Protocol of the Session on July 8, 2015

Lassen Sie uns die Evaluation machen, lassen Sie uns das ansehen, wie es wirklich die Unternehmen und die Verwaltung tangiert, und dann können wir entsprechend auch da unsere Rückschlüsse daraus ziehen. Wir haben natürlich die Spitzenverbände angehört, erst die Landesregierung selbst im Verfahren, das wissen Sie auch, in den Werkstattgesprächen. Wir haben dann natürlich die Anhörung gemacht und wir haben unterschiedliche Rückschlüsse aus den Anhörungen gezogen. Das ist doch was völlig Legitimes. Es liegen Änderungsvorschläge von Ihnen vor, wir haben unsere eingebracht. Das ist auf einem guten Weg.

Zu den Kosten kann ich noch sagen, dass das Bundesverfassungsgericht seinerzeit explizit zu den Kosten gesagt hat: Es ist legitim, dass Unternehmen auch kostenseitig belastet werden, denn es geht um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Natürlich tragen Sie das hier nicht vor, das verstehe ich auch, das passt ja nicht in Ihr Bild. Dementsprechend sage ich: Ja, Bildungsfreistellung wird unser Land voranbringen und wir werden heute mit dieser Entscheidung den Thüringer Arbeitsmarkt weiter reformieren. Zum Thema „Notengebung“, Herr Voigt, kann ich Ihnen sagen: Wenn ich den Neuigkeitswert Ihrer Rede, Ihre eigene Lernbereitschaft und Ihre Akzeptanz für gesellschaftliche Mehrheiten nehme, dann komme ich auch deutlich zu „mangelhaft“. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Abgeordneter Voigt, Fraktion der CDU. Sie haben noch 5 Minuten und 20 Sekunden.

Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Wolf, ich bin dankbar, dass mir in der Schule und auch im Studium nie die GEW die Noten geben musste, sondern dass das Leute mit der Qualifikation für das jeweilige Fach getan haben. Das war, glaube ich, immer richtig.

(Beifall CDU)

Gehen wir mal die Punkte durch. Frau Rosin hat von Balance gesprochen. Das ist vollkommen okay. Aber was heißt Balance? Balance heißt unparteiische Haltung zwischen zwei Parteien. Sie haben doch nie eine unparteiische Haltung eingenommen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir sind die Spezialisten dafür!)

O-Ton im Ausschuss war: Das ist kein Wirtschaftsgesetz, das machen wir nur für die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften, deswegen haben wir das nicht zu betrachten – O-Ton!

(Beifall CDU)

Insofern von unparteiischer Haltung zu sprechen, finde ich beachtlich. Weil der Kollege Wolf davon gesprochen hat: Wir werden es ja sehen, das ist genauso wie bei den Dokumentationspflichten beim Mindestlohn. Ich kann nur sagen, Frau Nahles hat nach einem halben Jahr schon die Dokumentationspflichten wieder einkassiert, weil sie festgestellt hat, dass sie Murks gemacht hat. Insofern kann ich Ihnen nur sagen, machen Sie es doch lieber vorher als hinterher nach der Gesetzeseinführung.

Das zweite Argument: Kosten. Da muss man kein übermäßig rational und mathematisch begabter Mensch sein, um zu sehen, dass der Grenznutzen für ein Unternehmen mit fünf Mitarbeitern ein anderer ist, als wenn ich 50 oder 100 Mitarbeiter habe. Es ist doch vollkommen klar: Wenn ein Unternehmen fünf Mitarbeiter hat – oder sagen wir sechs Mitarbeiter, damit es sich leichter für Sie rechnen lässt – und es heißt, einer ist im Urlaub, einer ist krank, einer hat Bildungsurlaub, da sind von fünf Leuten nur noch zwei anwesend. Das kostet nun mal. Das bedeutet für die Betriebsabläufe von solchen Unternehmen einen Unterschied.

(Beifall CDU)

Dass das einen Unterschied macht für Unternehmen, die vielleicht 50 oder 100 Mitarbeiter haben, ist doch logisch. Ich habe für ein Unternehmen gearbeitet, das 1.000 Mitarbeiter hat. Da ist es doch klar, dass in den Abteilungen natürlich andere Leute Aufgaben übernehmen können. Wenn wir aber über Kleinstunternehmen in Thüringen reden, kann so eine Aufgabe nicht unmittelbar von jemand Zweitem übernommen werden. Deswegen hat es eine unterschiedliche Auswirkung.

