Protocol of the Session on October 2, 2015

Gerade diese Metapher mit dem Saarland. Was glauben Sie denn, warum wir eine Größenbegrenzung hier reingenommen haben? Warum glauben Sie denn, dass ich nicht weiß, wie groß das Saarland ist? Worauf Sie anspielen, ist die alte Karte der Expertenkommission, die in der Tat einen Kreis beinhaltet hätte, der größer gewesen wäre als das Saarland. Ich bitte einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass ich ein Diskussionspapier vorgelegt habe, was auf diese Überlegung eingeht, also mit Augenmaß versucht, auf die Thüringer Verhältnisse Bezug zu nehmen, und deshalb innerhalb des Korridors, den wir vorgesehen haben, jedenfalls eine solche Lösung nicht mehr ermöglichen würde, wenn der Korridor so bleibt, wie er ist. Deswegen vielleicht noch ein zweiter Punkt, wo Sie sich auch nicht beim Schwindeln erwischen lassen sollten, wo es gegenüber dem Abgeordneten Höhn hieß, man müsse erst mal bei Wahlen einen Fuß auf die Erde kriegen. Ich erinnere daran, dass die SPD-Landräte,

(Abg. Höhn)

die die beiden letzten Wahlen gewonnen haben, auch kommunalpolitisch verankert sind, nicht …

Herr Minister Poppenhäger, der Abgeordnete Gruhner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Bitte sehr.

Bitte.

Herr Minister, Sie haben gerade darauf abgehoben, dass der Kollege Voigt kritisiert hat, dass nach Ihrem Leitbild Landkreise entstehen könnten, die tatsächlich so groß wie das Saarland sind. Nun ist das Saarland meiner Information nach 2.500 Quadratkilometer groß. In Ihrem Leitbild steht, glaube ich, drin, dass Landkreise bis zu 2.500 Quadratkilometer groß sein können.

(Beifall CDU, AfD)

Deswegen bin ich sehr verwundert darüber, dass Sie jetzt Ihr eigenes Leitbild infrage stellen.

Also, jetzt machen Sie mal das Saarland nicht kleiner, als es wirklich ist. Von daher, es ist keine große Region, das stimmt. Es ist etwas mehr als zweieinhalb Tausend Quadratkilometer groß, aber ich nehme noch mal Bezug …

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU)

Ja, ist es nun größer als zweieinhalb Tausend oder nicht, das Saarland? Das kann man feststellen. Und dann noch meine Bitte, die in der Expertenkommission enthaltene Größenordnung, die Sie angesprochen haben, was die Region Saale-Orla betrifft –

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: 2.570 Quadratkilometer!)

Aha, vielen Dank! Genau das wäre nach unseren jetzigen Eckpunkten nicht mehr möglich.

(Heiterkeit CDU)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist ja lä- cherlich!)

Ich will noch mal darauf hinweisen, dass auch für die vergangene Regierung die Freiwilligkeit natürlich ihre Grenzen hatte. Freiwilligkeit wurde auch nicht in jedem Punkt akzeptiert. Wir hatten eine

Reihe Anträge von Gemeinden, die nicht umgesetzt worden sind. Natürlich endet die Freiwilligkeit dort, wo sie der Landesentwicklung entgegensteht. Das war auch in der vergangenen Legislatur nicht anders. Es gab eine Reihe Anträge, die das Parlament nicht erreicht haben und die die Regierung dem Parlament nicht als Gesetzesvorschlag überwiesen hat, weil wir wussten, dass die Freiwilligkeit ihre Grenzen hat. Herr Abgeordneter Fiedler, Sie haben gesagt, man muss vorher wissen, was kommt. Deshalb stellen wir unsere Eckpunkte der öffentlichen Diskussion und die Korridore, die wir benannt haben, verstehen wir als Angebot für eine Politik mit Augenmaß. Wenn man schon hier Prof. Hesse zitiert, wie der Abgeordnete Henke das getan hat, dann muss man ihn auch in Gänze zitieren. Der Artikel, auf den Sie anspielen, war in den Thüringer Verwaltungsblättern veröffentlicht. Da hat Prof. Hesse zur ausgebliebenen Gebietsreform in Thüringen sehr umfangreich geschrieben. Der Artikel endet mit dem Vorwurf an die damalige Regierung, sie würde sich aus der Verantwortung stehlen und es wäre eine Flucht vor der Verantwortung. Das sind die letzten Sätze, die Prof. Hesse in seinem Artikel in den Thüringer Verwaltungsblättern geschrieben hat. Gerade das wollen wir eben nicht tun. Gerade deshalb haben wir das Leitbild vorgelegt und in der Tat, ich freue mich auf die folgende öffentliche Diskussion.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes (Gesetz zur Einführung eines Gedenktags für die Be- freiung vom Nationalsozialis- mus am 8. Mai) Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/584 dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/1133

