Protocol of the Session on April 20, 2016

Es ging im Aufarbeitungsprozess auch um das Treffen von Werturteilen und moralischer Kategorisierung, die auch dem Begriff der „Parlamentsunwürdigkeit“ im Thüringer Abgeordnetenüberprüfungsgesetz zugrunde liegt. Wie untauglich sowohl Verfahren als auch Verfahrensziel für den Aufarbeitungsprozess sind, wurde mir deutlich, als ich als Rechtsbeistand für den Abgeordneten Frank Kuschel einem für Telefonanschlüsse verantwortlichen ehemaligen Mitglied eines Rates des Kreises und einem im Mai 1989 gewählten Mitglied der Volkskammer der DDR gegenübersaß.

Der Anspruch an Aufarbeitung von DDR-Geschichte hat sich seitdem verändert. Die im Bericht der Landesregierung beschriebenen drei Säulen aus Erfahrung, Fakten und Wissenschaft müssen und werden die Grundlage bilden, nicht aber politische oder gar ideologische Motive. Solche aber bestimmen noch zu oft die Debatten um die Geschichte der DDR, vor allem im politischen und pseudowis

senschaftlichen Raum, und schimmern auch aus dem erwähnten Bericht der Landesregierung noch hervor. Im Vorwort wird darauf verwiesen, dass die DDR mehrheitlich als Gesellschaft mit solidarischem, menschlichem Antlitz erinnert wird, die den sozioökonomischen und soziokulturellen Ansprüchen und Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung entsprochen habe. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass seit 2014 die Einschätzung der DDR als Unrechtsstaat von 54 Prozent auf 61 Prozent angestiegen ist, also auch von einer Mehrheit geteilt wird.

Es sollte nicht schwerfallen, die subjektiven Erfahrungen zu respektieren und anzuerkennen, dass Menschen daneben auch im Ergebnis einer Auseinandersetzung und eines stattgefundenen Aufarbeitungsprozesses eine weniger subjektiv geprägte Einordnung der DDR als System vornehmen, anstatt den belehrenden Versuch zu unternehmen, die persönlichen Erfahrungen durch die Kategorisierung zu verdrängen. Denn das ist auch ein Grund dafür, dass sich viele Menschen eben nicht ernstgenommen, eben nicht respektiert fühlen und letzten Endes doch den Eindruck haben, dass auch ihre Lebensleistung, wenn nicht zwingend den Staat, so doch aber mindestens die Gesellschaft mitgestaltet zu haben, entwertet werden soll.

Meine Damen und Herren, der Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts ist aber kein Tag für diejenigen, die befürchten, dass ihre Lebensleistung in der DDR entwertet wird. Der Gedenktag erfährt aber eine Aufwertung, wenn er eingebettet ist in einen Aufarbeitungsprozess, der diese Menschen nicht mir diesem Gefühl zurücklässt. Der Gedenktag holt diejenigen in die öffentliche Wahrnehmung, denen es nicht möglich war, ihre Lebensleistung wie gewünscht in der DDR oder an einem anderen Ort zu erbringen. Er gibt denjenigen einen Raum im öffentlichen Bewusstsein, denen in der DDR ihre Unbeschwertheit, ihre Zukunft, ihre Freiheit, ihre Gesundheit und auch ihr Leben genommen wurde.

Ein solcher Gedenktag ist auch ein Gedenktag für Matthias Domaschk. Es ist richtig, dass die Landesregierung die Familie, Angehörige, Freunde und Wegbegleiter von Matthias Domaschk darin unterstützt, die konkrete Ursache für den Tod im Gefängnis des MfS zu finden und die Frage nach dem Warum zu beantworten. Ob die Fragen jemals abschließend beantwortet werden können, ob Zweifel bleiben oder sich der Obduktionsbericht bestätigt, ist vor allem für die Familie und die Freunde von Bedeutung, denn unabhängig von der konkreten Ursache für den Tod ist eines feststehend: Matthias Domaschk ist ein Opfer, ein Opfer des in der DDR bestandenen und ausgeübten Unrechts und daran soll künftig der Gedenktag erinnern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gedenktag erlegt auf, einer anderen, der Frage nachzugehen, was dazu führen konnte, dass sich in der politischen und rechtlichen Praxis ein Staat so weit von seinem eigens formulierten Gründungsanspruch entfernen konnte, nur wenige dies bewusst infrage gestellt haben und viele das einfach hingenommen haben. Es geht darum, auch die Frage zu beantworten, warum sich ein System herausbilden konnte, dem durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handels fehlte, in dem jedes Recht und jede Gerechtigkeit ein Ende haben konnte, wenn einer der kleinen oder großen Mächtigen es so wollte, in dem jedes Recht und jede Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, wie wir es im Koalitionsvertrag formuliert haben.

