Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin Birgit Klaubert sehr dankbar, dass Sie mir in Kollegialität ein wenig von ihrer Redezeit abgegeben hat. Ich habe sie darum gebeten, sehr verehrter Herr Dr. Voigt, weil ich wusste, was wir von Ihnen hören. Ich wollte jetzt nicht die Redezeit des Landtags noch mal verlängern helfen, was ich ohnehin wahrscheinlich tue.
Lieber Herr Dr. Voigt, ich würde sehr gern Ihrer Rede meine entgegensetzen und will zunächst einmal gesellschaftspolitisch argumentieren und dann ganz strikt entlang der Paragrafen.
Zunächst gesellschaftspolitisch: Ich habe es so verstanden, dass Sie sich ausschließlich die Argumente der Arbeitgeberseite zu eigen machen. Sie sind vom ersten Redner in ähnlicher Weise referiert worden. Was meinen Sie, was Ende des 19./Mitte des 20. Jahrhunderts Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände gesagt haben und hätten, wenn jemand einen Vorschlag macht, wir schaffen die Sonntagsarbeit ab, wir schaffen die Samstagsarbeit ab, wir begrenzen die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden, wir führen Arbeitsschutz ein und vieles andere mehr? Was meinen Sie, was die Arbeitgeber gesagt hätten: Das ist feindlich, das schadet dem Unternehmen.
Politik für Unternehmen, moderne Wirtschaftspolitik, sehr verehrter Herr Dr. Voigt, ist nicht nur der Blick auf die Arbeitgeberseite. Es gehört auch dazu, dass man Arbeitnehmer mit ihren Interessen und Arbeitgeber einbezieht,
und die Balance aus diesen beiden Interessen führt dazu, dass kluge Wirtschaftspolitik betrieben wird – ad eins.
Das Zweite ist: Wenn Sie schon so argumentieren, dann verengen Sie doch bitte nicht – und das ist schlechtes politisches Geschäft – die Interpretation eines Gesetzestextes auf das, was Ihnen passt, und das, was Ihnen nicht passt, lassen Sie weg. Ich will es mal so zusammenfassen: Sie kleben sich einen Pappkameraden zusammen und auf den schießen Sie mit dem nassen Waschlappen und tun so, als wäre das die Realität. Aber der Pappkamerad ist nicht das Gesetz. In dem Gesetz wird die Balance aus Unternehmerinteressen und Arbeitnehmerinteressen ausgeführt. Bitte erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern, dass politische Arbeit nicht ist, einer Lobbyseite hinterherzulaufen,
sondern dass politische Arbeit in diesem Landtag und in der Regierung ist, eine Balance hinzubekommen, ansonsten könnten Sie sich gleich beim Arbeitgeberverband anstellen lassen.
Nun möchte ich sehr gern anhand der Paragrafen argumentieren und Ihnen vorführen, dass Sie nicht recht haben, wenn Sie die Dinge ausblenden und so tun, als wäre das nur arbeitnehmerfreundlich. Im Übrigen, was arbeitnehmerfreundlich ist, ist in der Regel auch für den Arbeitgeber interessant.
Die erste wichtige Erkenntnis! Sie haben so schön den Vergleich mit dem Ende des Schuljahres angeführt und Noten vergeben. Ich könnte jetzt sagen, lieber Mario – wir duzen uns noch nicht –, jetzt nimm bitte mal das Gesetz und jetzt lies mal den entsprechenden Paragrafen vor, damit du es lernst.
Zunächst mal zum Bildungsbegriff: Es liegt doch wohl auf der Hand, dass der entscheidende Punkt ist, dass wir im 21. Jahrhundert etwas dafür tun, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, übrigens auch Arbeitgeber, gebildet sind, denn Deutschland hat keinen anderen Rohstoff als das, was wir mit den Händen ausrichten, und das, was wir zwischen den Ohren haben, nämlich unseren Kopf. Wir müssen also da rein investieren, das ist der erste Grundgedanke. Jetzt führen Sie aus, wir haben doch nur gesellschaftspolitische Bildung im Blick. Es kommt kein einziges Mal vor, und jetzt nehmen Sie bitte das Gesetz § 1 Abs. 2 und Abs. 4, dass da steht „gesellschaftspolitisch“, „ehrenamtsbezogen“ und – dick und zum Mitschreiben – „arbeitsweltbezogen“. Dann schauen Sie sich den Absatz 4 an, da steht genau drin: Es geht darum, berufsbezogene Kenntnisse, Fertigkeiten zu vertiefen, zu vermehren, zu qualifizieren. – Was anderes fordern Sie eigentlich? Das ist der erste Punkt.
