Und dann muss ich mal eins sagen: Sie dürfen auch nicht vergessen, welche Ungerechtigkeiten diese Erhebungspraxis bisher auch im Detail mit sich brachte. Ich habe hier ein Schreiben einer Bürgerin, die weist auf ein ganz spezielles Thema hin, nämlich die Art und Weise, wie den Menschen, den Betroffenen auch verleidet worden ist, in Widerspruch zu gehen. Da stand nämlich immer im Bescheid, wenn man darauf hingewiesen hat, dass es eine Widerspruchsmöglichkeit gibt, dass es auch mit Verfahrenskosten verbunden ist. Und bei den Verfahrenskosten hieß es dann: Bleibt der Widerspruch erfolglos, tragen Sie die Verfahrenskosten in Höhe von zwischen 30 Euro und 3.000 Euro. Jetzt versetzen Sie sich mal in die Lage eines Bewohners im ländlichen Raum. Sein Grundstück mit dem Häuschen ist vielleicht 30.000 Euro wert, weil es schon ein bisschen älter ist – das ist gar nicht so unüblich –, und dann bekommt er eine Kostenandrohung für den Fall, dass er sein Recht in die Hand nimmt, in Höhe von 10 Prozent des Wertes seines Grundstücks. Das ist doch die wahre Ungerechtigkeit und die gilt es abzuschaffen!
Deswegen, meine Damen und Herren, sind wir auch für diesen Gesetzesentwurf, auch wenn er von den rot-rot-grünen Koalitionären kommt, auch wenn er defizitär ist. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass wir an die Bestandskraft bzw. die fehlende Bestandskraft der Bescheide anknüpfen und damit auch ein für alle Mal alle Streitigkeiten der Vergangenheit abräumen. Das wäre möglich gewesen, das wäre auch finanzierbar gewesen.
Das hätte eine entsprechende haushaltspolitische Prioritätensetzung benötigt, da gebe ich Ihnen völlig recht. Und wo wir das Geld hernehmen, Herr Adams, da haben Sie doch nicht den leisesten Hauch eines Zweifels. Das wissen Sie doch ganz genau, das brauche ich Ihnen doch hier nicht erzählen.
Stichwort „Budget minderjährige unbegleitete Flüchtlinge“ – 70 Millionen Euro allein für diese Gruppe. Da sage ich Ihnen klipp und klar: Dieses Geld hätten Sie besser in die Infrastruktur und in die soziale Gerechtigkeit für die eigenen Leute investiert, zum Beispiel in die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind Kinder und Ju- gendliche, über die Sie reden!)
Also, es hätte diese Möglichkeit gegeben. Und die Tatsache, dass Sie jetzt mit einem Entschließungsantrag um die Ecke kommen und sagen, na ja, so ein bisschen hat die AfD ja recht, es gibt da tatsächlich ein Ungerechtigkeitsproblem für die Fälle,
die momentan noch sozusagen in der rechtlichen Abwicklung sind, und für die machen wir jetzt schnell einen Härtefall auf, damit es nicht ganz so nach AfD klingt, das, meine Damen und Herren, ist doch eine wirklich ganz, ganz wacklige Brücke, die Sie sich da gebaut haben, gerade auch angesichts der Tatsache, dass Sie es gar nicht mehr verantworten müssen. Denn wir wissen doch eins: Nach dieser Landtagswahl haben Sie doch keine Mehrheiten mehr. Da müssen Sie sich um den Kram doch nicht mehr kümmern.
Also nehmen Sie es mir nicht übel, damit versuchen Sie noch mal, die Leute zu täuschen. Ehrlicher wäre es gewesen, eine ordentliche Regelung an die Bestandskraft zu knüpfen. Und dann hätten Sie das Thema ein für alle Mal abgeräumt. So haben wir es vorgeschlagen. Sie haben es nicht nachvollzogen. Wir werden Ihnen trotzdem zustimmen, weil die Regelung, die Sie vorgeschlagen haben, mit allen Defiziten immer noch besser ist als das, was momentan Gesetzeslage ist. Danke schön.
