Protocol of the Session on January 29, 2016

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren!)

Die auszureichenden Sachleistungen können auch in Form von Wertgutscheinen ausgegeben werden und Wertgutscheine und Sachleistungen sind keine Reduzierung der Würde, Frau Berninger, sondern sie sind eine Ersatzleistung und zwar in gleicher Höhe wie Bargeld.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist doch lächerlich!)

Sollte es trotzdem notwendig sein, Geldleistungen auszureichen, sind diese maximal einen Monat im Voraus zu gewähren. Das findet in Thüringen weitestgehend statt und ist auch stringent so anzuwenden.

Abschließend, meine Damen und Herren, erwarten wir, dass die Thüringer Landesregierung die Mittel, die vom Bund für die Kommunen bereitgestellt werden, auch eins zu eins durchreicht und keine Teile für den Landeshaushalt oder Landesaufgaben einbehält, wie das zum Teil der Fall ist. Dies gilt für alle Mittel, die die Kommunen für die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen erhalten sollen. Eine hundertprozentige Erstattung für die Aufwendungen findet hier immer noch nicht statt. Die Mittel, die der Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, sind zweckgebunden und sinnvoll in ganz Thüringen einzusetzen, denn Wohnraum wird nicht nur für Asylbewerber und Flüchtlinge benötigt, meine Damen und Herren,

sondern er wird auch für die Menschen benötigt, die Anerkennung erhalten haben und die als Rechtskreiswechsler nun vom Jobcenter in Thüringen betreut werden. Die Menschen mit anerkanntem Schutzstatus, die in Thüringen bleiben wollen – und das ist ein Anteil, denn es gehen nicht alle, die eine Anerkennung haben, aus Thüringen weg, auch nicht aus dem ländlichen Raum –, sollten hier die Bedingungen finden, gerade in punkto Wohnraum, um hier auch bleiben zu können.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, unser Antrag zielt darauf ab, dass gesetzliche Selbstverständlichkeiten, die seit dem Herbst 2015 gelten und für die Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingsproblematik notwendig sind, zügig, konsequent und umfassend umgesetzt werden, und zwar bevor wir über die neuen Gesetzlichkeiten aus dem gestern hoffentlich abschließend vereinbarten Asylpaket II reden. Wir setzen da auf Ihre Unterstützung, dass diese Selbstverständlichkeiten, die wir in diesem Antrag einfordern, auch umgesetzt werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank, Herr Herrgott. Als Nächster hat das Wort die Frau Abgeordnete Berninger für die Fraktion Die Linke.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, auf den ersten Blick könnte man den Antrag der Fraktion der CDU folgendermaßen zusammenfassen: Gesetze sind umzusetzen. Wenn man aber einen zweiten Blick auf den Antrag wirft, dann wird deutlich, dass sich die Christdemokratinnen und Christdemokraten im Thüringer Landtag – für die CDU-Mitglieder in Thüringen insgesamt kann man das meines Erachtens nicht sagen, da bin ich mir ziemlich sicher, aber die Abgeordneten in der CDU-Landtagsfraktion – immer weiter von einem menschenrechtsorientierten und wie ich meine auch von einem christlichen Ansatz in der Flüchtlingspolitik entfernen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen mit diesem Antrag - lesen Sie Ihren Antrag mal ganz genau durch – die ohnehin zum Teil tatsächlich inhumanen Neuregelungen im Asylgesetz noch verschärfen. Dass Sie da von Selbstverständlichkeit sprechen, Herr Abgeordneter Herrgott,

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Nicht ver- schärfen, ausschöpfen!)

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sehr gut!)

da fehlen mir die Worte.

Zum Beispiel mit der Forderung nach eigenständigen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, in Punkt 2 a Ihres Antrags, oder mit der Forderung „Abschiebung um jeden Preis“, spätestens nach drei Monaten, in Punkt 2 b Ihres Antrags, oder durch die Leistungseinschränkung, auch um den Preis der Kostensteigerung für die Verwaltung, bei den Leistungen zur Deckung des persönlichen Bedarfs. Sie wollen diese zwingend in Sachleistungen umwandeln in Punkt 2 c Ihres Antrags.

Und zum Schluss noch durch fast kompletten Leistungsentzug für Menschen, denen unterstellt wird, ihre Ausreisemöglichkeit schuldhaft – in § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes heißt es „aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben“ – nicht wahrgenommen haben. Letzteres ist zwar keine Verschärfung, die auf dem Mist der CDU-Fraktion in Thüringen gewachsen ist, sondern tatsächlich Gesetzeslage. Sie finden Sie aber offenbar gut, meine Damen und Herren von der CDU.

