Protocol of the Session on February 24, 2016

Herr Abgeordneter Gentele, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher und Fernsehzuschauer, auch ich bin erschüttert über den Anschlag, der in der Nacht vom 14. zum 15. Februar auf den Demokratieladen und das Wahlkreisbüro von unserer Kollegin, Frau Rosin, in Kahla verübt wurde. Das war und ist ein massiver Anschlag auf unsere demokratischen Grundwerte. Am frühen Morgen des 15. Februar erreichte mich die Nachricht über den Anschlag auf die beiden Einrichtungen. Ich verurteile diese Anschläge auf das Stärkste. Ein Brandsatz wurde gelegt, Scheiben eingeschlagen. Die Täter sind bereit gewesen, mögliche Opfer, sogar deren Tod, in Kauf zu nehmen. In diesem Gebäude leben Familien mit Kindern. Diese Entwicklung in unserem Land macht mich traurig, aber auch sehr nachdenklich. Wir müssen alle unsere Stimme erheben gegen Gewalt und braunen Terror. Diese Aktion zeigt, wie gefährlich die rechte Szene in Kahla ist. Der Demokratieladen steht wie keine andere Einrichtung in der Stadt für Menschenrechte, für Toleranz und für Mitmenschlichkeit. So wurde es mir von vielen Bürgern berichtet. Und so kenne ich es auch aus anderen Orten. Auch ich stehe für diese Werte. Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen solche Menschen, die diese Anschläge planen, durchführen mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen, die uns zur Verfügung stehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Diese Werte wurden durch den Anschlag mit Füßen getreten und offensiv bekämpft. Wir dürfen solche Aktionen, die in Kahla, Clausnitz oder auch Bautzen und anderswo passiert sind, nicht stillschweigend hinnehmen. Nein, wir müssen die Bevölkerung aufklären, ihnen klarmachen, dass Gewalt kein Mittel ist, seine Meinung rechtens zu äußern, sondern eine Straftat. Durch unsere Gesellschaft geht ein Riss, der in den letzten Jahren immer stär

(Abg. König)

ker wurde. Dieser Riss heißt Rassismus. Täglich hören und sehen wir in den Medien Gewalttaten gegen Asylbewerber, Flüchtlinge und deren Einrichtungen. Wir sehen jubelnde Menschen vor Bussen, die Asylbewerber, wie in Clausnitz, hindern, aus dem Bus zu steigen. Oder wir sehen brennende Flüchtlingsunterkünfte wie in Bautzen. Was passiert mit uns, mit unserem Land? Wie können wir als Politiker da gegensteuern? Es heißt, einander helfen liegt uns in den Genen. Wenn irgendwo auf der Welt ein Erdbeben ist, senden wir und andere Hilfslieferungen. Wenn wir von großem Leid erfahren, zeigen wir Sorge und Verständnis. Das, was jedoch zurzeit in unserem Land abgeht, hat rein gar nichts mehr damit zu tun. Aus Angst um den eigenen Wohlstand verroht ein Teil unserer Bevölkerung, nicht nur sprachlich, sondern auch in Taten. Sehr geehrte Damen und Herren, es wird gehetzt und provoziert und der vermeintliche Volkswille vorangetragen. Radikale Bauernfänger wie die AfD ziehen brandschatzend durchs Land und propagieren Hass und das tausendjährige Reich

(Unruhe AfD)

und fordern auf, Asylanten – wie sie es nennen – aus dem Land zu jagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Den Menschen, denen es vor fünf Jahren noch so ging wie uns, die heute vor Krieg, Gewalt, Hunger und Not flüchten – es ist abscheulich, wie diesen Menschen begegnet wird. Und wir sollten uns schämen, welches Verhalten Teile unserer Landsleute an den Tag legen. Um es mit den Worten Charlie Chaplins zu sagen: „Jeder Mensch sollte dem anderen helfen, nur so verbessern wir die Welt.“ Wir sollten am Glück des anderen teilhaben und nicht einander verabscheuen. Hass und Verachtung bringen uns niemals weiter. Wer meint, er könnte mit Blockaden, Hasstiraden, Steinen oder Brandsätzen seinen Kleingeist unter die Menschheit bringen, der irrt. Ich kann nur jeden ermutigen, sich gegen solch geistige Brandstifter zu erheben. Begreifen wir endlich die gegenwärtige Situation als Chance für und nicht als Angriff auf unsere Gesellschaft. Türken, Afghanen, Iraker oder Syrer sind zwar deren Nationalität, Muslim oder Christ deren Glauben, aber letztlich sind es Menschen wie du und ich. Jeder möge bedenken, es hätte auch uns treffen können und dann wären wir froh, wenn uns Hilfe widerfährt – wie ab Ende 1945. Aufklären heißt das obere Gebot, Demokratie heißt Meinungsfreiheit und frei leben zu können. Daher mein Aufruf an alle, die in der Mitte unserer Demokratie stehen: Solche Gewalttaten müssen wir verurteilen, egal von welcher Seite Gewalt ausgeht. Sie darf nicht toleriert werden. Wir müssen dafür kämpfen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Krumpe, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, weil alle Fraktionen bereits einmal gesprochen haben. Deswegen erteile ich das Wort Herrn Innenminister Poppenhäger. Bitte schön.