Kollegen, erlauben Sie mir, dass ich den eben gehaltenen Beitrag ganz kurz kommentieren darf. Das ist eine bedrückende Dokumentation von Selbstüberschätzung und Größenwahn gewesen.
Zudem ist sie von kompletter Faktenfreiheit und Inkompetenz gezeichnet gewesen. Wer in diesem Thüringer Landtag erzählt, dass er vor drei Jahren Vorschläge zu den Straßenausbaubeiträgen gemacht hätte, an denen sich alle orientiert hätten – mit Blick darauf, dass ich hier Ordnungsrufe bekommen kann, sage ich nicht, was das bedeutet.
Vielen Dank, dass ich die Möglichkeit habe, das zu sagen: Das ist nicht Mut, das ist grobe Dummheit!
Es ist grobe Dummheit, den Menschen zu erzählen, dass Sie hierherkommen mussten, um über die Kommunalabgaben zu diskutieren. Dieser Landtag sucht nach einer Möglichkeit, solange es diese kommunalen Abgaben gibt. Und dafür braucht Sie keiner und auch bei der Wahl braucht Sie keiner.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Freistaat Thüringen nimmt mit diesem Gesetz viel Geld in die Hand, um einen großen Streitpunkt in der kommunalen Familie und vor Ort endlich abzuschaffen. Wir folgen damit erfolgreichen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Berlin und auch Mecklenburg-Vorpommern. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist das Wichtigste: Wir entlasten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von der Sorge, dass sie ihre Miteinwohner – die Bürgerinnen und Bürger ihrer Gemeinde – mit diesen Beiträgen belasten müssen. Ob sie es wollen oder ob sie überhaupt finanziell dazu gezwungen sind oder nicht. Sie mussten die Bürgerinnen und Bürger belasten, und das war schwer für jede einzelne Bürgermeisterin und jeden einzelnen Bürgermeister.
Es ist richtig, dass wir heute damit aufhören. Heute, wo wir die Möglichkeit haben, damit aufzuhören, ergreifen wir die Gelegenheit, auch endlich Schluss damit zu machen. Damit ist eigentlich alles Wesentliche zu diesem Gesetz gesagt, das wir lange diskutiert haben. Es war kein Schweinsgalopp, Kollege
Fiedler, es ist lange diskutiert worden, es ist reiflich überlegt worden. Wir haben große, breit aufgestellte Runden mit allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses geführt, wir haben den Gemeinde- und Städtebund – den ich ganz herzlich grüße, Herrn Rusch und Herrn Schäfer – in die Debatte mit einbezogen und wir haben lange genug darüber diskutiert. Deshalb ist dazu eigentlich alles gesagt.
Ich muss allerdings noch mal ganz kurz zur CDU kommen, weil mich das wirklich auch bedrückt. Die CDU hat – ich meine – viele Jahre zu Recht gesagt, dass sie die kommunalpolitische Kraft, die kommunalpolitische Partei mit einer hohen kommunalpolitischen Verankerung ist. Ich glaube, die Debatte des heutigen Vormittags und die Debatte zu diesem Gesetz lassen mindestens Zweifel daran aufkommen. Das erklärt auch ein bisschen, warum wir in Thüringen so viele Jahre Ihrer Regentschaft im kommunalpolitischen Bereich nicht mehr vorwärtsgekommen sind – nicht bei den Gemeindefusionen, aber auch nicht bei Lösungen wie dem Kommunalabgabengesetz –, weil Sie nämlich alle, jeder Einzelne, immer Vertreter eines Partikularinteresses waren: das Interesse eines Landkreises gegen eine Stadt oder von fünf Gemeinden oder einer VG gegen die andere VG, wie Sie heute Morgen dokumentiert haben. Sie haben heute Morgen im zweiten Tagesordnungspunkt doch nicht eine getrennte Abstimmung gefordert, um die Koalition unter Druck zu bringen, weil wir an irgendeiner Stelle nicht einig waren. Sie haben eine getrennte Abstimmung gefordert, um Ihr uneinheitliches Abstimmungsbild zu dokumentieren, weil jeder Einzelne von Ihnen zu Hause sagen wollte: Da habe ich aber nicht zugestimmt, hier habe ich aber nicht Ja gesagt, da habe ich mich enthalten. Wenn sich zu einem Abstimmungspunkt die Mehrheit enthalten kann, drei Abgeordnete dafür sprechen können und einer sogar dagegen sprechen kann: Was ist das für eine Fraktion und welche Orientierung geben Sie der kommunalen Familie?
