Protocol of the Session on February 25, 2016

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste, liebe Zuhörerinnen! Ich bin Katharina König ausgesprochen dankbar für ihre Rede, die sie eben hier gehalten hat anlässlich der ersten Be

(Abg. König)

ratung unseres Gesetzes für einen Gedenktag an die Opfer der SED-Diktatur am 17. Juni.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin ihr so dankbar, weil sie auch auf das verwiesen hat, was vielleicht nicht unbedingt immer an erster Stelle steht – auf Biografien, auf persönliche Verantwortung, darauf, dass es eben nicht um Abrechnung geht, sondern um Aufklärung und um Aufarbeitung und um den Rahmen, in dem das geschehen kann. Uns als rot-rot-grüner Koalition war es wichtig, Raum zu geben in Form eines Gedenktags, in Form eines Tages, der nicht verordnet wird, sondern in Form eines Tages, der gelebt wird, der auch mit Leben gefüllt werden muss. Das kann und muss auf ganz unterschiedliche Weise geschehen, denn wir wissen alle – das haben wir nicht zuletzt reflektiert bei der Debatte rund um den ThüringenMonitor –, dass sehr viele nur wenig über die Geschichte der SED-Diktatur wissen, auch über solche Tage wie den 17. Juni zu wenig wissen und das, obgleich dieser Tag, meine ich, eine ganz zentrale, besonders wichtige Rolle spielen sollte im – ich nenne es einmal so – kollektiven Gedächtnis.

Gedenktage sind Tage, an denen es zu erinnern gilt, an denen sehr genau nachgedacht werden sollte, an denen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gesprochen werden kann, an denen an Biografien, an Menschen erinnert werden sollte, die dem SED-Unrecht zum Opfer gefallen sind. Gedenktage sollten wir aber auch dazu nutzen, dass jede und jeder einmal über die eigene Rolle, über die Rolle des kleinen Rädchens im Getriebe nachdenkt. Das meine ich tatsächlich bezogen auf alle.

Wir als die drei Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sehr intensiv diskutiert. Uns ging es gerade nicht um Beliebigkeit bei den Gedenktagen, da eine Fraktion hier im Hause meint, dass, weil wir bereits über einen zweiten Gedenktag sprechen, dies Beliebigkeit darstellen würde. Ganz im Gegenteil: Wir stellen uns unserer Verantwortung auch und gerade als rot-rot-grüne Koalition, die im Koalitionsvertrag ganz unmissverständlich dargelegt hat, dass die Aufarbeitung der SEDDiktatur in all ihren Facetten weder überflüssig noch rückwärtsgewandt ist. Wir hatten auf lange Sicht angelegte Projekte der politischen Bildung vereinbart, mit denen die Vergangenheit der DDR vielfältig und beispielhaft für die gesamte Bundesrepublik aufgearbeitet wird.

Wir haben in dieser Verantwortung auch die gesetzliche Verankerung eines Gedenktags für die Opfer des SED-Unrechts als geeignete Form gesehen, um das Gedenken und die Erinnerung auch in der gesamtgesellschaftlichen Debatte zu verankern. Der 17. Juni steht eben gerade – das haben wir auch in unserer Begründung dargelegt – vor dem Hintergrund der differenzierten Geschichte sehr beispielhaft für das Aufbegehren von Men

schen gegen Unrecht in dem von der SED geführten Staat DDR.

Wenn man sich auf Quellensuche begibt, dann kann man eine Broschüre aus der Reihe „Quellen zur Geschichte Thüringens“ aus 2003 finden, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung, in der sehr viele Fakten zusammengetragen wurden. Ich möchte einiges daraus hier sinngemäß wiedergeben. Der 17. Juni, der als Datum zugleich einen größeren Geschehenszusammenhang beschreibt, gehört, meinen wir, unwidersprochen zu den intensivsten politischen Ereignissen der jüngeren Landesgeschichte in Thüringen. In allen Bezirken herrschte fundamentales politisches Interesse. Bezirke sind hier gemeint in der ehemaligen DDR, in Thüringen sind das Gera, Erfurt und Suhl. Quer durch alle Bevölkerungsschichten entfalteten sich Aufbruchsstimmung und Bürgerbewusstsein. Mancherorts entlud sich schwelender, elementarer Zorn auf heftige Weise.

