Protocol of the Session on September 2, 2016

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Thügi- da, Thügida!)

Das bedeutet, meine Damen und Herren – das habe ich jetzt, glaube ich, hinreichend deutlich ge

macht –, dass auch und gerade diese Landesregierung den Verdacht der politischen Justiz hervorruft. Genau diese Landesregierung macht das. Und im Sinne eines funktionierenden Rechtsstaats gilt es, diesen Verdacht – Sie können ihn ja gleich entkräften, Herr Lauinger – zu entkräften. Dazu sollten wir gemeinsam alles tun, damit die Politik keinen Einfluss mehr auf die Strafverfolgung nehmen kann. Es gilt, eine unabhängige Staatsanwaltschaft zu schaffen.

(Beifall AfD)

Eine solche unabhängige Staatsanwaltschaft ist wiederholt mit dem Verweis auf die – jetzt komme ich wieder zu Frau Walsmann – parlamentarische Kontrolle der Exekutivbehörde, also das Justizministerium, abgelehnt worden. Das hört sich gut an, ist aber nur lauwarme Luft. Denn wie aus den Antworten auf die Kleine Anfrage 980 hervorgeht, kann und will die derzeitige Praxis ja gar keine parlamentarische Kontrolle leisten. Denn es liegt gar keine Aktenlage vor, sodass nicht nachvollzogen werden kann, wann wer welche Weisungen erteilt oder Berichte verlangt hat. Die Landesregierung erinnert sich an nichts und der Justizminister widerspricht sich wieder einmal selbst.

Das Weisungsrecht ist aber auch deswegen unnötig, weil sich damit die parlamentarische Kontrolle gar nicht sichern lässt, weil man, Herr Lauinger, gar nichts weiß, zumindest bis jetzt, vielleicht helfen Sie uns da gleich weiter. Man braucht es auch gar nicht, um die Staatsanwaltschaft zu ordentlichem Arbeiten anzuhalten, denn das Legalitäts- und Rechtsstaatsprinzip gilt auch für die Staatsanwaltschaft. Frau Walsmann hat darauf hingewiesen, dass wir in dem Bereich der Verfolgung Unschuldiger oder der Strafvereitelung im Amt sind. Um das auszuschließen, brauche ich kein Weisungsrecht.

Inzwischen liegt übrigens ein Lösungsansatz auf dem Tisch, der ist von dem alles andere als populismusverdächtigen Herrn Dette. Der hat in der „Deutschen Richterzeitung“ vom Juni 2014 ein Modell vorgeschlagen, wie es aussehen könnte mit der Staatsanwaltschaft, und hat geschrieben: Die Wahl des Generalstaatsanwalts könnte ähnlich wie die des Rechnungshofpräsidenten mit qualifizierter Mehrheit vom Parlament hier ausgehen. Dann hätte ich also einen Generalstaatsanwalt, der die Verantwortung übernimmt, und das könnte ich vom ministeriellen Weisungsrecht loskoppeln.

(Beifall AfD)

Ob das der Weisheit letzter Schluss ist – ich möchte Herrn Dette jetzt nicht kritisieren, aber da Frau Berninger ihn schon in die Reihe der Populisten gestellt hat, wird er es mir, glaube ich, nachsehen,

(Unruhe DIE LINKE)

dass ich sage: Herr Dette, ich weiß nicht, ob es der Weisheit letzter Schluss ist. Es ist zumindest ein interessanter Ansatz, über den man diskutieren kann.

Meine Damen und Herren, deshalb bitte ich Sie, entfernen Sie sich mal so ein bisschen von Ihrem normalen pawlowschen Reflex, wenn wir hier einen Antrag stellen, den sofort abzulehnen. Denken Sie noch mal darüber nach – es kamen wirklich auch einige vernünftige Sachen von Frau Rothe-Beinlich und Frau Walsmann – und stimmen Sie der Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss für Justiz, Migration und Verbraucherschutz zu. Diesen Antrag stelle ich hiermit auch für das Protokoll. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort hat nun Abgeordnete Marx, Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt den einen oder anderen Berufsverband, der Forderungen aufstellt, die in die Richtung dessen gehen, was die AfD hier aufgreift. Aber über die Rede von Ihnen, Herr Brandner, hätten die sich sehr geschämt, denn auf die Weise, wie Sie das hier begründen, macht das keiner von denen.