Meine Damen und Herren, ein Teil der Antwort auf diese Fragen ist im Jahr 1953 zu finden. Und so wie der 17. Juni viele Schwächen als Datum für einen Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts aufweist, liegt in dieser Verbindung eine besondere Chance. Und bevor ich darauf eingehe, noch ein kurzer Blick auf die Kritik der CDU-Fraktion am gewählten Titel für den Gedenktag: Sie unterstellen uns, mit der Vermeidung des Begriffs der Diktatur relativieren zu wollen. Meine Damen und Herren, ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass Ihre Unterstellung schon ins Leere läuft. Aber ich will zumindest daran erinnern, dass es Ihnen noch vor eineinhalb Jahren sehr wichtig war, dass Mitglieder meiner Partei die DDR als Unrechtsstaat bezeichnen. Ich sage Ihnen ehrlich: Mit der Regelmäßigkeit, mit der Sie Bekenntnisse zu Begriffen abverlangen, erinnern Sie mich mehr an die DDR, als Ihnen lieb sein dürfte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der einzige Unterschied: Sie wechseln die Begriffe binnen Jahresfrist. Uns war es wichtig, qualitativ zu beschreiben, was war. Und die Aufarbeitung unserer gemeinsamen Geschichte wird dann eine nachhaltige Wirkung auch für die Gestaltung der Zukunft haben, wenn sie sich löst von Bekenntnissen und Begriffen und sich hinwendet zu Beschreibungen und Erklärungen. Zu den Beschreibungen und Erklärungen im Zusammenhang mit dem 17. Juni gehört auch der Verweis auf dessen Differenziertheit im Jahr 1953 und dessen ambivalente Funktion in der DDR und BRD nach dem Jahr 1953. Der 17. Juni 1953 war weder ein vom Westen gesteuerter Putschversuch noch ein Volksaufstand gegen den Aufbau des Sozialismus. Beide Erzählungen entsprechen nicht der Wahrheit und sind doch beide Teil der Wahrheit über den 17. Juli 1953. Über die Differenziertheit der Proteste, der Streiks und des Aufbegehrens, über die politische Gemengelage in der damaligen DDR nach Ablehnung der sogenannten Stalinnote zur Lösung der Deutschlandfrage durch die Adenauer-Regierung, nach den Be

