Protocol of the Session on September 11, 2015

(Beifall DIE LINKE)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12

Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/988

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Abgeordneter Thamm, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste, „Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens in Thüringen“ – unser Antrag. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist neben der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung die dritte Säule des Gesundheitswesens. In Gesprächen mit dem Landkreistag wurde klar, dass es hier in der personellen Besetzung nicht nur in der Zukunft, sondern auch schon aktuell Probleme gibt. Diesem Umstand muss umso mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, da zu erwarten ist, dass die Anforderungen an das öffentliche Gesundheitswesen durch die aktuell hohen Zahlen an Asylbewerbern und Flüchtlingen zusätzlich steigen werden. Die Ämter werden in naher Zukunft an ihre Leistungsgrenzen stoßen, wenn sie nicht bereits aufgrund der aktuellen Situation da sind.

Der ursprüngliche Ausgangspunkt für diesen Antrag war allerdings der Umstand, dass von den 114 Ärzten im öffentlichen Gesundheitswesen circa 25 Ärzte in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen bzw. aus dem Dienst ausscheiden werden. Damit die Landkreise und die kreisfreien Städte die Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis für das Land Thüringen auch weiterhin zufriedenstellend erfüllen können, gilt es an dieser Stelle rechtzeitig einzuwirken und nachhaltig zu gestalten. Hier ist zeitnahes Handeln notwendig.

Die Gesundheitsämter sind für den Schutz der Gesundheit der gesamten Bevölkerung zuständig. Ihr Arbeitsbereich hat viele Facetten und hochgesteckte Ziele. Zu denen gehören unter anderem die Umsetzung von Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation, von europäischen Rechtsvorschriften und nicht zuletzt von bundes- und landesrechtlichen Entscheidungen, aber auch im öffentlichen Verwaltungsbereich sind sie beispielsweise für die Erstellung amtsärztlicher Gutachten unverzichtbar. Da als oberste Behörde der Freistaat Thüringen und hier das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz zuständig ist, fordert die CDU-Fraktion die Landesregierung auf, zu berichten, wie sich die Situation im öffentlichen Gesundheitswesen in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Besonders wichtig sind unserer Fraktion dabei die Aussagen darüber, wie die Landesregierung die Gesundheitsämter in der aktuellen Situation mit den steigenden

(Ministerin Keller)

Zahlen von eintreffenden Asylbewerbern und Flüchtlingen in einer nicht absehbaren Größenordnung zu unterstützen und zu stärken gedenkt, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit entsprechend ihres Arbeitsgebiets erfüllen können. Wir möchten die Landesregierung auffordern, die Stellen in öffentlichen Gesundheitsämtern attraktiver zu gestalten, um eine nachhaltige Sicherung des Fachpersonals für den öffentlichen Gesundheitsdienst für die Zukunft zu ermöglichen. Die CDU-Fraktion möchte in diesem Antrag den öffentlichen Gesundheitsdienst in seiner Form stärken und fordert die Landesregierung auf, ihn für die zukünftigen Anforderungen und Herausforderungen fit zu machen und die entsprechenden notwendigen Landesmittel dafür zur Verfügung zu stellen. Danke.

(Beifall CDU, AfD)

Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Werner.

Ja, danke. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit Ziffer I des Antrags der Fraktion der CDU wird die Landesregierung gebeten, dem Landtag zu verschiedenen Fragen zu berichten. Lassen Sie mich aber zuvor ausführen, dass das Thema „Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Thüringen“ in verschiedenen Facetten immer wieder hier in diesem Haus beraten, diskutiert und dazu informiert wurde. Damit sind weder das Thema noch die damit zusammenhängenden Probleme für den öffentlichen Gesundheitsdienst wirklich neu und insofern ist Ihr Vorstoß angesichts der vielen Jahre, in denen Sie in Regierungsverantwortung hätten tätig werden können, doch etwas spät,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

zumal sich die neue Landesregierung sofort dieses Themas angenommen hat, wie Sie auch aus den Diskussionen zum Landeshaushalt 2015 wissen.

