Protocol of the Session on July 10, 2015

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wir hetzen nicht!)

um entsprechend für das Land hier handeln zu können. Deswegen geht Ihr Antrag auch hier am Ziel vorbei. Ähnlich ist es mit dem § 249 Abs. 3 Baugesetzbuch. Wir haben hier schon mal darüber debattiert und haben das schon mal abgelehnt, liebe Frau Tasch, lieber Herr Gruhner, liebe CDU-Fraktion. Wir haben es damals schon abgelehnt aus drei Gründen.

Erstens: Es ist ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, was höchst umstritten ist, weil das kommunales Planungsrecht ist und kommunales

Planungsrecht ist eines der Kernthemen der kommunalen Selbstverwaltung. Dort greifen wir als Land ein. Es ist nicht nur kommunalrechtlich umstritten, es ist auch verfassungsrechtlich sehr umstritten.

Zweitens ist es ein Eingriff in die Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten, weil ich nämlich den Bürgern die Beteiligungsmöglichkeiten dort nehme, weil Bürger dann nicht mehr mit entscheiden können, weil es gesetzlich normiert ist. Es ist ähnlich wie das EnLAG, welches die Höchstspannungsleitungen festgesetzt hat.

Drittens ist es eine Verdrängung von Windkraftanlagen in bisher abgelegene und geschützte Landschaftsteile, die eventuell sonst gar nicht in den Genuss von Windkraftanlagen oder von der Betrachtung zum Bau von Windkraftanlagen gekommen wären.

Das sind die drei maßgeblichen Gründe, die dagegen sprechen. Ich will Ihnen noch einen vierten sagen, liebe Frau Tasch: 2013 – ich wiederhole mich, ich hatte es hier schon mal gesagt an dieser Stelle –

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ein Genuss ist das nicht! Eichsfelder Bier, das ist ein Ge- nuss!)

hat im Bundesrat die Landesregierung das von Sachsen eingebrachte Gesetz zum § 249 Abs. 3 des Baugesetzbuches abgelehnt. Ich habe mir im Nachgang mal die Begründung kommen lassen, mit welcher Begründung denn die CDU-geführte Landesregierung es damals abgelehnt hat. Die Begründung wird Sie überraschen. Die Landesregierung hat 2013 festgestellt, wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab, weil dieser Gesetzentwurf nur dazu dient, Windkraft zu verhindern. Der zweite Teil der Begründung der Landesregierung war: Damit wird das Ziel der Energiewende der Thüringer Landesregierung nicht erreichbar, da 2 Prozent der Landesfläche nach Ansicht der Landesregierung benötigt werden für Windkraft, um die Ziele der Landesregierung für die Energiewende in Thüringen zu erreichen. 2 Prozent war damalige Auffassung der Landesregierung. Ich muss sagen, da sind wir mit unserem 1 Prozent noch deutlich geringer und deutlich flexibler, wie wir reagieren, als sie.

Auch Ihre Hinweise zum § 35 Abs. 5 BauGB – die Privilegierung wollten Sie schon mal aufheben lassen – greifen nicht, weil: Was sagt denn der § 35 BauGB? Der § 35 BauGB sagt: Ein Vorhaben ist dann privilegiert, wenn es nur im Außenbereich gebaut werden darf. Schlussfolgerung: Sie wollen die Privilegierung abschaffen. Das würde bedeuten, es darf auch im Innenbereich oder im geplanten Innenbereich gebaut werden, wenn ich diese Privilegierung aufhebe.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Mit Baurecht kennen Sie sich nicht aus, Herr Harzer!)

Der zweite Tatbestand der Privilegierung ist, dass die Anlagen, die privilegiert sind, nach Ende ihrer Nutzungsdauer rückstandsfrei zurückgebaut werden müssen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wo soll denn das stehen?)

Gesetzestext § 35 BauGB – brauchen Sie nur zu lesen, Herr Brandner.

(Unruhe AfD)

Lesen Sie das Gesetz und dann wissen Sie, was im Gesetz steht – dass die entsprechenden Anlagen – außer Atomkraft- und landwirtschaftliche Anlagen – rückstandsfrei zurückzubauen sind. Wollen Sie jetzt auch verhindern, dass diese Anlagen zurückzubauen sind? Nach 30 Jahren verschwindet die Windkraft wieder, ist weg, inklusive Fundament, weil das rückstandsfrei bedeutet. Dann lesen Sie das Gesetz und schauen Sie nach!

