Danke schön, Frau Müller. Als Nächster erhält Abgeordneter Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen hier im Haus! Ich kann das relativ kurz machen. Der Kernsatz bei Frau Müller ist ja der, dass das nicht zustimmungsfähig ist. Dem schließt sich auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen an.
Aus fast dem gesamten Haus habe ich dazu viel Vernünftiges gehört. Ein Gedanke scheint mir allerdings noch wichtig, hier mit einzubringen. Das, was die AfD im Augenblick tut, ist ja ein diskreditierender Parlamentarismus, wenn zum Beispiel Herr Brandner sagt, dass selbst eine Zwei-Drittel-Entscheidung nur eine geringe Legitimation ausdrückt. Was wir brauchen, und darum müssen wir alle kämpfen, ist eine Belebung des Parlamentarismus, additiv dazu, das ist ganz wichtig, den Ausbau der direkten Demokratie. Daran wollen wir gern mit Ihnen gemeinsam arbeiten, aber dieser Gesetzentwurf nützt dem überhaupt nicht. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses, liebe Abgeordnete, liebe Zuhörer und Zuschauer, man könnte der Ansicht sein, der Gesetzgeber in diesem Haus fürchtet nichts so sehr wie das Volk, das ihn gewählt hat. Das zeigt sich bei allen alteingesessenen Parteien hier in der Runde. So hat die CDU seit Jahrzehnten eine unglaubliche Angst vor den Bürgern. Die Angst der Christdemokraten war so groß, dass man die Initiative für mehr demokratische Mitwirkung mit allen parlamentarischen Kniffen zu verhindern versuchte.
Man muss nur zurückblicken und schauen, wie die CDU damals mit den zwei Volksbegehren umgegangen ist. Und, Herr Scherer, ich muss sagen: Die CDU ist der eigentliche Trittbrettfahrer der AfDGrundsätze.
Ja, ja, ja. – Und, wie gesagt, die Verfassung ist ja auch das Grundprogramm als solches, das Grundgesetz, hier die Thüringer Verfassung, und die braucht nun mal die Legitimation der Thüringer Bürger. Deswegen sind auch Verfassungsänderungen vom Bürger zu legitimieren. Das hat auch nichts mit Zwang zu tun, liebe Damen und Herren von der Linken.
Aber auch die Rot-Rot-Grünen haben eine ausgeprägte Skepsis gegenüber den Bürgern, denn dem Bürgerwillen auf Landesebene zu mehr Geltung zu verhelfen, wird von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Mit Blick auf die zahlreichen Initiativen, die vor allem von den Linken in der Oppositionszeit eingebracht wurden, muss daher das eher zaghafte Engagement in diesem Politikfeld überraschen.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die direkte Demokratie für einige hier im Haus nur zu Oppositionszeiten interessant war. Diese Skepsis gegenüber der direkten Demokratie erwächst aus dem Unwillen des Parlaments, nach der Wahl auf das Volk zu hören und diesen Volkswillen zu respektieren. Denn wenn dem so wäre, gäbe es keine Basta-Politik des Ministers Poppenhäger, der die Gebietsreform sowieso durchsetzen will. Es gäbe auch keine Windkraftpolitik der sogenannten Umweltministerin Siegesmund, die die einzigartige Landschaft Thüringens dem Planungsbüro als Spielwiese überlässt. Es gehört aber auch einer längst überholten Sichtweise an, die demokratische Teilhabe auf den Wahlakt alle vier oder fünf Jahre mit dem Wurf der Stimme in die Urne zu reduzieren. 70 Prozent der Bürger unterstützen die Demokratie als beste Staatsform – was sie auch ist –, aber im Osten Deutschlands sind nur 50 Prozent mit der Funktionsweise zufrieden. Die Menschen wollen stärker eingebunden werden, sie wollen die Möglichkeit haben, aktiv und in allen Fragen mitzuwirken, also auch in Finanzfragen. Welche Themen und Gesetze für den Bürger wichtig sind, diese Frage kann nur jeder einzelne für sich selbst beantworten. Deswegen steht derzeit in der Debatte, mit einer bestimmten Mindestanzahl an Stimmen ein fakultatives Referendum zu starten. Ob es zum Refe
rendum kommt, entscheiden die Bürger dann selbst, je nachdem, für wie wichtig sie das Gesetz halten.