Jetzt nehmen Sie den § 3 zur Hand, da steht eine ganze Menge drin. Das Erste, dass nämlich die Auszubildenden dann nicht in die Freistellung gehen können, wenn sie in die Schule müssen. Da haben wir nämlich zugehört. Das ist gut auch für Arbeitgeber, weil sie auf eine gute berufsschulische Bildung ihrer Azubis setzen. Wir haben übrigens auch Arbeitgeber, die Lehrer und Hochschullehrer angestellt haben. Auch das finden Sie in § 3. Das findet in der unterrichtsfreien bzw. in der lehrveranstaltungsfreien Zeit statt. Jetzt haben wir noch etwas ganz Wunderbares, es steht nämlich darin, dass dieses Gesetz – so steht es in § 3 – nur für Unternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten gilt. Wir reagieren gerade auf das, was Sie sagen, indem wir nämlich das Betriebsverfassungsgesetz
zum Anlass nehmen und nicht irgendwie aus der Luft gegriffen diese Marke setzen, um die Kleinsten zu schützen, die das nicht leisten können.
Jetzt schauen wir einmal zusammen in den § 5, den Sie auch völlig außen vor lassen. In § 5 steht drin, dass der Arbeitgeber – man höre und staune – einen Vorschlag machen kann, welche Maßnahme der Arbeitnehmer in Anspruch nehmen soll, und er sagt ihm, ich würde das aber gern auf deine Zeit anrechnen. Im Einvernehmen mit ihm und dem Betriebsrat wird das möglich sein.
Noch schöner wird es in § 6, den Sie völlig ausgeblendet haben. Da stehen auch wunderschöne Sachen drin. Da steht das eine drin, dass es die sogenannten dringenden betrieblichen Belange gibt. Und was Sie erzählt haben, fünf Leute sind im Betrieb und drei sind weg! Sie wissen ganz genau, das fällt unter diesen Paragrafen. Das ist ein dringender betrieblicher Belang, da ist die Produktion sichergestellt. Was bauen Sie für einen Pappkameraden auf?
Sie erzählen dem Unternehmer, der fünf Arbeitskräfte hat, dass das Gesetz ihn bedroht und es ist absoluter Unsinn.
Dann steht noch der Überlastungsschutz drin. Der wird überhaupt nicht angesprochen. Wir haben eine Grenze von 25 und eine Grenze von 50. Über die reden Sie nicht – Überlastungsschutz bei dringenden betrieblichen Belangen.
Ich fasse zusammen: Sie haben ein Verständnis von Unternehmen, von Wirtschaftspolitik, was allenfalls Mitte 20. Jahrhundert genügt,
nämlich einen Fokus nur auf die Arbeitgeberseite. Sie sind nicht bereit, der staunenden Öffentlichkeit – das meint die Unternehmer genauso wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – die ganze Wahrheit einzuschenken und zu sagen, das ist ein kluger Kompromiss, der dazu führt, dass ihr gebildet werdet, dass ihr euch bilden könnt und damit fit seid für das 21. Jahrhundert, wettbewerbsfähig seid, so wollen wir das. Aus diesem Grund – überdenken Sie es ganz kurz, lieber Schüler Mario,
Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst die Abstimmung des Antrags des Abgeordneten Krumpe. Er hat für die Abstimmung seines Änderungsantrags die Teilung der Frage gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung beantragt. So stimmen wir einzeln ab. Zunächst über den Buchstaben c Abs. 4 Buchstabe a des Änderungsantrags des Abgeordneten Krumpe in Drucksache 6/852. Wer dem zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei der Mehrheit der Gegenstimmen ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen ab über Buchstabe c Abs. 4 Buchstabe b des Änderungsantrags des Abgeordneten Krumpe in Drucksache 6/852. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Zustimmung des Abgeordneten Krumpe. Gegenstimmen? Die Gegenstimmen der Fraktionen CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke. Enthaltungen? Mit den Enthaltungen der Fraktion der AfD ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Buchstabe c Abs. 5 des Änderungsantrags des Abgeordneten Krumpe in Drucksache 6/852. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Zustimmung der Abgeordneten Krumpe, Helmerich und Gentele. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einer Mehrheit von Gegenstimmen ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 6/859 ab. Wer stimmt für den Änderungsantrag? Das sind die Stimmen der Fraktion der CDU. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der AfD und die Stimme des Abgeordneten Krumpe. Wer enthält sich? Das sind die Abgeordneten Gentele und Helmerich. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU abgelehnt.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/860 ab. Wer stimmt dafür? Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? Das sind die anderen Stimmen. Wer enthält sich? Mit der Stimme des Abgeordneten Krumpe ist der Änderungsantrag der Fraktion der AfD abgelehnt.
Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport in Drucksache 6/844 ab. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? Das sind die Stimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und
der SPD. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen der Fraktionen der CDU und der AfD. Wer enthält sich? Das sind die Stimmen der fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Wir stimmen über den Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 6/348 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung der Beschlussempfehlung in Drucksache 6/844 ab. Wer stimmt für den Gesetzentwurf der Landesregierung? Das sind die Stimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen der Fraktionen der CDU und der AfD. Wer enthält sich? Das sind die Stimmen der fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Somit stimmen wir in der Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf ab. Wer dafür ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Das sind die Stimmen der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Wer enthält sich der Stimme? Das sind die Stimmen der fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Der Tagesordnungspunkt 2 wurde von der Tagesordnung abgesetzt und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3
Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen und des Thüringer Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/780 ERSTE BERATUNG
Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Herr Abgeordneter Brandner, Sie haben das Wort.
Verehrter Landtagsvorstand, meine Damen und Herren, Ende vergangenen Monats hat sich jeder von uns normalen Abgeordneten über etwa 1.000 Euro Nachzahlung auf dem Konto gewundert, manche sogar gefreut. Besondere Abgeordnete, wie zum Beispiel aus dem Landtagsvorstand, die Fraktions- und Ausschussvorsitzenden, haben sogar noch mehr bekommen. Gewundert bzw. gefreut haben wir normalen Abgeordneten uns auch
über ab sofort monatlich 166 Euro mehr Grundentschädigung und viele Euro mehr an Aufwandsentschädigung. Die besonderen Abgeordneten haben sich auch hier über noch mehr gefreut. Dieser Geldsegen wurde uns zuteil, weil Artikel 54 Abs. 2 unserer Verfassung vorschreibt, wie sich unsere Entschädigungen zu verändern, vulgo zu erhöhen haben. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf – unserem ersten, weitere sollen folgen – im Zusammenhang mit der Abgeordneten- und Fraktionsfinanzierung zunächst die Notbremse ziehen und die Entschädigungen auf dem jetzigen, mehr als auskömmlichen Niveau einfrieren und in der Folge dann die gesamte Finanzierung reformieren und darauf hinarbeiten, dass Abgeordnete wie jeder normale Mensch in diesem Lande bezahlt und finanziell behandelt werden. Genau darum geht es uns und – wenn ich die Protokolle der 3. Wahlperiode richtig verstanden habe – auch zumindest Ihnen von der Linken, damals noch PDS, davor SED. Artikel 48 Abs. 3 unseres Grundgesetzes schreibt unter anderem vor, dass die Anpassung der Entschädigung durch ein Gesetz erfolgen muss. Das hat viele gute Gründe, denn das Parlament entscheidet in Fragen seiner Bezahlung in eigener Sache. Bei solchen Entscheidungen in eigener Sache müssen sich die Volksvertreter – also wir alle und auch die, die gerade nicht hier drin sind – besonders gründlich auf die Finger schauen lassen. Wer anderes sonst als die Öffentlichkeit sollte Kritik üben und uns dabei beobachten? Auch von Ihnen links – so hört man – soll da einiges kommen in der Zukunft. Wir sind gespannt und freuen uns darauf.
Soweit von Ihnen Vernünftiges kommt – das kann ich von hier aus schon für die AfD versprechen –, werden wir Ihnen gern zustimmen. Wenn heiße Luft kommt, wird das natürlich nicht geschehen. Eines werden wir keinesfalls tun: Wir werden nicht zu lange warten und schnöde Sankt-Florian-Politik betreiben. Wir werden dieses Thema so lange auf die Tagesordnung dieses Landtags setzen, bis Artikel 54 geändert ist, so lange, bis unser aller Flucht aus der Verantwortung beendet, das Indexierungsverfahren abgeschafft und die Entschädigung in einer verantwortungsvollen und öffentlichen Art und Weise unter den Blicken der Bürger entschieden wird.
Wenn ihr wüsstet, wofür ihr jetzt geklatscht habt – jetzt kommts –: Diese letzten drei Aussagen, verbunden mit der Hoffnung, dass wir nicht nach der egoistischen Maxime handeln „Wasser predigen und Wein trinken“, stammen übrigens nicht von mir und auch nicht von Björn Höcke, sondern von der PDS-Abgeordneten Nitzpon, wie Sie im Protokoll vom 8. Mai 2003 nachlesen können. Also die Frau Nitzpon war der Zeit voraus.
Ich und meine Fraktion sind gespannt, ob Sie jetzt unseren, eigentlich – wir haben es gehört – Ihren,