Protocol of the Session on April 21, 2016

Aber der guten Ordnung halber noch ein Umstand, der erwähnenswert ist: Noch nicht einmal die Väter des Grundgesetzes haben es für nötig und erforderlich gehalten, diesen Satz in die Verfassung zu schreiben. Gerichtsverfassungsgesetz usw. ist vorhin schon erwähnt worden. Selbst in Thüringen, falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte, ist es auch schon festgeschrieben. Im Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz steht, dass die Amtssprache

(Abg. Berninger)

deutsch ist. Mehr braucht es eigentlich nicht. Davon abgesehen – und damit bin ich auch schon zu Ende –, wenn Sie in die Verfassung schreiben wollen: „Die Sprache des Freistaats Thüringen ist Deutsch“, dann ist das in meinen Augen kein gutes Deutsch. Der Freistaat kann nicht sprechen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat das Wort Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Scherer, Ihrer Rede können wir uns – glaube ich – vollumfänglich anschließen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch einmal den Zwischenruf meines Kollegen Dirk Adams bemühen, der vorhin während der einführenden Worte von Herrn Brandner sagte: „Ihre Sprache ist nicht unsere Sprache.“ Genau das ist hier heute auch immer wieder sehr deutlich geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir alle wissen: Sprache ist immer im Wandel, und das gilt es auch anzuerkennen. Genau das macht auch den Charme von Sprache aus, dass sie sich entwickelt, dass sie Einflüsse aufnimmt, dass sie neue Worte, neue Begriffe aufnimmt und dass sie eben auch Lebensrealität abbildet. Eben diese Debatte hatten wir schon mal, als es um das Studierendenwerk ging. Ich will auch nicht all das wiederholen, was hier schon gesagt wurde.

(Beifall AfD)

Aber ich möchte dennoch auf etwas verweisen, was noch keine Rolle gespielt hat. In Deutschland leben auch Sorben, auch Dänen und auch Friesen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Doch, das hatten Sie schon!)

Was ist eigentlich mit den Minderheiten und ihren Sprachen? Wie gehen wir damit um, dass es diese Minderheiten gibt und dass sie selbstverständlich hier auch ihre Sprache geschützt wissen wollen?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich spreche Erfurtsch!)

Herr Scherer hat eben noch einmal die Gesetzlichkeiten ausgeführt. Deutsch ist als Amtssprache festgelegt. Das Gerichtsverfassungsgesetz, aber auch die Verwaltungsverfahrensgesetze legen Deutsch als Amtssprache fest. Diese Debatte, die heute hier geführt wird, ist auch wahrlich nicht neu.

Mein Eindruck ist, dass die AfD sich alte Anträge/ Vorhaben konservativer Teile der CDU angeschaut hat und etwas erneut aufgegriffen hat, was der CDU nicht zum Erfolg gereichte, nämlich die Festschreibung von Deutsch als Landessprache wieder aufzugreifen. Die Thüringer CDU hat sich ganz offenkundig bewusst dagegen entschieden. Das ist ein Lernprozess und den kann ich durchaus bei der CDU anerkennen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere an die Petitionen im Deutschen Bundestag, die dort auch intensiv behandelt wurden. Ich möchte aus der damaligen Debatte, aus einem Interview von 2011, zitieren. Da wurde nämlich der Linguist Anatol Stefanowitsch über Sprachpolitik befragt. Er sagte zu der Frage, dass der Verein Deutsche Sprache diese im Grundgesetz fixieren wollte und warum er seine Petition dagegen auf den Weg gebracht hat, Folgendes – Zitat –: „Meine Petition richtet sich dagegen, dass man das Deutsche missbraucht, um einen Stellvertreterkrieg gegen alle möglichen Phänomene zu führen, die mit der Sprache relativ wenig zu tun haben.“

Das Gespräch geht weiter: „Wie jetzt, missbraucht? Der Grundgesetzeintrag soll sie doch schützen.“ Darauf antwortet er: „Das könnte man glauben, wenn ihr Status als Landessprache bedroht wäre. Aber der steht außer Frage, er ist in vielen Verwaltungsgesetzen geregelt und auch de facto nicht in Gefahr. Deshalb muss man vermuten, dass es den Befürwortern einer grundgesetzlich verankerten Staatssprache um etwas ganz anderes geht, um den englischen Einfluss, den sie für schädlich halten, und einigen sogar um das Ausleben fremdenfeindlicher Ressentiments.“ – Herr Brandner, genau darum geht es Ihnen ganz offenkundig. Das Zitat ist schon zu Ende, das haben Sie nur einmal mehr nicht verstanden. Ich sagte es ja vorhin, Ihre Sprache ist definitiv nicht unsere Sprache. Vielen herzlichen Dank.