Herr Präsident, vielen Dank. Meine Damen und Herren, der Sachverhalt ist aufgrund der Ausführungen meiner Vorredner ja im Wesentlichen bekannt. Ich will ihn an dieser Stelle nicht erneut wiederholen. Ich will aber speziell Herrn Abgeordneten Gentele noch einmal für seine sehr engagierte und menschliche Rede danken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir müssen nun energisch daran arbeiten, die Täter dingfest zu machen. Hinsichtlich der eingeleiteten Strafverfolgungsmaßnahmen möchte ich Ihnen mitteilen, dass die örtlich zuständige Polizei unverzüglich die Ermittlungen aufgenommen hat und zwischenzeitlich die BAO ZESAR des Landeskriminalamts Thüringen das Verfahren übernommen hat. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass sich der Sachverhalt erst vor einer Woche ereignet hat und die polizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgung auch gerade erst angelaufen sind und sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich bei den laufenden Ermittlungen dem Bekanntgeben vorläufiger Ermittlungsergebnisse nicht nachkommen kann. Gesetzliche Vorschriften und Zwecke des Ermittlungsverfahrens stehen ja dagegen und aus diesem Grund kann und sollte ich auch derzeit keine weiteren Auskünfte zum aktuellen Ermittlungsstand geben.

Der Demokratieladen Kahla ist seit dem Jahr 2014 ein gefördertes Projekt im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Mit dem Projekt sollen die demokratischen und zivilgesellschaftlichen Akteure und Institutionen in der Stadt unterstützt und gestärkt werden. Der Demokratieladen bietet darüber hinaus Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen und kann auch als Treffpunkt genutzt werden. Unabhängig davon, ob man von einer neuen Eskalationsstufe rechter Gewalt in Thüringen sprechen will oder nicht, zu verharmlosen ist diese Form der Gewalt auf keinen Fall. Es ist den Sicherheitsbehörden durchaus bekannt, dass die rechtsextreme Szene in Kahla in unerfreulicher Weise aktiv ist. So sind seit 2014 bis zum heutigen Stand 16 Straftaten mit politisch motiviertem Hintergrund rechts begangen worden. Im

(Abg. Gentele)

August 2015 wurde der Demokratieladen mit Aufklebern politischen Inhalts beklebt und im Dezember des gleichen Jahres mit Hakenkreuzschmierereien verunstaltet. Ich darf auch erwähnen, dass das Amt für Verfassungsschutz eine Projektgruppe eingerichtet hat, die sich speziell mit Anschlägen auf Partei- bzw. Wahlkreisbüros und entsprechende Orte der Demokratie befassen wird. Die explizite Befassung mit diesem Thema soll Hintergrundinformationen zur möglichen Motivation oder auch zur Einbindung möglicher Täter in extremistische Szenen erbringen. Gegebenenfalls werden sich Hinweise finden lassen, ob und wenn ja, welche Gruppierungen eine besondere Nähe zu möglichen Tätern aufweisen. Ich unterstütze diese Arbeit ausdrücklich. So viel zu dem Thema an heutiger Stelle. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Ich schließe damit den ersten Teil und rufe auf den zweiten Teil der Aktuellen Stunde

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Freies Geld für freie Bürger – Beschränkungen des Bargeldverkehrs verhindern – Eine Aufgabe für eine Landesregierung?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/1784

Herr Abgeordneter Höcke hat das Wort. Bitte schön.

Sehr verehrter Herr Landtagspräsident, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Besucher auf der Tribüne,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich gehe einen Kaffee trinken, wenn der redet!)

wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir als AfD-Fraktion im Thüringer Landtag in großer Sorge sind um die bürgerlichen Freiheiten in Deutschland und in Thüringen und in großer Sorge um das in Generationen aufgebaute Volksvermögen.

