Protocol of the Session on December 17, 2015

Herr Fiedler, jetzt komme ich zu Ihrem Entschließungsantrag. Der Entschließungsantrag ist ungefähr so inhaltsreich gewesen wie Ihr Redebeitrag.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Aber es gibt trotzdem Ansatzpunkte, auf die ich gern eingehen möchte. Sie haben Ihren Redebeitrag begonnen mit der Schilderung der, denke ich, allseits von uns verurteilten Situation im August in Suhl auf dem Friedberg. Sie haben die Landesregierung aufgefordert, doch endlich Maßnahmen zu ergreifen. Nun habe ich versucht, noch mal in Ihrem Entschließungsantrag nachzulesen, welche Maßnahmen Sie denn eigentlich meinen. In Ihrem Entschließungsantrag findet sich nichts dazu.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Doch. Min- destens 180...)

Dann habe ich zweitens überlegt, was Sie eigentlich in Ihrer Rede gesagt hatten. Da hatten Sie tatsächlich einige Ansätze geliefert und beispielsweise die Schutzweste der Schutzklasse 4 genannt. Meine Damen und Herren, wenn ich Ihnen das kurz erläutern darf: Die Schutzweste der Schutzklasse 4 ist eine, die geeignet ist, den Schuss einer Kalaschnikow abzuwehren oder zumindest eine tödliche Verletzung zu vermeiden. Sie ist nicht geeignet, dem Polizeibeamten im Einsatz mit Menschen in irgendeiner Form eine Bewegungsfreiheit und Handlungsmöglichkeit zu geben. Aber Sie wissen auch, Herr Fiedler, dass wir genau darüber im Innenausschuss gesprochen haben.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Weil wir es eingebracht haben!)

Was ich aber als besonders infam in Ihrem Redebeitrag finde, dass Sie einerseits ein Maßnahmenpaket der Landesregierung fordern und genau wissen, dass es ein solches Maßnahmenpaket nach dem Vorfall in Friedberg gegeben hat,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

nämlich mit fünf Punkten. Ich will Ihnen drei nennen, nämlich: Die Änderung der polizeitaktischen Einsatzbefehlslage wurde durch den Erlass eines Rahmenbefehls für entsprechende Einsätze umgesetzt. Auch die interkulturelle Kompetenz wurde

verstärkt im Bildungsangebot für Thüringer Polizeibeamte aufgegriffen und die persönliche Schutzausrüstung von Polizeibeamten explizit in diesem Maßnahmenpaket angesprochen. Nicht nur, dass es ein solches Maßnahmenpaket gab, was durch den Innenminister angekündigt worden ist und im August und im September im Innenausschuss beraten worden ist, die Umsetzung dieses Maßnahmenpakets finden Sie auch in dem vorliegenden Haushalt. Ich glaube, den haben Sie nicht zur Kenntnis genommen und darauf bezieht sich offensichtlich auch das Nichttätigwerden im Sinne eines Änderungsantrags. Genau dieser Bereich der persönlichen Schutzausrüstung – Schutzwesten, die im Alltag getragen werden können, die Neuausstattung für jeden Polizeibeamten mit Schutzhelm – ist in diesem Haushalt integriert. Wenn Sie an den Haushaltsberatungen des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 03 teilgenommen hätten, dann hätten Sie davon auch Kenntnis gehabt.

Herr Fiedler, Sie sprechen andererseits an, dass man bei den Beförderungen und bei den Stellen etwas tun müsse. In der Tat, das ist das einzige Konkrete in Ihrem Entschließungsantrag. Sie fordern, 180 Stellen pro Jahrgang als Ausbildungskapazität vollständig auszuschöpfen. Ich will mich jetzt mit Ihnen nicht streiten, ob die Kapazität bei 160 oder 180 liegt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Oh, Polizei- experte Dittes!)

Was mich allerdings bei dieser Debatte tatsächlich irritiert, ist, dass Sie darauf verzichten, Ihre Forderungen zu untersetzen, nämlich auch finanziell zu untersetzen und im Haushalt sichtbar zu machen. Was bedeutet das eigentlich für den Einzelplan 03 – weil Sie sagen hier vom Pult aus oder rufen auch dazwischen, diese personelle Aufstockung, die aus Ihrer Sicht im polizeilichen Bereich notwendig ist, muss aus dem Einzelplan 03 finanziert werden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja, genau!)

Sehr geehrter Herr Fiedler, dann erwarte ich aber auch von Ihnen in der Haushaltsberatung, dass Sie sich hier vorne wenigstens hinstellen und sagen: Wenn ich an der einen Stelle in einem geschlossenen System des Einzelplans 03 mehr Geld investieren will, muss ich es aus der anderen Stelle tatsächlich entnehmen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dann ist Ihr Beitrag ein tatsächliches ernsthaftes Angebot zur Diskussion und Auseinandersetzung und dann hätten wir uns auch damit auseinandergesetzt. Stattdessen sagen Sie, dieser Haushalt wird den notwendigen Ansprüchen an die innere Sicherheit nicht gerecht, fordern aber gleichzeitig an anderer Stelle Mehrausgaben, um dabei gleichzeitig noch zu betonen, dass das eigentlich nicht mehr

kosten darf. Ja, Herr Fiedler, Ihre Argumentation ist wenig stringent.

