Protocol of the Session on December 16, 2015

Das erste Opfer ist die Freiheit des Bürgers. Schon heute gehört das deutsche Waffenrecht zu den schärfsten weltweit. So ist der Zutritt zur Wohnung für eine Kontrolle jederzeit möglich. Bei Jägern wird gleich doppelt geprüft, nach Waffenrecht und Jagdgesetz. Waffenbesitzer werden mindestens alle drei Jahre geprüft. Bei Personen, die jünger als 25 Jahre sind, muss ein psychologisches Gutachten erstellt werden. Vor dem Hintergrund dieser restriktiven Vorschriften sieht auch die Bundesregierung keinen Regelungsbedarf. Sie ist der Auffassung, dass die aktuellen waffenrechtlichen Regelungen

(Ministerin Siegesmund)

einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Gefahrenpotenzial und dem legitimen Interesse an einem privaten Waffenbesitz zu einem durch das Waffengesetz anerkannten Zweck darstellen. – So heißt es wörtlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag aus dem letzten Jahr.

Wenn es für eine Verschärfung des Waffenrechts keine Argumente gibt, warum wird eine solche nichtsdestoweniger aus Brüssel angestrebt? Der Eindruck drängt sich auf, dass hier die Freiheit der Bürger noch weiter beschnitten werden soll. Die keineswegs des Waffenlobbyismus verdächtige TAZ kam in einem Kommentar im Jahr 2013 zu folgendem Schluss: „Privaten Waffenbesitz kategorisch abzulehnen ist eine politische Geste, bei der es darum geht, autoritären Kontrollmechanismen gegenüber liberalen den Vorzug zu geben.“

Herr Henke, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Längerfristig ist an einer Neuausrichtung des Waffenrechts mitzuarbeiten und sind Waffen weitestgehend aus den Privathaushalten zu entfernen. Wir als Partei stehen für die Freiheit. Auf uns können Thüringer Jäger, Sportschützen und alle Bürger hoffen, die sich nicht gängeln lassen wollen, weder aus Brüssel noch aus Berlin oder Erfurt.

(Beifall AfD)

Als Nächster hat Abgeordneter Fiedler für die CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben überlegt, ob wir überhaupt dazu reden sollten. Wir haben uns dann entschieden, doch einige Worte dazu zu verlieren. Es geht darum, dass das Waffenrecht im Moment in Brüssel in Rede steht. Da kann man immer noch sagen: Gut, lieber beizeiten, wehret den Anfängen, um sich der ganzen Sache zu widmen. Aber man muss auch aufpassen, dass man hier nicht überzieht und übersteuert.

Meine Damen und Herren, die Europäische Kommission plant EU-weit eine Verschärfung der Kontrolle und eine Erschwerung beim Kauf von Feuerwaffen. Das kann man erst mal hinnehmen. Aus Brüssel heißt es dazu: Künftig soll der Kauf von Schusswaffen strenger geregelt werden. Auch das, denke ich, kann man durchaus noch tragen. Insbe

sondere Privatleute sollen bestimmte halbautomatische Waffen nicht mehr besitzen und bestimmte Waffen nicht mehr im Internet kaufen dürfen. Diese Reaktion auf die Terrorakte von Paris findet vom Grundsatz her die Zustimmung meiner Fraktion, aber nur, soweit es sich um illegale bzw. nicht registrierte Waffen handelt. Denn die illegalen bzw. die nicht registrierten Waffen stellen ein Sicherheitsproblem für unsere Gesellschaft dar, aber nicht die legalen Waffen, deren Besitzer zumindest in Deutschland mehrfach überprüft wurden und deren Waffenbesitzrechte bereits stark reglementiert sind.

(Beifall CDU, AfD)

Aus diesem Grund begrüße ich alle Maßnahmen, die den illegalen Handel mit Waffen erschweren sollen. Der Vorstoß der EU bedeutet konkret, dass unter anderem beim Onlinehandel strengere Auflagen vorgesehen sind. Damit soll sichergestellt werden, dass nur Inhaber von Lizenzen, wie etwa Sportschützen, Sammler oder Jäger, Schusswaffen kaufen können. Online sollen vor allem Einzelteile von Waffen nicht mehr so leicht erhältlich sein. Auch für Sammler soll es strengere Auflagen geben. Diese müssen eine Genehmigung besitzen. Der EU-Kommission geht es dabei um Pistolen, Revolver usw., Gewehre und unter anderem auch um Kalaschnikow, die in Paris zum Einsatz kamen, hier im Moment aber nicht erfasst sind.

