es geht darum, dass das Parlament Verantwortung abgeben soll. Wir haben uns hier in Thüringen in einer relativ jungen und in einer relativ guten Verfassung, die sehr ausführlich ist und auch sehr viele Detailfragen regelt, für ein System der repräsentativen Demokratie entschieden. Das passt Ihnen nicht. Das passt Ihnen schon länger nicht und das wird in vielen Anträgen, die Sie sonst noch stellen, auch hier in diesem Plenum, auch immer wieder deutlich. Es geht Ihnen im Grunde darum, das repräsentative System der Politik zu delegitimieren. Da ist Ihnen also kein Mittel zu schade. Sie

(Abg. Meißner)

verpacken das dann unter dem Deckmäntelchen scheinbarer direkter Demokratie. Das nehmen wir Ihnen aber nicht ab.

Sie haben jetzt noch mal versucht zu sagen, das Argument, dass zwei Drittel des Parlaments erforderlich sind, um die Verfassung zu ändern, reiche nicht aus, um eine ausreichende Legitimierung bei der Bevölkerung herbeizuführen, weil ja die Beteiligung an Wahlen auch nicht so hoch sei. Wie gesagt, die Beteiligung an solchen Referenden ist dann auch nicht höher. Und wie Kollegin Meißner eben schon zu Recht betont hat: Nach den Erfahrungen in anderen Ländern sind die Beteiligungsquoten dort sogar niedriger. Es gibt keinen Anlass. Die Antwort in dieser Frage sind Sie bisher schuldig geblieben, irgendeine Frage zu nennen, wo man sagt: Hier ist eine Verfassungsänderung erfolgt oder hier soll eine Verfassungsänderung erfolgen, wo eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die sich hier im Parlament dafür finden muss, dem Willen der Thüringer Bevölkerung nicht entsprechen würde. Und wenn dem so ist, dann gibt es andere Mittel, mithilfe derer die Bevölkerung sich selbst proaktiv in diesen Meinungsbildungsprozess einschalten kann. Deswegen gibt es für uns keine Notwendigkeit und kein Bedürfnis, einen Automatismus zu installieren, der die repräsentative Demokratie, die sich hier in Thüringen in den ersten 26 Jahren ihres Bestehens, denke ich, sehr gut bewährt hat, jetzt einzuschränken. Auch diese Antwort sind Sie schuldig geblieben. Immer nur zu sagen, das müsse jetzt alles zum Volk und es sei eine Kontrolle staatlicher Machtausübung – mit solchen Begriffen zeigen Sie, dass Sie alles durcheinanderwerfen und dass Sie überhaupt nicht begreifen, dass es einen Unterschied zwischen Regierungshandeln und Parlamentsentscheidungen gibt, die ja immer erst in einem langen Diskussionsprozess überhaupt erfolgen können. Wir haben hier verschiedene Lesungen, verschiedene Anhörungen, verschiedene Ausschussbefassungen für all unsere Vorhaben. Eine Verfassungsänderung ist hier in Thüringen noch nie vom Zaun gebrochen worden. Von daher – wie gesagt, Sie haben weitere Anträge, die in diese Richtung gehen – lehnen wir das sinnlose Bröckeln an der repräsentativen Demokratie, das sinnlose Herausbrechen bestimmter Elemente aus der parlamentarischen Entscheidungsbefugnis weiter ab und lehnen deswegen auch heute wieder ihren Verfassungs- oder Gesetzänderungsvorschlag ab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Adams, Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kollegen, verehrte Besucher hier im Thüringer Landtag! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird den Gesetzentwurf der AfD ablehnen. Ich möchte das begründen und dazu einen Satz aus Ihrem Regelungsbedarf zitieren: „Statt die direkte mit der repräsentativen Demokratie zu verflechten, ermöglicht die Thüringer Verfassung kaum Interaktionen zwischen der Volksgesetzgebung und dem Parlament.“ Dieser Satz ist schon falsch. Ihre Analyse ist schon falsch. Deshalb werden wir das ablehnen. Direkte Demokratie und parlamentarische Demokratie sind eigene Sphären, die jede für sich steht, die jede für sich eigene Rechte und eine eigene Macht hat. Und jeder, der sich in Thüringen mit den Verfahren speziell zu Volksbegehren, aber auch zu Bürgerbegehren – darüber werden wir auch noch morgen sprechen – halbwegs auskennt, weiß, wie viele Interaktionsformen es zwischen dem Parlament und den Initiatoren von Volksbegehren gibt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Fruchtlos!)