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1139

ZWEITE BERATUNG

(Minister Dr. Poppenhäger)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Marx aus dem Innen- und Kommunalausschuss zur Berichterstattung.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes. Durch Beschluss des Landtags in seiner 14. Plenarsitzung vom 27. Mai 2015 wurde der Gesetzentwurf an den Innen- und Kommunalausschuss federführend überwiesen, mitberatend an die Ausschüsse für Migration, Justiz und Verbraucherschutz sowie für Europa, Kultur und Medien. Der federführende Innen- und Kommunalausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 9. Sitzung am 11. Juni 2015 sowie in seiner 11. Sitzung am 3. September 2015 beraten. Wir haben im Innen- und Kommunalausschuss eine schriftliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt und auch zum dazu schon im Ausschuss vorliegenden Änderungsantrag mit der Vorlagennummer 6/374 der Fraktion der CDU. Von 19 angeschriebenen Sachverständigen – das waren in der Regel Institutionen der Verfolgten, aber auch Stiftungen und einige Einzelpersonen –, Anhörungspersonen und Organisationen sind zwölf Stellungnahmen eingegangen. Darüber hinaus bestand für Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, im Online-Diskussionsforum des Thüringer Landtags zum Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Dabei gingen von insgesamt 16 Nutzerinnen und Nutzern 27 Bürgerbeiträge ein. Das war ganz spannend, die haben dann auch teilweise untereinander ihre Haltung diskutiert.

Der mitberatende Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat den Gesetzentwurf in seiner 13. Sitzung am 25. September 2015 abschließend beraten, der Ausschuss für Europa, Kultur und Medien ebenfalls am 25. September in seiner 9. Sitzung. Beide Ausschüsse haben als mitberatende Ausschüsse der Beschlussempfehlung des federführenden Innen- und Kommunalausschusses zugestimmt, der Beschlussempfehlung, die Sie auch in der Drucksache 6/1133 vorfinden. Diese Beschlussempfehlung lautet: Der Gesetzentwurf wird unter Berücksichtigung der folgenden Änderungen zur Annahme empfohlen. In Artikel 1 werden in § 2 a nach der Angabe „2. Weltkrieges“ die Worte „in Europa“ angefügt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordnete König, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der 70. Jahrestag der Befreiung jährte sich in diesem Jahr am 8. Mai und es gab mehrere sehr gute Veranstaltungen, an denen viele von uns teilgenommen haben. Wir haben aufgrund des 70. Jahrestags als rot-rot-grüne Koalition den Antrag eingebracht, das Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes entsprechend zu ändern und einen Gedenktag für die Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai in Europa einzubringen. Den wollen wir heute hier abschließend beraten und ich hoffe auf eine übergroße Zustimmung auch aus den Reihen der CDU-Fraktion, die nochmals einen Änderungsantrag vorgelegt hat, mit welchem sie fordert, weitere Gedenktage heute hier mit aufzunehmen. Zum einen den 18. März als Tag der Parlamentarischen Demokratie, den 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur und den 25. Oktober als Tag der Verfassung des Freistaats Thüringen und des Thüringer Landtags. Diesen Änderungsantrag haben wir im Innenausschuss abgelehnt und wir werden den heute auch hier ablehnen. Das hat nichts damit zu tun, wie es auch schon in Pressemitteilungen durch die CDU unterstellt wurde, dass wir die Opfer der SED-Diktatur verhöhnen oder dass wir

