Protocol of the Session on September 12, 2019

der Marke“, „Gramme-Aue“ nicht im Gesetz? Das war bei der ersten Neugliederung, das war bei der zweiten Neugliederung. Wir waren vor Ort und es waren alle Bürgermeister, es waren alle VGs einverstanden. Dann haben wir gesagt: Gut, es bringt uns nichts, es sind zwei VGs, es ändert sich nichts an dem Status der Gemeinden. Aber wenn es sein soll – es müssen beide einen VG-Vorsitzenden neu einstellen –, haben wir gesagt: In Gottes Namen, dann nehmen wir sie ins Gesetz auf. Jetzt ist eine Gemeinde ausgeschert.

Ich muss jetzt mal sagen, es ist mir auch nicht klar, wie ein Bürgermeister einer Gemeinde – ich verweise dazu auf den gestrigen Artikel in der „Sömmerdaer Allgemeinen“. Da lese ich von Großrudestedt, man hat Angst vor Strukturänderungen für die Kitas, für die Bauhöfe. Man sieht die Selbstständigkeit der Kommune in Gefahr sowie den Umbau einer Groß-VG in eine Land- und Einheitsgemeinde. Das steht nirgends im Gesetz. Lediglich der Zusammenschluss zweier VGs. Großrudestedt ist jetzt eine eigenständige Gemeinde und das wird sie bleiben. Was sie mit ihren Kitas und Bauhöfen machen, das müssen sie in kommunaler Selbstbestimmung für sich ganz allein entscheiden. An dem Status der Gemeinde ändert sich nichts. Zur Gegenüberstellung: Großrudestedt – 1.855 Einwohner im Vergleich zu 7.049 Einwohnern. Da haben wir als Rot-Rot-Grün gesagt: Gut, es wäre uns auch lieber gewesen, wenn alle Gemeinden einverstanden gewesen wären. Nun ist eine nicht einverstanden, aber ich glaube, das öffentliche Wohl von 7.349 Einwohnern ist entscheidend, wo sich die Bürgermeister und auch die Einwohner hinter den Zusammenschluss der VGs gestellt haben, wo sich an dem Status der einzelnen Gemeinde nichts ändert, dann lassen wir es im Gesetz.

(Beifall SPD)

Meine Fraktion wird auch in der folgenden Wahlperiode an der freiwilligen Gemeindegebietsreform anknüpfen, das Prinzip der Freiwilligkeit hat sich bewährt – das haben wir gesehen – und wir werden diese Gemeindezusammenschlüsse auch weiter unterstützen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Neugliederungsgesetz und zur vorliegenden Beschlussempfehlung durch den Innenausschuss. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Henke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, werte Gäste, werte Bürgermeister, VG-Chefs, der Gesetzentwurf der Thüringer Landesregierung stellt bei vielen der darin geregelten Neugliederungen tatsächlich ein Schuldentilgungsprogramm dar, mit dem schwere Fehler der bisherigen wie der jetzigen Landesregierung retuschiert werden sollen. An dieser Stelle muss ich sagen, da gebe ich Herrn Fiedler vollkommen recht: Wir hatten uns mal ein Leitbild gegeben, in dem Effizienz, Kosteneinsparung und Freiwilligkeit drinstanden. Was wir haben, ist: Die Kosten explodieren. Man sieht es an den Summen, die hier eingestellt werden. Was da zum Teil für Summen für die Gemeinden gezahlt werden, ist schon sehr fragwürdig.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch gut angelegtes Geld!)

An dieser Stelle will ich die Gemeindefusion der Stadt Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis mit einer stolzen Pro-Kopf-Verschuldung von 3.960 Euro je Einwohner hervorheben. Im Landesdurchschnitt beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung 543,96 Euro. Ähnlich sieht es bei der Gemeinde Isseroda im Weimarer Land aus – Pro-Kopf-Verschuldung hier: 3.295 Euro. Hier haben die Thüringer Landesregierung und die ihr unterstehende Rechtsaufsicht seit Jahrzehnten versagt, was ich hier ausdrücklich betonen möchte.

Es bleibt dabei, dass sich die AfD-Fraktion freiwilligen Neugliederungen nicht verschließt. Ich weise aber darauf hin, dass die Kosten dafür letztendlich von allen Steuerzahlern in Thüringen getragen werden.

