Protocol of the Session on September 11, 2015

(Beifall AfD)

Wenn längst besiegte Krankheiten in Deutschland wieder Einzug halten, dann ist es auch die Schuld all derer, die sich an dieser Völkerwanderung beteiligen durch Erleichterung und Absenkung von Hürden und Nichteinhaltung von Gesetzlichkeiten.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Purer Rassismus!)

Ja, das kennen wir schon, aber das ist so langweilig. Überlegen Sie sich bitte mal Sachargumente!

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Wo und wann sind denn die Masern ausgebro- chen?)

Diese von Ihnen provozierte Entwicklung darf unter keinen Umständen zu einer Absenkung des Standards in der Regelversorgung der Bevölkerung führen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sehr richtig!)

(Beifall AfD)

In den letzten Haushaltsverhandlungen habe ich für die zahnärztlichen Dienste, für den jugendzahnärztlichen Dienst mehr Geld gefordert – genau unter dem Aspekt der Einwanderung. Das wurde mit dem langweiligen und abgegriffenen Argument des Rassismus gekontert. Passiert ist nichts! Jetzt stellen sich Ihre Gesundheitsexperten hin und sagen: Ja, natürlich müssen wir den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken, der ist überlastet und finanziell unterausgestattet. Das nennt sich als Erkrankung „kurzfristiges Alzheimer“.

(Beifall AfD)

Selbst wenn Sie das Geld hätten – Sie können nicht mit dem Finger schnipsen und neue Ärzte einfach so herbeizaubern. Es gibt schlicht keine, und wenn, dann, wie gesagt, gehen diese nicht in den öffentlichen Gesundheitsdienst, wo Sie mit Tonnen von Bürokratie am Arbeiten gehindert werden. Das Problem können Sie nicht mit Geld lösen. Zusätzlich wird der öffentliche Gesundheitsdienst durch verfehlte Politik auf Verschleiß gefahren. Die Ärzte machen Überstunden. Sie arbeiten bis zu 16 Stunden am Tag. Sie haben mit der Realität zu tun, die Sie hier massenweise ins Land einladen. Während Sie von Neubürgern und Fachkräften reden, treffen die Ärzte auf die Wahrheit hinter Ihren wolkigen Ideen.

Und nun kommen wir mal zu der Realität, mit der diese Kollegen jeden Tag zu tun haben. Die Techniker Krankenkasse hatte am 24. Juni eine Veranstaltung zu Fragen der Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern durchgeführt. Dort haben die Ärzte gesprochen, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen arbeiten und jeden Tag mit der Realität des Gesundheitszustands der Neuankömmlinge zu tun haben. Das sind keine Professoren im Turm,

sondern Ärzte, die ganz dicht an den Problemen dran sind. Da wurde genau das dargelegt, wovor Sie hier auf der Regierungsbank die Augen verschließen möchten. Es treten bekannte und weniger bekannte Infektionskrankheiten auf. Es tritt massiv und vermehrt, für unsere Verhältnisse völlig unbekannt, Tuberkulose auf; HIV tritt dort vermehrt auf, wo getestet wird – zum Beispiel in Bayern; Hepatitis A, B und C; Polio und Windpocken. Die Ärzte erkennen – oder erkennen auch manchmal nicht gleich – Tropenkrankheiten und bei diesen seltene und schwere Verläufe. Für diese Tropenkrankheiten gibt es gerade einmal drei Fachpraxen in ganz Thüringen. Das sind die Gefahren der öffentlichen Gesundheit, vor denen wir stehen. Sie können davor die Augen verschließen, aber davon werden sie nicht verschwinden.

