Protocol of the Session on May 18, 2016

Und Sie sind doch da, Herr Brandner, Sie sind doch Mitglied der katholischen Kirche. Also sind Sie doch jedes Mal anwesend. Sie sind doch Mitglied der katholischen Kirche, steht im Handbuch.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ja, natür- lich!)

Wir sind jetzt nicht im Zwiegespräch. Ich bitte einfach, weiter beim Thema zu bleiben.

Hier geht es um ein Grundrecht, nämlich das der Religionsausübung. Es wurde gesagt, 70 Mitglieder der Gemeinde der Ahmadiyya bräuchten kein eigenes Gotteshaus. Aber das gehört nun mal zur Religionsausübung, dass ihnen das selbst überlassen ist, für wie viele Gemeindemitglieder sie ein Gotteshaus bauen wollen oder glauben bauen zu müssen. Selbstverständlich kann das jede andere Gemeinde jeder anderen Religion auch für sich entscheiden. Entscheidend ist aber für uns, und das geht auch durch die Medienwelt, dass Sie doch sich schon länger vom Islam abgrenzen, und zwar in einer Art

und Weise, dass Sie dem Islam eben insgesamt unterstellen, ein Wegbereiter totalitärer Anschauung und Gewalt zu sein. Es geht Ihnen, das haben Sie häufig gesagt, gegen eine sogenannte Landnahme. In einem Interview in der „Thüringischen Landeszeitung“ am 26. März haben Sie, Herr Höcke, auf die Frage, den Islam unter die Religionsfreiheit zu stellen, das kommt für Sie nicht infrage, geantwortet: Nein, die Religionsfreiheit ist kein Supergrundrecht. Was Sie damit eigentlich gemeint haben, ist, dass Sie das Grundrecht der Religionsfreiheit begrenzen wollen auf die Kirchen, die Ihnen vertraut sind, wenn Ihnen überhaupt Kirchen vertraut sind, was mich bei Ihrem Programm irgendwie immer etwas wundert. Aber das nehmen Sie ja für sich in Anspruch. Es geht Ihnen doch gar nicht um das Baurecht, es geht doch auch gar nicht darum, ob in der Gemeinde Marbach irgendwelche Anwohner vielleicht den Schatten des Minaretts auf ihrem Gemüsebeet befürchten müssen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Dafür stel- len Sie Windkrafträder hin!)

Es geht Ihnen doch darum, dass Sie in der Kundgebung heute behaupten wollen, dass eine Landnahme hier beginnt, ausgerechnet von einer Gemeinde.

Frau Kollegin Walsmann, das muss ich Ihnen auch sagen: Die Ahmadiyya-Gemeinde ist doch bundesweit eigentlich gerade bekannt für eine jahrzehntelange Distanzierung von Gewalt und ist deswegen auch schon sehr lange anerkannt als Körperschaft des öffentlichen Rechts wie andere Kirchen auch.

Deswegen verbreiten Sie Angst vor dieser Moschee und die angebliche Mär, dass das nur ein erster Schritt sei. Sie haben dieses 100-MoscheenProgramm als Bedrohungsszenario für unser deutsches Deutschland angeführt. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über eine Fläche von 357.168 Quadratkilometer. Wo da 100 Moscheen eine Bedrohung und eine Landnahme darstellen sollen, weiß ich nicht, selbst wenn die AhmadiyyaGemeinde …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Warum muss die dann in Marbach stehen?)

Das kann doch den Gläubigen überlassen bleiben, wo sie ihr Kirchenhaus, ihr Gotteshaus errichten wollen. Warum muss sie dann in Marbach stehen – das ist eine süße Frage:

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So richtig ernst nehmen kann man das nicht. Aber es ist doch ein bisschen armselig, dass Sie diese Diffamierung gerade dieser kleinen, sehr gesetzestreuen und sehr friedliebenden Gemeinde zum Anlass nehmen müssen, um sich nachher auf dem

(Abg. Huster)

Domplatz wieder mal noch größer und noch blonder zu fühlen.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe nur zwei blonde Mitglieder.

Sie spekulieren auf Bauchgefühl und Irrationalismus, sie verdrängen damit Argumentationen, Dialog sowie einen wirklich konstruktiven Austausch von Informationen. In Wirklichkeit wollen Sie doch gar keinen demokratischen Diskurs, sondern Sie wollen ihn doch wirklich aushöhlen. Deswegen sag ich Ihnen: Lassen wir doch die Moschee im Dorf und auch das Religionsfreiheitsgrundrecht im Grundgesetz unangetastet!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete Marx. Als Nächster hat Herr Prof. Hoff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Malik, Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinde in Thüringen, Sie sind ja heute hier im Plenum, verfolgen diese Diskussion. Ich freue mich sehr, dass Sie da sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich über unser kurzes Gespräch vorhin und unsere Verabredung, dass wir nicht übereinander reden wollen, sondern miteinander und auch miteinander das Gespräch suchen. Das ist genau die Art, wie diese Landesregierung in religiösen und Religionstoleranzfragen vorgeht.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Wie bei den Spezialgymnasien! Da haben Sie lange Zeit mit den Eltern gar nicht geredet!)