Wenn man sich anschaut, wo sich die Aufbruchstimmung in Thüringen konzentriert hat, dann stößt man schnell auf Jena, auf Gera, auf Weida, auf Kahla, auf Mühlhausen, Bad Tennstedt, Sömmerda, Erfurt, Eisenberg, Silbitz, auf Camburg, auf Schmölln oder auch auf Weimar. Aber zu Protestäußerungen kam es überall – in den Betrieben, auf den Dörfern, in Versammlungen, in Kneipen, in Schulen und Bahnhöfen. Zu den Beteiligten – auch das gilt es zu erinnern –, die man später inhaftierte oder beruflich bestrafte, zählten Arbeiter, Arbeiterinnen, Bauern, Handwerker, Schülerinnen und Schüler, Gewerkschafter, Pfarrer und Polizisten. Die Geschehen rund um den 17. Juni waren örtlich in der Tat sehr verschieden. Manche Orte, Betriebe und Landstriche blieben außerhalb des Geschehens, an anderen wiederum waren sich viele Menschen ganz schnell über den notwendigen fundamentalen Politikwechsel einig. Während in Nordthüringen die Landbevölkerung und Kleinstädte aktiv wurden, waren es im Osten die Zeiss-Arbeiter, die WismutKumpel, die Maschinenbauer und Stahlwerker, die zudem ganze Volksmassen und Nachbarorte mitrissen. In den Grenzregionen mit Grenzregimen – man muss hier natürlich auch erinnern an die Zwangsaussiedlung 1952, die 1953 massiv nachwirkte – und im dünn besiedelten Thüringer Wald war größere spontane Gruppenbildung kaum möglich. Und so dominierte hier eine Mischung aus Repressionsfurcht und artiger Zustimmung zum neuen Kurs. Und während manche in Gotha beispielsweise am 12. und 16. Juni bereits streikten, wurde Erfurts Arbeiterschaft interessanterweise erst am 18. und 19. Juni richtig aktiv, als bereits sowjetische und deutsche Truppen die Werksgelände von außen abriegelten. Und als man im Juli in Gera, Jena, Silbitz große Solidarstreiks plante, hatten die Kahlaer Porzellanmaler oder die Nordhäuser IFA-Werker längst reuevolle Worte verfasst. Es gibt weitere

ganz viele Faktoren für örtliche Besonderheiten, Situationen und Personen, aber auch Gerüchte, Informationen, Hoffnungen und Zweifel, Schnelligkeit, Gegenwehr und vieles mehr. Man kann sich das in der heutigen Zeit, wo jeder schnell auf sein Smartphone guckt, gar nicht mehr vorstellen, wie schwierig es in der Zeit auch war, an Informationen zu gelangen.

Manche Unterschiede erklären sich aus der Kürze des Zeitfensters, auch der machtpolitischen Machbarkeit, denn so kamen beispielsweise diejenigen nicht zum Zuge, die am 17. Juni noch in kleinen Kreisen debattierten oder nur mit Streik drohten.

Trotz Vielfalt kann man im Prinzip drei übergreifende Ereignisformen benennen und da auch Parallelen finden. Zum einen gab es auf Straßen und Plätzen unterschiedlichste Formen des Protestes, vor allem in Jena, Kahla und Camburg, Gera und Weida, Sömmerda, Mühlhausen, Bad Tennstedt, Apolda, Schmölln, Eisenberg und Unterwellenborn. Dazu kamen auch Straßenaktivitäten auf Dörfern, wo kleinere Teilnehmerzahlen durchaus das Gros der Bevölkerung umfassten.