(Zwischenruf Abg. Herrgott, Abg. Mohring, CDU: Wir finden die Gesetze gut!)

Pro Asyl, meine Damen und Herren der CDU, befürchtet, dass dieses „schuldhaft“ nahezu allen Flüchtlingen mit einer Duldung vorgeworfen werden könnte, weil sie etwa keine Identitätsdokumente vorlegen können. Da will ich mal die Abgeordnete Holbe oder den Herrn Fiedler fragen: Erinnern Sie sich, wie es um die Registrierung der Minderheitenangehörigen im Kosovo stand, als wir mit dem Innenausschuss dort gewesen sind? Roma haben sehr häufig keine Geburtsurkunde, keinen Pass, kein Sozialversicherungsdokument oder Ähnliches, weil sie nicht registriert werden.

Die Folge dieser Gesetzesverschärfung kann sein, dass diese Menschen künftig um circa 40 Prozent gekürzte Leistungen erhalten; 40 Prozent gekürztes Existenzminimum, meine Damen und Herren. Das aber ist verfassungswidrig, Herr Herrgott. Sie erinnern sich: Die Intention, Flüchtlinge abzuschrecken kann in keiner Weise die Absenkung des menschenwürdigen Existenzminimums rechtfertigen. Das sagt nicht nur Die Linke, das sagen nicht nur die Grünen, das sagt das Bundesverfassungsgericht, das nicht im Verdacht steht, ein linkes Parteibuch zu haben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will wieder einmal das Bundesverfassungsgericht zitieren: „Migrationspolitische Erwägungen,“ – das ist so etwas, was Sie gerade angestellt haben, Herr Herrgott – „die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationa

(Abg. Herrgott)

len Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, ich kann versichern, das haben meine Vorrednerinnen von Rot-Rot-Grün auch schon gemacht: Ja, Bundesrecht wird eingehalten. Aber selbstverständlich halten wir auch das darin verankerte Ermessen ein, erst recht, wenn es um Menschen geht. Rot-Rot-Grün wird unter allen Umständen versuchen, an seinem menschenrechtsorientierten flüchtlingspolitischen Anspruch festzuhalten.

Wir mussten mit Entsetzen im Spätsommer und Herbst letzten Jahres zur Kenntnis nehmen, wie die Bundespolitik nicht nur auf die gestiegene Zahl der in der Bundesrepublik angekommenen Geflüchteten und die damit entstehenden und zum großen Teil hausgemachten Probleme, sondern wie die Bundespolitik vielmehr auf aus Unkenntnis, aus Angst entstehende Vorbehalte, auf vorurteilsbehaftete Abwehrreaktionen und auf rassistische Hetze und Panikmache reagierte. Mit den falschen Antworten nämlich – eigentlich gar nicht mit Antworten, sondern nur mit Scheinlösungen –, mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, mit dem nicht etwa Maßnahmen zur Asylverfahrensbeschleunigung beschlossen wurden, sondern fast ausschließlich Asylrechtsverschärfungen und Einschränkungen des Grund- und Menschenrechts auf Asyl. Meine Damen und Herren, das hatten wir schon mal.

