Protocol of the Session on September 1, 2016

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Man weiß ja nie!)

Sie hatten mich ja gebeten, auch noch einmal was zu der Passage mit Blick auf die Beitragsfreiheit zu sagen. Das will ich selbstverständlich gern tun. Ja, wir haben uns dazu bekannt, das Landeserziehungsgeld abzuschaffen. Aber nicht von einem Tag auf den anderen, sondern das läuft aus. Das wissen wir auch alle. Vollständig steht uns das Lan

deserziehungsgeld also erst ab 2018 zur Verfügung, um es für frühkindliche Bildung zu verwenden. Sie wissen alle, wir haben hier einen Doppelhaushalt 2016/2017 verabschiedet. Darin ist kein beitragsfreies Jahr enthalten. Das konnte es auch nicht, weil die Gegenfinanzierung dafür noch gar nicht da war. Im Haushalt 2018/2019 wird sich genau das wiederfinden, meine sehr geehrten Damen und Herren, da werden wir liefern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und jetzt noch zur inhaltlichen Debatte, auch dazu will ich etwas sagen. Wir diskutieren das in der Koalition, ja. Im Koalitionsvertrag steht – völlig richtig haben Sie da zitiert –, dass wir das erste Jahr beitragsfrei stellen wollen. Das war und ist auch pädagogisch gut zu begründen, weil das erste Jahr ganz entscheidend ist, weil das die Entscheidung bringt, wann sich Eltern dazu entschließen, ihr Kind beispielsweise in eine Kita zu geben, ab wann das Kind entsprechende Förderung dort erfährt. Wir müssen aber auf der andere Seite auch anerkennen, dass wir es finanzieren können müssen, denn Geld fällt bekanntlich nicht vom Himmel, und dass uns auch Qualität wichtig ist. Deswegen ringen wir im Moment in der Koalition um die bestmögliche Lösung. Es wird ein beitragsfreies Jahr geben, aber es darf dabei keine Qualitätsabstriche geben und das ist für uns ganz entscheidend. Entscheidend ist die Qualität

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und da hilft es wenig, dass wir sagen, wir sind bundesweit überall an der Spitze, was die Anzahl der Kinder anbelangt, die sich in den Kindertagesstätten, die wunderbare Arbeit leisten, befinden. Die Betreuungsverhältnisse in unseren Kindertagesstätten sind jedoch denkbar schwierig. Wir haben zum Beispiel bei den Drei- bis Vierjährigen von eins zu 16 Betreuungsschlüssel, in vielen anderen Ländern haben wir Betreuungsschlüssel von eins zu zwölf. Wenn wir das verbessern wollen, ist das teuer. Das kostet ungefähr 30 Millionen Euro, wenn man diesen Betreuungsschlüssel entsprechend verbessern will. Genau das müssen wir alles zusammendenken, auch mit der Beitragsfreiheit, denn – das will ich auch ganz deutlich sagen – für diejenigen, die im Moment im Regelleistungsbezug sind, also Familien, die ohnehin nur ganz wenig Einkommen haben, werden die Elternbeiträge im Moment übernommen und das soll ja auch so bleiben. Es gibt aber viele Familien, die immer knapp über dieser Grenze sind und für die ist es ganz schwierig. Im Übrigen ist es da auch oft schwierig für Familien mit nur einem Kind, mit mehreren Kindern wird es eben mitunter noch schwieriger. Aber uns ist es in jedem Fall zu eindimensional, sich nur auf diesen einen Punkt zu beziehen, deshalb werden wir in Bälde ein

ganz umfängliches, neues Paket zum Kita-Gesetz auf dem Tisch liegen haben, was Beitragsfreiheit beinhaltet, was Verbesserungen in der Qualität beinhaltet. Deswegen – so sagen wir – können wir diesen Gesetzesvorschlag mit diesen nur zwei minimalen Punkten auch getrost ablehnen, müssen diesen nicht weiter verfolgen und empfehlen deshalb auch keine Verweisung an den Ausschuss. Vielen herzlichen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordnete Herold das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und im Internet, ich habe von meiner Kollegin Muhsal die Aufgabe übernommen, diese Rede zu halten. Frau Muhsal ist gerade anderweitig beschäftigt.