Die Betriebe bildeten gewissermaßen einen zweiten großen Ereigniskomplex. Sie hatten nicht nur Initialfunktion für viele Volksdemonstrationen oder führten mit ihren großen Belegschaften Massenbildung herbei, auch an Orten ohne Straßengeschehen kam es zur Arbeitsniederlegungen und betrieblichen Protesten. Der genaue Umfang, der formal unter 10 Prozent der Thüringer Arbeiterschaft lag, lässt sich kaum ermitteln, weil manche Streiks im Nachhinein auch als Betriebsversammlungen galten und kleine Privatbetriebe in keine Statistik kamen, weil manche Betriebe ihre Forderungen zunächst nur mit Streikandrohung versahen, und drittens auch, weil die Polizeiberichte eher dort ausführlicher sind, wo es Betriebspolizisten gab, sprich in Großbetrieben.

Interessant auch auf dem Land die Formen massiven Handelns, die vielleicht so gar nicht in erster Hinsicht für alle erkennbar waren. Trotz dringlicher Feldarbeit und Viehversorgung herrschte auch hier Bewegung oder Aufruhr. Typisch war die bleibende Skepsis gegenüber den Versprechen des neuen Kurses, denn zu tief gingen Narben der vorherigen Zwangs- und Strafpolitik. Letztere bestimmten wohl auch die bleibende Angst in mehreren Landstrichen.

Wie gesagt, es gibt, glaube ich, sehr vieles, was es an diesem Tag zu gedenken und zu erinnern gilt. Auf der Seite 35 der Broschüre der Landeszentrale findet man dann die Originalquellen und da sind interessanterweise auch politische Witze abgedruckt, einen will ich hier vortragen: Der Kaderleiter fragt den Bewerber: „Wie lange arbeiten Sie schon in einem VEB?“ Antwort: „15 Jahre.“ „Na, hören Sie mal, VEBs gibt es doch erst acht Jahre lang.“ Da

rauf der Arbeiter: „Überstunden, alles Überstunden.“ Sicher lässt sich das nur im Wissen um die damalige Zeit verstehen. Ich glaube, wir haben heute hier einen guten Anfang für eine intensive historische, aber nicht rückwärtsgewandte Debatte gelegt. Wir stellen uns der Verantwortung und ich freue mich auf die intensive Fortberatung im Ausschuss. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Brandner das Wort.

Meine Damen und Herren, wir haben in dieser noch recht jungen Legislaturperiode bereits wiederholt über Fragen der Geschichtspolitik diskutiert und über Gedenktage debattiert. Das ist begrüßenswert, denn auch die parlamentarische Debatte über Geschichte ist geeignet, nicht nur Geschichtsvergessenheit, sondern auch der Geschichtsklitterung und der falschen politischen Vereinnahmung von Geschichte vorzubeugen. Das Letzteres allerdings nicht immer gelingt, zeigte die Einführung des 8. Mai als Gedenktag, der als Gedenktag für die Befreiung vom Nationalsozialismus etabliert ist, Frau König, von Faschismus kann ich hier im Gedenktagsgesetz nichts lesen. Da war wahrscheinlich bei Ihnen der Wunsch Vater des Gedanken. Wir haben keinen Gedenktag zur Befreiung vom Faschismus hier in Thüringen, jedenfalls habe ich davon noch nichts mitbekommen, sondern vom Nationalsozialismus. Jedenfalls wurde bei der Implementierung dieses Gedenktags der Ambivalenz dieses Datums nicht genügend Rechnung getragen. Deshalb hat die AfD-Fraktion damals gesagt, das machen wir nicht mit. Immerhin hat unsere Plenardebatte über dieses Datum daran erinnert, dass es die angesprochene Ambivalenz des 8. Mai 1945 gibt. Die Thüringer Bürger wissen natürlich sehr wohl, dass der 8. Mai 1945 die Befreiung vom Nationalsozialismus – Frau König – bedeutet. Sie wissen aber ebenso gut, dass der 8. Mai viel Leid und Schmerz auch für die Deutschen brachte. Und sie wissen insbesondere, dass auf die Befreiung von der einen unmittelbar die Etablierung einer anderen Diktatur folgte, nämlich der Diktatur der SED, die sich auf die bewaffnete Macht Moskaus stützte und die heute noch hier sitzt und zu meiner Irritation auch noch regiert.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Wer hat gestern nach Putin gerufen?)