Wenn wir über die Frage von Qualifikation und ganzheitlicher Bildung reden, dann will ich noch einmal einen Punkt herausgreifen: IAB-Betriebspanel – ich habe 35 Prozent der Arbeitnehmer, die an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen. Schauen wir doch mal eine Ebene tiefer, da werden wir feststellen, dass von denen, die ein Hochschulstudium haben, 54 Prozent an solchen Maßnahmen teilnehmen, aber von Ungelernten nur 22 Prozent. Das heißt doch für mich ernsthafterweise: Wenn ich den Leuten, die ungelernt sind, eine Chance geben möchte, muss ich denen die Hand reichen und sagen, pass auf, ich möchte, dass du in deinem Unternehmen die Chance besitzt, Qualifikationen zu erreichen, die dich vom Ungelernten auf ein anderes Niveau führen, damit du dein Leben vielleicht mit einem höheren Lohn gestalten kannst. Das ist mein Anspruch, dass ich eine Aufstiegsqualifikation für solche Leute ermögliche und nicht noch ein zweites Hochschulstudium für irgendwelche Leute, die vorher schon bei den Gewerkschaften – wie Sie – ihre Karriere gemacht haben. Das ist für mich ein Unterschied.

(Beifall CDU)

Wenn ich mir dann ein drittes Argument von Ihnen anschaue, kann ich nur sagen: In dem ganzen Gesetz steht nicht das Thema „Demografische Herausforderung und Fachkräftesicherung“. Tatsächlich stellen wir aber fest, dass uns in diesem Freistaat bis zum Jahr 2020 200.000 Fachkräfte fehlen werden. Das heißt, die Bedingungen dieses Freistaats verlangen eher nach einer Frage, wie können wir gut qualifizierte Leute für den Arbeitsmarkt einbinden, als dass ich mir Gedanken darüber ma

(Abg. Wolf)

chen muss, wie ich damit ein Seminar der Rosa-Luxemburg-Stiftung – ich gucke Sie mal an, Herr Hoff – füllen kann. Es gibt natürlich auch die KonradAdenauer-Stiftung, das sind alles honorige Veranstaltungen. Insofern, Frau Rothe-Beinlich, ganz locker bleiben. Ich habe da gar keine Berührungsängste. Das ist doch alles okay. Meine Frage ist doch, was ich für Erwartungen an ein Gesetz habe, was Sie hier vortragen. Da kann ich nur sagen, Sie gehen einfach am Ziel vorbei.

Herr Wolf, ich kann es Ihnen noch einmal deutlich machen: Natürlich haben wir von Betroffenen geredet. Sie sprechen von Zielgruppe. Ihre Zielgruppe sind die Arbeitnehmer. Die Betroffenen sind aber tatsächlich die Unternehmen, weil die es nämlich bezahlen sollen, was Sie bestellt haben, Herr Wolf.

(Beifall CDU)

Das ist ein Unterschied.

Jetzt will ich noch einmal kurz das Argument der Azubis bringen, weil es der Kollege Schaft angesprochen hat. Mir geht es doch um folgenden Punkt: Wir haben sehr rigorose und straff organisierte Ausbildungsordnungen in den IHKs und Handwerkskammern. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Da gibt es, wenn die nicht in der Schule sind, Lehrgänge für Zusatzqualifikationen, da gibt es Ergänzungslehrgänge – all das ist straff. Jetzt schaffen Sie quasi drei Tage Übertragbarkeit ins nächste Jahr. Wir reden wahrscheinlich sowieso nicht vom ersten Ausbildungsjahr, das bedeutet, dass Sie im zweiten oder dritten Ausbildungslehrjahr bis zu sechs Tage Anspruch auf Bildungsurlaub für gesellschaftspolitische Zwecke haben. Das halte ich konzeptionell offen gestanden für falsch; ich habe es vorhin schon mal begründet. Strich drunter. Machen Sie Ihr Ding! Ich kann Ihnen nur sagen, das ist der falsche Weg für Thüringen. Wenn wir mal über ganzheitliche Bildungsansätze diskutieren wollen, können wir das hier gern machen, aber das in einem Bildungsfreistellungsgesetz/Bildungsurlaubsgesetz zu verpacken, halte ich offen gestanden für eine intellektuelle Überforderung. Danke.

