Protocol of the Session on September 2, 2016

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das war aber ein langes Zitat!)

Das ist kein Zitat, das ist meine Rede, Herr Brandner.

Im Gegensatz zu den Richterinnen und Richtern ist die Tätigkeit von Staatsanwälten nicht funktionell auf die Rechtsprechung gerichtet. Stattdessen führt sie das Recht und damit exekutive Gewalt aus. Da die Minister für die Handlungen der Staatsanwaltschaft als Teil der Exekutive parlamentarisch verantwortlich sind, ist somit auch eine Kontrolle durch die jeweilige Regierung über die Staatsanwaltschaft erforderlich. Hebt man also die Aufsicht und das Weisungsrecht des Ministeriums gegenüber der Staatsanwaltschaft auf, fehlt es dieser dann an demokratischer Rückanbindung. Ich möchte jetzt noch ein Zitat vortragen – Achtung, Herr Brandner, es kommt ein Zitat –, und zwar aus der Bundestagsrede von Jerzy Montag, einem grünen Bundestagsabgeordneten, vom 27. Juni 2013. Da heißt es: „Die Staatsanwaltschaft beherrscht das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und leitet und beaufsichtigt dabei die ihr unterstellte Polizei. Sie handelt dabei klassisch gewaltausübend und greift tief in die

Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Festnahmen, Telefonabhörungen, der Einsatz von verdeckten Ermittlern und vieles andere mehr sind keine Akte der Rechtsprechung im engeren Sinne, sondern der Einsatz legitimierten staatlichen Zwangs. Die Bindung der Staatsanwaltschaft an das Gesetz ändert daran nichts, sie schützt die Bürgerinnen und Bürger – was aber für sich schon viel ist – vor Willkür bei den gegen sie gerichteten Ermittlungstätigkeiten. Gerade aber bei den Ermittlungen unterliegt die Staatsanwaltschaft den Begrenzungen durch die Richtervorbehalte und damit der Kontrolle durch die Dritte Gewalt. Im rechtsstaatlichen Strafrecht geht es gerade darum, exekutiven Maßnahmen die Unabhängigkeit richterlicher Überprüfung entgegenzusetzen, um so staatliche Zugriffe zu kontrollieren und damit gleichsam zu begrenzen. Damit ist die Staatsanwaltschaft, wie auch als Gegenpol die Verteidigung, Teilorgan der Rechtspflege und gleichzeitig, entgegen der Verteidigung als einseitiger Parteivertretung, der Vollstrecker des Strafanspruchs des Staates und zieht und gebraucht das schärfste Schwert, das dem Staat legitim zur Verfügung steht: die Anwendung unmittelbaren Zwangs in vielfältigen Formen. Diese Doppelgesichtigkeit zwingt auch zu einer eigenständigen Bewertung der Rolle und des Standorts der Staatsanwaltschaft.“ Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Dritte Gewalt und damit ihre völlige Gleichstellung mit den Richterinnen und Richtern sehen wir als Grüne-Fraktion sehr kritisch. Den AfD-Antrag lehnen wir deshalb ab, setzen uns aber weiterhin für eine Begrenzung des einzelfallbezogenen Weisungsrechts ein, lieber wäre uns noch die Abschaffung des einzelfallbezogenen Weisungsrechts. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Abgeordneter Brandner, Fraktion der AfD, das Wort.

Das ist mehr so ein Thema, habe ich den Eindruck, für Liebhaber des Rechtsstaats.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für Sie, Herr Brandner?)

Meine Damen und Herren, bevor ich meine inhaltlichen Ausführungen mache, muss ich auf Frau Berninger, auch wenn mir das jetzt eigentlich zu blöd ist, eingehen. Sie haben offenbar nicht ansatzweise Ahnung, was Jurisprudenz angeht.

(Abg. Rothe-Beinlich)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sparen Sie sich Ihre Arro- ganz!)

Das ist vor dem Hintergrund Ihres Lebenslaufs auch kein Wunder, aber wir wollen nicht – vielleicht kläre ich mal ein bisschen auf – § 146 f abschaffen, Frau Berninger, sondern das ist die normale Schreibweise, wenn man 146 und 147 meint, da macht man ein „f.“ dahinter. Das „f.“ heißt „folgender“ und wenn Sie meinen einleitenden Worten

(Beifall AfD)

gelauscht hätten, hätten Sie gemerkt, dass es um die §§ 146 und 147 GVG geht. Insoweit also eine kostenlose Weiterbildung von mir, Frau Berninger. Das habe ich gern gemacht.