Nach der gesetzlichen Einführung des 8. Mai als Gedenktag konnte man zu Recht fragen, ob dieser

(Abg. Rothe-Beinlich)

nun einzige Gedenktag nicht eine einseitige Form des offiziellen Gedenkens sei. Denn jetzt wurde zwar der Opfer der braunen Diktatur, nicht aber derjenigen der roten Diktatur gedacht, und noch andere bedeutsame historische Daten blieben unberücksichtigt. Diese Überlegung hat dann wahrscheinlich die Unionsfraktion dazu veranlasst, gleich einen ganzen Strauß weiterer Gedenktage zu fordern. Eine entsprechende Häufung von Gedenktagen hätte aber nach unserer Auffassung das Unternehmen „Erinnerungspolitik“ vollends entwertet. Deshalb haben wir das auch abgelehnt. Immerhin wollte die Union auch den 17. Juni als weiteren Gedenktag eingeführt oder wieder eingeführt sehen, es gab ihn ja schon mal. Im Sinne einer geschichtspolitischen Auseinandersetzung und Ausgewogenheit ist dieser Gedanke keinesfalls abwegig. Das hat nun wiederum die Regierungskoalition aufgegriffen und will nun ihrerseits den 17. Juni als Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts einführen. Natürlich kann man sich fragen, warum die Regierungskoalition selber nicht gleich auf die Idee gekommen ist, zumal wenn man die weihevollen Worte der Frau König vorhin hier gehört hat. Die Worte an sich wären, wenn sie nicht von Frau König gekommen wären, ganz vernünftig und auch ordentlich rübergekommen, aber das, was hier von Frau König gesagt wurde, das grenzte – aus meiner Sicht – an ganz tiefe primitive Heuchelei. Frau König, Sie wurden von Ihrer Fraktion ausgenutzt. Wahrscheinlich haben Sie es gar nicht gemerkt. Die haben extra ein junges Mädel hier vorn hingestellt, das historisch unbelastet ist,

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Kann den jetzt mal jemand abstellen? Das ist ein- fach widerlich!)

(Heiterkeit AfD)

und es war bestimmt auch kein Zufall, dass während Ihrer Ausführungen die Genossen Blechschmidt und Leukefeld genauso wie der Genosse Kuschel gar nicht im Raum waren. Also, Sie wurden hier vorgeführt, Frau König, Sie wurden zum nützlichen Idioten der Fraktion gemacht und haben es wahrscheinlich gar nicht gemerkt, was hier mit Ihnen passiert ist.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Herr Abgeordneter Brandner. Für den „nützlichen Idioten“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Die Frage war, warum Sie nicht gleich auf die Idee gekommen sind, zumal das ja so eine tolle Rede war von Ihnen, Frau König. Die Antwort aus unserer Sicht ist einfach. Im linken Lager ist man zwar

besessen von der Diktatur der Nationalsozialisten, bei der Auseinandersetzung mit den diktatorischen Untaten und Verbrechen von Sozialisten und Kommunisten linker Couleur allerdings muss man erst zum Jagen getragen werden und trägt links eine dicke Augenklappe.

Frau Marx, das macht uns deshalb nichts, denn wir sagen „Potius sero quam numquam.“ und wissen, immerhin ist da etwas Gutes auf dem Wege.