Auch Ihre ständigen Wiederholungen vom Mythos „Infraschall“ machen die Geschichte nicht besser. Ihr Fraktionsvorsitzender stellt sich hin und sagt, es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum Infraschall. 2012 hat der damalige Umweltminister Peter Altmaier an die Landesregierung in Deutschland und die Umweltministerkolleginnen und -kollegen ein Gutachten des Umweltbundesamts von 2011 geschickt, welches zu der Schlussfolgerung kommt, es gibt ausreichend wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema „Infraschall“ und „Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“. 2011 hat es das Bundesumweltamt festgestellt – weiß Gott keine linke Einrichtung.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Erkenntnisse in Dänemark zeigen doch, dass es das Pro- blem gibt!)

Ich komme gleich noch zu Dänemark.

Dann gab es 2014 eine Untersuchung des Landesamts für Umwelt in Bayern. Das ist garantiert auch keine rot-rot-grüne Hochburg, die bayerische Landesregierung und ihre Institution. Die haben festgestellt, dass es nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand keine Erkenntnisse dafür gibt, dass Infraschall, der vom Menschen nicht wahrnehmbar ist, gesundheitliche Auswirkungen hat.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: In Bayern sind wohl nur Populisten am Werk!)

Die Baden-Württemberger haben es festgestellt. Gut, da kann man sagen, da ist eine grün-rote Regierung, das können wir machen. Aber vor 14 Tagen hat Hessen ein Gutachten zum Thema „Infraschall“ veröffentlicht, das zu dem gleichen Ergebnis kommt. In Hessen haben wir auch eine schwarzgeführte Landesregierung und die kommt zu demsel

ben Ergebnis. Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Infraschall gesundheitlich schädliche Auswirkungen hat, wenn es unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle des Menschen ist. Diese liegt je nach Hertz-Zahl bei 105 bis 135 Dezibel. Weitere Untersuchungen besagen, dass nach 500 bis 750 Metern, je nach Anlagengröße, der Infraschall von einer Windkraftanlage vom natürlichen Infraschall nicht mehr zu unterscheiden ist.

Dann sind wir bei Dänemark. Was macht denn Dänemark? Dänemark hat 40 Prozent seiner Energieerzeugung aus Windkraft. Da ist keine einzige Windkraftanlage abgeschaltet worden. Im Gegenteil. Auch Dänemark baut weiter Windkraftanlagen,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Offshore!)

weil sie die für ihre Energieversorgung einfach benötigen. Man untersucht – da gebe ich Ihnen recht – bis zum heutigen Tag die Auswirkungen des Infraschalls auf die menschliche Gesundheit. Seit 2011 und 2012 – in dem Brief von Altmaier steht es auch noch mal drin, dass weiterhin Untersuchungen stattfinden –, die Untersuchungen bis heute, das sind drei Jahre, haben keine schädlichen Auswirkungen ergeben, denn sonst müssten wir das Autofahren über 100 Kilometer pro Stunde verbieten, müssten die Lkw vor unseren Häusern in den Städten verbieten, müssten den Wind verbieten, dass der Wind in diesem Lande nicht mehr wehen darf. Die Argumente, die Sie hier bringen, reichen nicht aus, um diesen Mythos aufrechtzuerhalten.

Genauso der Wind im Wald, das ist auch so ein Dauerthema, was Sie immer wieder anbringen. Wind im Wald, das steht auch eindeutig in dem Gutachten, was Ihre Landesregierung noch in Auftrag gegeben hat, dem Döbel-Gutachten, was für uns Grundlage für den weiteren Ausbau der Windenergie in Thüringen ist. Dort steht, harte Standortfaktoren sind: Erholungs- und Schutzwald, Altholz, Rehinseln und Naturwaldparzellen. Da ist es doch klar definiert, wo wir keinen Wind wollen und wo wir auch gegen Wind im Wald sind. Wir wollen auch nicht halbe Wälder roden, um eine Windkraftanlage hinzustellen. Wir wollen bestehende Freiflächen im Wald, wir wollen bestehende Zufahrten in Wäldern ausnutzen, zum Beispiel auch militärische Altlastenflächen, die wollen wir dazu verwenden, auch entsprechend Windenergie im Wald zu erzeugen.

