Protocol of the Session on August 31, 2016

an alle senden, die keine legale Möglichkeit haben, nach Deutschland zu kommen und hier auch zu bleiben. „Kommen Sie bitte trotzdem! Unsere Regeln sind uns selbst nicht mehr wichtig!“, wäre die Botschaft. Das wäre aber die falsche Botschaft. Die Belohnung von rechtswidrigem Handeln lässt sich auch durch eine emotionalisierte Wortwahl unter keinen Umständen rechtfertigen.

(Beifall CDU)

Wenn der Herzenswunsch des Ministerpräsidenten verwirklicht würde, hinge die deutsche Staatsbürgerschaft nicht mehr von der Einhaltung bestimmter Regeln ab, sondern davon, wie weit und wie lange gegen unsere Regeln verstoßen würde. Letztlich ist dann der Gesetzestreue der Dumme, meine Damen und Herren, und das kann nicht sein. Das Ganze gleicht einem Sitzschein. Aber einen Sitz

schein gibt es vielleicht an der Universität, den man bei einem Fach, das man mal eben aus Interesse anhört und wo man am Ende einfach die geforderte Zeit da war, erhält. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist aber keine Nebenbeiveranstaltung, meine Damen und Herren. Für die deutsche Staatsangehörigkeit reicht kein Sitzschein und schon gar nicht, wenn man diesen auch noch rechtswidrig erwirkt.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das deutsche Aufenthaltsrecht baut auf Regeltreue, Wahrheit gegenüber dem Staat und seinen Organen und im weiteren Schritt auf nachgewiesene Integration. Bei dieser Integration müssen Sie sich als Landesregierung endlich an die eigene Nase fassen und Ihre Hausaufgaben machen. Ein Landesintegrationskonzept ist seit Mitte letzten Jahres in Arbeit – wann es kommt, kann keiner sagen. Handreichungen für Ehrenamtliche, einen Leitfaden, ein Konzept, um diejenigen professionell einzubinden, die sich schon engagieren, gibt es bis heute nicht.

Meine Damen und Herren, liefern Sie in der Integration endlich, was Sie seit Monaten ankündigen, und hören Sie auf, mit ständig neuen, abwegigen Forderungen unser Rechtssystem ad absurdum zu führen!

(Beifall CDU)

Ich darf die Kollegen noch mal bitten: Wenn der Herr Herrgott spricht, dann sollte etwas mehr Andacht im Saal herrschen.

(Beifall CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Das gilt aber für alle anderen Kollegen auch.

Jetzt rufe ich auf Frau Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Gäste, die CDU hat für ihre Aktuelle Stunde eine Überschrift gewählt, die mich zunächst hat vermuten lassen, dass diese Aktuelle Stunde von einer anderen Fraktion in diesem Hause stammt,

(Beifall DIE LINKE)

beinhaltet sie doch eine Wertung, die aus unserer Sicht jedenfalls schon im Grunde falsch ist. Ich will das auch begründen.

Für uns beginnt Willkommenskultur tatsächlich und im wahrsten Sinne des Wortes bereits im Kreißsaal. Wir wollen, dass jeder Mensch, der hier geboren

(Abg. Herrgott)

ist, von Anfang an auch dazugehören kann. Vielen Dank daher vonseiten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an Bodo Ramelow für seinen Vorstoß für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist übrigens für uns auch nicht ganz neu als Grüne, denn wir haben bereits 2015 einen Gesetzentwurf in der Drucksache 18/5631 in den Bundestag eingebracht, der genau diesen Weg ebnen sollte. Unser Ziel ist ganz klar, dass hier geborene Kinder, deren Eltern mit einem Aufenthaltstitel in Deutschland leben, von Anfang an auch Deutsche sein können. Tatsächlich ist es so, dass nur jedes zweite Kind von ausländischen Eltern, das in Deutschland geboren wird, die deutsche Staatsangehörigkeit bekommt. Voraussetzung ist nämlich, dass die Eltern acht Jahre hier leben und einen unbegrenzten Aufenthaltstitel haben. Das heißt, sie sind also entweder EU-Bürger oder bei Drittstaatlern Inhaber einer Niederlassungserlaubnis. Das sind viel zu hohe Hürden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Außerdem bezieht sich die Aktuelle Stunde von der CDU-Fraktion auch auf die Menschen, die sich ohne behördliche Genehmigung in Deutschland aufhalten oder sich dem Zugriff der Polizei durch sogenanntes Untertauchen entzogen haben. Diese werden dann wie in Ihrer Überschrift oft verächtlich „Illegale“ genannt, illegale Flüchtlinge.