Fruchtlos? – Auch wenn man auf die Geschichte von Volksbegehren hier in Thüringen schaut, sieht man, dass sie niemals fruchtlos waren. Das heißt, die AfD hat eine vollkommen falsche Analyse von der Wirklichkeit und deshalb werden wir das ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Als ob das ausreicht an direkter Demokratie!)

Und, das will ich hier noch einmal ganz klar sagen, wir stehen für diesen politischen Mummenschanz, den Sie hier veranstalten, nicht zur Verfügung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Brandner.

Ich möchte noch einmal kurz auf meine drei Vorrednerinnen eingehen. Ich will mich aber zunächst einmal an das Publikum auf der Tribüne wenden. Sie sind ja leider hereingekommen, nachdem die einleitenden Worte schon gefallen waren. Wir reden hier über einen Antrag der AfD-Fraktion, der sich darum dreht, dass wir sagen: Wenn in Thüringen die Verfassung geändert werden soll, dann lasst doch bitte das Volk darüber abstimmen und nicht hier den kleinen geschlossenen Zirkel im Landtag. Das ist unser Antrag.

(Beifall AfD)

Wir möchten, dass das Volk über Verfassungsänderungen abstimmt.

(Abg. Marx)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben alle verstanden, Herr Brandner!)

Ja, die waren gerade nicht drin, deswegen habe ich das noch mal erläutert. Wenn man Frau Müller gehört hat, meint man, man wäre im falschen Film gewesen. Also das ist unser Antrag, ich weiß nicht, ob Sie, Frau Müller, das mitbekommen haben. Dieser Antrag ist aus Frau Müllers Sicht braun, rechts und populistisch.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Ja!)

Wir wollen das Volk über Verfassungsänderungen abstimmen lassen. Frau Meißner sagte, das würde hinter ihrer Idee von fakultativen Referenden zurücktreten. Es ist unsere Idee gewesen, Frau Meißner, die aus dem AfD-Grundsatzprogramm eins zu eins von Ihnen abgeschrieben wurde. Wir wollen – das habe ich gestern schon einmal gesagt – gestern genau das, was wir heute wollen und was wir morgen wollen. Bei Ihnen ist das anders. Sie stellen sich auf die Straße und reden immer darüber: mehr Demokratie, Hürden senken für Volksbegehren, Hürden senken für Bürgerbegehren. Und dann kommt es im Landtag immer zum Schwur und dann bringen wir einen Antrag ein, der demokratischer gar nicht sein kann, und Sie lehnen ihn ab.

Frau Marx, natürlich haben Sie recht, dass uns die Situation und das System, so wie es gerade in Thüringen ist, nicht passen. Wir wollen es demokratischer machen, und zwar basisdemokratischer und bürgerfreundlicher, das derzeitige passt uns nicht. Deshalb sind wir gewählt worden, um das hier im Thüringer Landtag umzusetzen.

(Beifall AfD)

Deshalb bröckeln wir aus Ihrer Sicht ein bisschen an der Verfassung herum. Sie können es so nennen. Wir sagen, wir bringen demokratische Elemente in die Verfassung hinein. Wir wollen, dass das Volk darüber abstimmt, wenn die Verfassung geändert wird. Nichts anderes wollen wir und dafür stehen wir von der AfD.

(Beifall AfD)

Kurz noch, Frau Marx – sie hört nicht zu –, der Diebstahl des Geistes setzt eine Sache voraus, aber das erkläre ich Ihnen dann mal unter vier Augen. Danke schön.

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die zweite Beratung des Gesetzentwurfs und eröffne die dritte Beratung des Gesetzentwurfs. Gibt es Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen. Dann stimmen wir direkt über den Gesetzentwurf ab. Frau Abgeordnete?

Wir beantragen namentliche Abstimmung.

Wir stimmen jetzt direkt über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in Drucksache 6/2559 in dritter Beratung ab. Ich eröffne die namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Wenn Herr Dr. Voigt seine Stimme abgegeben hat … Es gibt noch eine Stimmabgabe. Hatten jetzt alle die Gelegenheit, die Stimme abzugeben?