Doch lassen Sie mich nun auf Ihre Fragen eingehen:

Zu erstens, wie sich die Situation des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Thüringen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat und wie sie sich derzeit darstellt: Zunächst ist festzustellen, dass sich in einigen Jahren das Aufgabenspektrum der vom öffentlichen Gesundheitsdienst zu leistenden Aufgaben sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht erweitert hat. Als Beispiel möchte ich die erhöhten Anforderungen des Infektionsschutz

gesetzes erwähnen. Andererseits wurden zunächst erweiterte Aufgaben, wie diese nach der Trinkwasserverordnung, im Laufe der letzten Jahre wieder reduziert und der demografische Wandel hat in einigen Bereichen, wie dem kinder- und jugendärztlichen Dienst, zu einer Reduzierung der Untersuchungsfälle geführt. Problematisch ist allerdings, dass für viele Ärztinnen und Ärzte, die in den letzten Monaten und Jahren wegen Altersteilzeit oder Rente ausgeschieden sind, kein Ersatz gefunden werden konnte. Der allgemeine Ärztemangel und die Tatsache, dass der ÖGD unter anderem wegen der im Vergleich zu Klinikärzten geringeren Vergütung nicht so attraktiv für die Ärztinnen und Ärzte erscheint, bewirken hauptsächlich eine Ausdünnung der Fachkräfte. Dieser Situation wird versucht entgegenzuwirken, beispielsweise mit der Beauftragung von Honorarkräften. Teilweise werden aber auch andere Aufgaben nur noch in größeren Abständen durchgeführt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass dringender Bedarf an der Einstellung von Ärzten besteht, um langfristig die Aufgabenbewältigung zu sichern. Besonders akut wird dieses Erfordernis in Anbetracht der in den letzten Monaten steigenden Flüchtlingszahlen. Die Gesundheitsämter sind hier zwar nur bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen für die Erstuntersuchung zuständig, jedoch greift gegebenenfalls eine sekundäre Zuständigkeit, wenn Lücken im Erstversorgungssystem – diese Untersuchungen leisten grundsätzlich Ärzte in der Erstaufnahmeeinrichtung – auftreten.

Zu zweitens, wie viele Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst arbeiten und wie diese Zahl sich in den vergangenen zehn Jahren geändert hat: Der Personal-Ist-Stand ohne Verwaltung in den Gesundheitsämtern im Jahr 2004 von 539 Absolutstellen ist kontinuierlich bis zum Jahr 2014 auf 512 Absolutstellen gesunken. Ein genauer Vergleich der Arztstellen ist nicht möglich, da die Arztstellen bis zum Jahr 2008 in der Anzahl der Personen angegeben worden sind und ab 2009 in VbE, wobei zu bedenken ist, dass bis zum Jahr 2009 auch Teilzeitstellen mitgezählt wurden. Im Jahr 2004 waren laut Auskunft des Thüringer Verwaltungsamts 99 Ärzte eingestellt, im Jahr 2014 waren 88 Ärzte – das sind 78 VbE Ärzte – im Thüringer ÖGD beschäftigt. Darüber hinaus wurden freiberufliche Ärzte auf Honorarbasis besonders im kinder- und jugendärztlichen Dienst und zum Beispiel bei der Erstellung von gerichtlichen oder dienstrechtlichen Gutachten beauftragt.

Zu drittens, wie viele Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen im öffentlichen Gesundheitsdienst in Thüringen tätig sind und wie viele im öffentlichen Gesundheitsdienst tätige Ärzte einen anderen oder keinen Facharzttitel besitzen: Von den 88 Ärztinnen und Ärzten haben im Jahr 2014 laut Thüringer Landesverwaltungsamt 86 eine abgeschlossene Fach

(Abg. Thamm)

arztausbildung, davon elf Fachärzte den zusätzlichen Facharzt-ÖGD – also Doppelfacharzt – und 86 Fachärzte sonstige Fachrichtungen. Zwei Ärzte haben keine Facharztqualifikation.

Zu viertens, inwieweit Amtsärzte, die keinen Facharzttitel haben, entsprechend geschult werden und welche Konsequenzen es hat, wenn ein Amtsarzt keinen Facharzttitel als Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst hat: Amtsärzte ohne Facharzttitel haben zum Beispiel die Möglichkeit, einen Amtsarztkurs oder eine Ausbildung zum Facharzt-ÖGD zu absolvieren. Einen Amtsarztkurs haben 29 Ärzte absolviert, sechs belegen aktuell diesen Kurs. Derzeit hat es keine Konsequenzen, wenn ein Amtsarzt keinen Facharzttitel als Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst hat.