schlüssen der zweiten Parteikonferenz der SED, nach der erfolgten und schließlich für das Aufbegehren mit ursächlichen materiellen Schlechterstellung der Arbeiterinnen und Bauern zu diskutieren, wäre allein eine abendfüllende Veranstaltung. Aber der vorgeschlagene Gedenktag ist keiner für den 17. Juni 1953 und trotzdem ist dieser Tag geeignet, auch an die Opfer des SED-Unrechts zwischen 1946 und 1989 zu erinnern. Warum? Weil es die SED versäumt hat, die richtigen Schlussfolgerungen aus dem 17. Juni zu ziehen. Ganz im Gegenteil wurde später verübtem Unrecht im Juni und Juli 1953 der Boden bereitet. Dabei war das nicht zwingend, da es auch innerhalb der SED viele Menschen gab, die einen Erneuerungsprozess und eine Korrektur der Politik der SED im Juni 1953 angemahnt haben. Aber anstatt Menschen, wie dem damaligen Justizminister Fechner oder dem NDChefredakteur Herrnstadt zu folgen, wurden die Streiks und Demonstrationen zum faschistischen Putschversuch erklärt und mit dem Rückgriff auf antifaschistische Traditionen Kritiker gnadenlos verfolgt. Im August begann in den Betrieben eine Entlassungs- und Verhaftungswelle; Tausende wurden aus der SED ausgeschlossen, Parteileitung sowie viele Gewerkschaftsvorstände wurden ausgetauscht und Kritiker verbannt. Waren im Juni 1953 insgesamt 13.000 Menschen kurzzeitig inhaftiert, wurden bis Oktober 1953 wegen angeblicher oder auch wirklicher Straftaten 1.240 Menschen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und – das sei am Rande vermerkt – nur 138 von ihnen hatten der einen oder anderen Naziorganisation angehört. Der 17. Juni steht demnach also nicht nur für das Aufbegehren gegen die falsche Politik und für freie Wahlen, er steht gleichzeitig für die Unfähigkeit der SED, auf Kritik und Unzufriedenheit mit Veränderung zu reagieren, stattdessen für den begonnenen Kurs, Kritik und Aufbegehren für demokratische Erneuerung mit Repression zu begegnen. Es ist eine hypothetische Frage, aber es ist eine Frage, die sich diejenigen Stellen können, die den 17. Juni für den falschen Tag halten als Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts. Aber wie viel Unrecht in der DDR hätte verhindert werden können, wenn sich im Jahr 1953 in der SED nicht Ulbricht, sondern Fechner und Herrnstadt durchgesetzt hätten!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der 17. Juni als Gedenktag bietet eine Chance, eine Chance für eine neue Kultur der Aufarbeitung und der Geschichte der DDR, indem wir die Differenziertheit des Tages im Jahr 1953 und seiner Ambivalenz als Feiertag in der BRD und seine Simplifizierung in der DDR annehmen und selbst zum Gegenstand der Aufarbeitung machen. Der 17. Juni erfährt als Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts eine historische Aufweitung, die sich bewusst von dessen politischer Instrumentalisierung,

insbesondere zwischen 1953 und 1989, in der DDR wie in der BRD abgrenzt. Wenn es uns gelingt, dies auch auf die Aufarbeitungs- und Erinnerungskultur in Gänze zu übertragen, dann gehen wir heute gemeinsam einen großen Schritt im Prozess der Aufarbeitung von SED-Unrecht.

Meine Damen und Herren, in erster Linie aber wollen wir an diesem Tag Gedenken ermöglichen, Gedenken an die Opfer des durch die SED begangenen Unrechts. Gedenken an Opfer von Unrecht ist ein notwendiger Schritt, um zu verstehen, dass es für Unrecht keine politische Legitimation geben kann.

(Beifall DIE LINKE)

Nur mit diesem Wissen werden wir verhindern, dass erneut Unrecht begangen wird.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Walk, CDU-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Besuchertribüne! Kollegin Marx, Kollege Dittes, auch nach der inzwischen durchgeführten Online-Diskussion sowie der Auswertung der schriftlichen Anhörung im Innen- und Kommunalausschuss – Frau Abgeordnete Marx hat es bereits ausgeführt – hat sich die Auffassung unserer CDU-Fraktion nicht geändert. Insbesondere durch die Stellungnahmen im Rahmen der Anhörungen sehen wir uns darin bestätigt, an unserem Gesetzentwurf festzuhalten.

Maßgeblich sind für uns zwei Gründe. Erstens: Wir wollen weitere Gedenktage aufnehmen. Bereits in der ersten Beratung am 25. Februar dieses Jahres habe ich für die CDU-Fraktion ausführlich dargelegt, warum wir neben dem 8. Mai weitere Gedenktage aufnehmen wollen; den 18. März als Tag der parlamentarischen Demokratie, den 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur, den 25. Oktober als Tag der Verfassung des Freistaats Thüringen und des Thüringer Landtags sowie den 9. November als Tag der demokratischen Selbstbesinnung. Die Begründung in Kurzform: Alle vier Tage stehen im Kontext und sind – jeder Tag und jedes Ereignis für sich betrachtet – geschichtlich wegweisend und belegen das historische Ringen um einen parlamentarisch verfassten Staat. Wir wissen, Geschichte verläuft eben nicht geradlinig, sondern ist von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Gerade diese Tage, die von uns benannt wurden, spiegeln dies eindrücklich wider. Zur Erinnerung: Fraktionsübergreifend hatten sich Abgeordnete be