Etwas vermessen kam mir auch vor, dass Sie also jetzt nicht nur uns Populismus vorwerfen – das ist ja okay, dafür werden Sie bezahlt –, aber Sie werfen Populismus auch in weiten Teilen der Staatsanwaltschaft vor, Herrn Dette, Ihrem Herrn Maas, SPD, werfen Sie Populismus vor, großen Teilen der Richterschaft und Frau Walsmann. Diese alle sagen, dieses Weisungsrecht muss weg. Das hat mit Populismus nichts zu tun, das hat mit Gewaltenteilung zu tun und auch nichts mit der AfD, sondern ganz einfach damit, dass man sich anschaut, wie ein Rechtsstaat auszusehen hat. Genau so hat er auszusehen. Also breiter Konsens in der Rechtsprechung und in der Rechtspflege, dass das weggehört.

(Beifall AfD)

Das hat mit Populismus nicht ansatzweise etwas zu tun.

Der Ansatzpunkt für diesen Antrag ist auch nicht ein FDP-Antrag – was heißt eigentlich FDP? – von 2009, sondern meine Kleine Anfrage 980, Frau Berninger, die Sie vielleicht eher mal hätten lesen sollten, als sich auf Antifa-Demos oder wer weiß wo rumzutreiben. Aber Sie hätten sich zur Vorbereitung Ihrer Ausführungen mal diese Anfrage anschauen können, dann würden Sie wissen – Frau Walsmann, Sie übrigens auch, nicht Antifa-Demo, aber mal meine Anfrage lesen –, dass das der Anknüpfungspunkt ist.

Die parlamentarische Kontrolle, die Sie ansprechen, das hört sich gut an – dazu komme ich gleich noch –, aber die kann nur dann ausgeübt werden, wenn derjenige, der kontrolliert werden soll, auch von irgendetwas weiß, in diesem Fall der Justizminister. Wenn Sie sich aber die Antwort auf meine Anfrage angeschaut haben, haben Sie gesehen, er weiß gar nichts. Wie soll ich denn bitte schön als Parlament jemanden kontrollieren, der gar nichts weiß? Genau darauf legen wir den Fokus.

(Beifall AfD)

Die „Thüringer Allgemeine“ vom 02.06.2016 hat dieses Thema auch aufgegriffen und sprach von dem „bestgehüteten Geheimnis der Justiz“. Denn obwohl das Weisungsrecht besteht, will kein Justizminister über die Einflussnahme berichten; eine Einflussnahme, die die Staatsanwälte, und zwar fast alle, zu Recht als demütigend empfinden. Wir übrigens haben den Justizminister mit der Kleinen Anfrage 980 gefragt, ob er auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Einfluss genommen hat.

Das fragen wir heute wieder – Herr Lauinger ist da, Gott sei Dank –, welcher Einfluss von Ihrem Haus auf die Staatsanwaltschaft ausgeht. Dabei geht es nicht nur um die Weisungen, die möglicherweise schriftlich dokumentiert werden, sondern um das Berichtswesen. Dazu haben Sie, Frau Walsmann, gar nichts gesagt. Das Berichtswesen ist das Entscheidende. Wenn der Staatsanwalt antreten muss, seine Akten vorlegen muss, damit der Justizminister kontrollieren kann, ob auch alle Beweise erhoben wurden, wie Sie so schön formulierten, wenn der berichten muss und der Justizminister oder der Staatssekretär dann die Augenbraue hochzieht, dann läuft ein Verfahren ganz anders, als es der Staatsanwalt vielleicht selber wollte. Also das klassische Weisungsrecht, du machst jetzt das, ist gar nicht so das Problem. Das Problem ist der informelle Druck, der ausgeübt wird, und das Berichtswesen.

(Beifall AfD)

Das wissen wir auch. Deswegen hat das einen ganz aktuellen Bezug, dass massiver Druck und entscheidender Einfluss auch ohne Dokumentation vom Hause Lauinger ausgeht, unterstützt durch das Haus Minister Prof. Dr. Hoff. Das zeigt eindrucksvoll die „Sohnemann-Affäre“. Da hat es also über die Häusergrenzen hinweg sogar nicht dokumentierten Einfluss gegeben. Es kann mir keiner erklären, dass es dann innerhäusig nicht der Fall sein sollte. Also auch hier: Warum gibt es keine Aktenlage, Herr Lauinger, in der die Kommunikation zwischen Ihrem Ministerium und der Staatsanwaltschaft nachgezeichnet wird? In welchen und in wie vielen Fällen wurden in den letzten 25 Jahren Staatsanwälte angewiesen? In welchen und in wie vielen Fällen wurden nach Berichterstattung der Staatsanwälte durch das Justizministerium Ermittlungen eingeleitet? Im Umkehrschluss: In welchen und in wie vielen Fällen hat die Staatsanwaltschaft nach Berichterstattung gegenüber dem Ministerium keine Ermittlungen mehr eingeleitet? Die Fragen stehen im Raum und die hätte ich gerne beantwortet.