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal deutlich machen, dass sich das geltende deutsche Waffenrecht in seinem gesamten Regelungsgehalt auch unter Sicherheitsaspekten in den vergangenen Jahren sehr gut bewährt hat. Ich will daran erinnern, dass damals nach Gutenberg die Verschärfungen deutlich gemacht wurden. Wir denken, dass das ausreichend ist. Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen wurden die bisherigen Anschläge in Paris mit illegal besessenen Waffen verübt. Änderungen der Feuerwaffenrichtlinie, die nicht zu einer Erhöhung der öffentlichen Sicherheit führen und deren Folgen außer Verhältnis zum Nutzen stehen, sind deshalb kritisch zu hinterfragen. Wegen der Anschläge in Paris stellen wir auch nicht – vor allem jetzt für die Grünen – alle Muslime in Europa unter Generalverdacht. Was für die einen gilt, muss auch für die anderen gelten.

(Beifall CDU)

Das verbietet sich in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft und dasselbe muss auch für Sportschützen, Jäger und Waffensammler gelten.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich denke, dass hier insbesondere der Bundestag eine große Aufgabe hat, sich der ganzen Dinge anzunehmen, dass für unsere legalen Waffenbesitzer, die hier ihre Jagd legal ausüben, die Sportschützen sind etc., nicht verschärft wird, um zu verschärfen, sondern dass das

(Abg. Henke)

ganze Verschärfen Sinn hat und man nicht eine ganze Zunft oder Zünfte unter Generalverdacht stellt. Und deswegen denke ich mal, grundsätzlich ja, aber man sollte nicht schon jetzt alles verrückt machen.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Fiedler. Das Wort hat nun Abgeordneter Dirk Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste hier im Thüringer Landtag, die EU-Kommission hat zunächst einmal Änderungsvorschläge für die Feuerwaffenrichtlinie unterbreitet. Die alltägliche Praxis von polizeilicher Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung zeigt aus unserer Sicht sehr deutlich, dass der Erwerb und der Besitz von Waffen in der Europäischen Union stärker und effektiver kontrolliert werden müssen. Wer will das bestreiten, meine sehr verehrten Damen und Herren? Es geht konkret in diesem Fall darum, zum Beispiel – auszugsweise – besondere halbautomatische Waffen, hier zu verbieten,

(Unruhe CDU)

nicht alle halbautomatischen Waffen, insbesondere nicht die, die im Sport und im Jagdbereich benutzt werden, die wird es nicht betreffen. Wir sind der Ansicht – und das liegt auf der Hand –, dass diese halbautomatischen Waffen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie schneller schießen können, eine besondere Gefahr für Leib und Leben darstellen. Deshalb wollen wir sie verboten wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, dass die EU-Kommission eine Reihe weiterer Änderungen vorschlägt, zum Beispiel um Schutzlücken zu schließen. Das betrifft – das hat Herr Henke eben auch angesprochen – insbesondere die Deaktivierung oder die Registrierung, Markierung von Waffen und Munition, um zum Beispiel auch den Handel von Waffen und Munition, solcher sogenannten Dekowaffen, einzugrenzen, insbesondere beim Handel über das Internet. Alles vernünftige Vorschläge, die diskutiert werden müssen und diskutiert werden können, um Sicherheit auch in Thüringen zu verstärken. Es geht hier aber ganz klar um eine europäische Richtlinie, die europäisches Recht gestalten soll, das heißt also europaweit in jedem Fall eine Angleichung ermöglichen soll. Da habe ich den Eindruck, dass der Dissens gar nicht so groß sein muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mehr Sicherheit erreicht man nicht durch mehr Waffen, sondern auf jeden Fall durch weniger Waffen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gerade dieser Freistaat Thüringen und diese Stadt haben so besondere Erfahrungen mit furchtbaren Verbrechen mit legal erworbenen Waffen gemacht.

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Man muss gegen illegale Waffen vorgehen, nicht gegen legale!)

Wissen Sie, Herr Worm, wenn Sie einen Beitrag leisten wollen, dann kommen Sie doch hier vorn ans Pult, dann haben alle etwas davon.