reits im Oktober-Plenum dafür ausgesprochen, neben dem 8. Mai, der an diesem Tag beschlossen wurde, die Diskussion bezüglich der Aufnahme weiterer Gedenktage fortzuführen. Nach wie vor finde ich es jedoch erwähnenswert, dass der Wunsch des Ministerpräsidenten, den er in der genannten Plenardebatte äußerte, anschließend in den eigenen Reihen ergebnislos verhallte.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Mit ihren Worten!)

Aus dem Plenarprotokoll vom 2. Oktober darf ich deshalb, Frau Präsidentin, den Ministerpräsidenten zitieren. Er sagte Folgendes: „Ich finde den Vorschlag, den Herr Mohring unterbreitet hat, über den 17. Juni, über den 18. März, über den 25. Oktober zu reden, richtig. Ich habe ihn ergänzt um den 9. November. Ich finde, diese Diskussion sollten wir führen.“ Das Plenarprotokoll vermerkte übrigens zum Beitrag des Ministerpräsidenten Beifall aus den Reihen der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich aber an dieser Stelle zum aktuellen Stand der schriftlichen Anhörung kommen, zuvor aber noch ein Wort zum ebenfalls durchgeführten Online-Forum: Ich habe es auch schon im Ausschuss gesagt, dass ich es sehr bedaure, dass diese moderne Form der Beteiligung der demokratischen Teilhabe an Entscheidungsprozessen doch nur sehr eingeschränkt genutzt wird. Ganze elf Teilnehmer haben sich bei diesem wichtigen Thema mit insgesamt gerade mal 19 Beiträgen beteiligt.

Aber welche Erkenntnisse erbrachte nun die schriftliche Anhörung? Zunächst einmal: Das Ergebnis war eindeutig. Von den 12 Anzuhörenden sprach sich eine deutliche Dreiviertelmehrheit ausdrücklich für die Verankerung weiterer Gedenktage aus. Die Voten hier noch mal im Einzelnen: Für die Aufnahme des 17. Juni sprachen sich elf, für den 18. März und den 25. Oktober jeweils acht und für den 9. November sieben Anzuhörende aus. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die Stellungnahme von Dr. Hubertus Knabe von der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, der unsere Auffassung wie folgt unterstreicht: Die Aufnahme weiterer Gedenktage, so Dr. Knabe, „verdient über Parteigrenzen breite Unterstützung.“

Damit komme ich auch zum zweiten Grund des Festhaltens an unserem Gesetzentwurf und damit zur Frage der Benennung des Gedenktags 17. Juni bzw. zu den unterschiedlichen Formulierungen in § 2 a Gedenktage. Worum geht es? Zuerst ein Blick auf unseren Vorschlag, den Vorschlag der CDU in Absatz 3, Drucksache 6/1212. Hier heißt es: „Der 17. Juni ist Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur.“ Dazu im Vergleich der Gesetzentwurf von RotRot-Grün in Absatz 2, Drucksache 6/1769: „Der

(Abg. Dittes)

17. Juni ist Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts.“ Zur Begründung: Der 17. Juni erinnert an den Volksaufstand in der DDR 1953 gegen das SED-Regime. Die Forderung nach freien Wahlen und Wiedervereinigung waren eine klare Absage an die bestehende Diktatur und den Aufbau des Sozialismus. Wenn der Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün jetzt lediglich von einem Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts spricht, so wird nach unserer Überzeugung die Botschaft dieses Tags weniger klar ausgedrückt als dies möglich und wünschenswert ist.

(Beifall CDU)

Wir sagen: Der Charakter des Regimes ist auch klar so zu benennen. Insofern halten wir die Formulierung des Gedenkens an die Opfer des SED-Unrechts nicht für falsch, den Begriff der SED-Diktatur jedoch für umfassender und auch für treffender.