Ich muss noch einmal zurückkommen auf die Rede, die Frau Walsmann sehr sachlich, sehr ausführlich und auch sehr gut begründet gehalten hat. Die Staatsanwaltschaft ist eine Behörde. Die Staatsanwaltschaft ist deswegen nicht Teil der Justiz, sondern sie ist eine Behörde, die der Justiz zuarbeitet, die Ermittlungsarbeit, die von der Polizei begonnen wird, wird an die Staatsanwaltschaft übergeben. Wenn die Polizei fertig ist, geht das Verfahren an die Staatsanwaltschaft und wenn die Staatsanwaltschaft fertig ist, geht Ihr Verfahren mit einem Vorschlag an die Justiz. Und die Justiz entscheidet dann in völliger Unabhängigkeit und selbstverständlich nicht von irgendwelchen Weisungsrechten erfassbar oder erfasst über diesen Sachverhalt.

Sie haben jetzt hier als Begründung für Ihren Antrag pauschal unterstellt, dass in Thüringen ständig eine Art politische Justiz herrscht, womit Sie den Punkt Justiz und Staatsanwaltschaft wieder vermischen. Das tun Sie auch bereits im Titel Ihres Antrags „Unabhängigkeit von Justizermittlungen gewährleisten“, diese unzulässige Vermischung, und gehen nun davon aus, in Ihrem kruden Verfolgungs-Aluhut-Weltbild, wonach die Thüringer Staatsanwaltschaft ständig beeinflusst wird und schuld daran ist, dass Sie und Herr Höcke unschuldig einer Verfolgung unterworfen wurden. Wenn man die Medien richtig verfolgt hat, sind Strafanzeigen erstattet worden, das ist das Recht jedes Bür

(Abg. Brandner)

gers, jeder Bürgerin, der sich von einer Straftat betroffen fühlt oder der glaubt, eine Straftat entdeckt zu haben, und das waren nicht Leute aus dem Thüringer Justizministerium, sondern anderweitig Betroffene. Die Staatsanwaltschaft geht dann pflichtschuldig solchen Erstverdächtigungen nach, die muss dann ermitteln und kann dann – das ist selbstverständlich – das Verfahren einstellen, wenn sie nichts findet, was für eine Strafverfolgung durch die Justiz genügend Anlass bietet. Was an diesem Fall skandalös sein soll, weiß ich nicht. Das ist ganz normales Vorgehen in einem Rechtsstaat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und noch mal der Denkunterschied zu Ihnen: Auch die Thüringer Staatsanwaltschaft bedarf einer demokratischen Kontrolle. Diese wird zunächst in staatsanwaltschaftlicher Selbstkontrolle durch interne Aufsichts- und Weisungsrechte ausgeübt, da gibt es einen leitenden Oberstaatsanwalt als Behördenleiter und den Generalstaatsanwalt als vorgesetzte Behörde. Demokratie bedeutet aber auch vor allem die Herrschaft des Volkes. Dieses demokratische Prinzip der gesamten Bundesrepublik Deutschland ist in Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes verankert, in dem es heißt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Es ist also eine demokratische Legitimation der Staatsgewalt notwendig.

Der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde – den Gedanken hat Frau Kollegin Walsmann auch schon zitiert – hat dazu gesagt: „Staatliche Gewalt muss durch eine ununterbrochene demokratische Legitimationskette auf das Volk zurückgeführt werden können.“ Deswegen erfolgt die demokratische Kontrolle der Behörde Staatsanwaltschaft durch den Thüringer Justizminister und dieser leitet sein Handeln wiederum vom Thüringer Landtag ab und muss sich dann auch hier rechtfertigen für das, was er macht. Was haben Sie denn dagegen für ein Politikverständnis? Aber gut, das kennen wir, dass Sie per se unterstellen, ein Minister, der Weisungsrechte gegenüber einer Staatsanwaltschaft hat, wird die natürlich selbstverständlich dafür nutzen, Tag und Nacht politisch Einfluss zu nehmen und politisch irgendwelche Entscheidungen dort aufzudrücken.

Eine unüberschreitbare Grenze für das externe Weisungsrecht bildet stets das in § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung geregelte Legalitätsprinzip und selbstverständlich, das hat auch Frau Walsmann schon gesagt, wäre es ein schweres Verbrechen und eine Straftat, wenn ein Justizminister sich darüber hinwegsetzen würde. Dann würde er selbst Gesetze brechen. Und wenn jetzt das externe Weisungsrecht komplett abgeschafft werden würde, dann ist die Legitimationskette unterbrochen und dann kann der Justizminister auch gegenüber unserem Parlament keine Verantwortung mehr für