Wir kennen zwar Ihre teilweise nichtssagenden Antworten auf diese Fragen aus dem TA-Artikel, wo Sie zitiert werden mit der Aussage – jetzt kommt ein sehr kurzes Zitat, Frau Rothe-Beinlich –, Weisungen des Justizministers kämen „generell nur äu

ßerst selten vor“. Diese Aussage kennen wir. Aber im gleichen Artikel sagen Sie, Sie selbst hätten bislang keine Weisungen erteilt. Das haben Sie übrigens in der „Sohnemann-Affäre“ auch gesagt und da sieht es möglicherweise inzwischen etwas anders aus.

(Beifall AfD)

Aber es gibt auch hier Diskrepanzen, Herr Lauinger, denn wie können Sie wissen, was Ihre Vorgänger gemacht haben, wenn es keine Akten dazu gibt? Dann können Sie doch nicht sagen, generell kämen Weisungen nur äußerst selten vor, wenn gar keine Aktenlage da ist. Oder wissen Sie es doch? Aber dann wäre die Antwort auf meine Anfrage 980 falsch gewesen, wonach Sie sagen, Weisungen wären nicht erinnerlich. Entweder erinnern Sie sich oder Sie erinnern sich nicht. Wenn nichts dokumentiert ist, müssen Sie schon sagen, warum das nicht passiert ist.

Auch Telefonate von Ihrem Diensttelefon – ich darf erinnern – waren Ihnen nicht erinnerlich und plötzlich wurden sie in der „Sohnemann-Affäre“ doch geführt. Also was Ihr Erinnerungsvermögen angeht, müssen wir Ihnen sagen, auch da haben wir Zweifel, was unsere Anfrage durchaus aktuell macht.

Auf die gleiche Anfrage übrigens antwortete Ihr Haus, es ließe sich nicht ausschließen, dass informelles Handeln – also, Frau Walsmann, das Berichtswesen – einem Weisungsrecht ähnlich zu einem Ergebnis führen könnte. Herr Lauinger, ein klares „Nein, ich mische mich in die Belange der Justiz nicht ein“, das hört sich in meinen Ohren völlig anders an.

(Beifall AfD)

Damit sind wir an einem Punkt, der kritisch ist. Sie mögen weder mündlich noch schriftlich direkte Weisungen erteilt haben. Aber Sie können es nicht ausschließen, dass so etwas aus Ihrem Haus kam. Und da Sie persönlich in dieses hierarchische System eingebunden sind, liegt für uns auf der Hand, dass da durchaus Einfluss ausgeübt werden kann. Ich hatte darauf hingewiesen, dass es keiner direkten Weisungen bedarf; es reicht das Antreten-Lassen des Staatsanwalts, das Vorlegen-Lassen der Akten. Der Staatsanwalt wird sich dann überlegen, was er macht.

Es steht also fest: Es lässt sich nicht ausschließen, dass auf Geheiß Ihres Hauses Straftaten verfolgt wurden, von denen der Staatsanwalt der Meinung war, dass sie gar keine Straftaten waren. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Brandner und Höcke erwiesenermaßen unschuldig verfolgt von der Staatsanwaltschaft in Thüringen. Das mag Zufall sein, aber es gibt auch noch andere Beispiele. Frau Schweinsburg beispielsweise leidet ja zurzeit auch darunter,

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Frau Muhsal!)

wo man durchaus meinen kann, da ist juristisch oder politisch Einfluss ausgeübt worden. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass Strafermittlungen nicht weiterverfolgt wurden, obwohl die Staatsanwaltschaft ermitteln wollte. Und ich muss Ihnen sagen: Wenn ich an Namen wie König, Berninger, Henfling, Dittes und Schaft denke, muss ich mich nicht allzu sehr verbiegen, um zu denken: Ja, warum wird denn da eigentlich nie ermittelt?

(Beifall AfD)

Woran liegt das denn wohl? Die machen ja nicht nur legale Sachen.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Offenbar haben Sie auch informell § 21 Versammlungsgesetz in Thüringen außer Kraft gesetzt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist das Ihr Verständnis von einem Rechtsstaat?)

Denn es gibt trotz dutzend- und hundertfacher Behinderungen unserer Demonstrationen so gut wie kein Ermittlungsverfahren wegen § 21 Versammlungsgesetz.

(Beifall AfD)

Das ist wahrscheinlich aus Ihrem Haus lanciert worden, dass da nicht ermittelt werden soll oder darf oder was auch immer, wenn die AfD demonstriert.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind pure Unterstel- lungen!)

Frau Rothe-Beinlich, bitte.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pure Unterstellungen! Sa- gen Sie doch mal, was Sie meinen!)

Wie viele Ermittlungsverfahren wegen § 21 Versammlungsgesetz haben wir denn? Schauen Sie doch mal in die Anfragen rein – so gut wie keine. Ich kenne Demonstrationen von uns, da sitzen Hundert von Ihren Schwestern und Brüdern auf der Straße und lassen uns nicht durch. Das sind 100 Straftaten, das wären 100 Ermittlungsverfahren und die werden nicht eingeleitet.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Davon gibt es Fotos!)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)