(Beifall CDU)

Zudem finde ich es bemerkenswert – und Kollege Dittes hat es schon angeführt –, dass unsere Auffassung durch den Entwurf der Regierungskoalition selbst gestützt wird und in der Begründung Ihres eigenen Gesetzentwurfs, der auf den Koalitionsvertrag abstellt, verpflichtend ausgeführt wird – ich zitiere –: „Die Antragsteller haben sich im Koalitionsvertrag unmissverständlich dazu bekannt, dass ‚die Aufarbeitung der SED-Diktatur in all ihren Facetten weder überflüssig noch rückwärtsgewandt‘ ist.“ Auch die zuständige Staatssekretärin Dr. Babette Winter stellte in einer Medieninformation vom 1. März dieses Jahres fest – auch hier darf ich zitieren –: „Wir wollen die Opfer der SED-Diktatur unterstützen und würdigen. Sie haben massive Eingriffe in ihre persönliche Freiheit erleben müssen. Durch die Repressalien wurden ihre Lebenswege zerstört.“

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir noch einen Blick zurück in unsere Ausschusssitzung vergangene Woche. Die Diskussion genau zu dieser Thematik wurde zwar kontrovers geführt, allerdings empfand ich die Wortbeiträge sowohl bereichernd als auch aufschlussreich. Kollege Adams sprach für die Koalition und erläuterte die dortige Gemengelage, so würde ich es mal bezeichnen. Man verfolge, sagt Kollege Adams, in der Koalition unterschiedliche Ansätze. So sei die Bewertung der Begriffe „SED-Diktatur“ und „SED-Unrecht“ schließlich auch verschiedenen Strömungen innerhalb der Historiker ausgesetzt. In der Diskussion habe ich das zunächst kritisch gesehen. Aber mit einigen Tagen Abstand, Herr Kollege Adams, bin ich zur Erkenntnis gelangt, dass Ihre Überlegungen durchaus erwägenswert sind, sage aber auch gleich, dass ich unterm Strich zu einem anderen Endergebnis gelange.

Kollege Höhn wiederum stellte im Ausschuss...

Herr Abgeordneter Walk, ich möchte Sie noch mal darauf hinweisen, dass Sie hier nicht aus Ausschusssitzungen zitieren können.

Das war mir so nicht bekannt. Aber ich bedanke mich für den Hinweis und werde es beachten. Dann zitiere ich nicht, möchte aber dennoch...

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Hätten Sie aber gekonnt, ich habe kein Problem damit!)

Nein, nein. – Ich darf aber trotzdem Kollegen Höhn noch mal ansprechen, der aus seiner Sicht zusammenfasste, dass das Verbindende und das, was uns gemeinsam trägt, die Aufnahme des 17. Juni sei. Dem ist zuzustimmen. Dennoch bleiben wir dabei: Den Opfern und der historischen Aufarbeitung ist aus unserer Sicht mehr damit gedient, den Diktaturbegriff zu wählen.

Damit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, komme ich zum Fazit. Lassen Sie mich das von mir Gesagte noch mal kurz in drei Kernpunkten zusammenfassen. Erstens – ich möchte mit dem Verbindenden beginnen: Erfreulicherweise ist der Erkenntnisprozess inzwischen so weit fortgeschritten, dass fraktionsübergreifend Konsens darüber besteht, die Ausschusssitzung hat es noch mal deutlich verstärkt, den 17. Juni als Gedenktag in das Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetz aufzunehmen. Das war mal anders und ich will nur nochmals daran erinnern: In der von uns beantragten namentlichen Abstimmung – Herr Kollege Adams schaut skeptisch – am 2. Oktober, als es genau um die Frage ging, ob der 17. Juni aufgenommen wird, hat die rot-rot-grüne Koalition geschlossen gegen den 17. Juni gestimmt; mit einer Ausnahme, Frau Kollegin Pelke von der SPD stimmte mit Ja.