(Unruhe AfD)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort Abgeordneter Höcke für die Fraktion der AfD.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, der Retter der deutschen Sprache tritt jetzt ans Rednerpult – wahrlich.

(Heiterkeit und Beifall AfD)

(Abg. Scherer)

Und nach der Rede von Frau Kollegin Berninger bin ich auch richtig gut gelaunt. In Richtung der Kollegin Berninger möchte ich ein Zitat richten, das lautet: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Das ist von dem jüdischen Religionsphilosophen

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt auch Begegnun- gen der anderen Art!)

hören Sie doch einfach mal zu, Frau Rothe-Beinlich! – Martin Buber und das ist der Beginn meiner zweiten Staatsexamensarbeit gewesen. Die Begegnung ist ganz wesentlich, Frau Berninger. Aber das, was Sie heute hier im Plenum an Annäherung in Richtung AfD versucht haben, geht uns doch einen kleinen Schritt zu weit. Ich möchte das mal zusammenfassen. Also am Anfang waren wir die Nazis, heute waren wir nur noch Rechtspopulisten, wahrscheinlich werden wir dann morgen schon mit „Genossen“ angesprochen. Frau Berninger, bitte eine Armlänge Abstand von der AfD.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Darauf können Sie Gift nehmen!)

Mein wertgeschätzter Kollege Brandner hat bereits darauf hingewiesen, dass die Diskussion um die verfassungsrechtliche Verankerung des Deutschen als Landessprache keineswegs neu ist, und das werden insbesondere die Kollegen von der CDUFraktion gut wissen, und Frau Rothe-Beinlich hat auf diesen Sachverhalt ebenfalls hingewiesen. Denn im Dezember 2008, sehr verehrte Kollegen von der CDU, beschloss der CDU-Bundesparteitag, dass sich die Partei für die Einfügung einer Regelung ins Grundgesetz einsetzen solle, wonach Deutsch die Sprache der Bundesrepublik Deutschland sei.

(Beifall AfD)

Frau Rothe-Beinlich, ich glaube, ich muss Sie enttäuschen, was den Lerneifer und die Lernbereitschaft der CDU angeht. Die CDU hat tatsächlich nicht dazugelernt. Dieser Beschluss ist immer noch in Kraft, nur wird er leider in der CDU nicht umgesetzt. Das wundert uns bei so viel Plaste und Elaste im Unionsgetriebe nicht.

Aktiv geworden ist also nicht die CDU, sondern aktiv geworden sind andere, beispielsweise der Verein Deutsche Sprache, der hat nämlich 46.000 Unterschriften gesammelt, um Deutsch endlich im Grundgesetz zu verankern. Und diese Unterschriften wurden dem Bundestagspräsidenten 2010 auch übergeben. Es gab damals viel Zustimmung aus den verschiedenen politischen Lagern, sowohl aus dem konservativen als auch aus dem linken politischen Lager. Trotzdem versandete auch diese Initiative im politischen Getriebe des Bundestags. Wir denken – und deswegen ist dieser Antrag von

uns als AfD-Fraktion auch formuliert und ins Plenum eingebracht worden –, um in dieser Sache voranzukommen, ist es jetzt hohe Zeit, diesen Impuls auf Landesebene aufzunehmen, zu bündeln und neu in die politische Diskussion einzuspeisen, und eben dies tun wir mit unserem Antrag, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete.

(Beifall AfD)

Es ist hohe Zeit, weil Deutsch in Deutschland eben keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Es gibt ja das Argument, dass man die Sprache nicht mit Verfassungsrang versehen müsse, weil die sich von selbst verstünde. Aber eben dies, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, ist in diesem Land zurzeit eben nicht mehr der Fall. Wir werden in TOP 17 des Plenums einen Unionsantrag besprechen, der die Bedeutung von deutschen Sprachkenntnissen bei Flüchtlingskindern hervorhebt. Warum wohl? Weil diese oft über keine oder nur rudimentäre Deutschkenntnisse verfügen und weil ein wirkliches Ankommen von Zuwanderern in einer neuen Heimat nur über Sprache gelingt oder auch eben misslingen kann, sehr verehrte Kollegen.

