Protocol of the Session on July 10, 2015

Frau Siegesmund hat ja mit ihrem Ministerium die Aufgabe, den Ausbau der Windkraft in Thüringen zu forcieren, das steht im Koalitionsvertrag. Es ist von einer Verdreifachung der Windkraftnutzung die Rede. Daher schadet es nicht, ein Problembewusstsein für das energiewirtschaftliche Chaos und die Umweltzerstörung zu schaffen, für welche die Windkraftförderung mit abgeholzten Wäldern, Trassenbau durch sensible Naturregionen und willkürlich verstreute tonnenschwere Betonfundamente steht. Auch was das Thema „Infraschall“ angeht, Herr Kollege Harzer, da finde ich es schon interes

(Abg. Harzer)

sant: Beim Infraschall gibt es Verdachtsmomente, die negieren Sie. Da sagen Sie: Ach, es ist alles noch nicht so richtig wissenschaftlich erfasst und bestätigt. Beim Glyphosat gestern war das anders, ja. Da reichen Ihnen also schon Verdachtselemente, da wird ganz anders draufgehauen. Also da merkt man schon eine gewisse Tendenziösität.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr Möller, es gibt keine Verdachtsmomente beim Infraschall!)

Na selbstverständlich gibt es Verdachtsmomente, dann schauen Sie doch mal nach Dänemark, da gibt es schon durchaus entsprechende Studien und Untersuchungen

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ein paar Nerze, die sich das Fell ausgebissen haben!)

und Dänemark ist eben in dem Punkt auf dem richtigen Weg, die untersuchen das weiter. Aus Vorsichtsgründen bauen die eben an Land nichts mehr, bauen die eben keine Windkraftanlagen mehr.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Die bauen, erzählen Sie nicht solche Lügen!)

Aber nicht an Land, die bauen offshore. Das ist für sich genommen auch nicht schön, weil die das nämlich offshore in die Kinderstube von Schweinswalen bauen. Die Viecher können dann halt irgendwo anders hinschwimmen. Das ist dann genauso wenig umweltfreundlich, da gebe ich Ihnen insofern auch recht, das sollte man nach Möglichkeit auch unterbinden.

(Beifall CDU, AfD)

Aber das ist ja nicht unser Thema hier. Wir haben ja hier keinen Meereszugang in Thüringen.

Deswegen – und damit komme ich zu drittens – möchte ich noch einen weiteren Aspekt ansprechen, der gegen den Ausbau von Windkraft steht: Hier geht es um die regionale Planungshoheit. Mit den Regionalplänen soll einem Wildwuchs der Windenergie begegnet werden und diese Regionalpläne schreiben fest, wo Windkraftanlagen errichtet werden dürfen und wo nicht. Die Ausweisung der Vorranggebiete in den Regionalplänen lenkt den Ausbau der Windkraft in geordnete Bahnen. Doch in den letzten Monaten mussten wir verstärkt miterleben, dass sich Windkraftprojektentwickler ihren Weg zu den üppigen EEG-Subventionen in Thüringen freiklagen. Da werden die bestehenden Regionalpläne auf dem Rechtsweg bekämpft und außer Kraft gesetzt, ja richtiggehend kaputtgeklagt. Und ganz besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was halten Sie von Unabhängig- keit der Gerichte?)

Da halte ich eine Menge von, aber nicht immer liegen die Gerichte richtig, Herr Adams.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist dann jetzt Ihr Problem?)

Das ist eben ganz typisch, wissen Sie, Sie finden eigentlich auch haufenweise mal Fehlurteile.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das beurteilen Sie!)

Selbst bei den hohen Gerichten, selbst bei den Bundesgerichten, und es kommt nicht selten vor, dass Bundesgerichte sich irgendwann auch widersprechen und gegenseitig aufheben. Und gerade das sollte eigentlich aus unserer Sicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschehen, das sich zu diesen Regionalplänen geäußert hat und dem viele bestehende Regionalpläne nun nicht mehr nach dieser neuen Rechtsprechung genügen können.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Das ist doch gar nicht der Fall!)

