Protocol of the Session on February 25, 2016

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen aus dem Kreis der Abgeordneten? Bitte, Herr Brandner.

Frau Berninger, zunächst mal zu Ihnen: Es offenbart Ihr Rechtsverständnis und die Auffassung, wie man sich hier im Parlament verhält, wenn Sie gleich 10 Minuten, nachdem der Präsident gesagt hat, „Rassismus“ soll hier nicht mehr geäußert werden, das Wort wieder in den Mund nehmen. Das ist die gleiche krude Rechtsauffassung, die Sie gestern Abend zeigten, als Sie trotz mehrfacher Wünsche und Aufforderungen rechtswidrig aufgehängte Transparente vom Landtagsgebäude nicht abgenommen haben. Vielleicht überlegen Sie sich wirklich mal, was Sie mit Rechtsstaat am Hut haben, Frau Berninger.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sollten ganz vorsichtig sein, Herr Brandner!)

Tut mir sehr leid, Sie hier überhaupt in dem Landtag zu sehen.

(Beifall AfD)

Tricksen, Tarnen und Täuschen, meine Damen und Herren – deshalb wollte ich eigentlich hier ans Rednerpult –, was die Zahlen angeht. Herr Lauinger, ich hatte Sie im Ausschuss schon mal gefragt, da haben Sie nur groß geguckt. Herr Ramelow hat sich am 23.01.2016 in der Thüringer Landeszeitung zitieren lassen: „Wahrscheinlich werden wir 40.000 Flüchtlinge in diesem Jahr bekommen.“ Meine Damen und Herren, da habe ich den Dreisatz bemüht und komme dann auf 1.481.481,48, gerundet auf 1.481.481, ich habe abgerundet. Das sind also fast 1,5 Millionen Flüchtlinge, die Herr Ramelow, obwohl ja angeblich keine Zahlen vorliegen sollen, für Deutschland in diesem Jahr erwartet, 50 Prozent mehr als im letzten Jahr. Und Sie wissen genau, welche katastrophalen Zustände im letzten Jahr geherrscht haben. Da wollen Sie uns allen Ernstes von hier vorne aus weismachen, alles würde gut und alles würde zum Besten und Sie wüssten von nichts! Vielleicht fragen Sie mal Ihren Regierungschef, oder sehen Sie den auch so selten wie ich? Vielleicht fragen Sie ihn mal, wie er zu den Zahlen kommt. Der scheint eine andere Quelle zu haben, aber eine weitaus realistischere jedenfalls als die, die Sie hier zu meinen haben. Danke schön.

(Beifall AfD)

Danke schön. Nun hat Frau Marx für die SPD-Fraktion das Wort.

Tja, Herr Brandner, also mit dem Randalieren und mit dem Stil-des-Parlaments-in-Misskredit-Bringen, ich glaube, da gibt es Vorbilder in diesem Hause, die wir bisher nicht hier hatten.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die keine sind!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Bei den guten Vorbildern, Frau Marx!)

Negative Vorbilder, ja. Und Sie immer mit Ihren – na ja, ich will es jetzt nicht sagen –, mit Ihrer überbordenden Selbstgerechtigkeit. Aber wenn Sie sagen, im Ausschuss würde ein Minister doof gucken – also es ist einfach grottig, unterste Schublade.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Hat doch keiner gesagt!)

Man fragt sich hier – also die Niveausenkung … Das hat eben Herr Brandner gesagt. Ich höre Ihnen immer zu, das ist ja das Schlimme, dass ich Ihnen zuhöre, dann kriege ich ja eben Ihre Dummheiten noch alle mit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde ja auch lieber die Zeit anders verbringen. Aber die Wähler haben Sie uns hier nun mal als Anmutung zur Verfügung gestellt und deshalb setze ich mich auch mit Ihnen auseinander.

Aber ich bin nur deswegen hierhergekommen, weil wir ja gesagt haben, wir wollen die Kommunen und die regionalen Gebietskörperschaften auch hier entlasten und ihnen Hilfestellung geben in der Verteilung oder in der Verschaffung menschenwürdiger Unterkünfte, auch dezentraler Unterkünfte. Deswegen betrifft dieses Gesetzesvorhaben nicht nur den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, sondern natürlich auch den Innenausschuss. Ich möchte ergänzend zu dem Antrag auf Überweisung an den federführenden Ausschuss auch noch einmal darum bitten, dass dieser Gesetzesvorschlag zur Mitberatung an den Ausschusses für Inneres und Kommunales mit überwiesen wird. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Herrgott)

Vielen Dank, Frau Marx. Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht.