aber Sie geben keine Orientierung mehr, Sie haben keinen Plan für Thüringen und insbesondere nicht für den ländlichen Raum, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Genauso ist es auch bei diesem Tagesordnungspunkt. Die CDU hat ihrem Positionspapier den Startschuss gegeben und hat gesagt, okay, wir sind bereit, über unseren Schatten zu springen; das erkenne ich an. Sie haben gesagt: Wir sind bereit, über unseren Schatten zu springen, wir wollen diese Straßenausbaubeiträge abschaffen und wollen darüber mit dem Ministerpräsidenten in die Diskussion kommen.
Am 12. Oktober hat Ihr Fraktionsvorsitzender und Parteivorsitzender einen Brief geschrieben. Und wenn Wolfgang Fiedler sagt, dass die Fakten und Daten in diesem Brief – in dem Positionspapier – dazu gedacht waren, wenn man den Brief am 12. Oktober schreibt, dass wir am 31.12. mit einem Gesetzgebungsverfahren zu dieser Thematik fertig sind, dann muss ich sagen: Sie wollen uns den Bären aufbinden, das müssen Sie ein anderes Mal probieren, aber nicht hier bei dieser Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da stimmt etwas vorn und hinten nicht. Sie haben einen Vorschlag gemacht, wir haben ihn aufgenommen, wir haben gemeinsam diskutiert, wir haben den Gemeinde- und Städtebund mit eingebunden und heute ist das Ergebnis da. Ich finde es klein, ich finde es ausdrücklich klein, dass die CDU-Fraktion hier im Thüringer Landtag kneift, hier auch eine eindeutige Position zu übernehmen, indem Sie sich enthalten. Wolfgang Fiedler hat es Ihnen allen vorgemacht – Sie hätten ihm folgen sollen –, als er gesagt hat: Nach dieser langen Debatte, nach reiflicher Überlegung muss man jetzt auch Ja sagen. Aus wahlkampftaktischem Kalkül werden Sie sich heute enthalten, und das ist klein und das dient nicht dem ländlichen Raum, es dient nicht der Zukunft Thüringens, es dient auch nicht dem Ansehen der Politik in diesem Land. Vielen Dank.
Sehr geehrte Vorsitzende, sehr geehrte Abgeordnete, werte Gäste auf der Tribüne und mit Sicherheit sehr viele heute am Livestream zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes!
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Präsi- dentin sitzt da oben, keine Vorsitzende. Nur zur Erklärung!)
Vielen Dank, Herr Fiedler. Wenn wir Sie nicht hätten! Ich weiß gar nicht, wie das nächste Parlament ohne Sie auskommen wird.
Herr Kuschel hat bereits ausführlich über das Gesetzgebungsverfahren gesprochen und Herr Dittes hat es auch schon dargelegt. Es war schwierig, es war eine sehr lange Diskussion und wir hatten eine Arbeitsgruppe, in der die Vertreter aller demokratischen Parteien und auch des Gemeinde- und Städtebundes am Tisch saßen – und es wurde auch schon gesagt, dass hier innerhalb der Thüringer Kommunen auch nicht unbedingt Einigkeit besteht, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Auch hier wurde kontrovers diskutiert.