(Zwischenruf Abg. Kellner und Abg. Fiedler, CDU: Sie sind illegal!)

Menschen sind niemals illegal. Kein Mensch ist illegal. Ich werde Ihnen das gleich noch erklären.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Diese Menschen sind auch alles andere als kriminell. Sie werden stattdessen kriminalisiert, und zwar durch das geltende Aufenthalts- und Ausländerrecht in Deutschland. Die sogenannten irregulären Migrantinnen, Statuslosen, in Frankreich nennt man sie „Sans-Papiers“, bei uns Papierlose, sind in Wahrheit

(Unruhe CDU)

hören Sie doch erst mal zu! –

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Man- che wollen nicht zuhören!)

größtenteils arbeitende Menschen, die lediglich ohne geregelten Aufenthalt hier leben. Und was bedeutet das für diese Menschen? Sie werden häufig aufgrund ihrer schwierigen Aufenthaltssituation besonders perfide ausgebeutet. Sie müssen in schlecht bezahlten Jobs arbeiten, zum Beispiel in der Gastronomie, in sogenannten haushaltsnahen Dienstleistungen, in der häuslichen Pflege oder

aber auch in Helferberufen. Zu ihnen gehören übrigens auch viele ältere Familienangehörige Geflüchteter und deren Kinder, die lediglich ihren Familien gefolgt sind. Diese Menschen, das müssen Sie sich bitte einmal klarmachen, haben einen erschwerten oder gar keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Bildungseinrichtungen wie Kita und Schule sowie zu Sozialleistungen, obwohl diese ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als vollziehbar Ausreisepflichtige formal sogar zustehen. Die Situation dieser Menschen ist bedrückend. Man kann die Augen verschließen oder man kann sich der Situation stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es Aufgabe des Ministerpräsidenten einer rot-rot-grünen Koalition, die sich im Übrigen – so kann man es im Koalitionsvertrag nachlesen – einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik verschrieben hat, sich dafür einzusetzen, diese Menschen aus dem Schattendasein und der oktroyierten Illegalität herauszuholen und ihnen damit dauerhaft legalisierten Aufenthalt zu ermöglichen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen ist das auch nichts, was in Europa ein Sonderweg wäre. Das Gegenteil ist eher der Fall, denn andere Länder haben uns das mehrfach vorgemacht. Exemplarisch will ich hier nennen: Italien zuletzt 2002, Portugal 2004, Frankreich 2004 bis 2006 und Spanien zuletzt 2005. Hier wurden bereits Gesetze zur Legalisierung von Statuslosen zugelassen. Die Initiative von Bodo Ramelow unterstützen wir daher vollumfänglich. Eine Legalisierung kann den hier lebenden statuslosen Menschen neue Perspektiven eröffnen. Möglich wäre beispielsweise, die Legalisierung an eine bestimmte Zeit des Aufenthalts in Deutschland zu knüpfen. Im Koalitionsvertrag haben wir beispielhaft die Schaffung eines Modellprojekts zur medizinischen Versorgung von Papierlosen verankert. Auch eine Altfallregelung für lange andauernde Asylverfahren finden wir richtig und fordern sie als Grüne schon lange. Damit könnte das BAMF mit einem Schlag im Übrigen auch von Hunderttausenden Altfällen befreit werden. Gleichzeitig kann auf diesem Weg die oft unerträgliche Ungewissheit vieler Menschen im Asylverfahren beendet werden. Für uns Grüne – und damit möchte ich auch schließen – gilt der aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde abgeleitete Grundsatz: Kein Mensch ist illegal. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Rothe-Beinlich. Ich möchte Herrn Höcke das Wort für die AfD-Fraktion erteilen.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Besucher auf der Tribüne, ich will mit einem Zitat beginnen, mit einem Zitat des Politologen Peter Graf von Kielmansegg: „Staatsbürgerschaft, ernst genommen, bedeutet aber nicht nur, Rechte gegen das Land und in dem Land zu haben, dessen Bürger man ist. Es bedeutet im Kern, Mitverantwortung für dieses Land zu übernehmen.“