Mit dem Asylpaket II will die Bundesregierung nun die Aushebelung des Asylrechts „perfekt“ machen und hat gestern entschieden, Familien auf lebensgefährliche Fluchtwege zu schicken und erneut Länder als „sicher“ zu deklarieren, für die Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind – ich empfehle einfach einen Blick in die Berichte von Amnesty International zu diesen drei Ländern. Man kann eigentlich nicht mehr von Asylrecht sprechen, sondern muss sagen, die Bundespolitik macht Asylunrecht. Man kam und kommt sich vor wie in einem falschen Film, nämlich einem Film aus den frühen 90ern, meine Damen und Herren. Anstatt den vielen, in der Flüchtlingsunterstützung ehrenamtlich engagierten Menschen – 9,6 Millionen Menschen in der Bundesrepublik – den Rücken zu stärken, fallen Sie, fällt die Bundespolitik ihnen in den Rücken. Nichts anderes ist es nämlich, wenn man in die Kerbe der Höckes und der Bachmanns, der Thügidiotinnen und Nazi-Parteien schlägt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt Rassismus und Diskriminierung mit der Umsetzung der Menschenrechte zu begegnen, betreiben Sie ganz nach Vorbild des großen Onkels Seehofer das Geschäft der Rechtspopulisten und vermitteln durch Statements, durch Reden wie eben, Pressemitteilungen und Anträge wie dem vorliegenden den Eindruck, die Menschenfeinde lägen richtig. Und dieser Eindruck verfängt, meine Damen und Herren. Heute Morgen hat es in Baden-Württemberg einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim gegeben. Eine scharfe Handgranate, deren Splint gezogen wurde, wurde auf eine Flüchtlingsunterkunft geworfen, in der 170 Menschen leben. Es war ein unheimlich großes Glück, dass diese Handgranate nicht losgegangen ist! Solche Anschläge sind Auswirkungen der Art, wie Bundespolitik gerade auf die Flüchtlingssituation reagiert. Und Sie machen das genauso – Sie klären damit nicht auf, sondern Sie wiegeln auf mit diesem Antrag. Sie nehmen keine Ängste und vermitteln auch nicht Empathie oder ein Gefühl der Willkommenskultur oder diese Akzeptanz, von der Herr Scherer heute Morgen sprach, sondern Sie bestärken vorurteilsbehaftete Ängste, falsche Vorstellungen und Ressentiments, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ja, es stimmt, es gibt große Herausforderungen, was die Unterbringung und Versorgung, was Deutschkurse, was die Bildung in Kita und Schule und was das ganze Paket an Integrationsmaßnahmen betrifft. Diese sind – und das wissen Sie auch – nicht zuletzt potenziert durch eine Art Arbeitsverweigerung von Politik und Verwaltung in den letzten Jahren und Jahrzehnten – auch und gerade hier in Thüringen, meine sehr geehrten Damen und Herren der CDU. Diese Herausforderungen meistert man aber nicht durch die Einschränkung verfassungsmäßiger Rechte oder durch das möglichst schlechte Behandeln von Menschen, Herr Herrgott. Die Herausforderungen können nur gemeistert werden, indem man Unterstützungsstrukturen stärkt, indem man Behörden fit macht, indem man den Menschen Integration und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

Verwenden Sie doch Ihre Energie bitte nicht auf besorgte Briefe, Asylrechtsverschärfungsanträge oder Unterstellungen gegen die Landesregierung, sie würde die Gelder für sich behalten, anstatt sie den Kommunen weiterzureichen, wie Sie das in den Punkten e) und f) Ihres Antrags machen! Sondern setzen Sie sich lieber in Berlin dafür ein, dass die 2015 erwirtschafteten 12 Milliarden Euro nicht zu einer schwarzen Null gemacht, sondern in das „Wir schaffen das!“ investiert werden, Herr Herrgott und Herr Scherer,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

in das „Wir schaffen das!“ zur Unterstützung derer, die daran in den Landesaufnahmeeinrichtungen, in den Kommunen, in den Verwaltungen, in den Schulen und Kitas, in den Unterkünften und in vielen Vereinen und Initiativen haupt- und ehrenamtlich mit viel Enthusiasmus und mit großartigem Engagement arbeiten. Ihr Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren der CDU, ist – genau wie die gestern in Berlin getroffenen Vereinbarungen – für das „Wir schaffen das!“ nicht geeignet, sondern – im Gegenteil – ausschließlich kontraproduktiv. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Frau Berninger, wenn ich vielleicht eines ergänzen darf: Wir bemühen uns alle um eine ordentliche Sprache, damit hier auch nichts eskaliert. Begriffe wie „Thügidioten“, „die komplette Untätigkeit der Verwaltung über Jahre hinweg“ – das hilft nicht wirklich, die Debatte angemessen zu beruhigen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: „Komplette Untätigkeit“ habe ich nicht ge- sagt!)

Sie können ja alle Ihre Meinung sagen, das ist nicht die Frage, aber ich möchte darauf hinweisen. Jetzt hat als Nächster Abgeordneter Möller das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Wir haben jetzt schon einiges gehört, einiges, was eigentlich unerträglicher Unsinn ist.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Jetzt kommt wieder kompletter Unsinn!)

Unter anderem hat zum Beispiel Frau Kollegin Rothe-Beinlich gesagt, dass die menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerbern zu Integration führen würde. Also ich bin ja der Meinung, zu Integration führt vor allen Dingen Anpassungsdruck und der fehlt in diesem Land.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Sie passen sich auch nicht an!)

Frau Lehmann bedauert die Einschränkungen beim Familiennachzug, will also weiterhin, dass die stärksten, nur die stärksten Asylbewerber, die die beschwerliche Reise nach Europa schaffen, hier in Europa, hier in Deutschland ankommen und dann ihre Familien nachziehen können. Das ist ein erstaunlich sozialdarwinistischer Anspruch

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Sparen Sie sich Ihren Zynismus!)

für die SPD, muss ich sagen.

(Beifall AfD)