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Von uns hat schon jemand gesprochen!)

Fakt ist, dass wir in Thüringen eine furchtbare Erfahrung mit legal erworbenen Waffen, einem Sportschützen, gemacht haben. Das sollte dieser Thüringer Landtag niemals vergessen, in keiner Argumentation, auch nicht viele Jahre später, Herr Kollege Worm.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Sie werden so nichts daran ändern!)

Illegale Waffen insbesondere, aber auch legale Waffen stellen eine große Gefahr dar, sie gehören nicht in den privaten Wohnbereich,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

abgesehen von den wenigen gut zu rechtfertigenden Ausnahmen, an denen niemand etwas ändern will. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Adams. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Dann erteile ich dem Innenminister, Herrn Poppenhäger, das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich will gleich zu Beginn dieser These widersprechen, die wir vorhin gehört haben: Je freizügiger man in einem Land mit Waffen hantieren könnte, desto freiheitlicher sei der Staat. – Das halte ich für abwegig. Und ich bitte einfach mal Ihren Blick in bestimmte Krisenregionen dieser Welt zu lenken, wo deutlich wird, dass es diesen Zusammenhang so überhaupt nicht gibt, eher im umgekehrten Fall.

(Abg. Fiedler)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das kam aber von der SPD!)

Es ist ein Zitat, dass Sie angeführt haben, das ungefähr 50 Jahre alt ist. Ich kann nur noch einmal sagen: In 50 Jahren hat sich die Welt vielleicht auch verändert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 18. November dieses Jahres hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen, die sogenannte EU-Feuerwaffenrichtlinie vorgelegt. Dieser Vorschlag wurde den Bundesländern im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung – das ist das Stadium dieses Vorschlags – derzeit zugeleitet. Zur Begründung des Vorschlags führt die Kommission aus, dass die terroristischen Anschläge in jüngster Zeit die Lücken bei der Umsetzung des geltenden EU-Rechts, insbesondere im Hinblick auf die Deaktivierung von Waffen und die für deren Umbaubarkeit und Kennzeichnung geltenden Vorschriften aufgezeigt hätten. Bereits im April 2015 haben die Europäische Sicherheitsagenda sowie am 29. August 2015 die Erklärung des Innenministerrats der Europäischen Union eine Überarbeitung dieser Richtlinie sowie einen gemeinsamen Ansatz zur Deaktivierung von Feuerwaffen gefordert, mit dem die Verwendung dieser Waffen durch Straftäter verhindert werden soll. Nach Ansicht der Kommission sind die zu lösenden Probleme, nämlich die Bedrohung durch die schwere und die organisierte Kriminalität sowie durch den Terrorismus, dadurch gekennzeichnet, dass sie mehr als einen Mitgliedstaat gleichzeitig beeinträchtigen, also grenzüberschreitend sind. Deshalb können in diesem Sinne auch die Probleme von den einzelnen Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend angegangen werden. Deutlich sei dies – so die Kommission – bei den jüngsten terroristischen Attentaten im August und November dieses Jahres geworden, die von in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig tätigen grenzüberschreitenden kriminellen Netzen verübt worden sind. Und so die Kommission – nur mit einem EUweiten System sei die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu bewerkstelligen, die zur Kontrolle und zur Erfassung der zivilen Nutzung von Feuerwaffen innerhalb der EU erforderlich sind. Hierzu schlägt die Kommission einiges vor: Erstens, zur Gewährleistung der Nachverfolgbarkeit deaktivierter Feuerwaffen sollen diese in nationalen Registern erfasst werden. Zweitens: Die Deaktivierung von Feuerwaffen soll durch eine Behörde überprüft und bescheinigt werden. Drittens: Automatische Feuerwaffen, die zu halbautomatischen

Feuerwaffen umgebaut wurden, und zivile halbautomatische Feuerwaffen, die wie vollautomatische Kriegswaffen aussehen, sollen verboten werden. Ich finde, dies bedarf auch keiner weiteren Begründung.

Eine medizinische Untersuchung soll verpflichtend für die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen eingeführt werden und die Erlaubnis zum Besitz und zum Erwerb von Schusswaffen soll nur noch für die Dauer von jeweils fünf Jahren erteilt werden.