Zu fünftens, welche Landesmittel für den öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung stehen: Die meisten Aufgaben der Gesundheitsämter werden von diesen im übertragenen Wirkungskreis erfüllt, sodass die Gebietskörperschaften im Rahmen des Mehrbelastungsausgleichs die finanziellen Mittel dafür erhalten. Die Personalhoheit der kommunalen Gebietskörperschaft ist ein Teil der kommunalen Selbstverwaltung. Die Kommunen müssen das für die Aufgabenerledigung notwendige Personal einstellen.

Zu sechstens, wie sich die Vergütungssituation von Ärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst, insbesondere im Vergleich zu Ärzten in Kliniken, darstellt: Es besteht ein deutlicher Einkommensunterschied zu den Ärzten, die in Kliniken beschäftigt sind. Einerseits ist dieser begründet durch die nicht zu leistenden Dienste – also Nachtdienste, 24Stunden-Dienste, Frühdienste, Wochenenddienste usw. –, die im Krankenhaus zusätzlich vergütet werden müssen. Andererseits wird die unterschiedliche Grundvergütung seitens des Verbandes der kommunalen Arbeitgeber damit begründet, dass die Tätigkeit der Ärzte im ÖGD nicht mit der Tätigkeit im Krankenhaus vergleichbar sei. Es wird auch behauptet, dass es aus Sicht des Verbandes der kommunalen Arbeitgeber keine Probleme bei der Besetzung der Stellen gibt, die sich aus der Vergütung rekrutieren. Der Verband der kommunalen Arbeitgeber hat es deshalb bisher abgelehnt, die Tarife der ÖGD-Ärzte an die der Kliniken anzupassen. Aber – und es ist eine einhellige Meinung – die aktuell bestehende schlechte Tarifsituation und damit verbundene unzureichende Entlohnung ist die Hauptursache für Personal- und Nachwuchsmangel.

Lassen Sie mich nur noch kurz auf die Prüfbitten in Ziffer II des Antrags eingehen. Zu Ziffer II.1 – zu prüfen, ob es möglich ist, die Thüringer Gesundheitsämter als anerkannte Stellen zur Ableistung eines Tertials des praktischen Jahrs im Rahmen der Arztausbildung zu etablieren: Die Tätigkeit im Ge

sundheitsamt ist für das praktische Jahr nicht geeignet, da dort keine Patientenversorgung stattfindet. Im praktischen Jahr, das im letzten Jahr des Medizinstudiums absolviert wird, steht die Ausbildung am Patienten im Mittelpunkt. Es werden entsprechend dem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ärztliche Tätigkeiten durchgeführt. Das praktische Jahr gliedert sich in die Abschnitte Innere Medizin, Chirurgie und Allgemeinmedizin, sonstiges klinikpraktisches Fachgebiet. Diese Praxis kann im Gesundheitsamt nicht vermittelt werden. Laut Landesärztekammer Thüringen wurde jedoch vor geraumer Zeit mit dem Ziel der Stärkung des ÖGD die Ableistung einer Famulatur, also eines Praktikums während des Medizinstudiums, im ÖGD empfohlen.

Zu Ziffer II.2 – Möglichkeiten zu eruieren, mehr Ärzte für eine Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst zu gewinnen: In Zusammenarbeit mit der Universität Jena werden derzeit unterschiedliche Möglichkeiten abgestimmt, den ÖGD mit seinem Aufgabenfeld bereits im Medizinstudium vorzustellen. Damit wird bereits versucht, mehr Ärzte für die Tätigkeit im ÖGD zu gewinnen. In Kooperation mit dem Universitätsklinikum Jena wird die Möglichkeit einer Facharztausbildung für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Thüringen bereits praktiziert und elf Ärzte haben den entsprechenden Facharzt ÖGD. Auch der Erwerb eines anderen Facharztes ist denkbar, erfordert jedoch neben der Weiterbildungsermächtigung auch die zum Beispiel 36-monatige Tätigkeit in der direkten Patientenversorgung. Außerhalb des eigenen Bedarfs hat das Universitätsklinikum Jena in einem dreiseitigen Vertrag mit der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung die Vorhaltung von sieben Stellen für Assistenzärzte zur Erlangung der Facharztkompetenz Allgemeinmedizin und Innere Medizin vereinbart. Gemäß der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer kann das Universitätsklinikum Jena als Weiterbildungsstätte für Fachärzte für Öffentliches Gesundheitswesen dienen, da die Weiterbildungsinhalte abgedeckt werden.

Zu Ziffer II.4 – die erforderlichen Landesmittel für den öffentlichen Gesundheitsdienst entsprechend dem tatsächlichen Bedarf anzupassen: Wie ich bereits ausgeführt habe, erhalten die Kommunen für die Aufgabenerfüllung die erforderliche Finanzausstattung. Die Landesregierung verschließt aber nicht die Augen vor dem Personalmangel im ÖGD. Daher haben wir für dieses Jahr erstmals Mittel zur Unterstützung der Kommunen, um Anreize für Ärztinnen und Ärzte im ÖGD zu schaffen, in den Haushalt 2015 eingestellt. Wir werden dies dem Haushaltsgesetzgeber auch für den Haushalt 2016/2017 vorschlagen. Das kann aber keine dauerhafte Lösung sein. Der Kommunale Arbeitgeberverband ist in der Pflicht, einen Tarif für Ärzte im ÖGD zu verhandeln, der die Gleichstellung von Ärztinnen und

(Ministerin Werner)

Ärzten mit den in kommunalen Krankenhäusern tätigen Ärztinnen und Ärzten sicherstellt. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entsprechend unserer Geschäftsordnung werden Beratungen zu Berichten der Landesregierung grundsätzlich in langer, also doppelter Redezeit verhandelt. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags? Die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, auch AfD. Auf Verlangen der Fraktionen eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags und gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Kubitzki zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte mich erst einmal recht herzlich bei der Ministerin für den Sofortbericht zu diesem Antrag bedanken. Der öffentliche Gesundheitsdienst – da sind wir uns alle hier in diesem Hohen Haus bestimmt einig – ist ein wichtiger Faktor für den Gesundheitsschutz unserer Bevölkerung. Es wurde schon im Sofortbericht darauf hingewiesen. Hier geht es um Vorbeugeuntersuchungen, um Prävention, hier geht es um Impfungen, hier geht es um Schutz vor Epidemien und – auch nicht zu vergessen – über den öffentlichen Gesundheitsdienst werden die Einschulungsuntersuchungen bei unseren Kindern durchgeführt. Da muss ich aber auch den Damen und Herren der CDU-Fraktion sagen, das Problem des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist nicht neu und nicht erst jetzt entstanden. Ich kann mich erinnern, schon vor zehn Jahren hat unsere damalige gesundheitspolitische Sprecherin Ruth Fuchs hier in diesem Haus die Erarbeitung eines neuen Gesetzes zum öffentlichen Gesundheitsdienst gefordert und auch auf das Problem aufmerksam gemacht, dass in absehbarer Zeit ein Ärztemangel im öffentlichen Gesundheitsdienst zu verzeichnen sein wird. Ich kann mich als Kommunalpolitiker aus dem Unstrut-Hainich-Kreis erinnern, dass wir schon vor zehn Jahren eineinhalb Jahre brauchten, um eine Kinder- und Jugendärztin für unser Gesundheitsamt zu finden, dass damals die Einschulungsuntersuchungen in großer Gefahr waren und dass wir uns dort niedergelassener Ärzte bedienen mussten, die im Auftrag des Landratsamts, des Gesundheitsamts dort diese Schuluntersuchungen durchgeführt haben. Ich will damit sagen, das Thema ist nicht neu. Wir müssen das Thema auch generell im Gesamtkontext eines Ärz

temangels in Thüringen sehen. Der wird sich noch verschärfen.

Ich kann mich auch erinnern, in der letzten Legislatur, als es noch die Koalition CDU/SPD gab, dass der damalige gesundheitspolitische Sprecher der SPD an einem Gesetzentwurf für den öffentlichen Gesundheitsdienst arbeiten wollte, aber dass das aus fiskalischen Gründen abgelehnt wurde. Darüber müssen wir uns im Klaren sein: Den öffentlichen Gesundheitsdienst zu fördern, was notwendig ist, kostet Geld. Dieser Sache sollten wir uns in der Haushaltsdebatte bewusst sein. Aber aus eben genannten fiskalischen Gründen wurde das seit vielen Jahren und mehreren Legislaturperioden durch die damaligen Mehrheitsverhältnisse hier in diesem Haus anders gesehen. Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, was wirklich nicht neu ist und was angepackt werden muss.

Aber wir müssen das Problem „Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst“ auch sehen im Gesamtkontext des Ärztemangels in Thüringen. Einerseits wissen und beklagen wir, dass wir besonders in den ländlichen Räumen auf einen Ärztemangel zusteuern. Wir kennen schon seit vielen Jahren die Altersstruktur unserer niedergelassenen Ärzte. Die Ärzte, die sich vor 25 Jahren niedergelassen haben als Ärzte, sind die Ärzte, die jetzt aus dem Berufsleben ausscheiden. Wir bekommen einen Ärztemangel auf dem Land und gleichzeitig haben wir aber auch einen Ärztemangel im öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Ministerin hat schon darauf hingewiesen, damals, ich erinnere wieder daran, was ich geschildert habe, Suche einer Kinder- und Jugendärztin für das Gesundheitsamt. Die Bezahlung der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst entspricht eben nicht der Bezahlung von Ärzten in Krankenhäusern und entspricht eigentlich auch nicht der Honorarvergütung von niedergelassenen Ärzten. Nun erklären Sie mir mal, warum soll ich als junger Arzt in ein Gesundheitsamt einsteigen, wenn ich dort nach meinem Studium weniger Geld verdiene, als wenn ich in ein Krankenhaus gehe und mich dort anstellen lasse. Das ist die Frage. Ich gebe der Ministerin recht, hier ist der Kommunale Arbeitgeberverband in der Pflicht. Hier muss es eine Angleichung der Vergütung der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst geben. Da wir dieses Problem kennen, muss Einfluss auf den Kommunalen Arbeitgeberverband genommen werden, einerseits, meine Damen und Herren, hier von diesem Haus, von der Landesregierung, aber andererseits sind auch wir, die kommunal verankert sind, in der Pflicht, auf den kommunalen Arbeitgeber vor Ort Einfluss zu nehmen, dass er sich innerhalb des Kommunalen Arbeitgeberverbands starkmacht, dass die Ärzte besser vergütet werden. Das gehört einfach zur Wahrheit. Das heißt, wir müssen auch vor Ort in den Kreistagen, in den Stadträten der kreisfreien Städte auf dieses Problem aufmerksam machen.

(Ministerin Werner)

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Das wis- sen sie!)

Das wissen die, ja! Wenn es aber darum geht, die Haushalte in den Kreistagen zu verabschieden, spielt auch das eine Rolle, da spielt das Fiskalische eine Rolle. Wenn es dann um Gehaltserhöhungen und Personalkosten geht – da kenne ich Kreistage, kenne ich meinen eigenen –, wird darüber diskutiert, das ist einfach so. Aber es gehört der Mut zur Wahrheit dazu, zu sagen: Wenn wir Ärzte brauchen – und die brauchen wir in den Gesundheitsämtern – dann müssen wir auch etwas für ihre Vergütung tun.

Da dieser Antrag das Problem darlegt, wie wir es in Thüringen haben, sollten wir darüber weiter beraten. Deshalb beantrage ich an dieser Stelle, den Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie, Gesundheit und Arbeit zu überweisen und dort sowohl den Sofortbericht der Landesregierung als auch die in Punkt II genannten Vorschläge zu diskutieren. Wir müssen uns im Ausschuss auch Gedanken machen, welche Möglichkeiten es gibt.

Jetzt will ich vielleicht einen persönlichen Vorschlag machen, den ich gern dort auch in die Diskussion einbringen möchte: Vielleicht sollten wir auch einmal darüber nachdenken, dass wir ältere Ärzte, die ihre Praxis aufgeben wollen, gewinnen und motivieren können, ein bis zwei Jahre im öffentlichen Gesundheitsdienst mit ihren Erfahrungen zu arbeiten, und dass ihre Praxen jungen, frisch ausgebildeten Ärzten übergeben werden. Das verlangt aber auch, dass wir die jungen, frisch ausgebildeten Ärzte gewinnen und motivieren, sich im ländlichen Raum niederzulassen. Dafür gibt es die Stiftung, dafür ist im Landeshaushalt Geld eingestellt. Vielleicht können wir diesen Weg gehen, dass wir ältere Ärzte für den öffentlichen Gesundheitsdienst gewinnen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss zu diesem Thema. Aber wir sollten die Diskussion auch so führen, dass wir die Realität, wie sie wirklich vor Ort ist, immer im Auge haben. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat sich Abgeordnete Herold zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Antrag der CDU greift wichtige Ansätze des öffentlichen Gesundheitsschutzes auf. Allerdings ist er noch viel zu zaghaft formuliert. Man sollte die Dinge beim Namen nennen, wenn man Probleme lösen möchte.

Die eigentliche Herausforderung, vor der der öffentliche Gesundheitsdienst steht, wird im Antrag leider mit einem einzigen Nebensatz erwähnt. Das ist die täglich steigende Anzahl von Menschen, die auf verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Beweggründen – alle unter der Überschrift „Asyl“ – das Land Thüringen betreten. Damit sehen sich die Gesundheitsämter und der öffentliche Gesundheitsdienst konfrontiert. Das hätte in diesem Antrag noch viel mehr in den Mittelpunkt gerückt werden müssen.

Ich möchte – damit es nicht untergeht – hier gleich an meinen Vorredner anknüpfen. Die jungen, frischen, gut ausgebildeten Ärzte, die verlangt werden, um Alterspraxen zu übernehmen, stehen schlicht für die ländlichen Regionen nicht zur Verfügung. Das kann man erfahren, indem man einfach bei der Kassenärztlichen Vereinigung anruft – in meiner Branche ist das genauso. Wir haben diese jungen Kollegen schlicht nicht, weil die zum Teil in die westlichen Bundesländer gehen, wo Privatanteile liquidiert werden können und die Übernahme einfacher ist. Die jungen Frauen, die massenhaft Medizin studieren, suchen Angestelltenverhältnisse, weil ihnen dort Familiengründung und Teilzeit ermöglicht werden. Wir haben diese jungen Leute nicht. Die älteren Kollegen, die dann endlich irgendwann mit 67 den Ruhestand erreicht haben, können sich – glaube ich – in der Mehrzahl Besseres vorstellen, als weitere Stunden im öffentlichen Gesundheitsdienst zu schrubben.

(Beifall AfD)

Deswegen möchte ich hier klar sagen: Der öffentliche Gesundheitsdienst in Thüringen ist sowieso überlastet. Er ist überlastet durch die Abertausenden von Neubürgern, die gesundheitlich betreut werden müssen. In den Aufnahmeeinrichtungen erledigen das angestellte Ärzte. Nach drei Monaten verlassen diese Patienten und Neubürger die Aufnahmeeinrichtungen und verweilen teilweise Monate, wenn nicht gar Jahre in den Asylverfahren und sind dann dem öffentlichen Gesundheitsdienst anvertraut. Bereits jetzt gelangt dieser an die Grenzen. Nicht auszudenken, was passieren wird, wenn sich, wie angedacht oder angekündigt, die Zahlen verdoppeln, verdreifachen, vervierfachen. Sie haben diese Misere heraufbeschworen, indem Sie Fehlanreize gesetzt haben. Sie haben die Verantwortung, diese Probleme zu beheben. Die Folgen aus dieser Überlastung des öffentlichen Gesundheitsdienstes können desaströs sein, und zwar für alle Betroffenen. Im letzten Plenum hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass die öffentliche Gesundheit in Gefahr ist, wenn durch die unkontrollierte Einwanderung verschiedene, bisher als bekämpft und ausgerottet geglaubte Krankheiten nach Deutschland und Thüringen wieder hereingebracht werden. Wir fordern ganz klar, dass hier die Bevölkerung geschützt werden muss.

(Abg. Kubitzki)

(Beifall AfD)