(Beifall CDU, AfD)

Herr Dr. Voigt, das war eine Punktlandung, genau 5 Minuten und 20 Sekunden. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung hat sich Ministerin Dr. Birgit Klaubert zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich finde, wenn das Gesetz hoffentlich in wenigen

Minuten beschlossen wird, ist das ein guter Tag für Thüringen, für dieses Parlament und die Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das war es aber auch!)

Weil hier schon wieder die Zwischenrufe kommen „das war es aber auch“ – ich werde noch auf einige Dinge eingehen, die das Bildungsfreistellungsgesetz tatsächlich in seinem Kern zu regulieren hat –, frage ich mich manchmal: Welches Bild von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat so mancher im Kopf? Offensichtlich das eines Beschäftigten, der nur danach giert, sich in irgendeiner zusätzlichen Urlaubsform irgendwelche Freizeitbeschäftigungen auch noch finanzieren zu lassen. Ich habe ein anderes Bild im Kopf. Ich habe das übrigens auch im Kopf in Bezug auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Haus und in den nachgeordneten Einrichtungen und nehme an, dass sie die Regelungen des Bildungsfreistellungsgesetzes auch für sich in Anspruch nehmen und dass wir das im Haus gut werden regeln können. Deswegen frage ich Sie: Welches Bild haben Sie im Kopf?

Ich möchte gern – wenn Sie mir vielleicht dann auch zuhören würden, wäre das ganz angenehm – noch einmal auf den Regelungsbereich des Gesetzes zurückkommen. Wir haben in diesem Gesetz geregelt, dass es einen Freistellungsanspruch gibt, der sich auf bis zu fünf Tage im Jahr erstreckt. Wir haben diese Regelungen für alle Beschäftigten organisiert, die mindestens sechs Monate in einem Unternehmen tätig sind und deren Arbeitsplatz in Thüringen liegt. Beschäftigte in der Wirtschaft haben genauso das Recht, dieses Bildungsfreistellungsgesetz in Anspruch zu nehmen, wie Angestellte im öffentlichen Dienst, wie Richter oder Beamte und ja, ausdrücklich ja, Auszubildende haben diesen Anspruch auch und für sie gilt dieser, wenngleich nur für drei Tage. Wir haben uns am Betriebsverfassungsgesetz orientiert und mit der Betriebsgröße von fünf Beschäftigten haben wir künftig diesen Anspruch auf Bildungsfreistellung im Gesetz verankert. Damit haben wir im Bereich der Unternehmen in Thüringen etwa 90 Prozent aller Beschäftigten erreicht. Betriebe mit weniger als fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können natürlich auch Bildungsfreistellung gewähren, dort ist es allerdings freiwillig.

Jetzt kommt die andere Seite. Wir haben auch alle Hinweise auf einen Überlastungsschutz aufgenommen, der die unmittelbaren Folgen für die Unternehmen selbst abbildet und über den über viele Jahre auch gesprochen worden ist. Meine Kollegin Astrid Rothe-Beinlich hat noch einmal ausdrücklich gesagt, arbeitsweltbezogene Bildung ist natürlich auch betriebliche Weiterbildung, wenn eine Übereinkunft zwischen den Beschäftigten und der Unter

(Abg. Dr. Voigt)

nehmensleitung organisiert wird. So frage ich mich …

Frau Dr. Klaubert …

Ich würde gern am Schluss.