Entscheidungen übernehmen, die die Staatsanwaltschaft getroffen hat. Dann wäre das letztendlich eine Entmachtung des Parlaments, wenn es sagt: Der Minister soll sich von der Staatsanwaltschaft abkoppeln und die darf machen, was sie möchte bzw. das darf sie ja nicht und das weiß sie auch. Wir haben sehr viele sehr gute Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, denen ich an dieser Stelle auch gern Dank sagen möchte für ihre schwierige und verantwortungsvolle Arbeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es ist nicht so, dass da ein Minister – und das hat es hier in allen Legislaturen nicht gegeben – ständig davorsitzen würde und irgendwelche Weisungen erteilen könnte. Dennoch gibt es selten Einzelfälle, da nehme ich noch mal auf Kollegin Walsmann Bezug, die den Fall Mollath in Bayern genannt hat. Der Fall Mollath war der Fall eines Mannes, der aufgrund vieler gerichtlicher Beschlüsse sehr lange in die Psychiatrie eingewiesen war. Vorausgegangen war irgendwann mal ein Scheidungskrieg mit seiner Ehefrau. Jedenfalls war er in der Psychiatrie gelandet und hatte auf dem normalen Weg über seine Rechtsanwälte – also mit zahllosen Wiederaufnahmegesuchen – nicht die Möglichkeit erhalten, seinen Fall erneut gerichtlich prüfen zu lassen. Der Rechtsweg war komplett ausgeschöpft, das war zu Ende. Da hat die damalige bayerische Justizministerin gesagt, weil es in der Öffentlichkeit Berichterstattungen und ziemliche Aufregung darüber gab, ob der Fall nicht doch noch mal zu überprüfen sei, der Fall soll noch mal überprüft werden. Und sie hat eine Weisung erteilt, das war übrigens eine Einzelfallweisung. Diese war aber nicht politisch motiviert, sondern in der Verantwortung, die sie als Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft hatte, die die Wiederaufnahme von Ermittlungen selber nicht gewollt hat oder aus irgendwelchen anderen Gründen, die sicherlich auch in sich schlüssig gewesen waren, abgelehnt hat. Da hat sie gesagt, das muss noch mal aufgenommen werden und heute ist der Mann frei. Wenn es dieses Weisungsrecht nicht gegeben hätte, säße der heute noch hinter Gittern. Die bayerische Justizministerin – das macht den Fall auch sachlich nachvollziehbar, es war nicht in Thüringen und keiner war hier emotional beschwert und belastet – hätte einen schlechten Job gemacht, wenn sie das nicht getan hätte,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil man ihr dann gesagt hätte: Du bist verantwortlich dafür, dass deine Staatsanwaltschaft hier jemanden weiter schmoren lässt bzw. durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht die Möglichkeit gegeben wird, so eine Sache zu überprüfen.

Deswegen ist dieses Weisungsrecht in wirklich sehr wenigen Einzelfällen eigentlich der Link zur demokratischen Volksvertretung wie auch zum Parla

ment und auch zu der Verantwortung des Ministers, denn der Minister müsste dann, wenn seine Staatsanwaltschaft als Behörde nicht ordentlich arbeitet, dafür die politische Verantwortung übernehmen. Das kann er aber nur, wenn er in diese Verantwortungskette auch eingebaut ist. Wenn man diese Verantwortungskette unterbrechen wollte, dann müsste man erst mal – statistisch gesehen – überhaupt ein Problem haben. Das sehe ich schon mal nicht – also phänomenologisch. Wenn es jetzt ständig so wäre, dass die Minister immer eingreifen würden, dann würde ich mir auch verschärft darüber Gedanken machen wollen, ob man diese Legitimationskette woanders aufhängen kann. Dann könnte zum Beispiel beim Generalstaatsanwalt Schluss sein, aber man müsste ihm praktisch Kontrollrechte des Parlaments übertragen. Das ist nicht nur demokratietheoretisch, sondern auch praktisch schwierig. Deswegen ist die bloße Abschaffung des Weisungsrechts, wie Sie das einfach pauschal fordern, wesentlich gefährlicher für den Rechtsstaat und die Demokratie als seine Beibehaltung.

Wir haben uns allerdings – dazu stehen wir auch – in unserem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Unabhängigkeit der Gerichte und auch der Staatsanwaltschaften zu stärken. Der dazugehörige umfassende Diskussionsprozess und die rechtliche Prüfung der Möglichkeiten laufen und sollen auch vorangebracht werden. Eine Abschaffung des Weisungsrechts könnte nur mit tiefgreifenden Umstrukturierungen in der Justiz insgesamt verbunden werden. Das Weisungsrecht müsste durch andere Kontrollmechanismen ersetzt oder in ein völlig anderes System eingebettet werden. Es gibt in Ihrem Antrag nicht den Schatten eines Hinweises, dass das erforderlich sein könnte. Deswegen kann man diesen Antrag wirklich nur ablehnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten hat sich Abgeordneter Brandner zu Wort gemeldet – 1 Minute.

