Protocol of the Session on January 29, 2015

den anderen deutschen Innenministern auf der letzten Innenministerkonferenz dafür ausgesprochen, dass Bund und Länder mit geeigneten und koordinierten Präventions- und Interventionsinitiativen Radikalisierungstendenzen frühzeitig entgegenwirken und durch Beratung und Hilfe, beispielsweise gefährdeter Jugendlicher, zur Deradikalisierung beitragen.

Bund und Länder verfolgen – nach meiner Auffassung bereits jetzt – gute Ansätze, die fortentwickelt und finanziell unterlegt werden sollen. Die möglichen Gegenstrategien sind vielfältig und erfordern unterschiedliche Expertisen; sie gehen über die Möglichkeiten von Polizei und Verfassungsschutz weit hinaus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, eine erfolgreiche Problemlösung erfordert ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen aller betroffenen Ressorts, sowohl auf Bundes- als auch auf Landes- und auf kommunaler Ebene, um die Ursachen und die Wirkungen von Radikalisierungen wirksam zu bekämpfen. Eine hierfür hervorzuhebende Maßnahme stellt die stärkere Vernetzung und der Ausbau spezifischer Präventionsmaßnahmen dar. Insgesamt muss die Bekämpfung von extremistischen Tendenzen, in welchem Bereich auch immer, zugleich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, als weitere Maßnahmen können unter dem Blickwinkel eines ganzheitlichen und konsequenten Ansatzes bei der Bekämpfung des gewaltbereiten Islamismus geeignete Aussteigerprogramme bzw. Ausstiegshilfen aus dem gewaltbereiten Islamismus einen präventiven Baustein für die Beendigung islamistischer Karrieren darstellen. Derzeit verfügt der Freistaat Thüringen noch nicht über ein spezielles Aussteigerprogramm für Islamisten. Dies bleibt einer entsprechenden Prüfung vorbehalten. Allerdings wäre die Einrichtung von flächendeckenden Beratungsstellen vor dem Hintergrund der vergleichsweise geringen Anzahl Betroffener wohl wenig zielführend. Zudem will ich anfügen: Eine Nachfrage nach einer derartigen Beratung oder eine Ausstiegshilfe wurde bisher von keinem Akteur des Landesprogramms, weder von der Mobilen Beratung, der Opferberatung, der Ausstiegsberatung oder Koordinatoren der lokalen Aktionspläne berichtet. Bereits beabsichtigt ist eine stärkere Einbindung von Migrantenselbstorganisationen in die Arbeit des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Somit kann ich an dieser Stelle bereits perspektivisch die Grundlage für eigene Präventionsmaßnahmen in Thüringen andeuten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ die Möglichkeit geschaffen hat, verschiedene bundesweite Modellprojekte zur Prävention des etwa gewaltbereiten Islamismus zu erproben. Diese bieten auch für Thüringen die Möglichkeit einer entsprechenden Inanspruchnahme im Bedarfsfall.

Im Rahmen unseres Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit wird ebenso auf die entsprechenden Möglichkeiten und Angebote des Bundesprogramms aufmerksam gemacht. Darüber hinaus finden sich bereits verschiedene Institutionen, die in diesem Bereich tätig sind. So ist vor diesem Hintergrund beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Beratungsstelle für Angehörige von mit dem Salafismus und terroristischen Vereinigungen sympathisierenden Personen eingerichtet. Über die Außenstelle des Bundesamts in Thüringen kann hierzu auch ein Kontakt vermittelt werden. Als zentrale Ansprechstelle auf Landesebene für die Thüringer Polizei dient zusätzlich in der Landespolizeidirektion die Stabsstelle „Polizeiliche Extremismusprävention“. Auch ist beim Thüringer Amt für Verfassungsschutz ein Hinweistelefon „Islamismus“ im Rahmen der Präventionsbemühungen eingerichtet worden.