Ich will Ihnen aber auch noch mal vorlesen, was Sie weiter in Ihrem Entschließungsantrag fordern, was Sie als offensichtliche Haushaltsalternative hier thematisieren. Zitat: „Hierzu muss die gesamte Sicherheitsarchitektur an die aktuelle Gefährdungssituation angepasst werden.“ Drunter machen Sie es nicht. Die gesamte Sicherheitsarchitektur muss

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Feuerwehr, alles!)

an die aktuelle Gefährdungssituation angepasst werden. Das heißt, was Sie hier schreiben – und das finde ich auch politisch in der öffentlichen Wirkung unverantwortlich –, ist, dass die gesamte Sicherheitsarchitektur nicht entsprechend an der aktuellen Gefährdungssituation ausgerichtet ist. Das, Herr Fiedler, ist hanebüchener Unsinn.

Aber wenn Sie denn tatsächlich der Meinung wären, dass man an der Architektur der Sicherheitsstrukturen in Thüringen etwas verändern müsste, dann hätte ich doch erwartet, dass Sie die Innenpolitiker – mindestens die Innenpolitiker und den Innenminister dieser Landesregierung – etwas mehr erhellen und sagen, was Sie eigentlich darunter verstehen. Was Sie unter aktueller Gefährdungssituation verstehen, kann man an anderer Stelle nachlesen. Sie meinen damit die „politische Gewaltkriminalität und zahllos [...] unkontrollierte [...] Einreisen“. Das wird nicht weiter untersetzt, das wird nicht weiter belegt, das wird einfach in den Raum gestellt, und zwar zur Begründung der Notwendigkeit der Aufrüstung des Verfassungsschutzes. Nun will ich Ihnen meine grundsätzliche Position nicht immer wiederholen, Sie tun es ja immer selbst, ich brauche dazu gar nicht mehr reden. Das finde ich schön, das finde ich sehr angenehm.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Verfas- sungsschutz abschaffen braucht man nicht!)

Das hat also eine gewisse Nachhaltigkeit bei Ihnen hinterlassen. Aber hier zeigt sich doch schon das sicherheitspolitische Unverständnis, mit dem Sie an diese Debatte herangehen, wenn Sie die politische Gewaltkriminalität – also Straftaten – zur Begründung für die Aufrüstung eines mit nachrichtendienstlichen Befugnissen ausgestatteten Geheimdienstes nehmen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Haben Sie nicht zugehört?)

Für Kriminalität und Straftaten haben wir die entsprechenden Strafverfolgungsbehörden, haben wir die Polizei für die Gefahrenabwehr. Wir haben die Polizei für die Ermittlungstätigkeit im Auftrag der Staatsanwaltschaften und wir haben die Gerichte, die auch die entsprechenden Elemente aus der Strafprozessordnung in Gang setzen können.

Wenn Sie allerdings meinen, die zahllos unkontrollierten Einreisen zur Sicherheitsgefährdung in Deutschland hochzustilisieren, dann befinden Sie sich nicht weit entfernt von den Abgeordneten der AfD.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da habe ich nur drauf gewartet – endlich mal wieder!)

Ich will Ihnen aber eines in diesem Zusammenhang deutlich sagen: Wenn Sie bei Ihren Forderungen Bezug nehmen, man müsse etwas tun, an die aktuelle Gefahrensituation angepasst, nämlich ein Maßnahmenpaket erlassen wie das nach dem 11. September 2001, dann will ich Sie zumindest daran erinnern, dass diese Maßnahmenpakete, die damals alle durch die Bundesregierung in Kraft gesetzt worden sind, aber auch eines durch den Thüringer Landtag – nun streite ich mich nicht mit Ihnen über die Prozentzahl –, ich meine, zu 80 Prozent durch spätere Verfassungsgerichtsentscheidungen als verfassungswidrig erklärt worden sind. Da sage ich Ihnen ehrlich: Wir sollten aus den Erfahrungen nach dem Jahr 2001 wirklich lernen und nicht jeden sicherheitspolitischen Vorfall dazu benutzen, um Befugnisse, die tief in Grundrechte eingreifen, neu auszurichten, sondern wir sollten mit kühlem Kopf die tatsächliche Gefahrensituation analysieren, mit kühlem Kopf nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz prüfen, welche Befugnisse wir tatsächlich brauchen, und dann entscheiden, ob wir wirklich ein Befugnisdefizit bei der Polizei oder bei den Staatsanwaltschaften in Thüringen haben, um dann entsprechend zu agieren. Dieses Thema ist viel zu sensibel, um damit dem politischen Populismus das Wort zu reden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, man könnte noch auf viele weitere Punkte in Ihrem Antrag hinweisen, wo die Unbestimmtheit aus jedem Satz herausspringt. Ich weiß nicht, was Sie wirklich konkret dazu meinen, Anreize für die Polizeiausbildung zu verbessern. Ich weiß auch nicht, was Sie damit meinen, räumlich und personell auszubauen. Da wäre es schon interessant, wenn man wirklich konkret etwas von Ihnen vorgelegt bekommen hätte. Aber ich will eines, weil mir das wichtig ist, auch deutlich zu einem Punkt Ihres Antrags sagen. Sie sagen, Aufgaben wie zum Beispiel der Objektschutz müssen nicht durch Polizeibeamte erfüllt werden. Ich weiß, das war Ihr Konzept oder das war das Konzept Ihres früheren Innenministers, der wollte den Objektschutz privatisieren. Ob das nun für den Haushalt tatsächlich einträglich gewesen wäre, mag ich bezweifeln. Die Haushaltsveränderungen, die wir infolgedessen im Jahr 2015 vorgenommen haben, sprechen eine andere Sprache. Ich will Ihnen aber auch sagen, warum ich diese Privatisierung des

