Protocol of the Session on May 20, 2016

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Forderung nach einem Konzept für den Lehrkräftebedarf und weitere Forderungen werden wir selbstverständlich gern im Ausschuss beraten. Das hatte Herr Wolf auch schon ausgeführt. Wenn wir uns dann anschauen, dass es selbstverständlich auch noch weitere Fachkräfte braucht, ist das ein Thema, was das Bildungsministerium, wie Frau Klaubert ausführte, bereits im Blick hat, wir können dies aber auch gern im Ausschuss noch diskutieren. Ich denke weiterhin, dass wir einige Aspekte wie die flexiblere Zuweisung von Lehrerwochenstunden – das ist ein Thema, was viele Schulen bewegt – und auch die weitere Unterstützung von Schulen ebenfalls im Ausschuss intensiver diskutieren können. Auch die sogenannten BVJ-S, also die Sprachklassen in der Berufsvorbereitung, sind ein wichtiger Baustein. Allerdings sollten wir dabei auch über einen breiteren Zugang zum Abitur nachdenken. Ich will nämlich eines auch noch mal hier im Plenarsaal zur Kenntnis geben: Im Moment scheitert die Aufnahme vieler Kinder nicht deutscher Herkunftssprache in einem Gymnasium daran, dass sie keine zweite Fremdsprache mitbringen, weil ihre Muttersprache nicht als Fremdsprache selbst anerkannt wird. Das ist natürlich in gewisser Weise paradox, denn die Voraussetzung, dann weitere zwei Fremdsprachen mitzubringen, erfüllt fast niemand von diesen Kindern und wir schließen sie damit nahezu automatisch vom Besuch unserer Gymnasien aus. Das kann nicht im Sinne von uns allen sein. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir das Gymnasium, aber auch die Berufsfachschulen beispielsweise weiter öffnen.

(Beifall DIE LINKE)

Als rot-rot-grüne Fraktionen sind wir in intensiven Gesprächen, wie wir die Situation an den Schulen unterstützen können und erarbeiten derzeit dazu auch einen Alternativantrag. Auch wollen wir die Schulen und Lehrkräfte bei der wichtigen Aufgabe der Beschulung von Kindern nicht deutscher Herkunftssprache bestmöglich unterstützen. Ich sage es noch einmal: Unser Ziel ist es, für jeden nach Thüringen geflüchteten Menschen soziale Teilhabe und Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Ich hoffe, es ist klar geworden, dass einige der Forderungen der CDU ganz klar in die falsche Richtung gehen, andere Punkte aber durchaus zu besprechen sind. Daher freue ich mich über eine Fortberatung dazu im Ausschuss. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeordneten Tischner, CDU-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schüler und Eltern an den Livestreams! Zunächst ein Dank an Frau Rothe-Beinlich, die nach zwei Reden zum eigentlichen Thema zurückgefunden hat, denn sowohl das, was Herr Wolf hier ausgeführt hat, als auch das, was Herr Möller von der AfD hier ausgeführt hat, waren beides Parteitagsreden, aber keine Reden, die hier im Landtag zu diesem Thema hätten gehalten werden sollen.

Meine Damen und Herren, mit der Vielzahl an Flüchtlingen, die seit dem vergangenen Jahr in unser Land kommen und Schutz vor Gewalt und Verfolgung suchen, kommen eben auch viele Kinder und Jugendliche. Diese jungen Menschen sind geprägt vom Verlust der Heimat, des persönlichen Umfelds und nicht selten auch der Eltern und Verwandten. Diese jungen Menschen kommen in unser Land und bedürfen unserer Gastfreundschaft, wie diese umgedreht auch diese Gastfreundschaft leben, annehmen und pflegen müssen. Es ist unsere Aufgabe und menschliche Pflicht, die Menschen gut in unserem Land aufzunehmen, wenngleich Deutschland und der Feistaat nicht allein diese riesige Aufgabe schultern können und dürfen. Bei Kindern und Jugendlichen spielt dabei die Schule die entscheidende Rolle. In der Schule können sie Freundschaften schließen, viel über das Gastland, die fremde Sprache, dessen Sitten und Gebräuche lernen und sie haben auch die Chance, mit dem erworbenen Wissen später ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben in unserem Land oder bestenfalls wieder in ihrer Heimat zu führen.