Keinesfalls zustimmen kann meine Fraktion der von der Landesregierung beabsichtigten Neugliederung der Städte Greußen und Großenehrich sowie der Gemeinde Wolferschwenda und der Landgemeinde Greußen beim Fortbestand der bisherigen Verwaltungsgemeinschaft „Greußen“ im Kyffhäuserkreis. Es haben sich sieben Gemeinden der bisherigen Verwaltungsgemeinschaft „Greußen“ gegen die Strukturveränderung ausgesprochen. Deren Votum bleibt von der Landesregierung unbeachtet. Es soll nun also eine Stadt Greußen mit 6.053 Einwohnern und eigener Stadtverwaltung sowie eine Verwaltungsgemeinschaft „Greußen“ mit je 3.152 Einwohnern und eigener Verwaltung entstehen. Erinnern wir uns: Effizienz. Effizienz sieht anders aus, wenn ich doppelte Verwaltungsstrukturen habe.

(Beifall AfD)

(Abg. Scheerschmidt)

Wie hiermit im Sinne des berühmten Leitbilds der Thüringer Landesregierung zukunftsfähige, moderne, vor allem aber effiziente Verwaltungsstrukturen geschaffen werden sollen, vermag ein vernünftig denkender Mensch nicht zu begreifen. Warum nimmt nicht die künftige Landgemeinde Greußen die Aufgabe als erfüllende Gemeinde für die in der Verwaltungsgemeinschaft „Greußen“ verbleibenden Gemeinden wahr? Das ist eine Frage, die nicht beantwortet wird.

Genauso verhält es sich bei der Neugliederung der Stadt Kölleda bei Fortbestand der Verwaltungsgemeinschaft „Kölleda“ im Landkreis Sömmerda. Eine dann bestehende Stadt Kölleda mit 6.455 Einwohnern und die daneben bestehende Verwaltungsgemeinschaft „Kölleda“ mit 4.032 Einwohnern ziehen auch zwei vorzuhaltende Verwaltungsstrukturen mit Mehrkosten und keinem Gewinn an Effizienz nach sich. So musste die Stadt Kölleda erst kürzlich eine Haushaltssperre ausbringen. Warum nimmt die Stadt Kölleda nicht künftig die Aufgabe als erfüllende Gemeinde für die in der Verwaltungsgemeinschaft „Kölleda“ verbleibenden Gemeinden wahr?

Ich muss jetzt noch mal fragen: Einzelabstimmung der einzelnen Paragrafen ist von der CDU-Fraktion angefragt worden, habe ich das vorhin richtig verstanden? Dann werden wir uns diesem Antrag nicht verwehren und werden die Einzelabstimmung mit begleiten. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Abgeordneter Adams das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, liebe Landrätinnen und Landräte, Bürgermeisterinnen, die Sie zu dieser Debatte – bitte?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Bürgermeis- ter sind auch da!)

Und Bürgermeister. Sie haben das Sternchen, das ich gesprochen habe, sicherlich gehört. Und ich weiß gar nicht, ob Sie mich unterbrochen hätten, wenn ich Bürgermeister gesagt hätte. Sie hätten bestimmt nicht gesagt, Bürgermeisterinnen sind auch da.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also alle „Bürgermeister*innen“ sind hier ganz herzlich begrüßt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist ein guter Tag für die Zukunftsfähigkeit Thüringens und für die zukunftsfähigen kommunalen Strukturen. Wir haben in dieser Legislatur – Wolfgang Fiedler hat das ja vorhin auch gesagt – viel gelernt. Es war auch wichtig, dass wir diesen Lernprozess durchlaufen haben. Wir haben aber nicht nur viel gelernt, sondern wir haben auch viel geschafft. In dieser Legislatur sind fast 400 Gemeinden neu gebildet worden, 900.000 Menschen leben damit in neuen zukunftsfähigen Strukturen. Und damit man das einordnen kann: Das sind 40 Prozent der Thüringer Bevölkerung.