(Beifall AfD)

Bereits im Februar beklagt der Landrat des Kreises Weimarer Land die mangelhafte Ausstattung des dortigen Gesundheitsamts. Nicht einmal die Hälfte des notwendigen Personals steht zur Verfügung. Zugleich zeigte er sich besorgt, dass sich längst besiegte Krankheiten wie Tuberkulose wieder ausbreiten könnten. Erschwert wird die Arbeit der Gesundheitsämter durch die überforderten Ärzte in den Erstaufnahmestellen. In dem Bericht der „Thüringischen Landeszeitung“ vom Februar wurde dargelegt, dass Krankenakten aus der Erstaufnahmestelle teilweise erst nach Wochen zu den Gesundheitsämtern und in die Folgeeinrichtungen gelangen. Wie soll das jetzt aussehen? Das würde mich ernsthaft interessieren, da die Zahlen von Februar bis heute dramatisch angestiegen sind. Wenn die Gesundheitsämter schlecht besetzt sind, wird es dort an fachkundigem Personal zur Durchführung von Schutzimpfungen mangeln. Wenn die Akten aus den Erstaufnahmestellen verspätet eintreffen, werden die Patienten nicht adäquat behandelt. Hier entwickelt sich ein ordentliches Chaos. Die Leidtragenden sitzen aber nicht auf der Regierungsbank, sondern die befinden sich in der Bevölkerung und unter den betroffenen Neubürgern. Vor allem Kinder und ältere Menschen sind gefährdet und anfällig. Es besteht unter Umständen bald Seuchengefahr.

Welche Vorkehrungen haben Sie getroffen, um solche eventuellen Krankheitsausbrüche sicher und wirksam einzudämmen? Darauf gibt es im Moment keine sinnvollen und fachlich fundierten Antworten. Die AfD-Fraktion befürwortet deswegen diesen Antrag. Er schafft ein Bewusstsein für die Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes, obwohl er auch da im Moment nur an den Symptomen herumdoktert. Es wird nicht die Ursache für den Notstand behoben. Wir haben es im Februar bereits gesagt und wiederholen es hier: Die einzige Antwort auf diese Herausforderung ist die strikte Einhaltung der Gesetze, der Vollzug der Abschiebung aller schon

abgelehnten Antragsteller und feste Regeln für Ankömmlinge aus sicheren Drittstaaten bzw. Herkunftsstaaten.

(Beifall AfD)

Wir müssen zuerst überhaupt wieder die Kontrolle über die Lage bekommen. Dazu brauchen wir eine konzertierte Aktion, bei der Behörden, Ministerien und Ämter kurzfristig in einen Krisenmodus wechseln. Anders können wir diesen von Ihnen heraufbeschworenen Staatsnotstand nicht beheben. Wir brauchen unter anderem mehrsprachige Anamnesebögen in circa 35 Sprachen, da auch massenhaft Dolmetscher fehlen. Außerdem wird es dem Notstand nicht abhelfen, dass unter den Neuankömmlingen circa 15 Prozent Analphabeten sind. Diesem Problem hat sich auch noch niemand gestellt. Nach der Wiederherstellung rechtsstaatlicher Zustände können wir anfangen, eine bedarfsgerechte Anpassung des öffentlichen Gesundheitsdienstes an den Ist-Zustand vorzunehmen.

Der Antrag benennt das Problem. Es gilt jetzt, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und zu erhalten. Die Landesregierung muss sicherstellen, dass niemand ohne Gesundheitsuntersuchung und mit Risiken für die Gesamtbevölkerung die Erstaufnahmeeinrichtungen verlässt. Wir stimmen dem Antrag deswegen zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Haben Sie nicht einen Eid auf Menschen geschwo- ren? – Rassistin, echt!)

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Reden Sie mal mit den Gesundheitsämtern!)

Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Pelke zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst erst mal ein herzliches Dankeschön an die CDU-Fraktion für den Antrag hinsichtlich der Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und auch herzlichen Dank für den Sofortbericht dazu. Herr Kubitzki hatte es schon angesprochen, wir haben auch schon in der letzten Legislatur versucht, in dieser Richtung tätig zu werden, und wir haben nicht umsonst auch im Haushalt 2015 für den Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens aus der Haushaltsstelle, die ohne Summe manifestiert war, 50.000 Euro eingesetzt. Die Ministerin hat auch schon darauf hingewiesen, was mit diesem Geld getan werden soll, damit der öffentliche Gesundheitsdienst aus einer bestimmten Ecke herauskommt, dass er attraktiv gemacht wird. Und

das hat was mit der Entlohnung zu tun. Und das hat bei Gott nichts damit zu tun, dass sich jetzt Personen hier im Landtag hinstellen und die Frage nach einem Schuldigen aufmachen und sagen, es gibt jetzt eine Situation, die von dem öffentlichen Gesundheitsdienst, von den Gesundheitsämtern nicht mehr abgeleistet werden kann.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das hören Sie nicht gern!)