Die Zuwanderung schulpflichtiger Flüchtlinge ist eine der größten bildungspolitischen und pädagogischen Herausforderungen der letzten Jahre und sie fällt in eine Zeit, wo das Thüringer Schulsystem vor dem größten Generationswechsel seit den 1970erJahren steht. Die Landesregierung muss jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Schulen ihren Beitrag für eine gelingende Integration der Flüchtlinge im Kinder- und Jugendalter leisten können. Gelingt dies nicht, werden gerade jugendliche Ausländer von Islamisten und linken Radikalen aufgefangen, die ihnen Bildungsangebote liefern, die wir alle nicht wollen und die wir auch nicht finanzieren dürfen.

(Beifall AfD)

(Abg. Rothe-Beinlich)

An dieser Stelle möchte ich durchaus Frau Ministerin Dr. Klaubert danken. Sie berichten – es wurde auch mehrfach darauf hingewiesen – regelmäßig im Ausschuss, allerdings nicht öffentlich, über die Problematik. Dies war der Grund dafür, warum wir diesen Antrag formuliert haben mit Blick auf die verschiedenen Lösungsansätze, die auch von außen an uns alle herangetragen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, fast wöchentlich finden sich in den Zeitungen unseres Freistaats Berichte aus Schulen, wie angespannt die Situation in vielen Einrichtungen ist. Herr Wolf, Sie sollten vielleicht nicht nur in die Vorzeigeeinrichtungen gehen, sondern in die ganz einfache, normale Praxis.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Kom- men Sie doch einfach mal mit!)

Seit einiger Zeit weisen auch die Lehrerverbände – das ist schon mehrfach gesagt worden – auf die Probleme in unseren Schulen hin. Sie alle haben die Hilferufe aus Altenburg vernommen, Sie alle kennen die Beispiele aus Erfurt und weit darüber hinaus. Es ist nicht zu bestreiten und nicht zu kritisieren, dass Sie die Absicht haben, sehr geehrte Landesregierung, zusätzlich 300 Lehrer einzustellen. Es ist auch gut, dass Sie Qualifizierungsangebote am ThILLM vorhalten und Deutschlehrer für die neuen Aufgaben qualifizieren. Dennoch zeigen sich gerade in diesen drei Bereichen auch riesige Probleme, die wir weiter angehen müssen – ich komme gleich drauf.

Die Amtsleitung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport wäre auch gut beraten, ihre Homepage an die Aktualität anzupassen. So eine Homepage ist die Visitenkarte eines Ministeriums. Hier finden sich aber keine Antworten auf die Fragen zum Umgang mit Flüchtlingen in Schulen. Hier finden sich auch keine attraktiven Stellenangebote. Hier finden sich noch nicht einmal Hinweise, dass man Lehrer sucht. Schauen Sie nach Bayern, schauen Sie nach Sachsen, schauen Sie nach Baden-Württemberg: So informiert man über Flüchtlinge in Schulen und so wirbt man Lehrer für diese Aufgabe!

Meine Damen und Herren, im Wettstreit um Lehrer mit entsprechenden Qualifikationen sind wir in einem Bot mit den anderen 15 Bundesländern. Thüringen ist nicht das attraktivste Bundesland für die jungen Bewerber. Das zeigen die Einstellungen und das zeigen auch die monatlichen Kündigungen von Kolleginnen und Kollegen. Befristete Stellen sind keine Option, gerade nicht in diesem Bereich der Flüchtlingsbeschulung und insbesondere dann nicht, wenn nach zwei Jahren keine Perspektive auf eine Entfristung für die gute und erfolgreiche und wichtige Arbeit der Kollegen erfolgen kann.