Damit kommen wir direkt zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung. Zunächst einmal ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen Dank. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen bis auf die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus der AfD-Fraktion. Danke schön. Damit mit Mehrheit an diesen Ausschuss überwiesen.

Wir kommen dann zur Überweisung an den Innenund Kommunalausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die fraktionslosen Abgeordneten. Danke schön. Gegenstimmen? Aus der AfDFraktion. Enthaltungen? Aus der Unionsfraktion. Damit mit Mehrheit auch an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen.

Jetzt stimmen wir über die Federführung ab. Die soll beim Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz liegen, jedenfalls ist das so beantragt worden. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen Dank. Das sind die Koalitionsfraktionen und die fraktionslosen Abgeordneten sowie die CDU-Fraktion. Und Gegenstimmen? Enthaltungen? Aus der AfD-Fraktion. Die Federführung liegt beim Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.

Damit kann ich diesen Tagesordnungspunkt schließen. Wir rufen jetzt auf den Tagesordnungspunkt 9

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes (Gesetz zur Einführung eines Gedenktages für die Op- fer des SED-Unrechts) Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1769 ERSTE BERATUNG

Ich frage: Wünscht jemand das Wort zur Begründung? Das sieht nicht so aus, sodass ich die Aussprache eröffne. Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten König.

Meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Wir haben heute hier vorliegen den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, das

Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes, Gesetz zur Einführung eines Gedenktages für die Opfer des SED-Unrechts. Zum Hintergrund: Wir hatten bereits in der letzten Legislatur den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus als ersten Gedenktag in Thüringen beantragt und dann auch im letzten Jahr, im 70. Jahr der Befreiung, verabschiedet. Wir haben damals schon erklärt, dass wir als Rot-Rot-Grün uns nicht nur diesem einen Gedenktag widmen werden, sondern uns natürlich auch der Aufarbeitung der SED, der Aufarbeitung des DDR-Unrechts, der Diktatur und dessen, was vor den hinter uns liegenden 25 Jahren passiert ist, widmen. Es ist sehr häufig davon gesprochen worden, dass wir bereit sind, uns der Aufarbeitung zu stellen. Wir haben dazu klare Positionen schon im Koalitionsvertrag – und das im Übrigen in der Präambel, also allem vorweg stehend – verfasst. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir es ernst meinen und dass wir es ehrlich meinen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

In diesem Jahr, am 12. April, ist der 35. Todestag von Matthias Domaschk. Matthias Domaschk ist einer derjenigen, der definitiv noch am Leben sein könnte, wenn er nicht damals in Stasihaft gekommen wäre und wenn er nicht unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben gekommen wäre.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Ziel ist es, mit diesem Gedenktag, für den wir heute das erste Mal in die Debatte gehen, die Aufarbeitung weiter voranzutreiben. Das ist schmerzlich. Das ist schmerzlich insbesondere und an erster Stelle für diejenigen, die es betrifft, für diejenigen, die Unrecht erfahren haben in der DDR. Das ist aber auch schmerzlich und zeigt, wie ernsthaft wir das meinen, für einige, zumindest in meiner Partei, in meiner Fraktion, und auch für andere, die mit der DDR andere Biografien verbinden und die Sorge haben, dass ihre gesamte Lebenszeit, die sie in der DDR verbracht haben, damit in Misskredit gebracht werden soll. Dem ist nicht so. Wir wollen eine ehrliche Aufarbeitung. Was wäre eine ehrliche Aufarbeitung, wenn dabei kein Schmerz entstünde?

Allem voran wollen wir allerdings die Chance stellen, auch mit diesem Gesetzesentwurf, den Schmerz der Betroffenen wahrzunehmen. Ob wir ihn lindern können, weiß ich zumindest nicht und ich glaube, das ist auch eine Sache, die die Betroffenen selber entscheiden müssen. „Alles verändert sich, wenn du es veränderst, doch du kannst nicht gewinnen, solange du allein bist.“ Dieser Text aus einem Lied von „Ton Steine Scherben“ war für viele in der DDR oppositionell Aktive Losung und Lied. Das hat Roland Jahn gesagt in einer Rede in Berlin und er hat auch gesagt, dass sie damals von diesem Lied, das für sie auch Losung war, in ihrem

Engagement mitgetragen wurden. Dass es Leid gab, dass es Unrecht gab, wissen wir alle. Dass es notwendig ist, dafür auch einen Gedenktag einzuführen, halten wir für richtig,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wir wollen zumindest versuchen, der Willkür, der Entrechtung, dem Mangel, dem Fehlen und der Abwesenheit von Freiheit in einer kontinuierlichen Auseinandersetzung, die nicht haltmacht vor denen, die Verantwortung getragen haben, sei es in Ämtern, in Behörden, sei es aber auch dadurch, dass sie viel zu spät oder vielleicht auch nie den Mut hatten, die Stimme zu erheben, einen Raum zu geben, den wir am 17. Juni als den zukünftigen Gedenktag hier in Thüringen sehen.