In Anbetracht des sich bereits im Aufbau befindlichen Netzwerks wird der Vorschlag, die Beratungsstellen und das damit einhergehende Netzwerk weiter auszubauen, bereits umgesetzt. An dieser Stelle werden wir, aufbauend auf den Erfahrungen anderer Bundesländer, unseren Blick zukünftig auch auf geeignete Ausstiegshilfen richten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, neben den soeben vorgestellten Präventionsmaßnahmen will ich nun auf konkrete Handlungsmöglichkeiten eingehen, mit denen gewaltbereiten Personen, auch denen, die sich etwa auf den Salafismus berufen, begegnet werden soll. So wurde auf der 200. Innenministerkonferenz beschlossen, dass die Verhinderung der Ausreise in Krisengebiete und auch die Wiedereinreiseverhinderung potenzieller Gewalttäter und Dschihadfreiwilliger nach erfolgter Ausreise wesentliche Elemente zur Bekämpfung von Gewalttaten darstellen. Aber wir wissen, dass dieses nur bei Personen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit infrage kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, nicht notwendig erscheint dagegen die Tathandlung des Werbens, wie die CDU-Fraktion vorgeschlagen hat, in §§ 129 und 129 a des Strafgesetzbuchs zu erweitern. Bereits in dem letzten Strafrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2002 wurde das Werben um Mitglieder und Unterstüt

(Minister Dr. Poppenhäger)

zung gesetzlich neu geregelt und eingeschränkt. Die Werbung, die auf einen qualifizierten Erfolg gerichtet ist, ist bereits heute strafbar. Die sogenannte Sympathiewerbung wurde damals bewusst vom Tatbestand der §§ 129 und 129 a Strafgesetzbuch ausgenommen. Ausschlaggebend waren seinerzeit für diesen Schritt Schwierigkeiten der Praxis, die sich bei der Erstreckung auf ausländische Vereinigungen noch verschärft hätten. Die Einschränkung verfolgte weniger das Ziel einer substanziellen Rücknahme der Strafbarkeit als das Bestreben, eine zu weit gefasste Vorschrift, die als Hindernis für kritische Äußerungen verstanden wurde, auf einen klar umgrenzten und in der strafrechtlichen Praxis auch anwendbaren Gehalt zurückzunehmen. Die Begründung des Antrags der CDU-Fraktion setzt sich eben nicht mit diesen Gründen für die Änderung im Jahr 2002 auseinander. Die vorgeschlagene Änderung, die erneute Änderung der §§ 129, 129 a hätte erhebliche Auslegungsschwierigkeiten dann zur Folge. Da die Werbung, die auf einen qualifizierten Erfolg gerichtet ist, bereits heute schon strafbar ist und auch eine Unterstützung im Sinne der §§ 129 und 129 a des Strafgesetzbuchs verwirklicht sein kann, sind gravierende Strafbarkeitslücken, die einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf nahelegen würden, gegenwärtig nicht ersichtlich. Auch das vielfach angeführte Argument, dass den Strafverfolgungsbehörden durch die Strafbarkeit der sogenannten Sympathiewerbung Ermittlungsansätze geboten würden, um in die terroristischen Netzwerke eindringen zu können, vermag nicht zu überzeugen. Ein bloßes ermittlungstaktisches Anliegen kann schon aus verfassungsrechtlicher Sicht weder die Einführung noch die Verschärfung materieller Strafvorschriften rechtfertigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, eine weitere undifferenzierte Forderung des dieser Debatte zugrunde liegenden Antrags ist die Forderung nach einer Thüringer Bundesratsinitiative zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Der Antrag der CDU enthält sich jeder Begründung für diese Forderung, sodass schon nicht deutlich wird, inwieweit nach Auffassung der Union eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wirksam gegen islamistischen Terror sein soll.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwar können Verbindungsdaten wichtige Ermittlungsansätze und Aufklärungsmöglichkeiten bieten, es scheint den Antragstellern jedoch nicht klar zu sein, dass sich in der Praxis zahlreiche Möglichkeiten bieten, einen vermeintlichen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung auszuhöhlen, zum Beispiel durch Anonymisierungsdienste, Nutzung von nicht zuordenbaren Internetzugängen über mobile Zugänge, zum Beispiel Smartphones, oder im Ausland erworbene und nicht registrierte Mobilfunkkarten. Deshalb weise ich die undifferenzierte Forde

rung nach einer Thüringer Bundesratsinitiative zur Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung zurück.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Vorratsdatenspeicherung ist gekennzeichnet durch eine anlasslose Speicherung von Daten aller Telekommunikationsteilnehmer im Land. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 8. April 2014 ausgeführt, dass gerade diese anlasslose und flächendeckende Speicherung der Daten neben anderen Aspekten die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme und damit einen Verstoß gegen die EUGrundrechtecharta begründe. Entscheidend wird also in der Zukunft sein, ob hiernach, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, eine Vorratsdatenspeicherung im bisherigen Sinne europarechtskonform neu geregelt werden kann.

Insgesamt zeigt sich, dass der Antrag der CDUFraktion aus den verschiedenen von mir dargestellten Gründen aus Sicht der Landesregierung keiner Zustimmung bedarf. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegt jetzt eine weitere Wortmeldung vor. Abgeordneter Höcke.