Etwas anderes ist es aber, wenn die Verfassung geändert wird. Verfassungsänderungen sind die wichtigsten Gesetze, da sie die Grundlagen des Staatswesens berühren. Derzeit kann das Volk bei diesen bedeutenden Gesetzgebungsverfahren kein Mitspracherecht ausüben und nicht als Korrektiv wirken. Ohne das Votum des Volkes fehlt jedoch die Kontrolle von parlamentarischen Entscheidungen durch den Souverän und somit die echte Legitimation dieser Verfassung.
Der Grundsatz der Volksherrschaft fordert eine Beteiligung der Bürger an allen Verfassungsänderungen. Damit bettet sich die von der AfD beantragte Verfassungsänderung stringent in die Geschichte des Landes Thüringen ein. Im Oktober 1994 hatten die Thüringer über die Verfassung abgestimmt. Wenn die Thüringer Verfassung geändert werden soll, dann muss das Volk auch darüber wieder abstimmen. Die AfD ist der Meinung, dass das Volk in Verfassungsfragen ebenso wie im Jahre 1994 immer ein Stimmrecht ausüben muss, meine Damen und Herren,
nicht als Zwang, sondern hier, um das Gesetz zu legitimieren. Erst mit dem verpflichtenden Verfassungsreferendum ist der Gesetzgeber gezwungen, die Wünsche des Volks in seiner Gesetzgebung zu respektieren. Solche respektlosen Verfassungsänderungen, wie sie mein Kollege Herr Brandner vorhin erwähnte, die sich nur um die eigenen Pfründe drehen, müssen sich dann dem Votum des Volks stellen, meine Damen und Herren.
Gerade das Beispiel des Stopps der automatischen Diätenerhöhung zeigt, dass das Votum des Volks in wichtigen Gesetzgebungsprozessen notwendig ist, denn in solchen Fragen handelt es sich um ein sogenanntes Gesetz in eigener Sache. Es gibt niemanden, der einen Machtmissbrauch bei Gesetzen in eigener Sache unterbinden könnte, außer den Bürger. Da es in solchen Fragen meist um eigene Pfründe geht, findet sich auch immer eine willfährige Oppositionspartei, die an solchen Verfahren mitwirkt.
Die Bürger können nicht dagegen klagen, weil sie nicht betroffen sind. Das einzige Gegengewicht zu diesem Kartell aus Parteien und Regierung kann der Souverän bilden, der den Abgeordneten in solchen Fällen auf die Finger schauen kann.
Es gibt einen weiteren wichtigen Grund, warum mit dieser Verfassungsänderung das verpflichtende Verfassungsreferendum eingeführt werden soll: Das ist schlicht die Debatte um fakultative Referenden. Das Ziel der Einführung fakultativer Referenden liegt in einer besseren Bürgerbeteiligung bei Gesetzgebungsverfahren. Genau diese Bürgerbeteiligung soll unsere Verfassungsänderung sofort garantieren. Wenn wir die Thüringer Verfassung jetzt ändern und die verpflichtende Mitwirkung des Volks bei Verfassungsänderungen einführen, dann können die Thüringer Bürger bereits über die Einführung fakultativer Referenden abstimmen. Jeder in diesem Hohen Haus, der das Volk zukünftig stärker an den Gesetzgebungsverfahren partizipieren lassen will, so wie es das Grundgesetz vorsieht, und der über die Einführung fakultativer Referenden debattiert, kann dem Volk mit unserem Verfassungsänderungsantrag die Mitwirkung sofort eröffnen. Wir müssen also nicht warten, bis fakultative Referenden eingeführt werden, um dem Volk die Mitsprache zu ermöglichen. Wenn Sie heute zustimmen, werden die Bürger sofort bei allen zukünftigen Verfassungsänderungen eingebunden sein können. Das heißt, dass das Volk sein Stimmrecht bereits bei der Einführung von fakultativen Referenden ausüben kann. Indem das Parlament das Volk an der Gesetzgebung mitwirken lässt, können wir sofort ein Zeichen gegen die Politikverdrossenheit setzen. Denn so lässt sich sicherstellen, dass zukünftig die Belange der Bürger in der Gesetzgebung berücksichtigt werden müssen.