Ich möchte ein Beispiel bringen, was in der DDR geschah. Matthias Domaschk, der 1981 in Stasihaft umkam, hatte einen operativen Vorgang der Staatssicherheit, der lief gegen ihn und gegen seine Lebensgefährtin Renate Ellmenreich. Die geheime Verschlusssache des Ministeriums für Staatssicherheit Nummer 100/76 aus dem Jahr 1976 verdeutlicht, was ein operativer Vorgang bezweckt – und hier zitiere ich –: die „systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes [...] auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer [...] sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben; systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen; [...] Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen“.

Diesem Unrecht, diesem fatalen Leid, was Menschen in der DDR geschehen ist, dem gilt es sich zu stellen. Und das erhoffen wir auch mit der Einführung eines Gedenktags für die Opfer des SEDUnrechts, dass wir erinnern, dass wir gedenken, dass wir uns auseinandersetzen, dass wir in Gespräche mit Zeitzeugen gehen und somit die weitere Aufarbeitung vorantreiben. Dazu ist es allerdings notwendig, sich der eigenen Biografie und auch dem eigenen Verhalten zu stellen und sich die Frage zu stellen, immer wieder im Rückblick und auch – ich sage mal – in Reflexion: Anpassen oder widersprechen? Roland Jahn hat dazu in seiner Rede in Berlin gesagt, dass es eine tägliche Entscheidung in der DDR gewesen sei und dass der Widerspruch eben keine einfache Entscheidung gewesen sei, denn dem System der Angst und den Folgen eines Widerspruchs konnte man sich nicht entziehen.

Ich bin froh darum, dass ich in einer Familie groß geworden bin, die den Widerspruch gewagt hat. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, in Auseinandersetzung zu gehen: Wie konnte es dazu kommen,

dass so wenige den Mut hatten, den Widerspruch zu wagen und dass unter den Wenigen, die den Mut hatten, den Widerspruch zu wagen – und ich rede nicht von 1989 und dem November, sondern von den Jahren davor –, dass unter denen so viele waren, die bis heute darunter leiden, und auch viele waren, die letztlich 1989 gar nicht mehr erleben konnten.

Roland Jahn fragt auch: Was ist noch okay in der Anpassung an die Verhältnisse? Wo ist Schluss, wo geht man zu weit? Einfache Wahrheiten gibt es nicht. Und immer wieder stellen sich die gleichen oder ähnliche Fragen: Anpassen oder widersprechen? Mitmachen oder verweigern? Wer verhält sich wie in welcher Situation?

Ich vermisse das Bekenntnis zur Biografie – bei den Funktionären, aber auch bei den Mitläufern. Ich vermisse das Bekenntnis zur Verantwortung und das Hinterfragen des eigenen Handelns. Es geht nicht um Abrechnung oder Vergeltung, sondern um Aufklärung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es geht darum, zu begreifen, wie eine Diktatur funktioniert. Es geht darum, zu begreifen, warum es so lange gedauert hat, bis die Menschen die Angst verloren haben, den Widerspruch zu leisten.

Mit dem Gedenktag 17. Juni, mit einem Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts stellen wir uns zumindest in einem weiteren Schritt der Verantwortung und stellen uns der Aufarbeitung.

Ich möchte zuletzt denjenigen danken, die das Ende der DDR vorangetrieben haben, den unangepassten und frei denkenden Menschen, den Engagierten in den Jahren vor 1989. Ich möchte, dass es uns gelingt, den Opfern zumindest unsere Erinnerung zu geben und unsere Möglichkeiten der Aufarbeitung. Dazu gehört auch der Gedenktag, den wir heute hier in erster Lesung im Thüringer Landtag behandeln. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste, liebe Zuhörerinnen! Ich bin Katharina König ausgesprochen dankbar für ihre Rede, die sie eben hier gehalten hat anlässlich der ersten Be