Gerade zur Frage Artenschutz haben Sie hier Vertreter auf Ihrer Konferenz mit den Bürgerinitiativen gehabt. Da gibt es ein Gutachten von der Wildtierstiftung Deutschland – das ist 14 Tage alt –, was sich sehr ausführlich damit befasst, mit Artenschutz bei Wind im Wald. Dort ist konkret beschrieben, was muss man tun, was muss man beachten, wenn Wind im Wald gebaut werden soll. Was bedeutet das für die Vögel, was bedeutet das für die Wildtiere und auch, was bedeutet das für die Insekten, die waren ja auch Gegenstand der Debatte. Es wird

eindeutig festgestellt, das Problem für Insekten ist nur diese Dauerbefeuerung in der Nacht. Da sind wir uns einig, dass wir dort den Aktivradar wollen, wenn er zugelassen ist, dass die Befeuerung in der Nacht nur noch angeht, wenn sich wirklich ein Verkehrsflugzeug oder ein anderes Luftfahrzeug nähert.

Ihre Argumente, die Sie hier bringen, taugen alle nicht, irgendwie gegen Wind im Wald vorzugehen, Wind im Wald derzeit zu behindern, sondern wir benötigen ausgerechnet gerade die Windkraft im Wald, weil Fotovoltaik schwierig ist in der Vermarktung, weil Biomasse nicht mehr trägt, weil Biomassebetreiber darüber nachdenken, aufgrund der zurückgegangenen Förderung, ihre Kapazitäten abzubauen bzw. nicht als Ersatzinvestition durchzuführen. Und gerade auch, was wir gestern diskutiert haben, die mangelnde Förderung von KWK-Anlagen. Ich hatte es gestern gesagt, alleine 2014 ein Rückgang von 37 Prozent der Stromerzeugung durch die mangelnde Förderung der KWK-Anlagen. Da soll Besserung kommen. Das ist dringend nötig.

Zu der Abschaltung – Frau Tasch, Sie wissen es doch wie ich –, Sie wissen, im TEAG-Netz, welches den Stromtransport, die Stromverteilung in Thüringen macht, 64 Prozent dieses Stroms im Jahresdurchschnitt beziehen wir aus dem Netz von 50Hertz. Jetzt schauen wir uns mal tief in die Augen und überlegen: Wo kommt die 50-Hertz-Trasse her? Wir wissen, sie kommt aus dem Braunkohlerevier. Und was kommt aus dem Braunkohlerevier für Strom? Das ist kein Windstrom von der Nordsee oder von der Ostsee, das ist Strom von den Braunkohlekraftwerken. Ich war im März bei einer Veranstaltung in Leipzig, da hat sich der Vattenfall-Manager damit gebrüstet, dass an 316 von 365 Tagen im Jahr die Braunkohlekraftwerke mit Volllast laufen – 316 Tage. Wenn ich da noch 20 Tage Wartung im Jahr draufrechne, dann bin ich bei 29 Tagen, die mal abgeregelt werden. Aber das geht bei Braunkohlekraftwerken auch nicht, weil die einfach zu langsam sind, zu uneffektiv sind. Deshalb müssen wir endlich eine Möglichkeit finden, aus der Braunkohle auszusteigen, nicht indem wir sie in die Reserve stellen, wie es jetzt geplant ist, sondern indem wir wirklich einen Abbaupfad für Braunkohle machen, weil das der Grund ist, warum wir bei uns abregeln müssen. Das nennt sich an der Strombörse „negative Regelleistung“. Das hört sich so ähnlich an wie früher „Nullwachstum“ oder „Minuswachstum“ – dafür hatte man ja auch nette Begriffe gefunden. Negative Regelleistung ist nichts anderes, entweder verschenke ich den Strom oder bezahle Geld dafür, dass ein großer Stromabnehmer Strom nimmt oder ich nehme Erneuerbare-EnergieAnlagen vom Markt und bezahle dafür 95 Prozent der normalen Vergütung. Das ist negative Regelleistung.

Diese Geschichte müssen wir in Deutschland endlich beenden, damit wir auch wirklich dazu kommen, dass erneuerbare Energien auf dem Markt bleiben, dass erneuerbare Energien auch transportiert werden, dass nicht nur der Vorrang auf dem Papier zählt, denn wenn der Braunkohlestrom aus der Lausitz nach Bayern an die Großverbraucher verkauft ist, dann ist er im Netz und wird auch nicht gedrosselt.