Denn gemäß diesem Urteil reicht es nicht mehr aus, dass nur Vorranggebiete auszuweisen sind und man sie gegenüber jenen Flächen abgrenzt, die nicht zur Nutzung zur Verfügung stehen. Vielmehr muss man jetzt konkret „harte und weiche Tabuzonen“ ausweisen. Die harten Tabuzonen, das sind diejenigen, wo die Windkraftnutzung per se verboten ist. Bei den anderen ist es zumindest theoretisch möglich. Und bei den weichen Tabuzonen kann die Windkraftnutzung, wie gesagt, stattfinden. Man kann sie untersagen, man muss es aber nicht. Diese Festsetzung der harten und weichen Tabuzonen ist aber durch das Bundesverwaltungsgericht höchstproblematisch geworden. Schließlich sind diese Kriterien nicht so einfach voneinander abgrenzbar. Sie haben teilweise das Problem, dass die Planungsgemeinschaft nicht weiß, wie groß denn die Windkraftanlagen werden, die da auf ihrem Territorium errichtet werden sollen. Und wie soll dann die Planungsgemeinschaft von vornherein ermitteln, wie weit sich die harte Tabuzone erstreckt? Das ist eben so ein Beispiel, woran man merkt, dass auch diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Praxis mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist und bei vielen Kriterien nicht klar ist, sind das jetzt harte Kriterien, sind es weiche Kriterien. Da urteilen die Verwaltungsgerichte vor den verschiedenen Gebietskulissen auch teilweise unterschiedlich. Ein Beispiel dafür sind die zusammenhängenden Waldgebiete oder FFH-Schutzgebiete. Es gibt hierzu verschiedene juristische Bewertungen, ob das harte oder weiche Tabuzonen sind. All dieser Prüfungsaufwand, der fordert einen enormen Aufwand von den Pla

nungsgemeinschaften und der ist kurzfristig nicht zu bewältigen. Da stellt sich die Frage, wie man darauf reagiert. Da kann man sich erst einmal anschauen, wie die Landesregierung darauf reagiert. Die Landesregierung reagiert darauf mit heißer Luft, mit Desinteresse und mit Arroganz.

(Beifall AfD)

Da hört man dann Sätze wie diesen: Die Planungsgemeinschaft hat einfach ihre Hausaufgaben nicht richtig gemacht. – Mit Verlaub, das ist ein Schlag ins Gesicht der Planungsgemeinschaften und diese Aussage wäre nur berechtigt, wenn man von den Planungsgemeinschaften prophetische Kenntnisse verlangen könnte, denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das wissen Sie, ist jünger als die Regionalpläne und konnte deswegen damals noch gar nicht berücksichtigt werden. Der Richterspruch schuf also eine völlig neue Ausgangslage und dafür sollten gerade die Regierungsfraktionen und die Landesregierung auch entsprechendes Verständnis zeigen, denn so kann es auch Ihnen gehen. Die Rechtsprechung ist keine staatliche Sache, sie ändert sich und nicht immer hat man das im Blick gehabt. Die AfD-Fraktion hat dieses Verständnis und unterstützt deswegen das Anliegen des hier vorliegenden CDU-Antrags, denn mit einem Moratorium könnten die Planungsgemeinschaften in Ruhe arbeiten, sie könnten ein Gesamtkonzept erstellen, ohne dass bereits durch inzwischen erteilte Genehmigungen Tatsachen geschaffen werden und im Grunde die Planungen im Werden schon wieder über den Haufen geworfen werden.

Fakt ist – und das muss man einfach berücksichtigen –, dass inzwischen ein juristischer Kampf tobt zwischen den Kommunen, den Landkreisen und den Städten auf der einen Seite und den Windkraftanlagenbetreibern auf der anderen Seite. Also ich habe gehört, dass Thüringen mittlerweile stark in den Fokus der Planungsbüros gerückt ist und auch die Preise für entsprechende Flächen sehr gestiegen sind, die Pachtpreise.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: 50.000 Euro! Die laufen zurzeit rum und überbieten sich!)

Richtig, so ist es, es ist eine deutliche Steigerung der Pachtpreise. Die Windkraftindustrie, die nutzt übrigens hoch spezialisierte Kanzleien, es ist insofern nicht überraschend, dass die hoheitlichen Planungsträger dem kaum etwas entgegensetzen können, deswegen ist das Moratorium als erste Stütze ganz richtig. Langfristig brauchen wir eine grundlegende Anpassung des Energie-, Emissions- und Planungsrechts, vor allem im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien, und in welche Richtung es dabei geht, das ist ja auch klar. Ganz einfach: Mensch und Natur müssen absoluten Vorrang vor den Interessen der Investoren haben. Diese Vorgaben für den Abwägungsprozess müssen zu

geltendem Recht werden. Doch auch der Ausbau der Windkraft selbst, der vor allem durch die EEGSubventionen auf dem Rücken der Stromkunden erfolgt, muss ein Ende haben, denn ich sage Ihnen eines: Staatlich garantierte Renditen sind der sozialen Marktwirtschaft, für die Deutschland ja immer noch einsteht, fremd. Es darf nicht sein,

(Beifall AfD)

dass Familien und Geringverdiener über ein staatliches Umlagesystem die Renditen für Gut- und Großverdiener bezahlen müssen, die eine attraktive und sichere Rendite anstreben. Und dass gerade Sie, liebe Linke, da mitmachen, bei diesem Umverteilungssystem von unten nach oben, das ist in der Tat ein bisschen kurios.