Ich frage mich, wie aus diesem Regelungsbereich, der jetzt durch die Änderungsanträge der Fraktionen noch aufgewertet worden ist, ein Gesetz entstanden sein soll, welches – wie es Herr Wolf gesagt hat – das Abendland bedroht. Wenn wir als eines der letzten Länder ein solches Gesetz auf den Weg bringen, welches dann zum 01.01.2016 in Kraft tritt, dann folgen wir eigentlich der Entwicklung in vielen anderen Ländern und neben all dem, was kritisiert worden ist, dass das nämlich so lange dauert, haben wir einen Vorteil: Wir konnten die Erfahrungen der anderen Bundesländer in unsere Gesetzesentstehung und -entwicklung mit einfließen lassen. Es freut mich auch – darauf haben mehrere Kolleginnen und Kollegen hingewiesen –, dass genau dieses Vorhaben eines Bildungsfreistellungsgesetzes von den Thüringerinnen und Thüringern mit guten Noten belegt wird. Das heißt, wir haben nicht an ihrer Interessenlage vorbei regiert, sondern wir haben offensichtlich ein Thema aufgenommen, welches ihnen sehr am Herzen liegt. Deshalb sage ich: Wenn dieses Gesetz in wenigen Minuten beschlossen wird mit den entsprechenden Änderungen nach Anhörung, wird Thüringen als Bildungsland ein Stück reicher sein. Die Regierung hat Wort gehalten, wir haben innerhalb der ersten 100 Tage dieses Gesetz vorgelegt. Es war für jede Wählerin und jeden Wähler nachvollziehbar, denn alle Parteien, die diese Koalition gebildet haben, hatten diesen Anspruch in ihren Wahlprogrammen. Das Parlament hat zügig gearbeitet, hat noch einmal eine große Anhörung durchgeführt – auch dazu ist gesprochen worden. Diese Anhörung einschließlich der Onlinebefragung ist ausgewertet worden. In einem demokratischen Prozess ist ein modernes Bildungsfreistellungsgesetz entstanden, welches einem umfassenden Bildungsanspruch folgt, welches auch Raum für die Vorbereitung auf ehrenamtliche Tätigkeit gibt, auf ehrenamtliche Tätigkeit im Rahmen der Gestaltung unserer gemeinsamen Gesellschaft.

Ich kann allen nur danken, die sich a) bei der Erarbeitung des Gesetzes so viel Mühe gegeben haben, b) die angehört und ausgewertet haben und in Änderungsanträgen jetzt dieses Gesetz auf den letzten, also auf den parlamentarischen Weg gebracht haben und heute zur Abstimmung bringen. Ich möchte aber auch ganz herzlichen Dank sagen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bildungs

ministerium, die die vielen Änderungen immer wieder abgeglichen und geholfen haben, damit dieses Gesetz auch ein gutes Gesetz wird. Damit kann ich mich nur wiederholen: Dass wir heute dieses Gesetz beschließen, ist etwas, das zeigt, diese Koalition steht gemeinsam in der Regierungsverantwortung in den Ministerien und auf den Bänken hier im Thüringer Landtag, nämlich in den Parlamentsfraktionen.

Eigentlich könnte ich nur auffordern: Schließen Sie sich diesen guten Vorschlägen an! Ich weiß, auch Sie werden künftig das Bildungsfreistellungsgesetz für sich und für diejenigen in ihrem Umfeld nutzen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Dr. Klaubert, Sie hatten eine Nachfrage des Abgeordneten Tischner gestattet. Herr Abgeordneter Tischner, Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, vielen Dank. Sie haben eben noch mal ausgeführt, dass die betriebliche Weiterbildung im Gesetz garantiert sei. Ich möchte Sie deswegen fragen: Wie interpretieren Sie folgenden Satz, der in Ihrem Gesetz in § 5 steht? Ich zitiere: „Auf den Freistellungsanspruch wird jedoch die Teilnahme an Veranstaltungen nicht angerechnet, wenn sie [...] betriebsinternen Erfordernissen dienen.“

Wissen Sie, da muss ich eigentlich nichts interpretieren. Wer lesen kann, ist besser dran. Da muss ich nichts interpretieren, der Einarbeitung, also eigentlich der unmittelbaren Vorbereitung auf die betrieblichen Vorgänge folgt dieses Gesetz nicht, aber es folgt natürlich betrieblicher Weiterbildung. Jetzt nehme ich das Beispiel mit dem Tablett und dem Kellner auf.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Kellnerin!)

Und der Kellnerin, sehr gut.

Wäre es nicht gut, wenn in der Frage von Gastfreundlichkeit in Thüringen eine Kellnerin und ein Kellner auch wüssten, dass, wenn man Gäste aus Israel zu Gast hat, koscheres Essen angeboten werden müsste, aber das nicht unmittelbar zur Ausbildung in dem Berufsfeld dazu gehört? Das wäre doch ein guter Zug.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerin Dr. Klaubert)

Der Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Herr Tiefensee, hat das Wort.