Meine Vorrednerin hat gerade etwas über Ihre Naivität gesagt. Bleiben Sie einfach dabei und lassen Sie mich sprechen! Ihnen fällt vieles schwer, meine Damen und Herren von der AfD.

Herr Minister Hoff, ich darf darauf aufmerksam machen, Abgeordnete bezeichnet man als Landesregierungsmitglied vielleicht nicht als naiv.

Ich habe eine Vorrednerin zitiert. Ich habe ganz eindeutig ein Zitat vorgenommen und keine eigene Bewertung.

Meine Damen und Herren von der AfD, unter dem Deckmantel vermeintlicher Artikulation des Bürgerwillens – auch darauf haben Vorrednerinnen und Vorredner hingewiesen – mobilisieren Sie Ressentiments gegenüber den Menschen muslimischen Glaubens.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ein ganz schönes Maß an Arroganz!)

Die Landesregierung wird sich an diesem Spiel auf dem Rücken von Religionsgemeinschaften egal welcher Fasson nicht beteiligen.

Ob der Islam zu Deutschland gehört, mag innerhalb der Union und des bürgerlich-konservativen Lagers debattiert werden. Ich würde mich freuen, wenn die Kontroverse, die auf der einen Seite von Herrn Kauder mit Herrn Altpräsident Wulff auf der anderen Seite geführt wird, dazu führt, dass es tatsächlich eine konstruktive Diskussion darüber gibt.

Aber eins, glaube ich, muss klar sein: Menschen, die Religionsgemeinschaften angehören, egal ob es Muslime, Juden, Christen, Buddhisten sind, gehören zu Thüringen, sie gehören zu Deutschland. Für sie alle gelten die Grundrechte der freien Religionsausübung, für sie alle gelten die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und für sie gelten nicht nur die Grundrechte, sondern natürlich auch die Pflichten, die unsere Verfassung vorgibt. Hierzu gehört selbstverständlich die ressentimentfreie Einrichtung von Gotteshäusern und Gebetsstätten.

Die Landesregierung steht auf der einen Seite für interreligiösen Dialog und Austausch, genauso wie sie für die Akzeptanz derjenigen steht, die an keinen Gott glauben. Erschwernisse der Religionsausübung, wie die AfD sie anstrebt, unter dem Deckmantel des Bürgerwillens und unter dem Gesichtspunkt der Erschwernisse von Bauvorhaben etc. richten sich im Ergebnis gegen Moscheebauten genauso wie gegen Planungen jeder Kirchgemeinde, jedes Vereins und Wirtschaftsunternehmens. Sie sind letztlich landesentwicklungsfeindlich und nicht nur wegen ihrer religiösen Intoleranz, sondern auch in ihrer praktikablen Anwendung hier abzulehnen. Die Landesregierung wird sie nicht unterstützen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns hier in Thüringen ist es der erste geplante Bau einer Moschee, jedoch nicht der erste für die Ahmadiyya-Gemeinde auf deutschem Bundesgebiet. Es ist bereits darauf hingewiesen worden. Zu der Zeit, als ich im Berliner Senat Staatssekretär

(Abg. Marx)

sein durfte, wurde in Berlin-Heinersdorf die KhadijaMoschee im Beisein einer breiten Öffentlichkeit eröffnet. Es gab damals anfängliche Skepsis und die NPD hat damals versucht, massiv gegen dieses Bauvorhaben mobilzumachen mit vergleichbaren Argumenten, zum Teil identischen Argumenten, wie es die AfD hier versucht. Heute spielen Kinder unterschiedlichster Herkunft und verschiedener Kulturen auf dem dazugehörigen öffentlich zugänglichen Spielplatz der Gemeinde. Anfängliche Skepsis ist längst nachbarschaftlicher Normalität gewichen. Beim Thüringer Moscheebauvorhaben habe ich den Eindruck, dass die Bauherrin mit ihren Plänen transparent umgeht. Sie ist offen. Sie lädt ein zur Debatte. Sie möchte nicht, dass über sie geredet wird. Sie möchte, dass mit ihr geredet wird.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das ist das, was in die Frageform gekleidet die Kollegin Walsmann hier auch angesprochen hat. Es sind genau die Fragen, auf die die Gemeinde eingehen möchte, aber indem man mit ihr das Gespräch sucht und nicht Vorwände sucht, um über sie, aber nicht mit ihr reden zu müssen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Haben wir doch gemacht!)