Ich freue mich richtig auf die Ausschussdiskussion. Es ist ja wirklich interessant, was hier so verbreitet wird. Ganz kurz zu Frau Marx: Statistisch gibt es deshalb nichts zu kritisieren, weil statistisch gar nichts vorliegt, weil nichts dokumentiert wird, das ist das Problem. Und wenn Sie meine Kleine Anfrage 980 und die Antwort gelesen hätten, dann hätten Sie auch verstanden, dass gar nichts bekannt ist. Das macht doch die Sache noch interessanter, dass man da schaut: Was ist denn da? Vielleicht ist da wirklich nichts, vielleicht ist es hundertmal pas

siert, vielleicht tausendmal, wir wissen es einfach nicht – deshalb unser Antrag.

Dann ist es ja auch so: Ich habe gerade schon einmal vom pawlowschen Reflex geredet. Sobald wir Fragen stellen, sagen Sie immer, wir würden etwas unterstellen. Wir unterstellen überhaupt nichts. Wir fragen und verlangen darauf Antworten. Wenn die Antworten da sind, kann man daraus das weitere Vorgehen ableiten. Aber wenn schon die Antworten nicht kommen, da wird man doch wohl hellhörig und sagt, das müssen wir einmal auf die Tagesordnung setzen.

Wenn Sie die Verantwortungskette nennen, Frau Marx, im Zusammenhang mit Herrn Lauinger, da weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll, aber die Verantwortungsketten des Herrn Lauinger sind uns ja hinreichend bekannt, wie die Verantwortung da auch in privaten Sachen läuft. Und wer sich privat so danebenbenimmt,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Danebenbenehmen kennen Sie sich ja aus!)

muss sich fragen lassen, als Minister macht er das vielleicht dann noch auf einer ganz anderen Ebene. Der Richter, Frau Marx, hilft einem auch nicht viel weiter, denn die Unabhängigkeit der Richter haben wir natürlich. Aber der Richter wird überhaupt nicht gefragt, wenn ein Verfahren im Ermittlungsstadium eingestellt wird. Sie haben recht, wenn ich eine falsche Anklage erhebe oder eine Anklage, die nicht haltbar ist, kommt der Richter und kann darüber entscheiden und freisprechen. Aber der Richter und die unabhängige Justiz haben keine Chance irgendetwas zu machen, wenn Ermittlungsverfahren zum Beispiel gegen Steinewerfer oder Demonstrantenblockaden nicht eingeleitet werden. Da kann der Richter nichts machen. Das hängt in der Justizverwaltung fest, geht vom grünen Minister über die grünen Demonstranten ins Leere. Genau da wollen wir auch ansetzen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ende Gelände!)

Die Zeit im Ausschuss sollten wir uns nehmen, da haben wir auch noch ein bisschen länger Zeit, als hier noch 1 Minute oder 2 Minuten zu reden. Deshalb: Stimmen Sie zu! Ich freue mich wirklich sehr darauf.

(Beifall AfD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Minister Lauinger, Sie haben das Wort.

(Abg. Marx)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Weisungsrecht der Justizministerinnen und Justizminister gegenüber den Staatsanwaltschaften ist seit vielen Jahren Gegenstand bundesweiter politischer Diskussionen. Lassen Sie mich zu Beginn zu dem Antrag der AfD-Fraktion und zu den dort angesprochenen Fragen Folgendes ausführen: Die Anzahl der Fälle, in denen der Justizminister oder das für Justiz zuständige Ministerium seit 1990 durch mündliche oder schriftliche Weisungen auf die Verfahren der Staatsanwaltschaft Einfluss genommen hat, ist – das hat auch Herr Poppenhäger schon ausgeführt – der Landesregierung nicht bekannt. Statistische Angaben dazu sind nicht vorhanden.