Was diese Landesregierung auf dem Gebiet der Gemeindezusammenschlüsse geschafft hat, ist mindestens – diplomatisch ausgedrückt – beachtlich, wenn nicht sogar grandios zu nennen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Rot-Rot-Grün haben nicht nur viel gelernt, sondern in Thüringen haben alle zusammen viel gelernt. Man kann es auf die kleine einfache Formel bringen: Zusammen geht es besser. Denn die Herausforderungen, die auf unsere Gemeinden, aber auch Landkreise, auf die gesamte kommunale Familie zukommen, sind immens. Ich will nur zwei nennen, die wir alle kennen. Das ist einmal der demografische Wandel und das Zweite ist die Digitalisierung. Will man eine moderne, praktische, für die Leute da seiende kommunale Verwaltung anbieten, dann werden wir das in Zukunft nur mit einer digitalisierten Verwaltung machen können. Diese Projekte umzusetzen, das weiß jede und jeder, die und der das schon jemals probiert hat, braucht viel Kraft, braucht viel Kompetenz und es macht keinen Sinn, wenn man alle 15 Kilometer voneinander entfernt diese Aufgabe selbst noch einmal löst, sondern zusammen geht es weiter. Wir werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Prozesse in jedem Fall immer wieder unterstützen.

Obwohl es sich erwiesen hat, dass es zusammen weiter und besser geht, fragen mich viele Menschen aber immer noch: Warum sind größere Gemeinden denn eigentlich besser? Das ist ja auch hier eben noch einmal kritisiert oder infrage gestellt worden. Ich werde nicht müde, immer wieder mein Thüringenbeispiel dafür zu nehmen: Wir alle wissen, in Thüringen wird gern gegrillt. Es ist bei den Pro-Kopf-Kosten ein Riesenunterschied, ob Sie für 5 Personen grillen oder für 500 Personen den Grill anwerfen. Es ist ein Riesenunterschied, ob Sie ein

(Abg. Henke)

mal grillen und sich einen – ich will hoffen – ordentlichen Grill, ordentliche Holzkohle kaufen. Ganz entscheidend ist das Grillgut. Dazu gehören immer Gemüse und natürlich Bratwurst und Rostbrätel, Brot und Brötchen, Senf, Ketchup und was man sich sonst alles noch draufmachen will. Wenn Sie das alles einmal kaufen, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, bezahlen Sie viel mehr pro Kopf. Es macht Sinn, sich zusammenzutun – und nicht nur beim Grillen. Und das ist der Weg dieser Thüringer Landesregierung in den letzten fünf Jahren gewesen, gerade im ländlichen Raum, gerade vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen eben keine Zwangsehen zu fordern,

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Zwangsgril- len!)

sondern das gute Beispiel vorangehen zu lassen. Wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt ein weiteres gutes Beispiel sehen, wo nämlich eine kreisfreie Stadt und ein Landkreis zusammengehen werden. Und das wird beispielgebend für Thüringen sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aber noch einmal kurz auf die Konflikte, die es durchaus auch in diesem Gesetz gibt, eingehen. Es ist uns allen klar, dass – ich nehme in der Kürze der Zeit nur ein Beispiel heraus – Großrudestedt heute sagt, wir möchten das nicht mehr. Aber man muss sich immer die Frage stellen, wie es begonnen hat. Zwölf Gemeinden haben uns nach Großrudestedt eingeladen und haben uns gebeten, bitte nehmt uns in das Gesetz auf, bitte fügt uns zusammen. Es war die CDU-Fraktion, die beim ersten und zweiten Gemeindeneugliederungsgesetz immer wieder kritisiert hat, warum diese beiden VGs nicht zusammengehen dürfen. Und wir haben uns dazu entschlossen, gerade nach einem Gespräch – Kollegin Scheerschmidt hat davon gesprochen –, als wir – ich glaube, es war vor einem Jahr – dort vor Ort waren und alle gesagt haben, bitte nehmt uns auf, wir wollen gemeinsam die Zukunft gestalten. Es ist traurig für mich gewesen – und ich habe viele Gespräche danach geführt –, dass eine Gemeinde dann ausgestiegen ist. Aber soll man heute elf Gemeinden, die gemeinsam gehen wollen, enttäuschen, um es einer Gemeinde recht zu machen? Und was geschieht mit der Gemeinde Großrudestedt, die heute in einer VG ist und morgen in einer VG sein wird? Es ändert sich für diese Gemeinde nichts. Deshalb hoffe ich darauf – und das ist angesprochen worden –, dass das viele Geld, das wir in den kommunalen Raum, in die kommunale Familie geben, gut angelegt sein wird, auch zum Wohle der gesamten dann neuen

VG und auch zum Wohle der Gemeinde Großrudestedt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Kuschel das Wort.