(Beifall AfD)

Die negativen Auswirkungen des EEGs sind bekannt. Zu nennen sind die Eingriffe in die Natur, die Strompreissteigerung, die instabiler werdende Energieversorgung. Es wird also Zeit zu handeln und mit dem Antrag der CDU sind wir da auf dem richtigen Weg. Danke.

(Beifall CDU, AfD)

Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Mühlbauer, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren im Auditorium, werte Kolleginnen und Kollegen, ja, es ist so, ein wiederholtes Mal – ich weiß es nicht, das wievielte Mal – reden wir hier im Plenum über Windkraft. Das beweist auf der einen Seite, es ist ein Thema, das stark beschäftigt.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja!)

Das ist gut so, weil ich denke, im Dialog lernen wir und durch Wiederholungen kommen wir vielleicht auch zum Vertiefen von wissenschaftlichen Ergebnissen und dann vielleicht zur Verinnerlichung, zur Umsetzung.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das hoffen wir auch!)

Das heißt, ich stelle mich diesem Thema sehr gern, erneut und immer wieder. Ganz kleine Korrekturen, denn die Zeit vergeht dann doch etwas schneller, Herr Harzer, als wir denken: Nicht vor 14 Tagen, vor 4 Wochen war es und ich hatte es vor 4 Wochen schon mal hier vorgezeigt, dem Herrn Gruhner ans Herz gelegt, das Faktenpapier „Windenergie und Infraschall“ vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung herunterzuladen. Ich empfehle diese Lektüre dringend, weil genau in dieser Lektüre, und das

(Abg. Möller)

geht auch an den Kollegen Möller, darauf hingewiesen wird, dass Infraschall ein natürliches Phänomen ist, während Glyphosat – entschuldigen Sie, erlauben Sie mir die kleine Anmerkung – dieses eben nicht ist. Deswegen ist es illegitim, von einer chemischen Substanz zu einem natürlichen Phänomen überzuleiten. Da hatte ich eigentlich mehr MINT-Kenntnisse bei Ihnen erwartet,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber wir arbeiten ja daran weiter.

(Unruhe AfD)

Des Weiteren empfiehlt sich heute das „Freie Wort“, Seite 2, und zwar ist heute unter der Rubrik „Lexikon“ die Definition des Infraschalls abgedruckt. Da steht unter anderem im letzten Satz – ich habe es leider als Zitat nicht mit vorgebracht, aber das „Freie Wort“ ist käuflich zu beziehen in der Kantine –, da steht unter anderem drin, Infraschall wird auch als das Geisterphänomen bezeichnet.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Die sind hier gegenteiliger Meinung!)

Dieses Geisterphänomen scheint sich als Irrgeist der politischen Diskussion verselbstständigt zu haben und ich hoffe, dass wir irgendwann diesen Ansatz überwunden haben.

Werte Frau Tasch, werter Herr Gruhner, leider darf ich nicht nach Ihnen sprechen, ich hätte mich zu sehr darauf gefreut. „Jeder Fortschritt ist durch gründliche Kritik bedingt.“ Ich warte auf die gründliche Kritik. Das war ein kleines Zitat, ich sage Ihnen auch, von wem, von einem Philosophen, und zwar aus Jena, aus dem Jahr 1846 bis 1926, Literaturnobelpreisträger, und der gute Mann heißt Rudolf Christoph Eucken. Also bitte die gründliche Kritik.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Hier spricht die CDU Thüringen! Wir haben unsere eige- ne Meinung!)

Noch einmal ganz kurz: Ich bin nach wie vor sehr stolz auf die Dinge der letzten Legislatur, die wir mit

dem LEP erarbeitet haben, denn sie sind gut und richtig und mich wird hier keiner davon überzeugen, dass das Windvorranggebiet mit harten und weichen Faktoren nicht der richtige Weg ist, um in der kommunalen Selbstverwaltung über die Chancen der Erneuerbaren vor Ort zu sprechen und dieses zu entscheiden. Ich fühle mich in diesem Ansatz auch über die Urteile hier bestätigt, das möchte ich hier deutlich und noch einmal ganz vehement sagen. Ich will auch eins sagen: Ostthüringen ist ein Einzelfall. Und für einen Einzelfall brauchen wir in diesem Land keine Gesetzgebung und kein Moratorium. Mittelthüringen, da komme ich ja bekanntlich her, hat diesen Aufstellungsbeschluss schon gefasst. Wir sind in der Diskussion und wir bilden diese Diskussion in den unterschiedlichen Bereichen ab.