(Beifall AfD)

Nun steht die AfD-Fraktion einem staatsoffiziellen Gedenktagswesen grundsätzlich skeptisch gegenüber, auch weil es jeweils den jeweiligen Mehrheiten unterworfen ist. Wenn aber infolge der Mehrheitsverhältnisse die Etablierung von Gedenktagen nicht zu verhindern ist, so können wir doch mit dem 17. Juni als einem zweiten Gedenktag in Thüringen sehr gut leben. Das habe ich vor einigen Wochen von hier aus auch schon gesagt – ich glaube, ich habe es schon mehrfach gesagt – und ich freue mich, dass nun auch die Linke dieser Auffassung ist. Denn mit dem 17. Juni wird an ein Verbrecherregime erinnert, das genauso wenig wie das Dritte Reich vergessen werden darf. Und das Risiko des Vergessens ist keineswegs gering, Frau RotheBeinlich hatte darauf hingewiesen. Studien belegen, dass erschreckend viele Schüler heutzutage bekanntlich weder eine Ahnung vom gelebten DDR-Sozialismus noch vom Nationalsozialismus haben. Das wirft natürlich ein Licht auf den Geschichtsunterricht in den Schulen. Der Historiker Klaus Schroeder äußerte vor Kurzem sinngemäß dazu, dass die Zeitgeschichte ein Stiefkind des Geschichtsunterrichts sei, die immer am Ende eines Schuljahrs stünde, zumal dann, wenn bereits Stunden ausgefallen seien. Im Osten käme erschwerend hinzu, dass jedenfalls ältere Lehrer sich ungern mit diesem Thema beschäftigen. Wahrscheinlich wäre es daher sinnvoller, einen soliden Geschichtsunterricht in Thüringen durchzuführen und zu organisieren als Gedenktage einzuführen. Das können wir dann einmal in einer bildungspolitischen Debatte besprechen, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Wir finden, jedenfalls gerade auch in der jungen Generation, allzu oft ein bisweilen nostalgisches Bild der DDR und des gelebten DDR-Sozialismus vor. Das wird allzu oft von sentimentalen Rückblicken einer älteren Generation bestätigt und auch massiv von der zweitgrößten Fraktion hier im Landtag unterstützt. Solche Geschichtsbilder, die Sie von den Linken vermitteln, lassen leicht vergessen, dass die DDR eine handfeste sozialistische Diktatur war, ein Unrechts- und ein Unterdrückungsstaat, der die Menschen bevormundete, knechtete, einsperrte, auch umbrachte, und mit Freiheit und Recht nichts am Hut hatte. Geführt war das Ganze durch die SED und die – die CDU soll auch nicht

ungeschoren davonkommen – Blockparteien. Genau dies offenbarte sich besonders deutlich an jenem 17. Juni 1953 und in den sich daran anschließenden Tagen. Die meisten Menschen in der damals sogenannten Zone wollten dieses Regime nicht. Sie wollten Rechtsstaatlichkeit, sie wollten Demokratie, sie wollten eine prosperierende Wirtschaft. Daher gab es, anders als im sogenannten Dritten Reich, in der DDR eine breite Gesellschaft der Opposition gegen das diktatorische Regime der SED, und zwar eine Opposition, die sich am 17. Juni 1953 die Bahn brach.

Meine Damen und Herren, im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen wird daran erinnert, dass der 17. Juni in der alten Bundesrepublik bereits Feiertag und nationaler Gedenktag war. Es wird allerdings behauptet – das wundert mich –, es sei ein Gedenktag gewesen, der zum Ritual verkommen war. Wenn man diese Sicht der Dinge teilt, kommt hier einmal mehr die Problematik solcher staatsverordneter historischer Gedenk- und Feiertage zum Vorschein. Es droht die Gefahr, dass sie zum Ritual werden. Aber vermutlich war gerade dieser 17. Juni vor allem aus Sicht der Linken oder der DKP, wie sie damals bei uns hieß, ein Ritual. Tatsächlich haben die Vernünftigen in der alten Bundesrepublik den 17. Juni sehr ernst genommen und an der Forderung der Deutschen Einheit, zu Recht, wie man jetzt sieht, festgehalten. Die Vernünftigen waren freilich meist nicht solche, die in der SPD, bei den Grünen oder in der DKP beheimatet waren. Vorstöße, den 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit schon in der alten Bundesrepublik abzuschaffen, gab es häufig und die kamen meist von links. Das wollen wir nicht vergessen. In diesem Zusammenhang muss ich auch mal an eine Sternstunde der Sozialdemokratie im negativen Sinn erinnern, nämlich an das unsägliche SED-SPD-Papier aus dem Jahr 1987, mit dem die Sozialdemokraten West – ich hoffe, Sie schämen sich dafür immer noch – de facto die SED-Herrschaft noch in der Spätphase stützten und unbegreiflicherweise den Gegensatz von republikanischem Rechtsstaat und Diktatur aufweichten.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie das verstanden haben, was ich gerade gesagt habe