Frau Präsidentin, wir haben uns auf eine Halbierung der Redezeit geeinigt, deshalb habe ich nur 9 Minuten. Da ist es schwierig, auf die hier schon thematisierten Einzelfälle im Detail und auch auf die Notwendigkeit der Reform und dergleichen einzugehen. Dazu haben aber die Vorredner schon Ausführungen gemacht.

Ich will also nur noch mal darauf verweisen: Uns ist bewusst, dass es in allen drei Gesetzen Neugliederungen gibt, die nur Zwischenlösungen sein können. Insofern verstehen wir hier auch die CDU nicht. Ihr Fraktionsvorsitzender hat hier erst gestern wieder eine Bestandsgarantie für alle abgegeben. Wer das macht, will dieses Land nicht zukunftsfähig machen. Wenn es nach der CDU gegangen wäre, hätten wir jetzt weiter Kleinstaaterei und die Gemeinden könnten nicht mal ansatzweise auf die neuen Herausforderungen reagieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Freiwilligkeit heißt das!)

Deshalb: Wer dieses Land regieren will, muss sich diesem Reformprozess weiterhin stellen.

Und klar, wir standen vor der Entscheidung: Lassen wir Zwischenlösungen zu? Und wir haben uns in der Koalition und auch in Kooperation mit der Landesregierung entschlossen, dass Zwischenlösungen möglich sind, weil Zwischenlösungen immer dazu dienen, meist emotionale Dinge, die vor Ort auftreten, zu berücksichtigen, die Leute mitzunehmen, weil solche Reformen gegen die Akteure – das hat sich herausgestellt – nicht mehr umsetzbar sind. Deswegen tragen wir auch als Fraktion das Grundkonzept und auch die Fortsetzung dieser Freiwilligkeit nach der Landtagswahl mit. Wenn sich die Hälfte der Gemeinden neugegliedert hat, heißt das im Umkehrschluss, die andere Hälfte noch nicht. Und dieses Nebeneinander wird es dauerhaft sicherlich nicht geben können. Aber ich habe schon Signale aus Gemeinden, dass sie sehr wohl die Landtagswahl abwarten und sich dann auch mit Neugliederungsprojekten an den neuen Landtag wenden werden. Ich will deshalb gleich auf die ein

(Abg. Adams)

zelnen Dinge eingehen, die sowohl hier in der Debatte vorgebracht wurden, aber die wir auch im Gesetzgebungsverfahren alle verfolgt haben.

Schlotheim: Also das ist ein Skandal, den die CDU zu vertreten hat. Uns jetzt vorzuwerfen, dass wir dieser Region wieder eine Zukunft geben, die seit 20 Jahren verbaut war, ist eine „Sauerei“. Ich darf noch mal darauf verweisen: Es war die CDU, die ein hochspekulatives Finanzkonzept zur Betreuung

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das waren SPD‑Bürgermeister! Lügen Sie nicht so rum!)

aber die CDU hat die Landesregierung geführt – und Bewirtschaftung des dortigen Wohnungsbestands auf den Weg gebracht hat und einer Kleinstgemeinde gestattet hat, einen Hotelbetrieb, ein Sporthotel mit großen Sportanlagen zu betreiben. Und das ging völlig schief – völlig schief.

(Unruhe CDU)

Und jetzt sind 35 Millionen Euro als Verbindlichkeiten aufgelaufen. Ich bin insbesondere der Landesregierung dankbar, dass es noch gelungen ist, das in den letzten Tagen vertraglich so zu gestalten, dass jetzt wieder eine Chance besteht. Uns ist bewusst, dass es viel Geld ist. Wir haben ein anderes Beispiel, Masserberg, da haben wir auch schon viel Geld reingesteckt, weil dort Fehlentscheidungen getroffen wurden, immer in Kooperation von Kommunalpolitikern und Landespolitikern. Aber bitte machen Sie das der jetzigen Landesregierung oder jetzigen Koalition nicht zum Vorwurf. Jetzt besteht endlich wieder eine Chance für eine gesamte Region und ohne diese 35 Millionen Euro gäbe es diese Chance nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Die Entscheidung haben wir zu treffen.