Objektschutzes ablehne: Weil ich glaube, dieser Freistaat Thüringen und auch der Innenminister als Dienstherr haben eine hohe Verantwortung gegenüber den Polizeibeamten, die seit 30 oder 35 Jahren im Dienst sind und aufgrund ihres Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen, auch infolge der polizeilichen Einsatztätigkeit, nur eingeschränkt dienstfähig sind. Ich habe die Überzeugung, dass wir gemeinsam in der Pflicht stehen, diesen Beamten auch Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgebiete in der Thüringer Polizei zu eröffnen und sie nicht in eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Freistaat zu schicken, die sie letztendlich praktisch als Polizeibeamte aus dem Dienst gehen lässt. Deswegen brauchen wir solche Aufgaben auch. Sie sind nicht nur kostengünstiger für den Freistaat Thüringen, sondern sie spiegeln auch die verantwortliche Personalplanung und den verantwortlichen Umgang mit Bediensteten in Thüringen in der Thüringer Polizei wider. Aus diesem Grund ist eines der wenigen konkret angesprochenen Themen von uns auch noch abzulehnen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, der Haushalt, der Ihnen vorliegt, mit den Änderungen, die die Fraktionen vorgenommen haben, ist ein ausgewogener Antrag. Er wird die öffentliche Sicherheit in Thüringen nicht gefährden, sondern weiterhin zu dessen Stärkung beitragen.

Und ein Wort abschließend noch in Richtung AfD: Es wäre in jedem Fall eine Stärkung der öffentlichen Sicherheit, mehr noch aber des öffentlichen Friedens, wenn die Hetze gegen Flüchtlinge in diesem Land aufhören würde.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wir hetzen nicht gegen Flüchtlinge!)

Und ein ganz konkreter Beitrag zur Entlastung auch von Thüringer Polizeibeamten wäre es, wenn Sie endlich auf Ihre Aufmärsche mit entsprechenden rassistischen Inhalten vorm Thüringer Landtag verzichten würden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Herr Abgeordneter Fiedler wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann bitte, Herr Abgeordneter Fiedler.

(Abg. Dittes)

Herr Kollege Dittes, weil Sie von Unbestimmtheit sprachen, habe ich mir mal Ihren Antrag herausgenommen, wo es um die Polizeistellen geht. Da steht geschrieben: Die Erläuterungen werden wie folgt neu gefasst. „Die Anzahl der Anwärter“ usw. – das lasse ich weg und jetzt kommt die Begründung, da müssen Sie mal genau zuhören: „Gegenüber dem Haushaltsplanentwurf wird in den Erläuterungen die Zahl der möglichen Anwärter erhöht. Die Deckung von Mehrkosten erfolgt aus dem Personalbudget des TMIK.“ – Wegen Zweckbestimmtheit, was Sie uns vorgeworfen haben!

Und was haben Sie für eine Frage?

Das würde mich auch interessieren, aber …

Ob er mir zustimmt, dass das genauso unbestimmt ist, wie Sie es behauptet haben, wie es bei mir wäre?

Nein, denn ich glaube, Sie haben auch in diesem Punkt die Systematik des Haushalts nicht verstanden. Damit verbunden ist doch nicht, dass beispielsweise für die Finanzierung zusätzlicher Polizeianwärter, die es mit 30 zusätzlichen bereits in diesem Jahr gibt, an anderer Stelle Personal abgebaut wird, sondern es ist nach einer gründlichen Prüfung sichtbar, dass Gelder, die in dem Titel der Personalkosten für die Beamtinnen und Beamten eingestellt sind, insofern nicht komplett ausgenutzt werden müssen, dass sie für den Bereich der zusätzlichen Polizeianwärter zur Verfügung stehen. Das ist doch das, was praktisch Haushaltssystematik und gegenseitige Deckungsfähigkeit ausmacht. Das zu nutzen, auch im Interesse zusätzlicher Polizeianwärter, ist doch nun wirklich verantwortungsvoller Haushaltsumgang. Es wäre Ihnen wirklich gut zu Gesicht stehend gewesen, wenn Sie solche Anträge zur Untersetzung Ihrer Positionen entsprechend hier in den Landtag eingebracht hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Marx zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nachdem mein Kollege Höhn zum