Herr Kowalleck, wenn Sie, bevor Sie Frau Muhsal attackieren, sich beim Präsidium erkundigt hätten, wer die Rede hält, wäre Ihnen dieser Fauxpas nicht unterlaufen.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Frau Muhsal ist Mitglied im Bildungsausschuss!)

Ja, es gibt hier so viele alberne Angriffe ad personam, dass ich mit Protokollieren gar nicht nachgekommen bin und jetzt gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, aber ich fange bei Frau Rothe-Beinlich an.

Frau Rothe-Beinlich, wenn Sie mal in meinem Alter sind und Sie sind immer noch zufällig im Thüringer Landtag vertreten, dann frage ich Sie mal, ob Sie zu dieser Zeit auch so viel arbeiten, wie ich es gerade tue. Und wenn ich nicht im Erfurter Stadtrat bin, dann garantiere ich Ihnen,

(Beifall AfD)

ich habe für mein Landtagsmandat oder für meinen Kreisverband oder für meine Praxis gearbeitet und finde es hier nicht zum Thema passend und einfach albern bis geschmacklos, hier solche persönlichen Dinge zu verwursten, statt argumentativ sachlich

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist denn daran persönlich?)

auf unseren Antrag einzugehen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das merken Sie gar nicht! Dafür haben Sie kein Gespür!)

Das Nächste ist der Vortrag der Linken zu unserer Programmatik. Die Linke betreibt mit ihren albernen Vorhaltungen, wir würden

(Abg. Rothe-Beinlich)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Stimmt, das ist Ihr Programm! Alberne Vorhaltungen!)

ein mittelalterliches oder 50er-Jahre-Frauenbild hier betreiben und propagieren, die Linke betreibt hiermit das Geschäft des Arbeitsmarkts und des Finanzministeriums,

(Beifall AfD)

indem sie Mütter entweder zu Lohnarbeitern oder zu Steuernutzvieh umfunktionieren möchte, die ihre gerade geborenen Kinder möglichst kurz nach dem Abstillen in Fremdbetreuung geben. Fremdbetreuung ist etwas anderes als die natürliche Bindung zwischen Mutter und Kind. Ganz Deutschland steht mit weinenden Augen am Zaun, wenn Knut, der Eisbär, von einem fremden Mann mit der Flasche aufgezogen werden muss.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Wie al- bern!)

Und alle stehen da und weinen, weil das Schicksal dieses armen, kleinen Eisbärenkinds sie rührt und betrübt. Was machen wir mit unseren eigenen Kindern? Wir geben die ab, wir geben die in fremde Hände, wir interessieren uns nicht für Mutter-KindBindung, wir interessieren uns nicht für das Kindeswohl. Und wenn wir darauf hinweisen, dass die Mutter-Kind-Bindung existenziell und lebensbiografisch prägend ist,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?)

dann werden wir dafür kritisiert und uns wird vorgeworfen, wir wollten die Frauen ans Kindbett oder an den Herd ketten. Das ist ebenso albern wie unzutreffend.

Es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Voigt.

Nein, danke.

Die Linke sollte sich ernsthaft damit beschäftigen, was wir wirklich wollen in unserer Programmatik; wir wollen echte Wahlfreiheit.