Wir von der AfD-Fraktion eröffnen hier in dem Bereich den Dialog. Und vor allem: Wir müssen damit nicht warten, bis fakultative Referenden eine Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung erlauben. Hier und heute können wir dem Bürger ein Stimmrecht bei Verfassungsfragen einräumen. Denn dann kann das Volk seine Rechte, die derzeit zur Diskussion stehen, sofort nutzen und sich in seiner Gesamtheit an der Einführung fakultativer Referenden beteiligen. Nun zeigt sich bei der Abstimmung, ob RotRot-Grün und die CDU es ernst meinen mit der direkten Demokratie. Wir bitten zur weiteren Beratung um Überweisung an den Ausschuss für Justiz. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Kießling. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Doch! Bitte, Herr Brandner.
Meine Damen und Herren, ich muss noch mal den Kollegen Scherer direkt ins Visier nehmen. Sie bilden ja mit dem Kollegen Mohring zusammen heute so ein richtig begnadetes Schauspielerduo. Beide
erzählen irgendwas und werden nicht rot dabei, und das Irgendwas ist was, was Sie noch nie gesagt haben.
Herr Scherer, Sie haben es hier wirklich wunderbar in den Zeitablauf gebracht. Ihr Auftritt hier vorn war wirklich imposant.
Am 01.05. – ich kann das nur immer wiederholen, sodass es auch der Letzte bei Ihnen versteht –, am 01.05.2016 verabschiedet die AfD ein Grundsatzprogramm, in dem die fakultativen Referenden stehen, ganz am Anfang unter Punkt 1 – ganz wichtig, ganz oben. 01.05.2016, wir rechnen, wir schreiben einmal mit.
Am 23. Juni 2016 – haben Sie, glaube ich, gesagt – kommt die CDU auf diese Idee. Herr Scherer, und da erkennen Sie keinen Zusammenhang? Da stellen Sie sich tatsächlich hier hin und sagen, wir würden Ihnen nachlaufen? Läuft bei Ihnen die Zeit rückwärts oder wie hat man das zu verstehen?
Das ist vielleicht der Grund. Sie haben es nicht gelesen. Das ist eine ehrliche Antwort. Das verstehe ich dann, Sie haben es nicht gelesen, okay. Aber ich kann Sie beruhigen, noch mehr übertroffen wird das hier von der Dame von der Linken, wir wären die Partei des Zwangs. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wir wären die Partei des Zwangs, weil wir Volksabstimmungen einführen würden.
Alle Leute müssten dann sozusagen abstimmen. Also jetzt im Ernst, das mit dem Abstimmenmüssen – wahrscheinlich bedauern Sie das –, das war in der untergegangenen DDR so, dass alle da hinmussten. Wahrscheinlich läuft bei Ihnen die Zeit auch rückwärts.
Wir haben nicht da reingeschrieben, dass Sie abstimmen müssen. Mit dem gleichen Argument können Sie auch die Bundestagswahlen abschaffen.
Wir zwingen die Leute nicht, wählen zu gehen. Das wünschen Sie sich vielleicht, aber ich habe es vorhin hier durch einen Zwischenruf deutlich gemacht.