Es gibt Probleme in der Beschulung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Es gibt Probleme bei Fachpersonal wie Dolmetschern, Schulpsychologen und Sozialarbeitern. Es gibt Probleme in der Kommunikation mit den Schulämtern oder beim Vorhalten spezifischer Arbeitsmaterialien. Es ist hier mehrfach gelobt worden, dass durchaus Geld für Arbeitsmaterialien eingestellt worden ist, aber leider hört man immer wieder von den Schulen vor Ort, dass diese Gelder, dass die Sachleistungen nicht unten ankommen, weil in den Schulämtern viel zu viel Bürokratie herrscht.

Liebe Kollegen der Linken, SPD und Grünen, auch der AfD, bitte verschließen Sie nicht die Augen vor der Realität. Ja, Sie haben im Haushalt einige Dinge für die Beschulung von Flüchtlingen gemacht, aber es bewahrheitet sich, was meine Fraktion in den Haushaltsberatungen deutlich prophezeit hat: In keinem anderen Bereich ist der Haushalt so auf Sand gebaut wie in dem Bereich der Bildung von Flüchtlingen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Fragestellungen und der großen zusätzlichen Belastungen für unsere Schulen war es richtig und wichtig, dass der Thüringer Lehrerverband gemeinsam mit der Landesschülervertretung, gemeinsam mit der Landeselternvertretung Ende 2015 bereits eine gemeinsame Resolution zur Flüchtlingskinderbeschulung beschlossen hat, und die Punkte haben wir als CDU-Fraktion sehr gern aufgegriffen. Ähnliche Positionierungen haben uns auch, und hoffentlich auch Sie, vom Thüringer Philologenverband erreicht und auch die bildungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktionen in Deutschland haben im vergangenen Jahr auf Initiative von Thüringen ein Positionspapier zur Beschulung von Flüchtlingskindern beschlossen. Insofern greift der heute vorliegende Antrag die Diskussionen und Überlegungen alle gern auf. Es kommt darauf an, die Thüringer Lehrer und Schulträger mit den großen Herausforderungen eben nicht allein zu lassen. Denn diese nun auf die Lehrer zukommenden Aufgaben führen unweigerlich zu einer Zunahme der bereits existierenden Belastungen und Herausforderungen, über die wir uns alle hier im Haus einig sind. Lehrer schultern derzeit die Hauptlast der Integration. Sie kümmern sich um Kinder und Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ländern. Hierfür auch von unserer Seite an dieser Stelle ein herzlicher Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die den Mangel verwalten und im Ehrenamt derzeit die Beschulung von Flüchtlingskindern übernehmen. Schade, dass diese das nicht offiziell mitteilen können. Dann würde sich der wirkliche Bedarf noch viel deutlicher zeigen. Die Landesregierung sollte daher kurzfristig alle Möglichkeiten ausschöpfen, die eine

unmittelbare Entlastung für die Schulen und Lehrer bedeuten, zum Beispiel durch die Rücknahme des erweiterten Monitorings. Ebenso zu den dringlichen Maßnahmen gehören die Schaffung von Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs und gegebenenfalls auch das Angebot von Supervision. Außerdem muss die Zuweisung von Lehrerwochenstunden viel flexibler gestaltet werden, sodass Veränderungen auch innerhalb eines Schuljahrs berücksichtigt werden können. Denn bei derartig kurzfristigen Veränderungen der Schülerzahlen, wie wir sie 2015 erlebt haben, geht ein starres Zuweisungssystem auf Dauer am Bedarf vorbei.