(Beifall AfD)

Die sogenannte Integration der zweiten und dritten Generation derjenigen, die seinerzeit als Gastarbeiter nach Westdeutschland kamen, ist nicht selten misslungen. Millionen von ihnen leben in Ballungsgebieten in nicht integrierten Parallelgesellschaften. Und wenn wir diesen Weg in eine segregierte Gesellschaft nicht weitergehen wollen, dann müssen wir den Assimilationsdruck gerade beim Sprachenlernen deutlich erhöhen.

(Beifall AfD)

Wir können diesen Assimilationsdruck nur erhöhen, wenn wir unsere Sprache selber achten und wenn wir unsere Sprache selber schützen. Achten tun wir sie im Augenblick eher nicht und damit senden wir in Deutschland genau die falschen Signale aus, indem wir in allen Lebensbereichen – gerade auch in der Schule – einer gedankenlosen Verwendung von Anglizismen, Pseudoanglizismen sowie dem Gebrauch von verstümmelten Mischsprachen Vorschub leisten: „Ey, Alder, morgen geh ich Kino, isch schwör.“ Mir ist es als Lehrer selbst in der Oberstufe sehr oft vorgekommen, dass ich auch von Schülern ohne Migrationshintergrund gefragt wurde: „Herr Höcke, gehen wir Turnhalle?“ Das ist die Realität sogar am deutschen Gymnasium und das ist eine traurige Realität, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete.

(Beifall AfD)

Einige wollen unsere schöne deutsche Sprache nicht nur nicht schützen, sondern gleich im Orkus der Geschichte entsorgen. Das kann man auf dem ideologischen Weg der Linken machen, indem man

die Sprache immer wieder neu definiert und mit neuen Begriffen entsprechend dekonstruiert, und das kann man machen, indem man sie tatsächlich mit einem Federstrich entsorgt. Dabei ist es ein bizarrer Irrweg, wenn man meint, es solle einfach mehr Englisch gelernt werden, weil Englisch sowieso die lingua franca der modernen Welt sei und so richtig zu unserer viel zitierten, viel beschworenen, viel propagierten Willkommenskultur passe. Das ist wirklich eine großartige Idee mit dem Englisch. Es ist deswegen so eine großartige Idee, weil uns allen bekannt ist, wie gut unsere Migranten in der Regel Englisch sprechen – nicht wahr?

(Beifall AfD)

Jedenfalls entblödete – anders kann man das nicht sagen – sich vor einiger Zeit ein Thüringer Politiker, der einer Partei angehört, die seit der letzten Landtagswahl nicht mehr in diesem Hohen Haus präsent ist.

(Beifall AfD)

Dieser Politiker entblödete sich, die Einführung von Englisch als Amtssprache der Landeshauptstadt Erfurt zu fordern. Darauf muss man wirklich erst mal kommen.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist eine gute Idee, finde ich!)

Ich möchte in diesem Kontext gern noch einen Artikel etwas ausführlicher zitieren, der am 23. September letzten Jahres in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ abgedruckt war. Reiner Pogarell schreibt dort unter der Überschrift „Vor dem Sprachgesetz sind alle gleich“ zunächst davon, dass unser Land zulässt, dass Millionen Migranten die Landessprache nicht lernen und damit ohne Chance auf eine adäquate soziale und berufliche Teilhabe aufwachsen. Dann führt er aus – ich zitiere – „[Es ist klar,] wer in einem Land dauerhaft [...] leben will, muss dessen Sprache beherrschen. Deutschland sendet aber gegenteilige Botschaften aus. Sein Grundgesetz nennt neben fundamentalen Rechten auch Nebensächlichkeiten wie die Namen der Bundesländer und die Farben der Landesflagge. Aber unser größtes und wichtigstes Kulturgut, die deutsche Sprache, bleibt unerwähnt. [...] Nur so ist die Nachlässigkeit unserer staatlichen Organe, aber auch unserer Politiker, unserer Lehrer und Pädagogen unserer Sprache gegenüber zu erklären. Nur so können wir das Wissen um wahrscheinlich Millionen Menschen ohne akzeptable Deutschkenntnisse in unserem Land ertragen. Nur so konnten die aufgegebenen Stadtviertel entstehen, [nur so] die Gettos, in denen unsere Sprache eine kümmerliche Rolle spielt. Und nur so können die Frontalangriffe staatlich besoldeter Kräfte auf unsere Sprache“ – nicht wahr, Frau Henfling – „ohne großen Widerspruch stattfinden: [...]“ Wir von der

AfD-Fraktion bedauern diese Entwicklung, die hier dargestellt wurde, ausdrücklich und wir sind davon überzeugt, dass wir nicht die einzigen in diesem Hohen Haus sind.

(Beifall AfD)