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU)

nein, das machen wir eben genau nicht, Herr Primas – ideologisch verbohrt wären. Unter anderem habe ich im entsprechenden Innenausschuss der CDU-Fraktion, den Abgeordneten der CDU – unter anderem Herrn Fiedler – ganz klar erklärt und auch deutlich gemacht, dass wir sehr wohl bereit sind, über einen weiteren Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur bzw. auch für das, was nach 1945 geschehen ist, ins Gespräch zu kommen. Daraufhin gab es keinerlei Reaktion bzw. keinerlei Gesprächsbereitschaft aus der CDU, sondern uns wurde vorgeworfen, dass wir die Opfer der SEDDiktatur verhöhnen und ideologisch verbohrt wären und nicht mal bereit wären, das auch nur im Geringsten anzunehmen bzw. zu überlegen, einen weiteren Gedenktag entsprechend zu verhandeln. Das sind wir und das kann ich nicht nur für die Fraktion Die Linke, sondern auch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und für die Fraktion der SPD hier ganz klar sagen. Allerdings wollen wir den 8. Mai und die Besonderheit, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Nationalsozialismus und vor allem die Befreiung am 8. Mai 1945 nicht vermischen und nicht vermengen und nicht verwässern mit anderen Gedenktagen. Wir haben Ihnen das unter anderem im Innenausschuss, aber auch schon in der letzten Landtagsdebatte, denke ich, sehr klargemacht und Ihnen das auch so zur Kenntnis gegeben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Vizepräsidentin Jung)

Alles andere, was Sie unterstellen in Pressemitteilungen, in sonstigen öffentlichen Äußerungen, ist letztlich Ignoranz der inhaltlichen Debatten, die wir im Landtag und im Innenausschuss geführt haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde das schade, dass Sie so ignorant darüber hinweggehen, was zum einen das Ziel der heutigen Abstimmung hier ist, und dass wir zum anderen bereit sind, auch über einen weiteren Gedenktag mit Ihnen gemeinsam ins Gespräch zu kommen und den dann möglicherweise auch hier im Landtag zu verabschieden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind im 70. Jahr der Befreiung und wir sind in einer Zeit, in der die Rufe „Volksverräter“, „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: „Deutsch- land, verrecke!“)

„Judenpack“, „Lumpenpack“ und Ähnliches mehr auf Demonstrationen unter anderem auch hier am Mittwoch von der „AfNPD“ vor dem Landtag erschallen

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Hört, hört!)

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Sie haben „Juden in’s Gas“ von der Hamas vergessen, Frau König!)

und wo Neonazis, Rechtspopulisten, Brandstifter geistiger, aber auch praktischer Art durch Deutschland ziehen, …

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Fehlen nur noch die Fackeln!)

Herr Abgeordneter Brandner, die Abgeordnete König hat das Wort.

… tagtäglich Flüchtlingsunterkünfte brennen, Flüchtlinge angegriffen werden, Juden über einen zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und in Europa sprechen, …

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: … Linke Besoffene … Wo ist denn der Stein von Frau Berninger gewesen? Ich habe die Frau gese- hen, die getroffen wurde!)

Herr Abgeordneter Brandner, ich ermahne Sie jetzt zum letzten Mal.

(Unruhe AfD)

… der Europarat unter anderem darauf hinweist – übrigens erst gestern – dass es eine zunehmende Diskriminierung von Juden, von Muslimen und von sonstigen Gruppen in Deutschland und in Europa gibt. Ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass wir uns dem wirklich stellen und das wirkliche Stellen bedeutet nicht nur an Gedenktagen wie dem 8. Mai, sondern bedeutet eine tagtägliche Auseinandersetzung und Beschäftigung damit. Der 8. Mai ist für uns aber eine Möglichkeit und eine sehr sinnvolle Möglichkeit zu manifestieren, dass wir es ernst meinen mit dem Gedenken, mit dem Erinnern, mit dem Handeln und mit der Verantwortungsübernahme. Der 8. Mai kennzeichnet nämlich das Ende der historischen singulären barbarischen Negation der Zivilisation. Insofern finde ich jegliche Vermischung und auch jegliche hier von rechts außen kommenden Zwischenkommentare als letztlich eine Verniedlichung dessen, wofür der 8. Mai steht, und als eine Verharmlosung dessen, was im Dritten Reich hier geschehen ist. Und manchmal ist es sinnvoller zu schweigen, manchmal ist es sinnvoller zuzuhören, als mit billigen Zwischenrufen zu versuchen, den 8. Mai und das, was wir hier heute versuchen gemeinschaftlich abzustimmen, in den Dreck zu ziehen.

(Beifall DIE LINKE)