Eine weitere zentrale Forderung unseres Antrags ist die Einrichtung – alle Redner sind darauf schon kurz eingegangen – sogenannter Vorschaltklassen, in denen sich die geflüchteten Kinder und Jugendlichen zunächst ganz auf den Spracherwerb konzentrieren können, um anschließend am regulären Unterricht teilzunehmen. Denn Sprache ist der Schlüssel für die Teilnahme am Unterricht, aber eben auch der Schlüssel, um im Gastland zu leben. Es ist richtig, wenn Thüringer Lehrer uns mahnen, dass sie einen Bildungsauftrag für alle Schülerinnen und Schüler haben, nicht nur für die Flüchtlinge. Sie dürfen deshalb mit den Sprachproblemen, mit dem Spracherwerb, mit der Sprachförderung nicht allein gelassen werden. Es gilt nämlich im normalen Fachunterricht auch der normale Lehrplan. Dieser Lehrplan muss eingehalten werden. Dafür müssen wir als Politiker auch die Voraussetzungen schaffen und da können wir nicht – auch nicht, Frau Ministerin, im Ethikunterricht oder im Kunstunterricht – darauf hoffen, dass die Lehrer das irgendwie hinwurschteln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Voraussetzung einer gelingenden Integration ist ebenso, dass die zugewanderten Kinder und Jugendlichen an unser humanistisches Wertesystem und die demokratischen Grundlagen unseres Landes herangeführt werden. Werte und Normen sind die Basis für einen gelingenden Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Dies ist allerdings eben auch keine Einbahnstraße. Ich mache keinen Hehl daraus – Frau Ministerin hat auch in dieser Richtung argumentiert –, dass ich mir eine solche Wertebildung im Sinne von Pluralismus, Humanismus und Parlamentarismus auch noch mehr bei vielen deutschen Schülern wünschen würde.

Für unsere Fraktion ist es wichtig, dass in diesen Vorschaltklassen altersgemäß auch die Normen und Werte unserer demokratischen Gesellschaft und unseres Grundgesetzes vermittelt werden, denn das ist das Fundament für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland und Europa. Gerade bei Aufnahme so vieler Menschen aus anderen Kulturkreisen mit unterschiedlichster politischer und gesellschaftlicher Vorprägung sollten wir darauf von Anfang an großen Wert legen. Wir brauchen einen

Konsens über Werte und wir brauchen einen Konsens über Kultur.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr gern haben wir auch einen Vorschlag der Landesschülervertretung aufgenommen. Flüchtlingskindern, die das sechste, aber noch nicht das siebente Lebensjahr vollendet haben, wollen wir die Möglichkeit geben, bis zum Beginn des nächsten Schuljahrs einen Kindergarten zu besuchen, um sich so leichter einzugewöhnen und Sprachkenntnisse zu erwerben. Und, Frau Rothe-Beinlich, dass gerade Sie diesen Punkt so vehement ablehnen, verwundert dann schon, denn das ist eine wirklich richtige, vernünftige Forderung der Landesschülervertretung.

(Beifall CDU)

Natürlich darf solch eine kindorientierte Betreuung nicht auf Kosten der Kommunen geschehen. Die entstehenden Kosten für Investitionen, Personal und Sachleistungen sind in diesem Zusammenhang den Kommunen auch zusätzlich zu erstatten und es muss dann auch möglich sein, dass die bisher üblichen, teilweise sehr hohen Standards wenigstens temporär ausgesetzt werden können.

Nach unseren Vorstellungen können wir die Schulträger eben nicht mit den zusätzlichen Kosten für Unterrichtsmaterial und Schulbeförderung alleinlassen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, den Schulträgern auch die höheren Beförderungskosten, die aufgrund der Zuweisung von Flüchtlingskindern an Schulen entstehen, durch das zuständige Schulamt zu ersetzen.

(Beifall CDU)

Ein sehr überzeugender Vorschlag, den wir ebenfalls gern aufgegriffen haben, kommt auch von der Gewerkschaft der Thüringer Gymnasiallehrer. Es gilt nämlich, in den Vorschaltklassen zur Sprachund Wertevermittlung den Bildungs- und Entwicklungsstand bzw. die Kompetenzen einzuschätzen, um auf dieser Grundlage eine Beschulung an der entsprechenden Schulart zeitnah zu ermöglichen. Es ist also kein konservatives Gerede, was wir hier hineingeschrieben haben, sondern es sind die Forderungen, die uns aus der Praxis mitgeteilt wurden, die in dem Antrag ihren Niederschlag finden.