(Beifall AfD)

Wenn Frauen, die arbeiten gehen wollen, oder auch die, die das müssen, dann ihr Kind in fremde Hände geben müssen, dann sollen sie echt die Wahl haben zwischen den verschiedenen möglichen Betreuungsformen und dafür auch eine finanzielle Unterstützung bekommen. Ob das dann eine Tagesmutter ist oder ein Au-pair oder vielleicht die Großmutter, die ihren Beruf aufgibt, um das Enkelkind zu betreuen, oder ob die Mutter selbst zu

Hause bleibt oder ob sie eine staatliche Kinderbetreuung wünscht. Wir setzen uns dafür ein, dass die Frauen Wahlfreiheit bekommen.

An dieser Stelle ist es wichtig, dass Frauen mit Kindern, Familien mit Kindern und die Mehrkindfamilie, die setzt bei zwei Kindern an, möglichst finanziell nicht über Gebühr belastet werden. Darum haben wir diesen Antrag eingebracht. Es geht nicht darum, den Kommunen ihr Selbstverwaltungsrecht zu beschneiden, da ja schon etliche Kommunen – wie hier vorgetragen wurde – in Thüringen willens und in der Lage sind, soziale Ungerechtigkeiten zu begrenzen, indem sie die Kinderzahl und das Einkommen berücksichtigen. Es muss also offensichtlich möglich sein, ohne die heilige Kuh „kommunale Selbstverwaltung“ zu schlachten, an dieser Stelle den Familien eine Unterstützung und Hilfe zu geben. Die kommunale Selbstverwaltung besteht nicht aus den Gesetzestafeln des Sinai. Das sind Gesetze, die von Landtagen, Kreistagen und Stadtverwaltungen gemacht sind, die sind auch zu ändern. Deswegen haben wir dieses Gesetz hier eingebracht.

Die Beitragsfreiheit, die hier als ganz großartige Angelegenheit angeführt wird, die garantiert irgendwann kommen wird, sehen wir nicht als unbedingt taugliches Mittel, um Familien zu entlasten, denn davon profitieren eben nicht alle Familien, und schon gar nicht alle die, die Beiträge für Kindereinrichtungen bezahlen müssen. Ich finde es höchst ungerecht und unsozial, wenn immer nur ein Kind jeweils in der Kita …

Frau Abgeordnete Herold, ich bitte Sie, kurz innezuhalten. Ich würde die Sitzung unterbrechen, da ist eine vollverschleierte Dame. Ich bitte den Sitzungsdienst, für Ordnung im Plenarsaal zu sorgen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach, das hat sie so Wichti- ges zu tun! Sie muss sich verkleiden!)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Ach, die ist das!)

Frau Muhsal, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Das ist wirklich peinlich. Nonverbale Äußerungen sind nicht zulässig. Ich habe Frau Muhsal einen Ordnungsruf erteilt. Ich bitte Sie, sich im Plenarsaal angemessen zu verhalten.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Statt sich hier der Debatte zu stellen, führt sie hier ein Kasperltheater auf. Das ist unfassbar!)

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Kindergar- ten!)

(Abg. Herold)

Die Beitragsfreiheit kommt eben nicht den Familien zugute, die mehrere Kinder in Kindergarten, Hort oder in einer Kinderkrippe haben, sondern sie begünstigt nur eine kleine Gruppe von Personen. Wir haben außerdem erhebliche Zweifel daran, dass die Beitragsfreiheit vor 2019 hier in Thüringen – wenn überhaupt – kommen wird, wobei wir uns noch fragen, wie hochverschuldete Städte wie Erfurt das überhaupt auf die Beine bringen können. Erfurt wird sich mit dem Projekt Stadionbau maßlos finanziell übernehmen, wird sich mit der Buga übernehmen. Wir haben berechtigte Zweifel daran, dass für Erfurt die Beitragsfreiheit kommen wird, es sei denn, auf dem Rücken der Eltern, die über erhöhte Gebühren – Kindergartengebühren, Hortgebühren – die Stadtkasse mit sanieren sollen.

(Beifall AfD)

Die Eltern sollten nicht stärker belastet werden, als ihre wirtschaftliche Situation das irgendwie hergibt.

(Unruhe im Hause)