Wir wissen genau und wir wussten – da brauchen wir Sie nicht –, wir wissen schon seit geraumer Zeit

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und wir wissen schon seit vielen Jahren, dass der öffentliche Gesundheitsdienst und dass die Ärzte im öffentlichen Bereich überfordert sind, schlechter entlohnt werden und dass wir an dieser Stelle etwas tun müssen. Deswegen haben wir auch im Koalitionsvertrag die Stärkung und Weiterentwicklung des öffentlichen Gesundheitsdienstes als ausdrückliches Ziel festgehalten. Und wir werden selbstverständlich, und auch das ist schon erwähnt worden, im Haushalt 2016 und 2017 sehen, dass wir entsprechende Finanzmittel mit einbringen. Aber ich finde es einfach ganz grauslich, dass Sie sich jetzt hierher stellen und sagen, dieses Thema ist jetzt erst ein Thema aus Ihrer Sicht, wo es darum geht, Menschen, die unter schweren Bedingungen zu uns kommen, zu begleiten.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Unter ver- schärften Bedingungen!)

Deswegen, die Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst werden durch die Kommunen entlohnt. Und es ist schon angesprochen worden, dass wir aufgrund der finanziellen Situation in den Kommunen natürlich die engen Kontakte mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband knüpfen müssen. Wir müssen einfach sehen – das ist eine ganz reelle Situation, das ist überhaupt nichts Neues –, dass die Ärzte schon immer gesagt haben, der öffentliche Gesundheitsdienst ist nicht attraktiv, wenn es Lohnunterschiede von bis zu 1.000 Euro gibt. Das ist ein Ding, das wissen wir schon lange. Diese Situation werden wir angehen und wir haben – wie gesagt – mit dem 2015er Haushalt den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Ich bin der Meinung, dass wir auf jeden Fall dieses Thema nicht in dieser Form, wie es meine Vorrednerin hier getan hat, populistisch benutzen sollten, um wieder irgendwelche Feuerchen zu schüren, sondern dass wir uns ganz sachlich im Sozialausschuss darüber unterhalten: Wie können wir den öffentlichen Gesundheitsdienst attraktiver machen? Wie können wir die Entlohnung von Ärzten verändern? Wie können wir eine Überbelastung, die zweifelsohne schon immer da gewesen ist und die

(Abg. Herold)

auch im Moment offenkundig ist, verringern und wie können wir als Politik begleiten?

Insofern herzlichen Dank für diesen Antrag, den wir gerne im Sozialausschuss – nicht populistisch, sondern sach- und fachgerecht – diskutieren wollen. Ich freue mich über diese Diskussion in den Ausschüssen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Zippel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich erfreut, dass die große Zustimmung im Haus zu unserem Antrag doch so einhellig ist, abgesehen von einigen Beiträgen, auf die ich vielleicht ganz kurz eingehen möchte. Die Art und Weise, mit der die Kollegen von der AfD wieder Angst machen und der Bevölkerung den Eindruck vermitteln, dass der ÖGD nicht funktionsfähig ist – das kann so einfach nicht sein, dem verwehre ich mich!

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nehmen Sie es einfach mal zur Kenntnis!)

(Unruhe AfD)

Das zeigt mir, dass Sie vor Ort mit der Brille, mit einer ganz bestimmten Brille durch die Einrichtungen gehen und ein Bild vom öffentlichen Gesundheitsdienst haben, das so nicht funktioniert. Ich will Ihnen kurz erklären, wie der öffentliche Gesundheitsdienst wirklich aufgestellt ist und wie es funktioniert.