Grundsätzlich ist in der Debatte zu unterscheiden – das haben auch viele meiner Vorredner bereits getan – zwischen dem allgemeinen Weisungsrecht und dem Weisungsrecht in Einzelfällen. Das allgemeine Weisungsrecht des Justizministers wird durch Erlass zahlreicher Verwaltungsvorschriften in Anspruch genommen. Es wirkt sich in der täglichen Praxis der Staatsanwaltschaften aus, etwa bei der Anwendung der bundeseinheitlichen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren. Demgegenüber steht das Weisungsrecht in Einzelfällen. Dieses – das kann ich, glaube ich, für all meine Kollegen in allen Bundesländern sagen – wird sehr restriktiv gehandhabt. Aus den letzten Jahren ist auch mangels personeller Kontinuität eine Weisung, die sich über die von einer Staatsanwaltschaft zunächst in Aussicht genommene Verfahrenshinweise hinwegsetzt, nicht bekannt. Ich sage das auch hier noch einmal ganz ausdrücklich für mich und meine Person: Auch ich habe seit der Amtsübernahme im Dezember 2014 in keinem Fall von einem Einzelfallweisungsrecht Gebrauch gemacht. Dies gilt auch bei Weisungen, die auf Einleitung oder Nichteinleitung von Ermittlungsverfahren gerichtet sind. Nicht einbezogen in diese Betrachtungen sind Entscheidungen gegen das Handeln der Staatsanwaltschaft, die von den Bürgerinnen und Bürgern des Freistaats begehrt werden. Über diese Dienstaufsichtsbeschwerden hat das TMMJV im Rahmen der Dienstaufsicht zu entscheiden.

Im Blick auf eine mögliche Selbstbeschränkung – da bin ich der gleichen Meinung wie Frau Marx, das ist der Weg, den man gehen muss – habe ich die Fachabteilung meines Hauses mit der Prüfung beauftragt, wie eine solche Selbstbeschränkung im Rahmen der Vorgaben des Grundgesetzes, des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Thüringer Verfassung ausgestaltet werden kann. Dieser Auftrag beinhaltet insbesondere, Maßnahmen zu benennen, die Transparenz von Entscheidungen fördern, etwa die zwingende Schriftlichkeit und die Dokumentation einer etwaigen Weisungserteilung.

Diese Prüfung dauert noch an. Zu den Ergebnissen werde ich Ihnen zeitnah berichten.

Die Landesregierung sieht aufgrund des geltenden Verfassungsrechts – jetzt komme ich zu den allgemeinen Ausführungen, wie sie auch Frau Walsmann getätigt hat – keine Grundlage dafür, sich auf Bundesebene für die Abschaffung des Weisungsrechts des Justizministers gegenüber der Staatsanwaltschaft durch Streichung der §§ 146 und 147 GVG einzusetzen. Diese Regeln sind, auch das haben Frau Marx und Frau Walsmann sehr ausführlich ausgeführt, konkretisiertes Verfassungsrecht. Die Bundesrepublik ist ein demokratischer Rechtsstaat. Gemäß Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Dieses Demokratieprinzip ist ein nach Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes unabänderlicher Verfassungsgrundsatz. Aus diesem Verfassungsgrundsatz folgt, dass das Handeln der Staatsanwaltschaft einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen muss. Diese Kontrolle wird durch den Justizminister vermittelt. Er kann seiner Verantwortung vor dem Parlament aber nur gerecht werden, wenn er auch die Möglichkeit hat, auf das Handeln der Staatsanwaltschaft Einfluss zu nehmen. Diesem verfassungsrechtlichen Demokratieprinzip hat der Bundesgesetzgeber durch die Regelung des § 147 Nr. 2 GVG, die ihm dieses Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften gibt, ausdrücklich Rechnung getragen. Inwieweit die demokratische Kontrolle auch auf andere Weise, etwa durch eine unmittelbare parlamentarische Verantwortlichkeit des Generalstaatsanwalts, wahrgenommen werden kann und sollte, ist Gegenstand einer tatsächlich noch lange nicht abgeschlossenen justizpolitischen Diskussion. Das muss man dann aber an dieser Stelle auch wollen.

Eines steht aber jetzt schon fest: Der Forderung, bis zur Einrichtung von Kontroll- und Dokumentationsverfahren sicherzustellen, dass das Weisungsrecht des Justizministers gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht ausgeübt wird, kann und darf ich von Verfassungs wegen nicht nachkommen. Es ist einem Justizminister nach dem derzeit geltenden Verfassungsrecht nicht möglich, sich aus der Verantwortung für eine ihm anvertraute Staatsanwaltschaft zu stehlen, indem er seiner Pflicht zur Aufsicht und Leitung der Staatsanwaltschaften nicht nachkommt. Richtig ist vielmehr, einerseits eine sachgerechte Dienstaufsicht zu ermöglichen, andererseits Einflussnahme aus sachfremden Erwägungen auszuschließen. Auch ohne die beantragte Aufforderung wird die Landesregierung weiterhin eine solche Ausgestaltung des Weisungsrechts im Blick haben, die dem geltenden Verfassungsrecht in vollem Umfang Rechnung trägt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.