(Beifall AfD)

Seit einigen Monaten haben sich die EZB, der IWF, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und andere bekannte Vertreter der Großen Koalition daran gemacht, einen Frontalangriff auf unser

Bargeld zu starten. Die Abschaffung des Bargelds soll scheibchenweise erfolgen, damit der deutsche Bürger es erst mitbekommt, wenn es zu spät ist. Zunächst sollen dann die großen Scheine verschwinden,

(Beifall AfD)

Bargeldzahlungen über 5.000 Euro sollen verboten und weitere Scheine nach und nach geopfert werden. Dies alles erfolgt unter dem bekannten Vorwand der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung.

Sehr verehrte Kollegen von den Altparteien – und diese Aussage und diese Ansage geht natürlich jetzt vorrangig nach Berlin –, ich sage Ihnen, kontrollieren Sie lieber die Grenzen und ergreifen Sie die Täter.

(Beifall AfD)

Bestrafen Sie diese Täter und bestrafen Sie bitte nicht die ganze Republik. Kriminalität bekämpft man eben nicht dadurch, dass man Geldscheine abschafft.

(Beifall AfD)

Jede elektronische Bezahlung hinterlässt Spuren. Klaus Müller, Deutschlands oberster Verbraucherschützer, erklärt dazu Folgendes – ich zitiere Klaus Müller: „Wer Obergrenzen für Barzahlungen oder sogar die völlige Abschaffung von Bargeld diskutiert, darf die Konsequenzen für Verbraucher nicht außer Acht lassen. Bargeld ist gelebter Datenschutz. [Dieser gelebte Datenschutz] darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.“

(Beifall AfD)

Für die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag und für die AfD im Allgemeinen sage ich, in dubio pro libertate – im Zweifel für die Freiheit, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete.

(Beifall AfD)

Wir müssen das Vorpreschen von EZB, IWF, dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und anderen Vertretern der Großen Koalition hier in einen größeren Zusammenhang stellen. Dieser Zusammenhang ist die Geld-, Banken- und Staatsschuldenkrise, die die Altparteien nicht mehr unter Kontrolle haben.

(Beifall AfD)

Die Altparteien wollen den Zugriff auf den deutschen Spargroschen. Das ist ganz offensichtlich. Das Bargeld ist das entscheidende Hindernis, die Zinsen noch stärker zu senken, damit das Staatsdefizit und die Eurorettungspolitik – die sogenannte Eurorettungspolitik, denn diese Währung ist nicht mehr zu retten – weiter finanziert werden können.

(Beifall AfD)

(Minister Dr. Poppenhäger)

Wenn die Zinsen von der Zentralbank ins Negative gedrückt werden, müssen die Banken sie irgendwann an die Sparer weitergeben. Das liegt in der Natur der Sache. Der deutsche Sparer würde dann wahrscheinlich sein Geld unter dem Kopfkissen bunkern oder im Schließfach aufbewahren und der Bank gegenüber verständlicherweise eine lange Nase machen. Und das wollen Sie, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete von den Altparteien, verhindern. Ein Bargeldverbot ermöglicht nämlich, einen Negativzins als Strafsteuer für Sparer unmittelbar durchzusetzen und – wenn das nicht genügen sollte – gleich noch eine Vermögensabgabe hintendrein umzusetzen.

(Beifall AfD)

Jede Fluchtmöglichkeit ins Bargeld wird damit logischerweise verhindert. Dies, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, geht dann einher mit der totalen Kontrolle des Bürgers durch den Staat. Diesen gierigen Staat – ja, Frau Finanzministerin Taubert, Sie müssen da nicht lachen,

(Zwischenruf Taubert, Finanzministerin: Doch!)

die Gefahren sind deutlich am Horizont zu erkennen –, diesen Überwachungsstaat wollen wir als AfD nicht und deshalb werden wir diese von den Altparteien angestoßene ungute Entwicklung sehr genau im Auge behalten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Höcke. Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Pidde für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist schwierig nach diesem Redebeitrag, bei dem vieles miteinander vermengt worden ist, sachlich zu bleiben und eine Debatte um den Bargeldverkehr zu führen. Und selbst in dieser Debatte, die in der Öffentlichkeit ist und zu der sich Hinz und Kunz hier und da äußerten – es ist schon erstaunlich, wer sich alles dazu äußert –, wird sehr viel miteinander vermengt. Da geht es darum: Brauchen wir den 500-Euro-Schein überhaupt? Viele Bürger sagen, dass sie den überhaupt noch nie in der Hand gehabt haben. Andere brauchen den unbedingt, haben aber noch nie damit bezahlt. Und letztendlich geht die Diskussion dahin, wie Sie es gerade gesagt haben: Wenn die 500-Euro-Scheine nicht mehr da sind, wird es auch bald gar kein Bargeld mehr geben. Diese Abschaffung des Bargelds ist doch aber vollkommen aus der Luft gegriffen!

(Unruhe AfD)