Das sind unsere Probleme, die wir wirklich haben, da würde ich Sie einladen, mit uns gemeinsam daran zu arbeiten, dass wir den Mangel im Weißbuch beheben, dass Speichertechnologien nicht bezahlbar sind, nicht förderfähig sind, dass wir endlich in Thüringen und in Deutschland die Energiewende auf sichere Füße stellen. Das bedeutet vieles mehr als das, was Sie hier heute gesagt haben, und es macht Ihren Antrag auch nicht besser. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen und werden ihn dorthin transportieren, wo er hingehört, ins Altpapier. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Überra- schend ist das nicht!)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als Nächster hat der Abgeordnete Möller, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Harzer. Sie haben eben eine ganze Menge Zeug erzählt, was hinten und vorne nicht stimmt. Ein wunderschönes Beispiel ist Ihr Ansinnen, mit Windkraft die Braunkohle zu ersetzen. Da vergleichen Sie sozusagen eine hoch volatil einspeisende Energieerzeugungsart mit einer grundlastfähigen Energieerzeugungsart.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr Möller, zuhören und verstehen!)

Wie Sie das miteinander ersetzen wollen, wie Sie das austauschen wollen, das ist schlicht unmöglich. Und was die negative Regelleistung angeht, lieber Herr Harzer: Die negative Regelleistung ist eigentlich nicht das Problem, das Problem sind die bereits jetzt stattfindenden Abregelungen von Windkraftanlagen und die haben mit dieser negativen Regelleistung nichts zu tun. Diese Abregelungen sind deshalb erforderlich, weil das Netz jetzt schon völlig instabil ist. Da werfen Sie wirklich eine ganze Menge Zeug durcheinander.

Kommen wir zum Thema: Die CDU-Fraktion hat sich jetzt dieses Thema „Windkraft“ offensichtlich als neue Herzensangelegenheit ausgesucht. Wir

finden das ja sehr schön – es vergeht fast kein Plenum, in dem es nicht um den Ausbau von Windkraft geht bzw. besser um dessen Beschränkung, wofür ja auch die AfD steht.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist schon jahrelang unsere Angelegenheit!)

Die Flexibilität der CDU in diesem Punkt ist für uns natürlich erstaunlich, allerdings auch erfreulich, denn im letzten Jahr zählte die Windkraft im Wald noch zur taktischen Manövriermasse für eine Koalition mit der SPD, da war man da noch zu Zugeständnissen bereit. Insofern, muss ich sagen, finden wir dieses Umdenken, Frau Tasch, sehr gut und wir unterstützen und begrüßen das natürlich auch.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ich war schon immer dagegen!)

Begrüßenswert ist das Ganze aus mehrfacher Sicht. Erstens kommt die CDU damit ein wenig in Übung, wie mit dem Thema „Windkraft“ umzugehen ist und es lässt sich erhoffen, dass das dann auch im Bund mal zur Kenntnis genommen wird. Es gibt aber auch bei uns im Land in diesem Punkt noch einiges nachzuholen, etwa mit Blick auf die fehlenden Vorkehrungen gegen Wildwuchs in der Landesentwicklungsplanung – da sind wir ja heute gerade dabei – oder auch im Hinblick auf die fehlende Regelung zu Abstandsflächen.

Zweitens – und das ist für uns auch ganz wichtig – könnte das häufige Einbringen von Anträgen zu dieser Problematik und überhaupt auch zu der der erneuerbaren Energien zu Erkenntnisgewinn bei Rot-Rot-Grün führen, wobei leider die Chefin vom Umweltministerium gerade nicht zuhört.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sitzt hinter der Glasscheibe und hat Sie im Blick!)

Ach so, na umso besser, da ist es ja gut, denn bei Ihnen ist ja da doch eine etwas höhere Lernresistenz vorhanden als bei der CDU. Das muss man schon mal konstatieren.

(Beifall AfD)

Frau Siegesmund hat ja mit ihrem Ministerium die Aufgabe, den Ausbau der Windkraft in Thüringen zu forcieren, das steht im Koalitionsvertrag. Es ist von einer Verdreifachung der Windkraftnutzung die Rede. Daher schadet es nicht, ein Problembewusstsein für das energiewirtschaftliche Chaos und die Umweltzerstörung zu schaffen, für welche die Windkraftförderung mit abgeholzten Wäldern, Trassenbau durch sensible Naturregionen und willkürlich verstreute tonnenschwere Betonfundamente steht. Auch was das Thema „Infraschall“ angeht, Herr Kollege Harzer, da finde ich es schon interes