(Beifall AfD)

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, Staatsbürgerschaft kann grundsätzlich kein Berechtigungsschein für Sozialleistungen, kein Behördenpapier ohne symbolischen Wert und kein Instrument der multikulturellen Umwandlung sein. Alles das ist sie aber in unterschiedlicher Gewichtung für die Altparteien. Für die AfD ist die Staatsbürgerschaft, gleich ob der Inhaber ein Biodeutscher ist oder ausländische Wurzeln hat, ein Beleg für die belastbare und ungeteilte Loyalität des Dokumenteninhabers, eine Loyalität, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, die im hypothetischen Konfliktfall zwischen dem alten Heimatland und dem neuen Heimatland ohne Wenn und Aber zur Verteidigung des neuen Heimatlandes führen sollte.

(Beifall AfD)

Das Lernen einer neuen Sprache und das Einpassen in ein neues Werte-, Sitten- und Normgefüge sind eine sehr anspruchsvolle Angelegenheit. Das wissen wir. Aber es gilt nach wie vor die alte Einsicht, die das produktive Arbeitsethos unserer Breiten wesentlich befördert hat und die lautet: Vor den Preis haben die Götter den Fleiß gesetzt. Wenn die Linken und ihr Ministerpräsident die Staatsbürgerschaft an Kinder von Asylbewerbern verteilen wollen, möchten sie sich zweifellos ein neues Wählerklientel schaffen,

(Beifall AfD)

aber mit diesem Trachten unterwandern Sie den republikanischen Staatsbürgerschaftsgedanken, auf dem unsere demokratische Verfasstheit ruht, noch weiter. Denn nach der rot-grünen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts bekommt bereits seit dem 1. Januar 2000 ein Kind ausländischer Eltern automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil seit acht Jahren einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, der Migrationsdruck wird durch die automatische Staatsbürgerschaft noch weiter steigen. Den Multikulti-Ideologen in diesem Hohen Haus – und das dürfte leider noch die Mehrheit sein – mag das sicherlich gefallen. Dass wir überhaupt von Staatsbürgerschaft im Rahmen von Asylberechtigten und anerkannten

Flüchtlingen sprechen müssen oder sollen, ist eigentlich schon ein Skandal, denn diese Gruppe, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, darf sich nach der Genfer Flüchtlingskonvention nur so lange in Deutschland aufhalten, wie die Fluchtgründe bestehen. Das Asylrecht ist – man muss es immer wieder in aller Deutlichkeit sagen – kein Einwanderungsrecht.

(Beifall AfD)

Das Asylrecht ist ein Gastrecht auf Zeit. Die AfD wird dafür Sorge tragen, dass es das in Zukunft auch wieder wird. Die CDU ist – auch wenn ich weiß, sehr verehrte Kollegen von der CDU, dass das nicht alle in Ihren Reihen wollen – willentlich oder unwillentlich Teil des links-grünen Multikulturalisierungsprojekts,

(Beifall AfD)

denn Sie hätten nach der Regierungsübernahme im Bund die Möglichkeit gehabt, das bewährte Staatsbürgerschaftsrecht, das bis zum Jahre 1999 galt, wieder in Kraft zu setzen. Nichts ist passiert. Im Gegenteil: 2014 ist die sogenannte Optionspflicht von Ihnen noch gelockert worden. Auch der Titel Ihrer Aktuellen Stunde zeigt, dass Sie über die klassische Altparteiensymptompolitik leider nicht hinwegkommen. Er lautet, um das noch einmal in Erinnerung zu rufen: „Keine deutsche Staatsbürgerschaft für illegale Flüchtlinge“. Was ist mit den legalen Flüchtlingen? Auch für Sie scheint Asylrecht und Einwanderungsrecht ein und dasselbe zu sein – das ist es aber nicht.

(Unruhe CDU)