Herr Minister, ich bedanke mich für den Hinweis in meine Richtung. Ich habe eine überschießende Begrifflichkeit benutzt, die ich bedauere. Mir ist nicht daran gelegen, Islamismus und Terrorismus bzw. Islam und Terrorismus gleichzusetzen. Das möchte ich hier wirklich noch mal betonen. Danke schön.

(Beifall AfD)

Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss beantragt. Ich lasse jetzt darüber abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/136. Wer diesem die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe auf Tagesordnungspunkt 8

(Minister Dr. Poppenhäger)

Mitgliedschaft von Mitgliedern der Landesregierung in Leitungs- und Aufsichtsgremien auf Erwerb gerichteter Unternehmen hier: Zustimmung des Landtags gemäß Artikel 72 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen Antrag der Landesregierung - Drucksache 6/133 - Neufassung

Ihnen ist vor wenigen Minuten eine Neufassung dazu ausgeteilt worden. Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das kann ich nicht erkennen. Wird Aussprache gewünscht? Frau Abgeordnete Herold, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Wahlverfahren, um das es hier geht, ist, wie mir scheint, sehr stark ritualisiert und bisher immer einfach nur ein Anlass gewesen, diese ganze Angelegenheit durchzuwinken. Ein Grund für uns, den bisherigen Gebrauch einfach zu hinterfragen. Die Kandidaten für diese verschiedenen Aufsichtsgremien sind alles Minister.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: …innen!)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Deswegen sind sie Mitglieder der Landesregierung!)

50 Prozent von ihnen sind Neulinge auf ihren Posten. Ich vermute, dass die Arbeitsbelastung erheblich ist und kann mir nicht gut vorstellen, dass da noch Zeit ist, irgendwann diesen Verpflichtungen aus diesen Aufsichtsratsmandaten in sinnvoller Weise nachzukommen.

(Beifall AfD)

Außerdem konnte ich nicht erkennen, dass die Kandidaten für diese Aufsichtsratsmandate und Kontrollgremien immer die erforderliche Expertise haben. Eine Frau Taubert zum Beispiel war früher Sozialministerin, ist heute für Finanzen zuständig und ich kann mir vorstellen, dass sie sich in dieses riesengroße Themengebiet auch erst einarbeiten muss. Daraus leiten wir die Forderung ab, nicht die jeweilig am höchsten dotierten und am weitesten oben angesiedelten Funktionsträger in diese Gremien zu entsenden, sondern gleich geeignete Fachleute,

(Beifall AfD)

die ihrem Auftrag zur Kontrolle und Beratung wirklich nachkommen können und dann ihren jeweiligen Fachministern berichten sollten.

Außerdem fordern wir völlige Transparenz und Veröffentlichung der mit diesen Posten verbundenen Zusatzvergütungen. Ich habe nach mehrstündiger intensiver Recherche im Internet dazu feststellen müssen, dass auch da keine völlige Transparenz herrscht. Es gibt Angaben von 1.000 Euro pro Jahr bis zu fünfstelligen Summen. Leider war das auch auf den Seiten der jeweiligen Gremien nicht nachvollziehbar. Ich gehe davon aus, dass, egal ob nun ein Minister oder ein zuständiger Fachbeamter diesen Posten besetzt, dieser sowieso schon beim Land in Lohn und Brot steht. Langfristig sollte man zur Einsparung und zur Entlastung des Steuerzahlers darüber nachdenken, diese Zusatzvergütungen einfach zu streichen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aussprache. Es ist auch keine Ausschussüberweisung beantragt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Neufassung des Antrags in Drucksache 6/133. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8. Die Fraktionen sind übereingekommen, jetzt in eine Mittagspause bis 13.15 Uhr zu gehen. Es schließt sich die Fragestunde an.

Das Präsidium ist vollzählig, wir setzen die Sitzung fort. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16

Fragestunde

Die erste Frage in der Drucksache 6/82 stellt Frau Abgeordnete Holbe, CDU-Fraktion. Bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident.

Abschiebestopp zum Nachteil von Kriegsflüchtlingen?

Am 9. Dezember 2014 wurde von der Thüringer Landesregierung ein pauschaler Winterabschiebestopp in 15 Herkunftsländer erlassen. Von dem Erlass, der bis zum 31. März 2015 gilt, sollen nach Angaben der Landesregierung rund 1.900 Ausländer betroffen sein.

Ich frage die Landesregierung: