Protocol of the Session on September 9, 2015

(Abg. Kummer)

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Das ist Unsinn!)

Drucksache 5/6000 des Abgeordneten Kuschel gibt Auskunft, dass im Jahr 2012 insgesamt 1,5 Millionen Euro an Fördermitteln für Kleinkläranlagen zur Verfügung gestellt wurden. Nimmt man einen Zuschuss von 1.500 Euro pro Anlage, ergeben sich 1.000 geförderte Kleinkläranlagen. Für eine echte Unterstützung sollte der Freistaat aber schon die Hälfte der Kosten schultern. Schließlich kann sich die Rechnung für eine solche Anlage schnell auf 6.000 Euro und mehr belaufen.

Bei 70.000 Kleinkläranlagen hat man bei der derzeitigen Finanzierungslage die Wahl: Entweder man nimmt sich 70 Jahre Zeit oder man stellt 70mal so viel Geld zur Verfügung. Hat der Freistaat zusätzliche 200 Millionen Euro, um die Menschen vor allem im ländlichen Raum zu unterstützen? Und was, wenn es doch mehr Anlagen sind, die saniert werden müssen?

Herr Abgeordneter Henke, Ihre Redezeit ist um.

Ich komme zum Schluss.

(Beifall DIE LINKE)

Hat der Freistaat eine halbe Milliarde Euro dafür?

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist um.

Diese Mammutaufgabe muss der Freistaat gemeinsam mit seinen Bürgern bewältigen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ab- schalten!)

Ich komme zum Schluss. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die SPD-Fraktion hat Abgeordnete Becker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur noch ein paar Zahlen, Herr Primas, damit Sie auch wissen, wovon wir reden. Dem Wortbeitrag von Herrn Kummer kann ich mich ausnahmslos anschließen – es ist einfach so. Wir reden schon länger über dieses schwierige Thema. Besonders erschwert hat dieses Thema das

Jahr 2004, da brauchen wir doch nicht drum herumzureden. Durch das Wahlversprechen von Dieter Althaus und die Angst, die Macht zu verlieren, ist hier etwas auf den Weg gebracht worden, was dem Steuerzahler eigentlich nicht zumutbar ist. Allein die Abschaffung der Wasserbeiträge, Herr Primas, wenn Sie das schon vergessen haben sollten, haben Sie beschlossen, 2004.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: … Kläranla- gen …)

Ja, das ist aber Geld des Freistaats Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Sagen Sie doch, wofür sie bezahlen sollen! Sagen Sie es den Bürgern!)

Allein im Jahr 2011 haben wir 11 Millionen Euro an Zinsen gezahlt für Ihr Wahlversprechen von 2004.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Sie müssen den Bürgern sagen, wofür sie bezahlen sol- len!)

Wir haben gemeinsam den Bürgern immer gesagt, dass sie das bezahlen sollen. Bis Sie Angst hatten, die Macht zu verlieren. Es ist doch nicht so, dass die SPD-Fraktion nicht dazu gestanden hat. Natürlich war das so. Nicht anders. Es ging nur um Machterhalt. Und wir haben jetzt das Geld nicht mehr, um den ländlichen Raum erschließen zu können.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Wir sind schuld!)

Natürlich, 20 Jahre Umweltminister CDU. Oder habe ich da irgendwas verpasst in der Zeit, dass es irgendeinen anderen Umweltminister gab? 20 Jahre. 2011 haben Sie es ja versucht, Herr Primas, Sie haben es selber angesprochen. Sie haben versucht, das Wassergesetz zu ändern. Über die Äußerungen bin ich – nachdem ich nun wieder dabei bin – schon öfters informiert worden, wie das abgelaufen ist. Das war eine Farce. Das Ministerium hat die Abgeordneten vorgeführt. Das kann doch nicht sein, dass Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, die Landesregierung, die grüne, hat Schuld an dem Problem, was auf uns zukommt oder jetzt aktuell ist. Das Problem gibt es schon länger.

(Unruhe CDU)

Die grüne Umweltministerin hat leider auch keine Schuld daran, das ist ja das Schlimme, Herr Primas. Das müssten Sie mal einsehen. Das sind Ihre hausgemachten Probleme, 20 Jahre Umweltministerium der CDU, es ist hausgemacht.

(Unruhe DIE LINKE)

Wir könnten viel weiter sein.

(Unruhe CDU)

Wir haben den schlechtesten Anschlussgrad.

(Abg. Henke)

(Unruhe CDU)

Jetzt müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern sagen, was Sie in den letzten Jahren falsch gemacht haben. Das ist einfach so. Da müssen wir alle zusammenstehen, das ist ja in Ordnung. Gerade in dem Bereich hat es ja immer parteiübergreifende Zusammenarbeit gegeben. Ich verstehe nicht, warum Sie so schnell in die Oppositionsrolle huschen und das populistisch nach einer Pressemitteilung als Aktuelle Stunde machen. Ich sage aber nicht, dass es die Probleme nicht gibt. Ich will sie nicht verdecken, die Probleme gibt es. Wir dürfen die Menschen im ländlichen Raum mit dem Problem nicht alleinlassen.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Machen Sie aber mit!)

Ich sage, eine Ursache dieser Probleme haben Sie gelegt. Das ist einfach so. Das ist einfach absurd, es jetzt auf diese rot-grüne Landesregierung zu schieben und zu sagen, die grüne Umweltministerin hat Schuld, wenn ihr jetzt für eure Kläranlage so viel Geld in die Hand nehmen müsst, weil sie die Fristen so gesetzt hat, wie sie sind. Ihre Fristen konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, muss ich mal sagen. Irgendwie muss ich bei der Wasserrahmenrichtlinie andere Zahlen haben. Aber das ist ja egal. Ihre Fristen wären ja – Gott sei dank – auch nicht aktuell. Aber wir müssen eine Lösung finden – so schnell wie möglich. Wir müssen das Wassergesetz ändern, Herr Primas, was Sie in den letzten fünf Jahren nicht geschafft haben und das so schnell wie möglich. Da haben wir uns auch immer schon bemüht, ein bisschen Druck reinzubringen, vorsichtig. Aber es ist nicht ganz einfach, das gebe ich gern zu. Es ist eine umfassende Überarbeitung des Wassergesetzes, die jahrelang nicht erfolgt ist. Deshalb brauchen wir da ein bisschen Zeit und brauchen keine Panikmache. Die Menschen im ländlichen Raum sind in Bezug auf den Anschluss an ihre Kläranlagen oder Kleinkläranlagen verunsichert. Dort müssen wir ihnen helfen und sagen, so geht es weiter. Wir werden das tun und wir werden es schneller tun, als Sie es in den letzten Jahren getan haben. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung hat Ministerin Siegesmund das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Primas, dann reden wir mal über Fingerspitzengefühl. Dann reden wir mal darüber, dass Ende 2014 das Abwasser von gerade mal 79 Prozent der Thüringer Bevölkerung in kommunalen Kläranlagen und privaten Kleinkläranlagen behandelt worden ist – 79 Prozent. Das heißt, dass jeder Fünfte nicht entsprechend angeschlossen ist. In Sachsen sind es interessanterweise über 90, in Sachsen-Anhalt sind es 93 Prozent, im MDR-Land ist Thüringen Schlusslicht und übrigens, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur da. Wir sind bundesweit Schlusslicht, weil die CDU mit Fingerspitzengefühl, wie Sie es nennen, es verpennt hat, in den vergangenen 25 Jahren Hausaufgaben zu machen und das sortiere ich Ihnen gern.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Und Sie träumen jetzt weiter!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den bundesgesetzlich geforderten Stand der Technik haben Sie nicht gewährleistet in 21 Prozent der entsprechenden Häuser, die es betrifft, die nicht angeschlossen sind. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 95 Prozent. Thüringen – noch mal – liegt bei 79 Prozent. Wir in Thüringen sind, was die Abwasserentsorgung angeht, bundesweit Schlusslicht. Wir müssen heute feststellen – und diese Zahlen nenne ich Ihnen sehr bewusst –, dass bei uns im Land 170.000 völlig unzureichende Kleinkläranlagen mehr als 75 Prozent der Gewässerbelastungen verursachen – 75 Prozent. Wir gehen her und wollen einen großen Schritt machen, die EU-Wasserrahmenrichtlinie einhalten. Wir gehen her und sagen, 90 Prozent unserer Gewässer in Thüringen entsprechen nicht den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie und daran hat die CDU-Politik maßgeblichen Anteil – übrigens auch die Tatsache, dass Sie den ländlichen Raum, was das angeht, in den letzten Jahren massiv vernachlässigt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das Abwasser von fast einer halben Million Bürgerinnen und Bürgern in Thüringen wird nicht nach den bundesgesetzlichen Vorgaben behandelt – fast eine halbe Million Thüringerinnen und Thüringer. Das ist ein zu Recht bemängelter, weil unzureichender Zustand und Hauptursache für die massiven Gewässerbelastungen, die wir in Thüringen haben. Deswegen haben wir, was die Einhaltung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und das Vorsorge Treffen angeht, dass wir nicht in ein Vertragsverletzungsverfahren schlittern, da auch nachzusteuern.