Das Verhältnis zwischen dem Land Thüringen und den auf seinem Hoheitsgebiet wirkenden Religionsgemeinschaften ist religionsverfassungsrechtlich bestimmt. Diese Bestimmung vorzunehmen hat nichts damit zu tun, dass man ein Einfaltspinsel ist, sondern es ist nichts weiter als die Umsetzung von Recht. Im Zentrum des deutschen Staatskirchenrechts steht die Autonomie von Religionsgemeinschaften in Bezug auf die Ordnung und Verwaltung von deren eigenen Angelegenheiten. Der Bau von Sakralbauten ist eine eigene Angelegenheit der Religionsgemeinschaft, die in deren ausschließliches Selbstbestimmungsrecht fällt. Die Betonung liegt auf „ausschließlichem Selbstbestimmungsrecht“. Die Gründung und Unterhaltung von Moscheen sind daher satzungsmäßige Aufgaben der betreffenden Religionsgemeinschaft, die in der Zuständigkeit des dortigen Vorstands liegen. Insofern ist auch die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland an das für alle geltende Recht und Gesetz gebunden.

Blicken wir auf das in den Medien vorgestellte Bauvorhaben, so fällt auf, dass es nicht nur einen Turm, sondern auch ein Gebäude gibt, das von seiner Architektur her auf den Typus der byzantinischen Basilika, also ein traditionelles christliches Kirchengebäude zurückgeht. Nicht von ungefähr wurde die ursprünglich christliche Hagia Sophia stilbildend für den muslimischen Moscheebau im Orient. Tatsächlich haben Kirchen- und Moscheebauten architekturgeschichtlich die gleichen Wurzeln. Ob Kirchengebäude oder Moscheegebäude – der

Freistaat Thüringen ist stets dazu verpflichtet, die Religionsfreiheit als Teil der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten und sich in religiöser Hinsicht selbst neutral zu verhalten. Wenn zu den noch erhaltenen für das Erfurter Stadtbild bis heute so prägenden etwa 25 weitaus höheren Türmen nun dieser eine, in seiner Höhe wesentlich bescheidenere hinzukäme, würde Erfurts Beiname als Erfordia turrita, Stadt der Türme, noch eine neue Dimension erhalten. Dieser Turm ist Ausdruck gelebter Religionsfreiheit, ein Zeichen für ein weltoffenes, religionstolerantes Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das kann nur ein Berliner sagen!)

Ja, wenn Sie sagen: Das kann nur ein Berliner sagen! – Erstens: Ich bin Thüringer! Und zweitens: Die Frage von Religionsfreiheit und religiöser Toleranz ist keine Frage einer Großstadt, sondern die Frage einer Geistes- und Wertehaltung. Diese Geistes- und Wertehaltung – wenn der Präsident mir gestattet – geht Ihnen ab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedenfalls kann ich aus meiner Sicht dieser Religionsgemeinschaft bescheinigen, dass sie sich ihrem Vorhaben in anderer Haltung nähert als im achten Jahrhundert der Heilige Bonifatius. Die von ihm gefällte Donareiche, die den Germanen zur Verehrung ihrer Götter heilig war, wurde nicht von ungefähr sein ikonografisches Attribut in der Kunstgeschichte. Keiner Kirche, keiner Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft geht es an die Wurzeln ihrer Existenz, wenn sich eine muslimische Gemeinde friedfertig offen bekennt und zeigt. Weder ist der Bestand des erstmals von Bonifatius gegründeten Bistums gefährdet, noch zieht das Minarett künftig jegliches Wetterleuchten vom Reformationsjubiläum ab. Bloß, weil der AfD das Flüchtlingsthema abhandenzukommen droht, wendet sie sich jetzt mit ähnlich anmutender Phobie den Religionen zu. Begegnen wir dem Moscheevorhaben mit gegenseitiger Achtung und Verständnis füreinander. Nur so können gesellschaftlicher Zusammenhalt und friedliches Zusammenleben gelingen. Im ehemals preußischen Erfurt darf man in diesem Zusammenhang gewiss den alten Preußenkönig Friedrich II. zitieren: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Prof. Hoff. Es gibt keine weiteren Redemeldungen. Damit schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den dritten Teil auf

(Minister Prof. Dr. Hoff)

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Chancen, Nutzen und Perspektiven für den sozialen Wohnungsbau in Thüringen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/2162