Ich bin fest davon überzeugt, wir benötigen flexible Entscheidungen bei der Erfüllung der Schulpflicht sowie der Klasseneinstufung im Sinne des einzelnen Kindes. Alle in eine Klasse werfen, das funktioniert nicht, das überfordert die Kinder, das überfordert die Lehrer, das überfordert unser Schulsystem. Nur so können wir eben auch der Individualität gerecht werden, wenn wir sie entsprechend ihrer Leistungen fördern und fordern.

Für ältere Flüchtlinge fordern wir von der Landesregierung ein, dass sie ein ausreichendes Maß an Plätzen für Berufsvorbereitungsklassen Sprache,

BVJ-S, schaffen und den Flüchtlingen anschließend auch den Übergang in das reguläre BVJ ermöglichen. Nur so kann eine gute Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gelingen, denn gerade ein gelungener Einstieg in die berufliche Bildung ist ein zentraler Schritt auf dem Weg zur Teilnahme an unserer Gesellschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren, die CDU-Fraktion wünscht sich eine sachliche und lösungsorientierte Diskussion dieser und möglicherweise weiterer Hilfestellungen für unsere Thüringer Schullandschaft. Wir sollten gründlich, aber zügig im Ausschuss beraten, weil die Lehrer, Eltern, Schüler und Schulträger spätestens zum neuen Schuljahr von der Politik weitere Antworten erwarten, so wie es der tlv in seiner Pressemitteilung mehrfach gefordert hat. Wir wollen und dürfen die Schulen nicht allein lassen. Deshalb beantragen wir die intensive Beratung ebenfalls auch im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Tischner. Als Nächste hat Abgeordnete Rosin für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im vergangenen Jahr bundesweit einen dramatischen Anstieg der Flüchtlingszahlen erlebt. Auch Thüringen musste sich dieser Entwicklung stellen und rasch ebenso grundsätzliche wie weitreichende Entscheidungen zur Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der geflüchteten Menschen treffen. Dieser Aufgabe hat sich die Regierungskoalition angenommen und sie hat diese auch bewältigt. Das zeigt sich nicht zuletzt im Bildungsbereich, in dem insbesondere die schulische Integration der Flüchtlingskinder auf der Agenda steht. Mit dem Doppelhaushalt 2016/2017 hat die Regierungskoalition unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen nicht nur die Zahl der DaZ-Stellen an den Thüringer Schulen verdoppelt, sondern auch mit der Schaffung von bis zu 200 zusätzlichen Lehrerstellen in diesem und bis zu 100 weiteren Lehrerstellen im kommenden Jahr dafür Sorge getragen, trotz flüchtlingsbedingt steigender Gesamtschülerzahlen die Unterrichtsabdeckung für alle Kinder hier in Thüringen zu sichern. Damit hat RotRot-Grün einmal mehr seine Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt und demonstriert, dass die Koalition auch in schwierigen Zeiten in der Lage ist, die richtigen bildungspolitischen Weichenstellungen zu treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Basics wären damit also geregelt und die unmittelba

ren Erfordernisse der Schulen fürs Erste erfüllt. Das ist gut, aber wir können uns natürlich nicht die nächsten Monate nur darauf zurückziehen. Nun gilt es, den geschaffenen strukturellen Rahmen auch mit Inhalten zu füllen und ein umfassendes Konzept für eine gelingende Bildungsintegration der Flüchtlingskinder zu erarbeiten und gemeinsam mit allen an Schule Beteiligten, also mit den Pädagogen, den Eltern, den Schülerinnen und Schülern, den Schulträgern und der Schulaufsicht, erfolgreich umzusetzen. Ich bin daher der CDU-Fraktion für ihren Antrag dankbar, der zumindest partiell auch in diese Richtung geht und in seinen Anstrichen auch bereits einige wesentliche Punkte eines solchen Konzepts skizziert. Zu nennen wären hier aus dem Oppositionsantrag insbesondere folgende Überlegungen: die Ermittlung und Absicherung des konkreten langfristigen Personalbedarfs der Schulen im Hinblick auf Pädagogen und weiteres Fachpersonal, die Erfassung und Berücksichtigung des individuellen Entwicklungsstands und Kompetenzniveaus der Flüchtlingskinder, um daraus abgeleitet zu flexiblen, passgenauen schulischen Bildungsangeboten zu kommen,