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Das verstehen die sowieso nicht!)

Sie haben das Ganze nämlich auf ein Thema runtergebrochen, was so nicht sein kann. Zum öffentlichen Gesundheitsdienst gehört neben dem Gesundheitsschutz, also Hygiene, Infektionsschutz, Umweltmedizin, zum Beispiel auch der Bereich Prävention, Fürsorge, Aufklärung

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Schön aus- wendig gelernt!)

ich brauche das nicht auswendig zu lernen, aber Sie könnten sich mal grundsätzlich informieren –, auch Schwangerenberatung, Sozialpsychiatrie, Suchtberatung, Steuerung, Qualitätssicherung, Gesundheitsberichterstattung, Koordinationsaufgaben, Medizinalaufsicht. Also, Sie merken schon, das Thema ist deutlich breiter aufgestellt. Deswegen ist es auch verständlich, dass das Haus hier sagt, das ist ein wichtiges Thema. Ich danke erst einmal für

die Beiträge dazu. Ich danke auch der Ministerin für den Sofortbericht. Ich freue mich auch auf den Ausschuss, wenn wir uns dann dazu verständigen und darüber diskutieren.

Ich will noch ein Thema aufgreifen. Es wurde – wie gesagt – in einzelnen Facetten aufgegriffen, aber es war mir noch nicht breit genug. Wir stehen tatsächlich vor einigen Herausforderungen, die dafür sorgen, dass der öffentliche Gesundheitsdienst immer wichtiger wird und als Instrument auch gestärkt werden soll. Zum einen ist dies natürlich das Thema „Globalisierung“. Wir haben grenzüberschreitenden Warenverkehr, es geht auch um Produktsicherheit. Durch Reisen können sich Infektionskrankheiten heutzutage schneller verbreiten als jemals zuvor. Aber auch beim Thema „Migranten“ – da will ich ehrlich sein – benötigen wir besondere gesundheitliche Hilfen. Aber das ist nur ein Aspekt und kann nicht Grund einer Angstmache sein.

Eine weitere Herausforderung, vor der wir stehen, ist der wissenschaftlich-technische Fortschritt. Die Entwicklung, die wir haben, sorgt dafür, dass es neue Anforderungen an Risikoanalysen und -bewertungen gibt. Auch da steht der ÖGD vor neuen Herausforderungen. Auch das ist ein weiterer Grund für unseren Antrag. Auch der Klimawandel ist zu nennen, neue Gesundheitsgefahren, denen wir uns stellen müssen, zum Beispiel durch die Einwanderung neuer Tierarten, Zecken- und Mückenarten, aber auch Hitzewellen – auch dies betrifft den öffentlichen Gesundheitsdienst – und nicht zuletzt der demografische Wandel, die Qualitätssicherung der stationären Pflege. Auch ein Thema, mit dem wir uns hier regelmäßig auseinandersetzen, ist der Ausgleich von Defiziten der ambulanten Versorgung, besonders in Regionen mit stark sinkender Bevölkerungszahl.

Nun haben wir im Sofortbericht gehört, wie die Lage in Thüringen ist. Für mich ist die Frage interessant: Sind wir in Thüringen auf diese Herausforderungen vorbereitet? Sie haben in unserem Antrag gemerkt, dass wir Sorge haben, dass wir darüber diskutieren wollen, wie wir den Gesundheitsdienst handlungsfähig halten können. Ich will aber ganz ehrlich sein – manche Dinge entwickeln sich auch. Es ist natürlich immer ein Argument von Ihrer Seite zu sagen: Na ja, Sie waren ja an der Regierung, Sie hätten das schon alles machen können. Ja, natürlich. Aber manche Dinge entwickeln sich ganz einfach und manche Dinge erkennt man auch erst. Wir wissen alle, wie sich die Gesellschaft und wie sich die Zeiten aktuell darstellen, sodass man auch schauen muss, dass der öffentliche Gesundheitsdienst mit den dargelegten Herausforderungen hier neuen Dingen standhalten muss.