Ich will Ihnen eine Zahl nennen: Über 80 Prozent unserer Seen, Flüsse und Bäche sind übermäßig durch Phosphor belastet. Phosphor – das weiß je

(Abg. Becker)

der von Ihnen hier im Haus hoffentlich, was insbesondere in Wasch- und Reinigungsmitteln vorhanden ist, aber auch in menschlichen Exkrementen – ist das, was die Gewässer so belastet und was durch unzureichende häusliche Behandlung in unsere Gewässer gelangt. Wer trägt denn für diesen Zustand die Verantwortung? Die Landesregierung, die sich in den letzten Monaten an die Novelle des Wassergesetzes gemacht hat und Ihnen bald einen Vorschlag unterbreiten wird, den Sie in den letzten fünf Jahren nicht hinbekommen haben – Herr Primas, das gehört zur Wahrheit dazu – oder Sie? Dann dröseln wir es doch mal auf. Gründe für diesen außerordentlich mangelhaften Zustand der Abwasserentsorgung sind – da bin ich bei Ihnen – die schlechte Ausgangslage 1990, unsere stark ländliche Siedlungsstruktur. Das alles erschwert in der Tat die Investition in die Abwasserentsorgung. Aber noch mal: Sachsen-Anhalt und Sachsen haben aufgeholt. Wenn man den wasserrechtlichen Vollzug bei den unteren Wasserbehörden erschwert, dann hat man auch massiv in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass man nicht vorankommen konnte. Die Defizite im Bereich der Rechtsumsetzung sind weiterhin erheblich und die Thüringer Gewässer sind immer noch über die Maßen durch nicht oder nur unzureichend behandelte Abwässer belastet. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen. Die Vorgängerregierung hat es in den vergangenen Jahren versäumt, durch eine Neuordnung des Thüringer Wasserrechts diese Missstände abzuschaffen. Diese Neuordnung wäre 2010 aufgrund der Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes eigentlich erforderlich gewesen. Was haben Sie gemacht? Mit Fingerspitzengefühl haben Sie Folgendes gemacht: Sie haben dafür gesorgt, dass jeder der 115 kommunalen Aufgabenträger der Abwasserentsorgung und jede der 23 unteren Wasserbehörden zur Umsetzung des Wasserhaushaltsgesetzes eigene Entscheidungen treffen kann. Das nenne ich Fingerspitzengefühl. Mit so viel Freiwilligkeit landet man bei 79 Prozent Anschlussgrad. Da kann man sich nur innerhalb der CDU auf die Schulter klopfen. Das versteht offen gestanden kein anderer Mensch.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Machen Sie es mit Zwang! Sie werden sehen, was Sie davon haben!)

Die Bürgerinnen und Bürger wussten also nie mit hinreichender Gewissheit, ob und wann sie eigentlich an eine öffentliche Kläranlage angeschlossen werden. Das hat zu Verunsicherungen geführt und übrigens auch zu vermeidbaren Kosten, weil Sie das Kostenargument ja immer so gern ins Feld führen. Diese Politik hat im Übrigen auch zu dem Zeitungsartikel geführt, den Sie vorhin erwähnten. Es hat, um das gleich einmal richtigzustellen, keine Rechtsänderung seit Beginn dieser Legislatur ge

geben. Das heißt, jeder Brief, der versandt wird, ist sozusagen unter der Ägide der CDU entstanden.

(Beifall DIE LINKE)