(Beifall CDU)

Im Übrigen schließe ich mich all denjenigen an, so den Kolleginnen Rothe-Beinlich im Ausschuss und auch Frau König, auch Herr Dittes ist eben darauf eingegangen, die sich bereits heute Gedanken hinsichtlich einer aktiven Ausgestaltung des Gedenktags 17. Juni machen. Überzeugend und treffend, wie ich finde, ist hierzu die Auffassung der Point Alpha Stiftung im Rahmen der Anhörung, die fordert, diesen 17. Juni künftig angemessen und unverkrampft zu begehen und nicht wieder zu einer anonymen Kalendermarkierung werden zu lassen. Dies sei man den Opfern schuldig und vor allem jungen Menschen, die die beiden Diktaturen auf deutschem Boden nicht erfahren hätten, müsse lückenlos vermittelt werden, wie sie politische Rattenfänger möglichst frühzeitig erkennen und die offene, tolerante und freiheitlich-demokratische Werteordnung schützen können. Dem kann man, wie ich finde, nur uneingeschränkt beipflichten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweiter Punkt: Wir halten an der Verankerung weiterer Gedenktage fest. Ich zähle sie noch mal auf: dem 17. Juni, dem 18. März, dem 25. Oktober sowie dem 9. November. Und dritter Punkt – nicht zuletzt, damit komme ich auch zum Schluss –: Wir bleiben dabei und halten auch am Diktaturbegriff fest. Der Begriff „SED-Unrecht“ erfasst zwar den Wesenskern des SED-Regimes, schließt jedoch die organisatorischen Rahmenbedingungen nicht ein, die im Begriff „Diktatur“ zutreffender erfasst sind. Insofern werbe ich bereits jetzt um Zustimmung für unseren Ihnen in der Drucksache 6/2061 vorliegenden Änderungsantrag. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort hat nun Abgeordnete Pelke, Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst herzlichen Dank für die sachlichen Ausführungen der Vorredner, insbesondere auch an Sie, Herr Dittes. Ich denke, das war ein ganz wesentlicher Beitrag, wie Sie noch mal zur Aufarbeitung und zur Definition des 17. Juni heute beigetragen haben. Herzlichen Dank dafür. Herr Walk, ja, ich habe seinerzeit, als es um die Abstimmung ging, selbstverständlich für den 17. Juni gestimmt. Ich habe auch – und das habe ich hier schon des Öfteren im Landtag deutlich gemacht – eine besondere persönliche Beziehung über die politische Haftzeit meines Vaters. Im Übrigen habe ich auch das Abstimmungsverhalten mit meiner Fraktion rückgekoppelt, aber darum geht es gar nicht, ich bin auch noch selbst entscheidungsfähig. Wir haben als Koalitionsfraktion bei der Diskussion nie infrage gestellt, dass wir über einen weiteren Gedenktag, speziell den 17. Juni, nicht nur gern reden wollen, sondern dass wir ihn auch definieren wollen. Das Einzige, was wir an dieser Stelle ganz deutlich gemacht haben, ist, dass wir über ein Alleinstellungsmerkmal des 8. Mai diskutiert haben, weil der 8. Mai gleichbedeutend mit dem Ende des Faschismus war, und dass das ein ganz besonderer Gedenktag an dieser Stelle ist. Dazu stehe ich auch nach wie vor. Selbst wenn ich heute mit meinem Vater noch darüber reden könnte, würde er es auch so sehen.

Es geht heute um die Frage des 17. Juni als Gedenktag zum Bereich SED-Diktatur oder SED-Unrecht. Wir können das gern auseinanderdividieren und jeder Historiker wird dazu vielleicht eine unterschiedliche Position haben. Wenn man es ganz konkret und ganz korrekt bezeichnen würde – das ist aber nur meine persönliche Meinung –, dann

müsste man DDR-Unrecht schreiben. Denn nicht allein die SED hat Verantwortung getragen. Wir haben hier auch schon mal – und da sind Sie dankenswerterweise bereit, an der Aufarbeitung mitzuarbeiten – über die Rolle der Blockparteien diskutiert. All das gehört dazu. Es gehören auch Verwaltungsstrukturen und andere Strukturen in der ehemaligen DDR dazu, die dazu beigetragen haben, dass Menschen, dass Familien gelitten haben, um es ganz einfach zu formulieren, und dass diese heute auch zu beraten und aufzuarbeiten sind.