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Kein Wort!)

Soll ich es noch mal wiederholen? –,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Nein, das muss nicht sein!)

ist eine gewisse Konsequenz zu sehen, denn Ihre jetzige Unterwerfung, die Unterwerfung der einst stolzen SPD unter die Herrschenden von früher. Das ist eigentlich dann eine zwingende Logik, oder? Peinlich für eine ehemals so stolze Partei. Nichtsdestotrotz, meine Damen und Herren, ist es

erfreulich, dass die Regierungsfraktionen, wenn auch nun mit einiger Heuchelei gekrönt, die Ereignisse des 17. Juni mit einem Gedenktag ehren wollen. Wir werden uns dem nicht verweigern und hoffen dabei, das meine ich so, dass es wirklich ernst von Ihnen, und vor allem von Ihnen links, gemeint ist. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion der CDU hat sich Abgeordneter Walk zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen Frau König und Frau Rothe-Beinlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum, werte Besucher auf der Besuchertribüne und im Livestream, wir befassen uns heute im Plenum erneut mit einem Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes, der insgesamt dritte innerhalb weniger Monate. Ich denke, es macht Sinn – Frau Abgeordnete König hat auch schon zurückgeschaut –, dass ich noch mal aus Sicht der Union den bisherigen Werdegang skizziere. Zunächst legte Rot-Rot-Grün im Mai 2015 ihren Gesetzentwurf vor, der die singuläre Aufnahme des 8. Mai als Gedenktag vorsah. Meine Fraktion begleitete dieses Vorhaben mit einem Änderungsantrag, der zusätzlich die Aufnahme weiterer Gedenktage vorsah. Der 8. Mai sollte nicht isoliert als alleiniger politischer Gedenktag aufgenommen werden, sondern im Kontext stehen mit weiteren geschichtlich wegweisenden Tagen und Ereignissen, die das Ringen um einen parlamentarisch demokratisch verfassten Staat verdeutlichen. Namentlich der 18. März, als Tag der parlamentarischen Demokratie, der 17. Juni, dazu später, sowie der 25. Oktober als Tag der Verfassung des Freistaats und des Thüringer Landtags. Das Ergebnis der seinerzeit sehr lebhaften Debatte am 2. Oktober ist bekannt, mit rot-rot-grüner Stimmenmehrheit wurde der Gesetzentwurf der Koalition verabschiedet und damit eben nur der 8. Mai. Ende Oktober 2015 brachte dann unsere Fraktion einen Gesetzentwurf zur Änderung des Feiertagsgesetzes ein. Dieser sieht vor, neben den bisherigen, von uns vorgeschlagenen Gedenktagen 18. März, 17. Juni, 25. Oktober nunmehr zusätzlich den 9. November zu normieren, denn in diesem deutschen „Nachdenktag“ verdichten sich Höhen und tiefste Abgründe deutscher Demokratiegeschichte in ganz besonderer Weise.

Der Grund für die neuerliche Gesetzesinitiative war einfach: Zum einen hatten sich Abgeordnete – und das fraktionsübergreifend – für eine fortzuführende Diskussion in der Frage der Aufnahme weiterer Gedenktage ausgesprochen und zum anderen war die Festlegung auf den 8. Mai – ich erwähnte es – als