(Beifall CDU)

und nicht zuletzt die Ermöglichung von Rückstellungen bei sechsjährigen eigentlich schulpflichtigen Flüchtlingskindern, um ihnen an einer Kindertagesstätte einen leichteren Einstieg in den Spracherwerb durch das Bewältigen von Alltagssituationen in einer Gruppe mit anderen Kindern zu eröffnen. Damit beziehe ich mich auf meine Vorrednerinnen und -redner, die wie Frau Astrid Rothe-Beinlich und auch Herr Wolf, den Regierungsfraktionen angehörend, darauf hingewiesen haben, dass es diese Möglichkeit in Thüringen bereits gibt und die flexibel im Grunde genommen jetzt auch angewandt werden kann. Aus meiner Sicht lassen sich diese Anstriche noch durch weitere Punkte ergänzen, die ebenfalls bei der Erarbeitung eines Konzepts zur schulischen Integration von Flüchtlingskindern Berücksichtigung finden sollten. Dazu gehören die Identifizierung und Abdeckung des konkreten Fortund Weiterbildungsbedarfs der Pädagoginnen und Pädagogen im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität im Allgemeinen und mit Schülern aus anderen Ländern und Kulturen im Speziellen, die Benennung und Umsetzung möglicher konzeptioneller inhaltlicher Veränderungen bei der Pädagogenausbildung selbst, die Erleichterung der Übergänge an den Schnittstellen zwischen Kita und Grundschule und zwischen den einzelnen Schularten als solchen und schließlich auch die Beantwortung der Frage, ob unsere bisherigen Regelungen zur Schulpflicht ausreichen oder ob es nicht sinnvoller wäre, die Schulpflicht, wie in anderen Bundesländern bereits geschehen, zeitlich weiter zu fassen und beispielsweise in begründeten Fällen bis zum 25. Lebensjahr auszuweiten.

(Abg. Tischner)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion ist gern bereit, die Diskussion zu diesen und weiteren Punkten im zuständigen Fachausschuss fortzusetzen. Das gilt selbstverständlich auch für jene Passagen des CDU-Antrags, welche die antragstellende Fraktion offenbar als zentral ansieht, nämlich die Forderung nach Vorschaltklassen. Ich habe bei diesem Thema eine andere Haltung als die Union und überdies den Eindruck, dass bei diesen entsprechenden Anstrichen lediglich ein Beschluss der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz pflichtschuldig abgearbeitet worden ist.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Den ha- ben wir ja geschrieben!)

Aus den Beratungen des Bildungsausschusses in den letzten Monaten sollten die Kollegen der CDU eigentlich wissen, dass wir in Thüringen bereits ein relativ gut funktionierendes und auf individuelle Förderbedarfe beim Spracherwerb ausgerichtetes System aus Vorkurs – meist als Sprachklasse organisiert –, Grundkurs und individualisiertem Aufbaukurs haben. Damit gehen wir in Thüringen so vor, wie es jüngst auch die OECD in ihrer Studie zur Bildungsintegration von Schülern mit Migrationshintergrund empfohlen hat: intensive Sprachförderung zu Beginn, dann aber schnellstmögliche Integration der Kinder in den regulären Klassenverband bei gleichzeitig weiterer, dem individuellen Bedarf entsprechender Förderung des Spracherwerbs. Von der OECD wird diese Herangehensweise als wesentlich effektiver und erfolgversprechender beurteilt als die Bildung abgeschlossener, vom übrigen Schulalltag weitgehend abgekoppelter Vorschaltklassen. Aber auch über diese Frage lohnt es sich an anderer Stelle umfassend und differenziert weiter zu diskutieren. Deshalb wird meine Fraktion in diesen Sachdiskurs mit eintreten. Wir schlagen deshalb die Überweisung des vorliegenden Antrags an den Bildungsausschuss vor. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)